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Praxisbeispiele aus zwei weiterführenden Schulen in nRW
Neulich beim Gesundheitstag
„Wir möchten gerne einen gesundheitstag für die lehrkräfte an unserer Schule
veranstalten – können Sie uns weiterhelfen?“ bei derartigen Anfragen an die
gEW unterstützt das Referat l gerne mit Konzepten, Empfehlungen für Refe­
rentinnen und gegebenenfalls mit eigenen Vorträgen und Workshops. Zwei
beispiele zeigen im Folgenden, wie unterschiedlich Schulen für einen gesund­
heitstag aufgestellt sind.
Foto: fotolia.com
Vernünftiger Umgang mit Ressourcen
An einer weiterführenden Schule wird je­
mand für das Eingangsreferat beim Gesund­
heitstag für das Kollegium gesucht – hier
hilft die GEW NRW! Auf die zuständige Kol­
legin des Referates L wartet vor Ort eine
angenehme Überraschung: Im renovierten
Schulgebäude gibt es beispielsweise einen
schön möblierten Ruheraum für Lehrkräfte.
Im Lehrerzimmer ist in den Pausen keine Schü­
lersprechzeit. Ein Vertretungskonzept sichert
die gleichmäßige Belastung des Kollegiums.
Stellwände zeigen die Ergebnisse von Schüler-
Gesundheitsprojekten. Der Tag selbst ist gut
organisiert mit Workshops – unter anderem
zu Life-Kinetik, Burn-out, Stimmtraining oder
Schulrecht und zu gesundheitsförderlichen As­
pekten von Arbeitszeit.
Im Vorgespräch mit der Fortbildungsbeauf­
tragten und der Schulleitung stellt sich heraus,
dass das Kollegium – trotz förderlicher Bedin­
gungen in der Schule selbst – unter der zuneh­
menden Arbeitsverdichtung leidet, vor allem
ältere KollegInnen fühlen sich überlastet. Die
Neueingestellten zeigen wiederum ein nahezu
bedenklich hohes Engagement. Die Angebote
des Gesundheitstages sollen für Interventions­
und Präventionsaspekte sensibilisieren. Für den
Eingangsvortrag sind folgende Schwerpunkte
vorgesehen: Belastungsaspekte von Schule,
konkrete Auswirkungen auf körperliche und
psychische Gesundheit sowie Maßnahmen des
Arbeitgebers und in der Schule, aber auch die
eigene Prävention von Überlastung, Burn-out
und Krankheit. Die Schulleitung reagiert al­
lerdings unerwartet: „Bitte vergraulen Sie mir
nicht die jungen Kolleginnen und Kollegen
– ich bin ja froh, dass die sich so engagieren!
Können Sie das nicht weglassen?“
Es bedarf einiger Ausführungen, um zu
erläutern, dass genau das zu kurz gedacht ist:
Im Rahmen der Fürsorgepflicht muss schon
zu Beginn der Lehrerlaufbahn auf einen ver­
nünftigen Umgang mit Ressourcen hingewirkt
werden, damit engagiertes Arbeiten auch bis
zum gesetzlichen Renten- und Pensionsalter
denkbar ist. Und entsprechende Rahmenbedin­
gungen sind für alle wichtig! Der Vortrag – wie
geplant gehalten – stößt auf großes Interesse
im Kollegium. Die Fortbildungsbeauftragte be­
richtet mir später, dass der Tag insgesamt sehr
positiv vom Kollegium aufgenommen wurde
und in diesem Sinne an der Schule weitergear­
beitet werden soll.
Mehrarbeitserlass hat Schutzfunktion
In einer anderen weiterführenden Schule
entpuppt sich das auf der Homepage als
charmant historisch beschriebene Gebäude
als Langzeitrenovierung: herabhängende of­
fene Kabel in den Gängen, deutlicher Sanie­
rungsbedarf – vor allem auf den Toiletten –,
Uraltmobiliar, ein viel zu enges Lehrerzimmer.
Wenn man im Vortragsraum den Laptop
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anschließt, fliegt die Sicherung heraus – die
Steckdose ist nicht geerdet. Vom Betriebsärzt­
lichen Dienst für Lehrkräfte in NRW (BAD)
und der Möglichkeit sogenannter Bedarfs­
begehungen auf Anfrage hat noch niemand
etwas gehört.
Auf den Vortrag am Vormittag zur Lehrer­
gesundheit folgen Informationen zu COPSOQ
– die Schule gehört zum Teilnehmerkreis.
Das Kollegium ist anschließend sensibilisiert
für Gesundheitsaspekte und offen für das
Anpacken von Belastungen. Am Nachmittag
geht es um Mehrarbeit und gesundheitsför­
derliche Arbeitszeitkonzepte. Schulrechtliche
Informationen aktualisieren die vorliegenden
Kenntnisse und klären Missverständnisse.
Dann tun sich – insbesondere für ein Perso­
nalratsmitglied – allerdings Abgründe auf: Es
gibt kein Vertretungskonzept. Die Verteilung
von Mehrarbeit ist undurchsichtig. Zustehen­
de Ermäßigungen werden zum Teil nicht
berücksichtigt, da sonst der Unterricht nicht
abgedeckt werden könne! Auf der To-do-Liste
rückt die sofortige Beseitigung dieser rechtlich
nicht zulässigen Situation auf Platz 1! Hier
wird deutlich: Schulleitung und Kollegium ma­
chen sich ein Problem zu eigen, das sie nicht
verursacht haben. Wenn keine ausreichende
Vertretungsreserve bereitsteht, kann die Stun­
dentafel unter Umständen nicht abgedeckt
werden. Der Mehrarbeitserlass hat eine ein­
deutige Schutzfunktion vor Überlastungen.
Das viel beschworene Postulat „Es darf kein
Unterricht ausfallen!“ steht nirgendwo! Die
To-do-Liste wächst um konkrete Arbeitsaufträge
für Schulleitung, Lehrerrat sowie Lehrerkon­
ferenz und wird komplettiert um die Anfrage
beim BAD nach einer Schulbegehung.
Die KollegInnen zeigen sich zufrieden mit dem
Tag und gestärkt für die anstehenden Aufgaben.
Ein Anfang ist gemacht!
Barbara Inhoff
barbara inhoff
Mitglied im Referat L (Arbeits­
und Gesundheitsschutz) und
K (Gewerkschaftliche Bildung)
sowie im HPR Förderschulen
der GEW NRW
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