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nds 8-2015
Schule verwalten oder gestalten?
Zwischen zentraler und
dezentraler Steuerung
Dass Erlasse durchdas Schulministeriumganz unterschiedlicheWir-
kungenhabenund im Einzelfall Schulen schaden können, ist die Folge
davon, dass das Schulsystem zentral gesteuertwird. Denndaraus
resultiert, dass alleRegelnundAufträge einengenerellenGeltungs-
anspruchhaben.Was aber bei der einen Schule dieWeiterentwicklung
passendunterstützt, bricht an einer anderenproduktive Prozesse und
Vorhaben ab, weil die neuenAufgabenVorrangbeanspruchen.
Foto: _jil_/photocase.de
Der Ärger über neue Vorschriften, die im
Einzelfall der Weiterentwicklung einer Schule
schaden,darfnichtvergessen lassen,dassgene-
relleRegelungenauchdazudienen,Schutzrechte
zu sichern,Mindeststandards zugewährleisten
unddas Recht des Stärkeren einzuschränken –
und deshalb kämpfen auch Gewerkschaften
für dieDurchsetzung genereller Regelungen.
AufderanderenSeitepassenabergenerelle
Regeln im Schulbereich nie zur Situation je-
der Einzelschule. Hat zumBeispiel eine Schule
gerade in einem aufwändigen Verfahren der
InteressenabwägungeinKonzept fürdenEinsatz
von Teilzeitlehrkräften vereinbart, würde eine
zentraleVorgabemitabweichendenRegelungen
inhohemMaßdemotivierendwirkenundScha-
denanrichten.Umgekehrtkannaneineranderen
Schule diese Vorgabe die hilfreiche Wirkung
haben, die dauerhaften Konflikte zwischen
Teilzeit- und Vollzeitlehrkräften durch Macht-
eingriff zu beenden. Was generelle Erlasse im
Einzelfallbewirken,weißdeshalbniemand–am
allerwenigsten der Erlassgeber.
Zentral unddezentral zugleich?!
StattdertraditionellenBehördenkultur,diedie
BallungvonSteuerungswissenaufdenobersten
Hierarchieebenen voraussetzt, ist deshalb in
den1990er JahrendasModell derdezentralen
Steuerung in der öffentlichen Verwaltung ein-
geführt worden. Es geht davon aus, dass das
Wissenumsogenauer ist, je tieferdieHierarchie-
ebene ist. Und es gewährleistet, dass die Ver-
waltungsebenen, dieentscheiden, zugleichvon
den Folgen ihrer Entscheidungen betroffen
sind. Im System zentraler Steuerung hingegen
entscheidetdie ranghöhereEbene,währenddie
unteren Ebenen die Folgen ausbaden.
In den Bundesländern ist das neue dezen-
traleVerwaltungsmodellübernommenworden,
aber nicht als Ersatz, sondern zusätzlich zur
bestehenden Zentralverwaltung. Das erklärt,
warum LehrerInnen und Schulleitungen eine
besondere Kompetenz für den Umgang mit
Absurdität entwickelnmüssen: Schulen sollen
Eigenverantwortung übernehmen und bekom-
men zugleich vorgeschrieben, an wie vielen
Nachmittagen indeneinzelnenJahrgangsstufen
desG8-GymnasiumsUnterricht stattfindendarf
– selbst wenn Schulkonferenz und Eltern eine
andereRegelung für sinnvollerhalten. Schulen
sollen ihrebesonderenZieleundSchwerpunkte
selbst festlegen (§3Schulgesetz), erhaltenaber
immer wieder Aufträge, welche Schwerpunkte
sie neu vorzusehen haben.
Schuleals regelerzeugendes System
DieRegelfüllealsFolgeder zentralenDetail-
steuerung ist einer der Gründe für die geringe
WirksamkeitderRegeln, insbesonderewennes
um das Erreichen von Zielen geht. Diese Fülle
wirdabernichtnurvonobenverordnet, sondern
vondenSchulenselbsterzeugt.Denn jedeAnfra-
geeinerEinzelschuleoderSchulleitung führt zu
einerAntwort, diedanngenerelleGeltunghat.
Undnur selten sindSchulaufsichtsbeamtInnen
so reflektiert wie bei einer Dienstbesprechung
im Bezirk Köln. Auf die Frage „Wir haben das
bisher so gemacht. Dürfen wir das jetzt nicht
mehr?“antwortetehierderBeamte: „Ichschlage
vor, dass ich IhreFragenichtgehörthabe.“Das
erfordertvonderSchulleitungundderSchuleden
Mut, selbst zuentscheidenundVerantwortung
für die Entscheidung zu übernehmen. Nur bei
einer solchenHaltung indenSchulenkanndie
dezentraleSteuerungunterNutzungdes schul-
und regionalspezifischen Steuerungswissens
gelingen– imZusammenwirkenmitdenanderen
Schulen inderRegionund ineinemNetzwerkvon
Jugendhilfe, Beratungund kultureller Bildung.
Zielvereinbarungen statt Vorschriften
DassSchulen ihreSchwerpunkte selbst fest-
legen und schulische Antworten auf gesell-
schaftliche Veränderungen und Problemewie
wachsende Kinderarmut, Flüchtlinge oder die
UmsetzungderUN-Behindertenkonventionfin-
den, setztVertrauenundUnterstützungvoraus:
Vertrauen in die Kompetenz und Bereitschaft
von Schulen und Unterstützung im Rahmen
einer Zielvereinbarung, in der die Ziele, die
die Schulen erreichen sollen und wollen, in
Abhängigkeit von den Ressourcen, die die
Schulaufsicht bereitstellt, festgelegt werden.
Verbindlichwirddannbeides: dieLeistungund
die Gegenleistung – und gemeinsam sind sie
auf das Erreichender Ziele vonSchule inNRW
(§2 Schulgesetz) ausgerichtet.Wirksameund
zielorientierte Steuerung erfordert in diesem
Sinne Zielvereinbarungen statt Weisungen
und Erlasse: Was sollen und wollen die Schu-
len erreichen? Was brauchen und erhalten
sie dafür?
Das setzt als Steuerungsmittel den Dialog
aufAugenhöhe voraus – in verschiedenenRol-
len, aber unter Verzicht auf die hierarchische
Weisungsbefugnis. Denn nur auf dieseWeise
kann es zu einer Vereinbarung statt zu einer
Vorgabe kommen und nur durch Vereinba-
rungenwerdenSchulengestärkt, ihreeigenen,
für ihreBedingungenundHerausforderungen
passendenWege zu gehen.
Adolf Bartz
Adolf Bartz
Schulleiter des Couven
Gymnasiums Aachen a.D.
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