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bildung
Immer noch ist inDeutschlanddie schulischeKarriere stark vom
sozialenHintergrund abhängig. Das belegen seit vielen Jahrendie un-
terschiedlichsten Studien. Vor allem Jugendlichemit Zuwanderungs-
biografie finden oft nur schwer Zugang zu einemHochschulstudium.
Das Talentscouting-Projekt „Meine Talentförderung“ derWestfä-
lischenHochschuleGelsenkirchenwill das ändern – undweitere
Hochschulen ziehennach.
Wissenschaftsministerium fördert Talentscouting-Projektmit 6,6Millionen Euro
Talente in den Schulen entdecken
und fördern
Während77Prozent derKinder vonAkade-
mikerInnen studieren, liegt dieser Anteil bei
NichtakademikerInnen-Familien lautSozialerhe-
bungdesDeutschenStudentwerksbei gerade
mal 23Prozent. Bekannt ist auch, dass dieses
UngleichgewichtnichtaufmangelhafteLeistun-
genoder fehlendes Interesseder potenziellen
Studierenden aus NichtakademikerInnen-
Familien zurückzuführen ist. Stattdessen fehlt
esoft an Informationen, anVorbildern, anden
finanziellen Möglichkeiten oder schlichtweg
daran, dass sich junge Menschen ein Studi-
um wegen mangelnder Unterstützung nicht
zutrauen. Das Vorurteil, dass sich Migran-
teneltern für die Bildung ihrer Kinder nicht
interessieren, konnte bereits wissenschaftlich
widerlegt werden. Zudem ist bekanntlich die
Erfolgslaufbahn oft abhängig von Faktoren
wieder ethnischenHerkunft, demEinkommen
der Eltern oder demGeschlecht. Nicht zuletzt
tragen auch die strukturellenGegebenheiten
des hiesigen Bildungssystems ihren Teil dazu
bei. Insbesondere bei Jugendlichenmit einer
Zuwanderungsbiografie istdieÜbergangsquote
in dieHochschule besonders niedrig.
Talentefindenund fördern
Um diesenUmständen entgegenzuwirken,
um Talente zu erkennen, zu unterstützen und
zu fördern, hatdieWestfälischeHochschule in
GelsenkirchenalsbundesweitersteHochschule
schon im Jahr2011einTalentscouting-Projekt
insLebengerufen.DasprimäreZiel von „Meine
Talentförderung“: dieÜbergangsbarrierenvon
der Schule in dieHochschule für Jugendliche
ausNichtakademikerInnen-Familien zu verrin-
gern.Dabeiwird frühangesetzt: SchülerInnen
könnenbereitsabBeginnderOberstufegeför-
dert und dann bis zu ihremAbitur von einem
sogenannten Talentscout begleitet werden.
Und es geht hier nicht umdieNoten, sondern
um das vorhandene – und nicht entdeckte –
Potenzial der SchülerInnen.
Der ersteTalentscout undauchdasGesicht
desTalentscoutings istderSozialwissenschaftler
SuatYılmazvonderWestfälischenHochschule.
Er sieht seineAufgabenicht alleindarin, Infor-
mationen zu vermitteln undOrientierung auf
demWegzumStudiumzubieten: „Esgehtauch
darum,die jungenMenschenzumotivierenund
ihnenSelbstvertrauen zugeben.“Mittlerweile
gibt es in NRW rund 30 Talentscouts, die in
denSchulen imRuhrgebietunterwegssindund
Talente aufspüren, sie individuell begleiten
und fördern. Die Scouts sind überwiegend
Studierendemit Zuwanderungsbiografie.Dass
Vorbilder wie sie einen enormen Einfluss auf
die Laufbahn von SchülerInnenmit Zuwande-
rungsbiografiehaben, ist zwar längst erkannt
worden,mussaber noch inweiterenProjekten
genutzt und ausgebaut werden.
Die Talente werden an den Schulen ent-
deckt, melden sich mittlerweile selbst oder
werden von ihren Lehrkräften oder gar von
ihren Eltern vorgeschlagen. Bei einem ersten
Beratungsgesprächmiteinemder Talentscouts
wird die erforderliche individuelle Förderung
gemeinsamgeplant. Dabeimuss nicht immer
ein Hochschulstudium das Ziel sein: Je nach
Interessensgebiet kannesauch sein, dass sich
dieSchülerInnenzumSchlussderFörderung für
eineBerufsausbildungentscheiden.DieUnter-
stützung reicht von Informationen zudenMög-
lichkeitenderaktuell rund2.600Studiengänge
inNRWüberHilfebei Stipendienanträgenund
beimErwerbvonSchlüsselkompetenzenbishin
zurVermittlungvonNachhilfe inSchulfächern,
die einer Verbesserung bedürfen.
LehrerInnen sindgefragt
NebendenTalentscoutssind fürProjektedie-
serArt vorallemdieLehrkräfteandenSchulen
gefragt. Sie sind sozusagendas Scharnier und
diejenigen, die die SchülerInnen entdecken
(müssen).Wennmit ihnenundderSchulekeine
Kooperationaufgebautwerdenkann, ist auch
dieUmsetzungder Talentförderung schwierig.
GleichzeitigmussdasdefizitorientierteDen-
ken inSchuleabgebautwerden. Primärmüssen
nämlich Lehrkräfte vorhandene Potenziale
und Talente von SchülerInnen erkennen, um
sie zu unterstützen und sie schließlich für die
Talentförderung vorzuschlagen. Dazu muss
manchmal auf mehr als nur auf die Noten
geschautwerden:Wichtig sinddieallgemeinen
Lebensumständeder SchülerInnen. EinSchüler
zumBeispiel, der zuhauseauf dieGeschwister
aufpassenmuss,weildieMutteralleinerziehend
ist, der nach der Schule noch im Supermarkt
Regale einräumt, um die Familie finanziell
zu unterstützen, und der erst abends zu den
Hausaufgabenkommt, hatnatürlicheineganz