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YadVashem
GedenkenundErinnern in Israel
Wie gedenkt und erinnert die Nation, die durch
den Holocaust Millionen Menschenleben verlor?
Wie denken dieMenschen in Israel heute über die
Shoah?
Lotan Levin von der israelischen Delegation nach
Auschwitz erzählt: „Die einen sagen, die Shoah sei
so furchtbar undunmenschlichgewesen, dass daraus
nichts gelerntwerden könne. Das einzige, was zurück
bleibe, seien die persönlichenGeschichten jedes ein-
zelnen Opfers. Die anderen sagen, die Shoah sei ein
vonMenschenanMenschenbegangenes Verbrechen
gewesen. Deshalb gebe es viele Dinge, die daraus
gelerntwerden könnenundmüssen.“ Sounterschied-
lich diese beiden Perspektiven sind: Der Staat Israel
bietet den Menschen einen zentralen Ort für das
Gedenken und Erinnern.
Schon während des Zweiten Weltkriegs, als erste
Gerüchte über den industriellen Massenmord an
den europäischen JüdInnen in Zeitungen kursier-
ten, machte sich der ZionistMordechai Shenhavi im
Jahr 1942 ersteGedankenüber die Errichtung einer
staatlichen Gedenkstätte in Israel. Aus dieser Idee
sollte Jahre später die Gedenkstätte Yad Vashem
hervorgehen, die ihrenNamenaus einembiblischen
Zitat aus dem Buch des Propheten Jesaja ableitet:
„Und ihnenwill ich inmeinemHauseund inmeinen
Mauern ein Denkmal und einen Namen geben, (…)
der nicht getilgt werden soll.“
Die Errichtung der zentralen staatlichen Gedenk-
stätte wurde am 19. August 1953 durch das
„Gesetz zum Andenken an die Opfer und Helden“ be-
schlossen. Seit seiner Gründung auf dem „Hügel der
Erinnerung“ fühlt sich das Denkmal der Namen – so
die deutsche Übersetzung von Yad Vashem – den
vier Säulen der Erinnerung verpflichtet: dem Ge-
denken, der Dokumentation, der Forschung und der
Erziehung. Die Gedenkstätte trägt so direkt zum
Holocaustgedenken im israelischen Alltag bei. Das
weitläufige Gelände umfasst sowohl einen Muse-
umskomplex als auch eine Vielzahl vonMahnmalen
undGedenkstätten.
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nds 8-2015
GedenkenundErinnern: bei der zentralen Zeremonie im
Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau (l., o.) und im
Gesprächmit Zeitzeugin Esther Bejarano (u.).
lagerAuschwitz-Birkenau trugenVertreterInnen
des Bündnisses eine gemeinsame Rede vor.
Sie traten jedoch nicht vor, sondern sprachen
von ihren jeweiligen Plätzen inmitten der üb-
rigenTeilnehmerInnenaus–eineindrucksvolles
Sinnbild dafür, dass Erinnern und Gedenken
von uns allen ausgehen muss. Die israelische
Delegation, die dem internationalen Bündnis
angehört, hielt eine eigene Gedenkzeremonie
ab, zuderalleeingeladenwaren.Ori Strassberg,
der Dolmetscher der Delegation, beendetedie
gemeinsameSchweigeminutemitdemKaddisch,
demwichtigstenGebet im Judentum.
Schuldigmacht sich,
wer sichnicht interessiert
Warum ist esauch70 Jahrenachder Befrei-
ung vonAuschwitz immer nochwichtig, zuge-
denkenundzuerinnern? IstesnichtZeit, endlich
einenSchlussstrich zu ziehen?DasBündnishat
hierauf eineklareunddeutlicheAntwort:Nein.
Damit sich Auschwitz nicht wiederholt, damit
nichtsÄhnliches jewieder sei, stehenauchdie
Generation der heute unter 30-Jährigen und
alle nach ihr kommendenGenerationen inder
Verantwortung.
DieserAuffassung ist auchEsther Bejarano.
Diedeutsch-jüdischeÜberlebendedesKonzen-
trationslagers inAuschwitz besucht gegendas
MelanieMeier
jungeGEWNRW und Landes-
ausschuss der Studentinnen und
Studenten der GEWNRW
DasMahnmalYadVashemerinnertandievernichteten
jüdischenGemeindenweltweit – auch aus NRW.
Vergessen unter anderem seit über 20 Jahren
Schulklassen,umalsZeitzeuginmitdenKindern
und Jugendlichen ins Gespräch zu kommen.
Während eines Workshops in Krakau hatten
auchdie TeilnehmerInnender Gedenkstätten-
fahrt dieGelegenheit,mit ihr zu sprechen. „Ihr
tragt keine Schuld für das, was passiert ist“,
meint die heute 90-Jährige. „Aber ihr macht
euchschuldig,wenneseuchnicht interessiert.“
FürdieTeilnehmerInnensteht fest,dassnach
der Fahrt die Gedenkarbeit in ihren Organisa-
tionen intensiviertwerdenmuss. Insbesondere
inBildungssettingswollen sie sichvermehrt für
einenBesuchvonZeitzeugInneneinsetzen, solan-
gediesewertvolleErfahrungnochmöglich ist.
DieErinnerungskulturwachhalten
Seinem Ziel, aus den rund 1.000 Teilneh-
merInnen der Fahrt 1.000MultiplikatorInnen
zumachen, die sich nach ihrer Rückkehr aktiv
für eine Gesellschaft ohne Antisemitismus,
Antizionismus,Antiziganismus, Rassismus,Ho-
mophobie, IslamophieundAbleismuseinsetzen,
scheintdasBündniseinengutenSchrittnäher-
gekommen zu sein.DasmeintauchEricSchley,
DGB-Bezirksjugendsekretär inNRW: „VieleTeil-
nehmerInnen sagten mir auf dem Heimweg,
die Fahrt sei ein prägendes Erlebnis für sie
gewesen.DieErinnerungskulturwachzuhalten
undneue Formender Erinnerung zu schaffen,
dafür werden sie sich sicher einsetzen.“ Doch
was bedeutet die Losung „DassAuschwitz nie
wieder sei!“ nachder Fahrt ganz konkret?Die
AntwortenderTeilnehmerInnenwarendeutlich:
selbst aktivwerden, keinenNaziaufmarschun-
kommentiert lassen, niewiederVergleichbares
geschehen lassen.
MelanieMeier
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