nds201509 - page 15

15
nds 9-2015
Schule verwalten oder gestalten:
Opfer oder Gestalter?
Schulentwicklungbedeutet nicht, zusätzlich zur laufenden
Arbeit besondereVorhabendurchzuführen. Sie dient vielmehr
dazu, dass die Schulemit internen Problemenundden
Veränderungen in ihremUmfeld zurechtkommt undfit für
dieHerausforderungender Zukunft ist. Sie gelingt nur dann,
wenn LehrerInnenund Schulleitung sichnicht alsOpfer fühlen,
die von anderen abhängig sind, sondern sich alsGestalter
auf das konzentrieren, was sie selbst verändern können.
Drei Modelle von Schulentwicklung lassen
sich unterscheiden – gekennzeichnet sind sie
durcheineunterschiedlicheTiefedesWandels:
DieOptimierung
Wenn Maßnahmen nicht die angestrebten
Wirkungenhaben,müssensieverbessertwerden.
Gibt es zum Beispiel Pannen im Vertretungs-
unterricht,mussdie InformationderVertretungs-
lehrerInnen verbessert werden.
DieZielrevision
Dass Ziele nicht erreicht werden, kann da-
durchbedingtsein,dasssieunterdengegebenen
Bedingungen nicht erreichbar sind. In diesem
Fallhilftesnicht,dieMaßnahmenzuverbessern;
vielmehrmüssendieZiele revidiertwerden. An
dieStelledesunrealistischenZiels „Wir vermei-
den Unterrichtsausfall zu 100 Prozent.“ tritt
dannzumBeispiel: „ImDurchschnittsollennicht
mehrals fünfProzentdesUnterrichtsausfallen.“
Diekulturelle Transformation
Manchmal könnenZielenurerreichtwerden,
wenn sich die mentalen Professions-, Unter-
richts- undMenschenbilderändern.Wennetwa
das Problem des Unterrichtsausfalls durch ein
Konzept der Lernzeiten aufgefangenwird, die
je nachGestaltungmehr oder weniger Lehrer-
wochenstunden erfordern, ändern sichmit der
Unterrichtsorganisation und dem Lehrkräfte-
einsatzzugleichdieRolleunddieAufgabender
LehrerInnen.EinesolcheTransformationkannnur
gelingen,wennderProzessalsSelbstentwicklung
erfolgt,dennMenschenkönnennichtverändert
werden. Sie können sich nur selbst verändern.
Orientieren sich Schulen andiesendreiMo-
dellen, dann legen sie selbst fest, welche Ziele
erreichbar sindundwelcheAufgabenVorrang
habensollen.Sieklären fürsich,welchenHeraus-
forderungen sie sich stellenwollenundwie sie
Überforderungenvermeidenkönnen.DieFolge:
Schulentwicklung ist immereinschulindividueller
Prozess und kann nicht durch generelle Auf-
trägeundVorschriftender zentralenSteuerung
erzwungenwerden.
Teufelskreise vermeiden
Dass die Steuerung hier systematisch an
ihreGrenzenstößt, kannTeufelskreiseauslösen:
WerdenAufträge des Schulministeriums nicht
odernicht fristgerechtdurchgeführt, erhöhtdie
Schulaufsicht den Druck auf die betreffenden
Schulen. Die Reaktion der Schulen: Weil die
Schulaufsicht den Druck erhöht, sind sie oft
nichtbereit,dieAufträgezuerfüllen.Umgekehrt
können auch die Schulen einen Teufelskreis
veranlassen:WeilSchulträgerundSchulaufsicht
nicht die erforderlichen Ressourcen zur Verfü-
gung stellen, sind sie nicht bereit, sich ihren
Problemen undHerausforderungen zu stellen.
Die Konsequenz für Schulträger und Schulauf-
sicht: Weil die Schulen nichts tun, stellen sie
auch keine Ressourcen bereit.
Insbesondere wenn Schulen in hohemMaß
vonEntscheidungenundRessourcenzuweisungen
durchdenSchulträgeroderdie -aufsichtabhängig
sind, ist dieGefahr groß, dass die Schulleitung
ihre Energien imKampfmit diesenbeidenauf-
reibt, stattsiewirksamundgesundheitsförderlich
für dieWeiterentwicklungder Schule zunutzen.
Gewiss: Esgehört zurVerantwortungder Schul-
leitung, möglichst konkret auf die schädlichen
FolgenunzureichenderRessourcenhinzuweisen.
Wenndasaber folgenlosbleibt, istessinnvoller,
die Ziele so anzupassen, dass sie unter den
gegebenen Bedingungen erreichbar sind, und
sich auf das zu konzentrieren, was die Schule
selbstgestaltenkann.AlsLeitgedankegiltdann:
„Es ist wie es ist – und es ist nicht gut. Was
machenwir daraus?“
RegionaleSchulnetzwerkebilden
Wie für einzelneLehrerInnen spieltKoopera-
tionauch für SchulenundSchulleitungen eine
zentrale Rolle: Gemeinsam geht es besser! An
die Stelle von Einzelkämpfertum treten dann
regionaleSchulnetzwerke,diesichwechselseitig
beraten,dieForderungenandenSchulträgerund
die Schulaufsichtmiteinander abstimmenund
diesichmitdenHerausforderungenderZukunft
gemeinsam auseinandersetzen. Das Ziel muss
dabei –gemäßderUN-Kinderrechtskonvention
–dasKindeswohl sein.Dasheißt: Schulemuss
Kindern und Jugendlichen ermöglichen, ihre
Potenziale zu entfalten und sich die Kompe-
tenzen für die Bewältigung ihrer künftigen
Berufs- und Lebensaufgaben anzueignen.
//
Foto: _jil_/ photocase.de
Adolf Bartz
Schulleiter des Couven
Gymnasiums Aachen a.D.
1...,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14 16,17,18,19,20,21,22,23,24,25,...40
Powered by FlippingBook