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BILDUNG
Mittwochabend inKöln. IndenGeschäftenundBüros gehen
die Lichter aus. Ein Ladenlokal inder Luxemburger Straße
ist nochhell erleuchtet. Hier, indenRäumendes Elternvereins
mittendrin e.V., herrscht Betriebsamkeit.Was als „spontane
Zusammenrottung“ von Elternmit behindertenKindernbegon-
nenhatte, ist eine anerkannte und inzwischenpreisgekrönte
Beratungsstelle geworden. Der Verein als Teil der Elternbewegung
„Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“ gilt als Thinktank
mit eigenenKonzepten für Inklusion an Schulen. Im September
gab es dafür den Inklusionspreis des LandesNRW.
mittendrin e.V. berät Elternund stößtModellprojekte an
Eine Schule für alle –
dasMotto ist Programm
Eva-MariaThoms,Vorsitzendevonmittendrin
e.V., holt noch ein paar Stühle. In lockerer Ge-
sprächsrundegehtesumdasThema „Inklusion
inderweiterführendenSchule“.Genaudeswegen
ist Klaus D.* an diesem Abend dabei. Seine
16-jährige Tochter Nadine* ist lernbehindert.
Sie besucht eine integrative Gesamtschule in
Köln. Dort fühlt sie sich wohl. Was aber wird,
wenn sie imnächsten Jahr dieSchule verlässt?
Auchdann soll sichNadinewohlfühlen. „Damit
das sobleibt, guckenwir, welcheBerufskollegs
geeignet sindundwie esmit einemPraktikum
aussieht“, sagt ihr Vater. Er hofft, dass Nadine
so „für denEinstieg indenArbeitsmarkt quali-
fiziert wird“. Der Vereinmittendrin e.V. ist für
ihn „Wegbereiter und Lotse“, um die optimale
Lösung für seine Tochter zu finden.
Übergang zuberufsbildendenSchulen
wirdhäufig zumProblem
MitamTisch sitztauchMonika*.Die16-Jäh-
rige schildert ihre ersten Eindrücke vom Be-
rufskolleg, das sie seit Beginn des Schuljahres
besucht, und freut sich: „Es ist so, wie ich es in
deraltenSchulehatte.“Dennoch:Problemegibt
esmitder individuellenFörderung.Monika legt
ihre Arbeitsmappe vor und Eva-Maria Thoms
erkennt schnell: „Der Lernstoff ist zu einfach,
nicht angepasst.“ Jürgen Esser notiert, wo es
hakt; auchMonikasWunsch noch Englisch zu
lernen,umdenHauptschulabschlussnachholen
zu können.
EinProblem istderÜbergangvondenallge-
meinbildenden indieberufsbildendenSchulen.
JugendlichemitBehinderungenmusstenbislang
inFörderschulengehen. „Das istnichtdas,was
wir gewollt haben, wennKinder integriert auf-
wachsen“, sagtEva-MariaThoms. „Wirkämpfen
dafür, dass alle Regeleinrichtungen inklusiv
gestaltet werden.“
Arbeitgeber für CoachesanSchulen
EinSchrittdazu istdasModellprojektCoaches
für inklusive Bildung (CIB), in dem auch Jür-
gen Esser arbeitet. Finanziert aus Mitteln des
Bundesarbeitsministeriums hat der Verein in
ZusammenarbeitmitdemKölnerAmt fürSchul-
entwicklungneunMitarbeiterInnenmitSchwer-
behinderung eingestellt. Menschen also, die
viele Probleme aus eigener Erfahrung kennen.
Sie sollen die Beteiligten im Bereich inklusive
Bildung entlasten und unterstützen. Zu den
Aufgaben der Coaches gehört:
◆◆
Begleitung der SchülerInnen mit Förderbe-
darfandenÜbergängen imBildungssystem,
beispielsweise zuBerufskollegs,
◆◆
UnterstützungderKollegienbeiVerwaltungs-
angelegenheiten rund um Inklusion sowie
◆◆
Vorbereitung und Organisation inklusiver
Angebote an den Schulen.
„Inklusive Schule kann man nur machen,
wenn sie imKollegium verankert ist“, sind die
mittendrin-ExpertInnen überzeugt. Der Verein
siehtsichalsMotor inklusiverBildung.Er initiiert
die Modellprojekte nicht nur, sondern über-
nimmt fallweise selbst die Trägerschaft.
So wie beimModell der inklusiven berufs-
vorbereitenden Bildung für Jugendliche mit
Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung. Das
Projekt hat der Verein seit 2014 mit der Be-
zirksregierungKöln und denBerufskollegs der
Stadt vorbereitet. ImAugustdieses Jahres istes
angelaufen–einGlücksfall für Jugendlichewie
Monika,diesichdamitweiterqualifizierenwollen.
ZunächstgehtesumdieBereicheGastronomie
undKinderpflege. „DieBezirksregierunghatsich
nachdenWünschenderJugendlichengerichtet“,
lobtEva-MariaThomsdieZusammenarbeitmit
den Kölner Behörden. Bei Bedarf seien auch
andere Berufsfelder, etwa Technik, möglich.
Neue Wege will der Verein auch bei den
EinzelfallhelferInnengehen: Denn, erklärt Eva-
MariaThoms, IntegrationshelferInnenkönnten
auch die Selbstständigkeit der von ihnen be-
treutenKinder behindern. „Zuweilen stören sie
diesoziale Interaktion“,bedauertdasmittendrin-
Team.WechselndeundnichtausgebildeteKräfte
erschwertenauchdieZusammenarbeitmitder
Schule. Seit März 2014 ist mittendrin e.V. in
KooperationmitderStadtKölnundderOffenen
SchuleKölnbereitsTräger einesSchulbegleiter-
Pools. Die acht Lerngruppen-AssistentInnen,
wie siegenanntwerden, unterstützenmehrere
SchülerInnenmit entsprechendemBedarf und
sind ins Schulteam eingebunden. Inzwischen
seien auch andere Schulen an demModell
interessiert.
Betroffenheitmündete inAktion
Das Interessewarnicht immer sogroß:2006
war Eva-Maria Thoms noch geschockt, als ihre
Tochter mit Down-Syndrom vom integrativen
Kindergarten zurGrundschulewechseln sollte.
Nurdrei von21Grundschulenwarenüberhaupt
bereit,dasMädchenaufzunehmen.Betroffenheit
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