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bildung
Ausbildungs- und Prüfungsordnung berufskolleg
Zurück in die Zukunft
die landesregierung plant, die Rechtsgrundlagen und die Ausbildungs- und
Prüfungsordnung für die berufskollegs zum Schuljahr 2014/2015 neu zu
regeln. Eine umfassende oder gar ergebnisoffene beteiligung gab es im ge­
gensatz zur bisherigen Praxis nicht. Stattdessen teilte die landesregierung die
geplanten Änderungen den unterschiedlichen Akteuren lediglich mit. demnach
soll die bisher eigenständige Philosophie und abschlussbezogene Struktur des
berufskollegs durch die Einführung einer „Holding“ mit sieben abschließenden
Schulformen grundlegend verändert werden.
Ausgerechnet mit einem Rückgriff auf die
Schulformen der 1950er Jahre glaubt man,
die Herausforderungen der Zukunft meistern
zu können. Ausgerechnet unter der Regierungs­
verantwortung der SPD, die Anfang der 1970er
Jahre durch den Kollegschulversuch eine behut­
same Modernisierung der beruflichen Bildung
erst möglich gemacht hat. Ausgerechnet von
einer grünen Schulministerin, die sich bisher
vehement für ein integratives Schulsystem ein­
gesetzt hat und jetzt im Berufskolleg eine
Schulforminflation unterstützt.
Berufsbildenden Schulen drohen
Separation und Exklusion
Die ohnehin komplexe Struktur des Berufs­
kollegs wird durch das Vorhaben der Landesre­
gierung weder verbessert noch transparenter
gestaltet. Aus bisher fünf abschlussbezogenen
Anlagen, die den Deutschen Qualifizierungs­
rahmen (DQR) schon heute antizipieren, wer­
den sieben Schulformen mit einer Vielzahl
möglicher Unterschulformen in den geplanten
sieben Berufsbereichen.
Dieses Vorhaben konterkariert die bil­
dungspolitischen Grundsätze der rot-grünen
Koalition. Jugendliche in separierende Schul-
formen einzusortieren, ist mit dem Inklusions­
gedanken nicht in Einklang zu bringen. Zu
befürchten ist eine zunehmende Exklusion in
den berufsbildenden Schulen.
p us
Fachgruppe berufskolleg der gEW
nRW: Anregungen zur Änderung
der APO bK
Martin baethge/Volker
baethge-Kinsky: Zu Situation und
Perspektiven der Ausbildungs­
vorbereitung von Jugendlichen
mit besonderem Förderbedarf in
nRW. Eine explorative Studie an
ausgewählten berufskollegs
Hauptschulabschluss und Übergang in
Ausbildung werden erschwert
Die geplante Abschaffung der Berufsorien­
tierung verhindert bzw. behindert den mög­
lichen Erwerb des Hauptschulabschlusses.
Wie risikoreich die geplante Neuschneidung
ist, macht gerade das immer wieder bemühte
Gutachten von Prof. Dr. Baethge zur Ausbil­
dungsvorbereitung im Berufskolleg deutlich.
Es fordert an keiner Stelle die Einführung
einer neuen separierenden Berufsvorberei­
tungsschule. Mit einem Qualifizierungsbau­
stein-Curriculum und einer den Stundenplan
dominierenden Praktikumsphase ist die Ver­
mittlung eines Hauptschulabschlusses kaum
möglich.
Der Übergang in Ausbildung entspricht
einem unrealistischen Wunschdenken. Dabei
ist die geplante Einbeziehung der Betriebe
in die Ausbildungsvorbereitung durchaus
wünschenswert und im Übrigen ohne Novel­
lierung schon heute möglich. Die Dualisie­
rung jedoch als Universalkonzept zur Lösung
aller Probleme unversorgter benachteiligter
Jugendlicher anzusehen, erscheint illusionär.
Weder quantitativ noch qualitativ lassen sich
die hochgesteckten Erwartungen erfüllen.
Sinnvolle Anschlussperspektiven fehlen
Die bisherige Durchlässigkeit zwischen
dem Bildungsgang der beruflichen Grundbil­
dung und dem Bildungsgang, der zur Fach­
oberschulreife führt, ist nicht mehr erwünscht.
Die beiden neuen „einjährigen Berufsfach­
schulen“ zielen ebenfalls darauf ab, dass die
SchülerInnen im Anschluss eine Berufsaus­
bildung aufnehmen. Beide Schulformen blei­
ben ohne verbindliche Anschlussperspektive.
Weder Qualifizierungsbausteine noch Ausbil­
dungsbausteine werden faktisch angerechnet,
die Rede ist lediglich von einer „Anrechnungs­
ermöglichung“.
Foto: istockphoto.com
Nach dem Besuch der Sekundarstufe I
folgt bekanntlich die Sekundarstufe II – am
Gymnasium, an der Gesamtschule oder am
Berufskolleg. Das Berufskolleg eröffnet dabei
zurzeit mit FHR- und AHR-Bildungsgängen
alternative Optionen. Diese Bildungsgänge
sind berufskolleg- und berufsbereichübergrei­
fend sinnstiftender zu organisieren als die
geplanten, in sich abgeschlossenen Schul-
formen.
Abschlussbezogene Weiterentwicklung
statt neuer Schulformen
So richtig die Bildungsziele der Koalitions­
vereinbarung sind, so unterstützenswert ihre
Realisierung ist – eine Handlungsanleitung
zur Einführung von Schulformen im Berufs­
kolleg ist die Vereinbarung nicht. Statt der
Wiedereinführung von Schulformen wäre es
folgerichtig, die Gliederung in der Ausbil­
dungs- und Prüfungsordnung konsequent ab­
schlussbezogen weiterzuentwickeln und damit
die Anschlussfähigkeit der Bildungsgänge des
Berufskollegs weiter zu betonen.
Dietrich Mau
dietrich Mau
Fachgruppe Berufskolleg der
GEW NRW
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