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thema
Kants Überzeugung, dass rechtsstaatlich verfasste Demokratien dem Frieden
verpflichtet sind und dass es zur Erreichung dieses Ziels der Beobachtung und
BeurteilungderPolitikdurcheinemedial aufgeklärteÖffentlichkeitbedarf, fand
gute Resonanz: ZentraleDokumente von der globalen bis zur einzelstaatlichen
Ebene – etwadieUNESCO-Mediendeklarationund Landespressegesetze – knüp-
fen innerenwieäußeren Frieden tendenziell andiePressefreiheit undbegreifen
Qualitäts- als Friedensjournalismus. Sollten dieAusdifferenzierung desMedien-
systems und die Professionalisierung des Journalismus uns diesem Ziel nicht
erheblichnäher gebracht haben?
OhnedieVielfaltmedialerAufklärungs- und
staatsbürgerlicher Artikulationsmöglichkeiten
kleinreden zuwollen:DieProbleme liegenkom-
plizierter, scheinenmoderneMedien(systeme)
ihreAufklärungsleistungendochbeeindruckend
zu steigernund zugleich zuunterminieren. Vor
einemhalben Jahrhundert bereits konstatierte
Medienphilosoph Günther Anders, dass das
TV-System – Leitmediummoderner liberaler
Demokratien – einen entpolitisierenden In-
dividualisierungsschub nach sich ziehe. Die
„Dromologie“desGeschwindigkeitstheoretikers
PaulViriliokritisiertedentechnischenFundamen-
talismus desWestens wegen dessen „Tyrannei
derEchtzeit“, dieDemokratieundmenschliches
Handlungsvermögenaushebele.DerSchweizer
KulturphilosophHansSanerkritisiertdie–allem
inhaltlichenAufklärungsbemühenvorgelagerte
– „totalitäre“ Vermittlungsstruktur der audiovi-
suellenMedien, diepraktisch jederReziprozität
beraubtseien.SindnichtalsobestimmteMedien
eher demokratie- und friedensinkompatibel?
KeineZeit fürQualitätsjournalismus?
Ökonomisch begründete Einwände gegen
einen sachangemessenenUmgangderMedien
mit Krisen und Konflikten sind geläufiger. So
sorge dieGewinnorientierungprivaterMedien
für die bekannte „Schere imKopf“ der Journa-
listInnen, lasse investigativen Journalismus als
Luxus erscheinen, setze dieRedaktionenunter
Dauer-ZeitdruckunddünneweltweitdieKorre-
spondentennetze aus. Häufig erweise sich der
bewährteGrundsatz,nachdem jede Information
durchmindestens zwei voneinander unabhän-
gigeQuellenauf ihrenWahrheitsgehaltüberprüft
werden muss, mit dem Imperativ rascher Ver-
öffentlichungalsunvereinbar.Glücklicherweise
aber honoriert eine konkurrenzkapitalistische
Medienlandschaftauchwiderstreitendekonser-
vativeTendenzen–sprich:Qualitätsjournalismus!
UndglücklicherweisegibtesdenStaatwieMarkt
distanzierendenöffentlich-rechtlichenRundfunk!
Sollte nicht überhaupt der demokratische,
politisch-institutionelle Rahmen mit seiner
normativenOrientierung an Friede, Recht und
Menschenwürde den besten Schutz darstellen
gegendieDefizienzenderMedienentwicklung?
Dies ganz zu bestreiten, wäre leichtfertig, sich
daran zu beruhigen, aber voreilig.
Fotos: complize u. krachmaschine/photocase.de
Medienund Journalismus auf dem Prüfstand
Demokratie zwischenKrieg und Frieden
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