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punktlandung2015.2
Schulkleidung ist nicht Schuluniform
Die ehemalige Studienrätin Karin Brose hat im Jahr 2000
deutschlandweit erstmalig einheitliche Kleidung an einer
Hamburger Schule eingeführt. Warum sie von dem Einheits-
look überzeugt ist, erzählt sie im punktlandung-Interview.
punktlandung: Was sind die Unterschiede zwischen Schuluni-
formund Schulkleidung?
KarinBrose:
InGroßbritannienbestimmendieSchulendasOutfit
für die Kinder und Jugendlichen – bei SchülerInnen stärkt das
häufigUnmut undWiderstand, dieVorschriftenwerdenunterlau-
fen. Und obwohl alle schwarze Schuhe tragenmüssen, ist genau
zu erkennen, ob sie vomGrabbeltisch stammenoder die teureVa-
riante aus demDesigner-Shop sind. Kaschmir oder Polyester – die
unterschiedliche Qualität der Kleidung spiegelt die Finanzkraft
der Elternhäuser ins Klassenzimmer. Meine Vision einer Beklei-
dung für SchülerInnen geht dahin, eine Einheitlichkeit ohne Uni-
formierung bei gleichzeitig hoher Akzeptanz durch SchülerInnen
undEltern zuerreichen. Eine solcheBekleidungmussmodernund
frei wählbar sein. SchülerInnen dürfen sich nicht verkleidet füh-
len. Seit 2000 arbeite ich an einem solchen Bekleidungskonzept
für Schulen in Deutschland: Mit „Schulkleidung“ habe ich einen
neuenBegriff für Arbeitskleidung in der Schule geprägt.
Wasmacht Schulkleidung aus?
Die meisten SchülerInnen identifizieren sich mit ihrer Schulklei-
dung, weil sich alle aus einer Kollektion trendgerechter Klei-
dungsstücke nach individuellen Gewohnheiten kleiden können.
DasAngebot beschränkt sichauf einheitlicheOberteile, umnicht
doch in eine Uniformität zu entgleiten und genügend persönli-
chen Spielraum zu lassen. Die Kollektion besteht aus klassischen
Basistextilien undwird jede Saison durch Trendteile ergänzt. Far-
be und Logo sind festgeschrieben. Die Anzahl der angebotenen
Styles bestimmt jede Schule selbst. Ein vielseitiges Angebot ist
nötig, dennSchülerInnenwollenund sollen trotzEinheitskleidung
dieMöglichkeit haben, sich voneinander zu unterscheiden.
Was bewirken einheitlicheKlamotten für den Schulfrieden?
Eines dürfen wir nicht vergessen: Es bedarf einer gehörigen Por-
tion Disziplin, jeden Tag mit einheitlicher Kleidung in den Un-
terricht zu gehen und damit auf ein Stück Selbstdarstellung zu
verzichten. Daranmuss stetig gearbeitet werden, denn Schulklei-
dunghat inDeutschlandbisher keineTradition.Wenn jungeMen-
schen es dann schaffen, ihren Drang nach Außenwirkung trotz
der immer präsenten Einflüsse von Handel und Medien in den
Griff zu bekommen, können sie stolz auf sich sein. Schulkleidung
ist moderne Kleidung mit Schullogo für Kinder und Jugendliche
auf demWeg zubesserem Lernverhaltenundbesseren Lernergeb-
nissen. Sie sollte aber niemals uniform sein. Und es kommt auch
auf die LehrerInnen an: Gute Lehrkräfte sind immer in der Lage
aus einer Klasse ein „Wir“ zumachen. Dazu braucht es keine ein-
heitliche Kleidung. Dennoch ist sie ein Baustein, der denMann-
schaftsgeist ganz erheblich unterstützt. MeineMannschaftskolle-
gInnen haue ich nicht in die Pfanne – Frieden.
Buch „Schulkleidung ist nicht Schuluniform“
LebenunddasVerhalten inunsererGesellschaft vor.Dazu
gehört auch, dass man sich den Anlässen entsprechend
zu kleiden hat!“ Die Kleiderordnung erlaubt zumBeispiel
sportliche Kleidung. Nur das Tragen von Jogging- oder
Trainingsanzügen inder Schule ist unerwünscht – abgese-
hen vom Sportunterricht. Darüber hinaus ist dieKleidung
so zuwählen, dass sie frei von Aufdrucken ist, die Rassis-
mus, Drogen oder Gewalt verherrlichen.
Schulordnung alsOrientierungshilfe
N
eben einer Kleiderordnung gab es im Rahmen des Re-
visionsprozesses zum Beispiel auch eine Neufassung der
Absprachen imUmgangmit neuenMedien – speziell mit
der Handhabung von Handys in der Schule – und eine
flächendeckende Einführung von Lernzeiten und Konflikt-
lösungsstrategien.Der ErfolgdesKonzepteswird sichtbar:
Die Anzahl der Ordnungsmaßnahmen ist in den letzten
Jahren rückläufig und eher als gering einzustufen. Dies
lässt unter anderemdarauf schließen, dass dieAkzeptanz
der Schulordnung durch die Schulgemeinde als relativ
hoch zu bewerten ist. „Es gibt natürlich auch immer wie-
der SchülerInnen, die den vereinbarten Ordnungsrahmen
verlassen. IndiesenFällen setzenwirunsdirektmitdemEl-
ternhaus inVerbindung“, sodieSchulleiterin. „Wirerinnern
daran, dass die Schulordnung nicht nur vom Kollegium,
sondernauch von SchülerInnenundder Elternpflegschaft
verfasst wurde – das hilft in der Regel!“
D
ie Schulordnung wird jährlich neu im sogenannten
Logbuch abgedruckt. Das Logbuch ist ein Kommunikati-
onsmittel zwischen Schule, SchülerInnen und dem Eltern-
haus.DarinwerdenallewichtigenDingenotiert.Über das
Logbuch erfolgt das Entschuldigen von Fehlstunden und
es sind alle wichtigen AnsprechpartnerInnen zu finden.
Jedes Schuljahr werden die Regeln gemeinsam bespro-
chen und erneut erläutert. Besiegelt werden die Verein-
barungen durch Unterschriften aller Beteiligten und der
Verpflichtung, sich an diese zu halten und die Schule in
ihrer Bildungs- und Erziehungsaufgabe zu unterstützen.
Mathias Kocks
ist stellvertretender Schulleiter
derWilly-Brandt-Schule inMülheim an der Ruhr.
Allesbleibt verborgen.
Wir zeigen keine tiefen
Ausschnitte und lassen
keineUnterwäsche hervor-
blitzen.
Der ganzeKopf ist sichtbar.
Wir verzichten imUnterricht auf
Kappen, Mützen, Jacken, Kopf-
bedeckungen und tragen keine
Sonnenbrillen.
TexteundBilder.
Die Kleidung ist frei von
Aufdrucken, die Rassismus,
Sexismus, Drogen oder
Gewalt verherrlichen.
Hier siehtmankeineHaut.
Bauchnabel undUnterwäsche
bleiben bedeckt.
SportlicheKleidung ist ok.
Aber wir laufen nicht im Trai-
ningsanzug oder Jogginghose
herum.
Leggings sindok.
Aber wir ziehen eine kurze
Hose, einenRock oder
ein langes Oberteil darüber.
punktgenau
Illustration: Willy-Brandt-Schule, Mülheim ander Ruhr
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