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BILDUNG
Der Jahresbericht 2015des Landesrechnungshofes beschreibt kühl ein Problem,
das alleSachkundigen schon langebeschäftigt: DieOppositionereifert sichund
beklagterneutUnterrichtsausfall.DieMedienübensich inLehrerschelte.Vielleicht
gibtesdennochdieChance,Versäumnisseder letztenJahrepolitischzukorrigieren.
Landesrechnungshof bestätigt fehlende Lehrerstellen
Schlussmit der Heuchelei!
Der Landesrechnungshof hat festgestellt,
dasszweiDrittelderGymnasienunddreiViertel
der Realschulen in vier schwarz-gelbund zwei
rot-grünverantwortetenSchuljahrendie fürden
jeweiligenBildungsabschnitt festgeschriebene
Gesamtwochenstundenzahlnichterteilthaben.
Andere Schulformenwurdennicht betrachtet.
DasMinisterium für SchuleundWeiterbildung
(MSW)gabdaraufhin zuProtokoll, dassbereits
Anfangderneunziger JahrestrukturelleDefizite
festgestelltworden seien, diebis auf die soge-
nannteKienbaumlücke imWesentlichendurch
Standardabsenkungenbereinigtworden seien.
SeitdemstandenalleLandesregierungenvor
dem Problem, auf bildungspolitische Heraus-
forderungenbeigleichzeitigbegrenztenRessour-
cen reagieren zu müssen. „ImWesentlichen“,
sodasMSW „wurdendie für denSchulbereich
zur Verfügung stehenden Ressourcen in neue
bildungspolitischeMaßnahmen investiert, die
politisch gewollt waren und/oder der gesell-
schaftlichen beziehungsweise der demogra-
phischen Entwicklung geschuldet waren (...).“
25 JahreKienbaumlücke
ImRückblick sindvorallemdreiDokumente
von Bedeutung, um die Entscheidungen von
vor rund 25 Jahren zu verstehen: Die Orga-
nisationsuntersuchung im Schulbereich der
UnternehmensberatungKienbaum, der darauf
basierende „Bericht der Interministeriellen Ar-
beitsgruppe“ und das „Handlungskonzept der
Landesregierung zur effektiveren Gestaltung
der Schulorganisation und bedarfsgerechten
Zuweisung von Lehrerstellen“.
Foto: De-rusting/shutterstock.com
MöchtemandasheutigeDilemmaverstehen,
mussmannicht600SeitenKienbaum-Gutachten
lesen – es reicht das elfseitige Handlungs-
konzept der damaligen SPD-Landesregierung
vonNovember 1991: DasMinisterium konsta-
tierte sogenannte Unstimmigkeiten zwischen
den Relationen SchülerIn je Stelle einerseits
unddenbedarfsauslösendenVorgaben für die
Klassenbildung, die Schülerwochenstunden
unddie Lehrerpflichtstundenandererseits. Die
Lösung: Es wurdenMaßnahmen ergriffen, um
künftig die Planung und Deckung des Perso-
nalhaushalts für Schulen entsprechend der
haushaltswirtschaftlichenErfordernissestimmig
zu erhalten.
AusgleichaufKostender LehrerInnen
Es wurden unter anderem die Klassen-
größen angehoben, die Stundentafeln redu-
ziert und die Lehrerarbeitszeit erhöht – durch
eine 25-prozentige Kürzung der Anrechnungs-
stunden.DerGanztagszuschlagwurdeverringert
und die Ressourcen für die Lehrerfortbildung
vermindert. Das war Bildungsabbau und eine
massiveVerschlechterungderArbeitsbedingun-
gender LehrerInnen. ImdamaligenHandlungs-
konzept wurde formuliert, dass sichergestellt
werdenmüsse, dass „derStellenumfang fürden
Lehrerpersonalhaushalt nach den gegebenen
finanzpolitischen Rahmenbedingungen be-
stimmt werden kann und nicht vorab durch
stringente rechtsförmlicheAnsprüchebindend
festgelegt ist“. Es war ein Vorgehen, das sich
ausschließlich an finanzpolitischen Vorgaben
orientierte und dessen UrheberInnen vorga-
ben, so den Schulen künftig am Bedarf orien-
tiert Stellen zuzuweisen. Ein Trugschluss! Die
massiven Kürzungen reichten nicht aus – die
Kienbaumlücke entstand. Sie beschreibt die
Zahl der rechnerisch zusätzlich erforderlichen
Lehrerstellen,mitdenenalleBedarfsparameter
zu erfüllenwären.
Weiterhin fehlendeStellen
Nun wird – zum Beispiel vom Landesrech-
nungshof –noch immer beklagt, dass es rechts-
förmliche Ansprüche gebe, die nicht eingelöst
werdenkönnen.AlleLandesregierungen insämt-
lichenKonstellationenhabeneswissentlichdabei
belassen. ImErläuterungsband fürdenHaushalt
2016 desMSWwird deutlich, wie viele Stellen
fehlen.DieKienbaumlückebetrifft imSchuljahr
2016/2017 die Schulformen rechnerisch wie
folgt: Grundschule (0), Hauptschule (288), Re-
alschule (0),Gymnasium (994), Sekundarschule
(0),Gemeinschaftsschule (0),PRIMUS-Schule (0),
Gesamtschule (782), Förderschule/sonderpäda-
gogischeFörderung (61),Weiterbildungskolleg
(0) undBerufskolleg (1.386).
Wennmanwill, kannmandasändern.Dabei
ist dieÄnderungder Bedarfsparameter für die
SchülerIn-LehrerIn-Relation das geringste Pro-
blem. Fehlende Stellen, umUnterrichtsausfall
durch eine Vertretungsreserve zu verringern,
kommen zur Kienbaumlücke imÜbrigen noch
hinzu.DennmitdieseraktuellenDebattehatdie
alteKienbaumdebattenuramRande zu tun.
//
Michael Schulte
Geschäftsführer der GEWNRW
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