Es gibt nachweislich einen engen, interdependenten Zusammenhang
zwischender Qualität von Schule undder Gesundheit der in ihr lehrenden
und lernendenAkteure. Gute Schule hat über die Schulzeit hinaus einen
positiven Einfluss auf dieGesundheit ihrer SchülerInnenundBeschäftigten.
Gleichzeitig ist dieGesundheit der Lehrkräfte zentraleVoraussetzung für
dieGestaltungguter Lern- und Lehrbedingungen. HeinzHundeloh vonder
UnfallkasseNRW konstatiert: „Wer Qualitätwill, muss alsodieGesundheit
fördernundumgekehrt.“
InklusionundGesundheit
Motor für eine gesunde Schule
TrotzdesWissensumdieseZusammenhänge
istGesundheit in Schulegenerell ein vernach-
lässigtesThema.Esmuss–soHeinzHundeloh–
allgemeindavonausgegangenwerden, „dass
invielenSchulenLehrerInnenundSchülerInnen
eher eine hoch geforderte, wenn nicht über-
forderteStressgemeinschaftalseine fördernde
Lehr- und Lerngemeinschaft bilden“. Dies gilt
in besonderemMaße in Zeiten umfassender
Reformen, dieneueAnforderungenundeinen
Wandel bestehenderRoutinenundStrukturen
mit sich bringen.
Zieht man in Betracht, dass mit der Um-
setzung schulischer Inklusion weitreichende
VeränderungenschulischerKulturen,Strukturen
und Praktiken verbunden sind, wird deutlich,
dass gesundheitsrelevante Fragestellungen
vermehrtberücksichtigtwerdenmüssen.Bishe-
rigeErkenntnisseundErfahrungeneröffnen in
dieserHinsichtunterschiedlichePerspektiven.
Zwei dieser Perspektiven lassen sich einander
gegenüberstellen.
Inklusionnicht zurNegativspirale
werden lassen!
Aus der einen Perspektive erscheint Inklu-
sionals zusätzliche (zeitliche)Mehrbelastung
unddamitalsRisiko fürdieGesundheitderAk-
teureunddieQualität vonSchule. Lehrkräfte,
aber auchSchulleitungen sowiedas sonstige
pädagogischeundnicht-pädagogischePerso-
nal stehen zentralen Aufgaben gegenüber,
auf die sie sich imRahmen ihrer Ausbildung
nicht hinreichend vorbereitet sehen. Die
gemeinsame Beschulung von SchülerInnen
mit und ohne Behinderung stellt aus dieser
Sicht einemitunter psychischbelastendeund
überforderndeAufgabedar.Diesgeht einher
mit der Wahrnehmung einer Schieflage von
Anforderungen einerseits und mangelnder
Ressourcenund fehlenderUnterstützungsstruk-
turenandererseits. Lehrerin, Sonderpädagogin
und SupervisorinDr. SaskiaErbring konkreti-
siertbeispielhaftmöglicheBelastungsquellen
durch Inklusion aus Sicht der Lehrkräfte in
vier Bereichen:
◆◆
Organisationspflichten:AusbauvonKoopera-
tionsstrukturen; erhöhter zeitlicherAufwand
für Planungen offener Unterrichtsarrange-
ments und differenzierter Lernmaterialien;
vermehrteTermin-undTeamabsprachenetc.
◆◆
VerhaltenderSchülerInnen:Unterrichtenvon
SchülerInnen mit Förderbedarf im Bereich
LernenoderVerhaltenbeziehungsweisesozial-
emotionaler Entwicklung in heterogenen
Lerngruppen etc.
◆◆
Methodisch-didaktischeFähigkeiten:Vermehr-
teAufgaben zurBinnendifferenzierungund
Individualisierung unter Berücksichtigung
heterogener Lernbedürfnisse etc.
◆◆
Zusammenarbeit: InstallationvonTeamarbeit,
vermehrteAbstimmung von Zielen undAb-
sichten,AusbauvonKooperationenmitSchul-
sozialarbeiterInnen, SchulbegleiterInnenetc.
Gelingt es mittelfristig nicht, eine Balance
zwischen Anforderungen und Ressourcen zu
Parallel zur Einführung der Inklusion fand bei
uns dieCOPSOQ-Befragung statt. Daraus haben
sich drei Handlungsfelder ergeben. Erstens: der
Gesundheitsschutz im Schulalltag als Aufgabe
jedes und jeder Einzelnen sowieder Schule, zum
Beispiel durch einen Gesundheitstag. Zweitens:
dieGestaltungdes Arbeitsplatzes, etwa nach ei-
ner Begehung mit Unfallkasse und Arbeitsme-
dizinischemDienst (BAD) zurGebäudesituation.
Und drittens: die Meldung von Gefährdungen
an den Dienstherren durch Gefährdungs- und
Überlastungsanzeigen, Initiativanträge und Re-
monstrationen. Denn nur wenn Kollegien und
SchulenÜberlastungen konsequentmelden, kön-
nen diese die Inklusionwirksam unterstützen.
ChristianAgel, Lehrerrat ander
GesamtschuleWalsum inDuisburg
Seit 20 Jahren arbeiten wir integrativ. Verän-
dert haben sich die täglichen Auseinanderset-
zungen mit aggressivem Verhalten, mit Kindern
in schwierigen Lebenssituationen, mit dem An-
spruch auf individuelle Förderung. Immer wieder
treten Situationen auf, die uns stark belasten –
teils auch überfordern – und in denen wir das
Gefühl haben, nicht allen gerecht werden zu
können. Einen sehr hohen zeitlichen Einsatz er-
fordern deshalb die Gespräche mit Eltern, Ärz-
tInnen, TherapeutInnen, dem Hort, der Offenen
Ganztagsschule, der Schulleitung, im Klassen-
team. In dieser Situation braucht das Kollegium
vielfältige Unterstützung: einen Stundenplan,
der möglichst viel personelle Hilfe organisiert
und zusätzliches pädagogisches Personal für
Doppelbesetzungen vorsieht; eine bestmögliche
Planung der Klassenzusammensetzungen imGe-
meinsamenLernen; Fortbildung; schulinterneAb-
sprachenund einNetzwerk, das inNotfällenund
bei Fallberatungen hilft; SozialarbeiterInnen; ex-
terne Unterstützung durch Beratungsstellen,
TherapeutInnen oder der Kommunale Soziale
Dienst; eine gute Sachausstattung. Inklusion
braucht eingutes Teamunddieses Teambraucht
Zeit – und dafür bessere personelle Ressourcen.
RixaBorns, Vorsitzende der FachgruppeGrund-
schule der GEWNRW, Schulleiterin inMünster
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