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eitundSpiegel, tazundFAZ, aberauchdieBravowidme-
ten sichdemThema. Aufhängerwar indiesem Jahr unter
anderem der Elternbrief der baden-württembergischen
Schulleiterin Bianca Brissaud aus der Grund- und Werk-
realschuleAltheim/Horb. SiemoniertdarinHotpantsals
Kleidung von Schülerinnen und verweist gleichzeitig auf
einen Beschluss des Kollegiums, keine aufreizende Klei-
dung in der Schule zu dulden und an einer schulischen
Kleiderordnung zu arbeiten. Als direkteMaßnahme wird
beschlossen: „Wer zu aufreizend gekleidet ist (zum Bei-
spiel bauchfreies Shirt, Hotpants, ...), der bekommt von
der Schule ein großes T-Shirt gestellt, das er oder sie sich
bis zum Schultagsende anziehen muss.“ Die Schulleite-
rin erläutert weiter, dass es nicht um die Unterdrückung
der Individualität der Kinder gehe, sondern vielmehr um
einen Beitrag für ein gesundes Schulklima, in dem auch
gesellschaftliche und sozialeWerte gelebt und gefördert
werden.
Wennguter Stil zumMissverständniswird
D
iese Anliegen und die Argumentationen sind keines-
falls neu. Sie beziehen sich auch nicht auf Einzelfälle.
Vielmehrwiederholen sie sich imWandel vonModen, die
mit einer Art vestimentärer Nacktheitsrhetorik arbeiten.
Das heißt, dass verschiedeneHaut- undKörperzonendes
weiblichen Körpers freigelegt werden und Körperpartien
so sexualisiert hervorgehoben werden. Körperzonen, die
freigelegt werden, sind unter anderem von Moden ab-
hängig.
V
or etwa zehn Jahren, auf der Höhe einer durch die
Popsängerin Britney Spears verbreitetenMode, waren es
bauchfreieShirtsundHüfthosen, dieBlickeauf entblößte
Bäuche, Hüften und Gesäßzonen gestatteten. Auch bei
diesemModephänomen zeigten sich Schulleitungenund
Kollegien alarmiert. Sie wollten diese Form modischer
Entblößung im Schulalltagnicht akzeptieren. Schulminis-
terieneiniger Bundesländer sahen sichmit demAnliegen
In regelmäßigenAbständen sorgen knappe, viel Haut freilegendeOutfits
von Schülerinnen für Schlagzeilen. Im Sommer 2015waren esHotpants,
die für Unruhe in SchulenundmedialeAufmerksamkeit sorgten.
konfrontiert, Erlasse zu formulieren, diedas Tragendieser
Kleidung unterbinden sollten. Im Schulalltag kam es zu
Missverständnissen, wenn von Fragen eines guten Stils
dieRedewar.WährendSchulleitungenhiermit dieEinhal-
tung eines angemessenen Kleidungsstils für die Schule
meinten, kommentierten Schülerinnen, dass sieweiterhin
auch in der Schule ihren Style tragen wollten. Sie argu-
mentierten, dass der Bauchfrei-StyleAusdruck ihrermodi-
schen Identität sei und gerade Jugendliche sich hiermit
ausdrücken wollen. Die Stil- beziehungsweise Stylefrage
wurde somit aus unterschiedlichen Rahmenperspektiven
betrachtet.
I
n den sprachlichen Differenzen der Bekleidungsstile
spiegeln sich sozialeDistinktionen, dieanPierreBordieus
Theorien der Feinen Unterschiede erinnern. Sie beziehen
sich hierbei auf unterschiedlicheHabitualisierungen von
Erwachsenen in den sozial und institutionell hierarchi-
sierten Positionen als LehrerInnen oder SchulleiterInnen
und auf die von Jugendlichen, die aktiv im sozialen Rah-
men jugendkultureller undmodischer Stile agieren.
Kurz, kürzer, Mini: eine historische Einordnung
I
m historischen Rückblick auf die 1960er Jahre findet
maneinweiteresBeispiel desmodischenAnstoßes imSo-
zial- und Erziehungsraum Schule: den Minirock. Zur Dis-
kussion stand damals die Rocklänge undmit ihr die Ent-
blößung der Beine, der Knie und der Oberschenkel. Wie
hochdurftedieRockkante rutschen?Wie viel Beindurfte
zu sehen sein? An Schulen kam es zu eigenartigen Rege-
lungen: An einer Londoner Schule sollte beispielsweise
die Rocklänge der Mädchen durch den Klassensprecher
kontrolliert werden. Bei 175 cm großenMädchen galten
zum Beispiel – vom Knie an aufwärts gemessen – maxi-
mal 16,5 cm sichtbares Bein als akzeptabel.
S
obettet sichdas aktuellemodischeÄrgernis ineinenKa-
non immerwieder auftretender Probleme ein, die Schulen
im Umgang mit sexualisierten Outfits von Schülerinnen
punktlandung2015.2
4
VonHotpantsundMinirock:
(K)eineKleidung für dieSchule?
Fotos (von links nach
rechts): inkje, Lauriator.
SveaAnais Perrine.,
katdoubleve, steffne,
cathi fischer, Nadine
Platzek/photocase.de