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nds 8-2015
BeratungundCoaching imVorbereitungsdienst
ZwischenAnspruch undWirklichkeit
Eine der zentralenNeuerungender Ordnungdes Vorbereitungs-
dienstes (OVP) von2011war die Einführungder benotungsfreien
personenorientiertenBeratungmit Coachingelementen. Dazu
sprachdie ndsmitWolfgangRömer, Fachleiter am Zentrum für
schulpraktische LehrerInnenausbildung (ZfsL) Dortmund, Seminar
für das Lehramt anGymnasienundGesamtschulen.
FachleiterWolfgangRömer
Foto: privat
Foto: 12frames/photocase.de
DGBundGEWNRW: Stellung-
nahme zur Änderungdes Lehrer-
ausbildungsgesetzes
DieLandesregierungwilldieLehrerInnenaus-
bildung inNRW„behutsamweiterentwickeln“.
In Fachleiterkreisen sieht man eine große
Diskrepanz zwischenAnspruchundWirklich-
keit.WelchesFazit ziehstdunachvier Jahren
verkürztemVorbereitungsdienst?
WolfgangRömer:
Allein die Tatsache, dass
erstmals inderNachkriegsgeschichte inNRWSe-
minarausbilderInnensystematisch imCoaching
aus- beziehungsweise fortgebildetwurden,war
zweifelsohneeindeutlicherFortschritt. Inhaltlich
hattediesunteranderem zurKonsequenz, dass
der alltäglicheUnterrichtmit all seinenProble-
men–wie zumBeispielUnterrichtsstörungen–
mehr in den Fokus der Beratung rückte.
DieentwicklungsförderndenPotenzialeeiner
benotungsfreien,personenbezogenenBeratung
drohen jedoch zu verpuffen, da eine Kommu-
nikation zwischenKernseminarleiterInnenund
FachseminarausbilderInnenüberdenStandder
Kompetenzentwicklung von Auszubildenden
vielfachkaummehr stattfindet. InderWahrneh-
mungvonAuszubildendenwerdendieFachsemi-
narausbilderInnentendenziellaufdiebenotende
Rolle reduziert.Währendbei realenProblemsitu-
ationen eherKernseminarausbilderInnenzurate
gezogenwerden,nutzenLehramtsanwärterInnen
(LAA) bei regulärenUnterrichtsbesuchen eher
Problemvermeidungsstrategien.
NacheinerUntersuchungvonProf.Christian
Reintjes von der Ruhr-Universität Bochum be-
ginntdieüberwiegendeMehrheitderLAA inder
Regel elf bis 15 Tage vor Unterrichtsbesuchen
mit der Vorbereitung. Dabei investieren sie16
bis 20 Stunden – vor allem in die Material-
findung sowie die Verschriftlichung des Ent-
wurfs. Dieser zeitliche Vorlauf verhindert
faktisch, die individuelle Lernausgangslage
vonSchülerInnenexakt zudiagnostizierenund
sie zum Ausgangspunkt von Unterrichtspla-
nung zu machen. Zwangsläufig wird damit
ein primär inhaltsorientiertes und nicht ein
kompetenzorientiertesUnterrichtenpraktiziert.
Letztlich führt dies zu einer Feiertagsdidaktik
beziehungsweise einer Lernzielakrobatik, die
wohl kaumgeeignet seinwird, alltagstaugliche
Lehrkompetenzen zu entwickeln.
Kern der Reform ist eine Orientierung an
StandardsundKompetenzen. InderSeminar-
ausbildungsoll beispielsweiseverstärktauf
InklusionunddenUmgangmitHeterogenität
gesetztwerden. Reicht das aus, umdie Leh-
rerInnenausbildungzukunftsfestzumachen?
Die jetzt vorgesehene Novellierung des
Kerncurriculumsbetont zuRechtdie richtungs-
weisende Bedeutung des Handlungsfelds V
„Vielfalt als Herausforderung annehmen und
als Chance nutzen“ für das Lehrerhandeln in
allenHandlungsfeldern. Leider ist nicht vorge-
sehen, dassmindestens einUnterrichtsbesuch
ineiner inklusivenLerngruppestattfindensollte.
Hiermüssten entsprechende Kompetenzen im
Teamteaching im Fokus stehen.
In der Rahmenkonzeption zur strukturellen
und inhaltlichenGestaltungdesPraxissemesters
ist dieVideografie imKontext vonUnterrichts-
analysenvorgesehen.EinekonsequenteFortfüh-
rungdieser Praxis imVorbereitungsdienst – so
wie es beispielsweise in Thüringengeschieht –
wäre fürdie Entwicklungeineralltagstauglichen
Lehrkompetenzsehrdienlich. Selbstverständlich
benötigenSeminarausbilderInnenauchentspre-
chendeFortbildungen, um imSinnedesneuen
KerncurriculumsundunterBerücksichtigungder
Videografie ausbilden zu können.
Das Aufgaben- und Tätigkeitsfeld der ZfsL
ist vielfältiger unddifferenzierter geworden.
Daskostet jedeMengepersonelleRessourcen.
DerEntwurffüreineneueFachleiterentlastung
ist auf heftigsteKritik gestoßen.Warum?
Die geplante Neuregelung der Vergabe
von Anrechnungsstunden für Seminarausbil-
derInnen ist invielerleiHinsichtproblematisch:
Die zurzeit vorgesehenen lehramtsspezifischen
Ausbildungsrelationen führen zu einer unglei-
chenBehandlungderFachleiterInnenderunter-
schiedlichenLehrämter,wasdurchdieabsurde
differenteUnterrichtsverpflichtungbedingt ist.
Da FachleiterInnen mitunter erheblich mehr
eigenenUnterricht leistenmüssen,werdenLAA
gezwungensein, sichbeiderPlanungvonUnter-
richtsbesuchennochmehrandieeingeschränk-
tenMöglichkeiten der SeminarausbilderInnen
anzupassen.Nicht zuletzt istausSichtderGEW
NRWdasgeplanteGesamtverfahrenzurBudge-
tierung über FachleiterInnen-LAA-Relationen
sowiezurFestlegungderVerteilungsmodalitäten
inderAnlageeinerVerordnung sehr kritisch zu
bewerten,weiles jederFormderMitbestimmung
entzogen ist.
DieFragen für diends stellteBertholdPaschert.
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