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DerHistorikerDr. JörnWendlandbietet
ein Programmmit Zeichnungen des
NS-Opfers Alfred Kantor für Schulen
an, um SchülerInnenGeschichten von
Betroffenen aus der Zeit desNational-
sozialismus näherzubringen.
Projektmit Zeichnungen einesHolocaust-Überlebenden für Schulen
Der Holocaust in Bildern
Mit dem Begriff Holocaust verbinden die
SchülerInnendesevangelischenReligionskurses
der neunten Jahrgangsstufe am Gymnasium
Schwertstraße inSolingenganzkonkreteDinge:
Konzentrationslager, Vergasung, Arbeitslager,
HitleroderJudenvernichtung.DieseBilderhatten
sie im Kopf, als Dr. JörnWendland, Historiker
und freier Mitarbeiter des NS-Dokumenta-
tionszentrumsder StadtKöln, imUnterricht an
ihrer Schule zuGast war. SeinWorkshop trägt
denTitel „Farbe imGrauen“underzähltdieGe-
schichtevonDeportation,Konzentrationslager,
TodundVernichtungauf eineganz andereArt
undWeise – anhand der Bilder des Künstlers
AlfredKantor.
Ein Lebensweg inBildern
AlfredKantor,der2003verstarb, kammit18
Jahren insGhettoTheresienstadtundüberlebte
spätersowohldasKonzentrationslagerAuschwitz
alsauchdasZwangsarbeitslagerSchwarzheide.
Nach der Befreiung 1945 dokumentierte der
Zeichner die verschiedenen Situationen seines
Leidensweges inmehrerenbuntenAquarellzeich-
nungen sowie in Zeichnungenmit Tusche und
Bleistift. Diese Bilder nutzt Dr. JörnWendland
für seineArbeit an Schulen inganzNordrhein-
Westfalen. „Ichbindavonüberzeugt, dass sich
die Persönlichkeit der ZeitzeugInnen in den
Bildernstärkerausdrücktals inTextdokumenten
oder Filmen über diese Zeit“, erklärt er.
MankönnedenZeichenstilanalysieren,durch
den der Künstler viel von sich preisgibt. Auch
die Wahl der Farben lasse viele Schlüsse zu
über diedamalige Zeit – über Gefühle, Ängste
und Stimmungen. „Es gibt ja leider bald keine
ZeitzeugInnenmehr,dieetwasüberdasGrauen
inder NS-Zeit erzählen könnten“, bedauert Dr.
Jörn Wendland. Der 41-jährige Familienvater
hat selbst zweiKinder – siebenund zwölf Jahre
alt. „Es ist einPrivileg,wennKinderheutenoch
mit ZeitzeugInnen sprechen können“, erklärt
der Historiker.
EinWorkshopmit emotionalemZugang
AmSolingerGymnasiumSchwertstraßewurde
das Thema im Religionsunterricht behandelt.
„Wir haben die Aspekte Tod oder Kirche im
DrittenReich imUnterrichtanalysiert, aberder
Workshop bietet einen emotionalen Zugang
zudemThemaüber dieBilder“, sagt Religions-
lehrerRalfEumann.UnterdenBildernbefinden
sich zumBeispiel furchtbareDarstellungenvon
Kindern und Frauen beim KZ-Appell oder der
AbtransportderSärgezumKrematorium. „Einige
Zeichnungen verblüffenaber auchundpassen
irgendwienicht indieSituation“,beschreibtSchü-
lerin Fabienne Leidecker die Bilder, mit denen
dieGymnasiastInnen sichbeschäftigten. Etwa
wennAlfredKantor das „Café Theresienstadt“
malt oder ein Fußballspiel in der Dresdener
Kaserne skizziert.
Zusammenarbeitmit derGedenkstätte
Beit Terezin
Für seine Arbeit in den Schulen verwendet
Jörn Wendland in seinem Programm „Farbe
im Grauen“ ausschließlich Zeichnungen von
AlfredKantor. „Es isteinbesonderesProgramm
der GedenkstätteBeit Terezin in Israel, das ich
gemeinsammitmeinemKollegenMarkusThulin
für Schulen ausgearbeitet habe“, erzählt der
Kunsthistoriker. FinanziertwirddieArbeit inden
Klassen durch die Konrad-Adenauer-Stiftung,
sodass das Angebot für Schulen kostenlos ist.
SämtlicheMaterialien–vor allemnatürlichdie
Bilder – bringt Dr. JörnWendlandmit.
//
Simone Theyßen-Speich
Journalistin beim Solinger Tageblatt
Alfred Kantors Zeichnungen erinnern an seine Zeit im
KonzentrationslagerundbietenSchülerInneneinen tiefen
Einblick in seinen Leidensweg.
© J. Kantor
Foto: C. Beier
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BILDUNG
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