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BILDUNG
Die Zahl der Flüchtlinge hat indiesem Jahr nicht nur weltweit, sondern auch in
Deutschland einenHöhepunkt erreicht, dochdieUnterbringung, Versorgung
und Integration laufenmiserabel.Was LandundKommunen versäumt haben,
fangenderzeit viele ehrenamtlicheHelferInnen auf: Sie organisieren Sach-
spenden, gestalten Freizeit und stellenBildungsangebote auf dieBeine. Eine
Dauerlösungdarf das jedochnicht sein. Es gibt viel zu tun.
Krise inder Flüchtlingsaufnahme
Eine Aufgabe für die Zivilgesellschaft?
Seit einigen Wochen kommen täglich Tau-
sendeGeflüchtete inDeutschlandan.Dasstellt
alle Beteiligten – insbesondere Länder und
Kommunen – vor große Herausforderungen.
Es gilt das Prinzip „Obdachlosigkeit vermei-
den“. Versäumnisse der Vergangenheit, in der
Land und Kommunen zu spät auf steigende
Flüchtlingszahlen reagiert haben, zeitigennun
ihre Folgen. Nicht erst seit dem Sommer 2015
ist die Aufnahmesituation katastrophal. Doch
die so nicht vorherzusehende zahlenmäßige
Entwicklung in diesem Jahr hat die Situation
noch einmal drastisch verschärft.
Leben jenseits
menschenrechtlicher Standards
MenschenrechtlicheStandardsbleiben inNot-
unterkünftenwieZeltstädtenoderTurnhallenauf
derStrecke. Selbst indenRegelunterkünftendes
Landes istaufgrundvonÜberbelegungdieEin-
haltungdervomLandvorgegebenenStandards
nicht immer gewährleistet. Die Leidtragenden
sind die Schutzsuchenden, die ohne jegliche
Privatsphäre, unter schlechten hygienischen
Bedingungen indenNotunterkünftendesLandes
ausharrenmüssen.TeilweiseherrschtMangelver-
sorgung: Spezialnahrunggibteskaum;dieMen-
schenbekommenmanchmal erstnachWochen
das ihnen zustehende Taschengeld. Auch an
einer adäquatenGesundheitsversorgungman-
geltesvielerorts.Diegesetzlichvorgeschriebene
Tuberkuloseuntersuchungwirdmittlerweile fast
flächendeckend in NRWwieder durchgeführt,
nachdemesumdieJahreswendehiererhebliche
Probleme gab. Doch bei der medizinischen
Versorgung inklusive Schwangerschaftshilfe
hapert es in vielen Fällen.
Ebenso herrscht bei den Registrierungen,
die eine Voraussetzung für die Zuweisung in
eine Kommune und die Stellung eines förm-
lichen Asylantrags sind, erheblicher Verzug.
Dadurch verbleiben die Menschen manchmal
überWochenundMonate indenNotunterkünf-
tendes Landes. Das bedeutet gerade auch für
Kinder eine fehlende Tagesstruktur und eine
Unterbrechung des Bildungsprozesses, da die
Schulpflicht erst mit der Zuweisung in eine
Kommune beginnt.
MittlerweilehatdasLandverschiedeneMaß-
nahmenergriffen,umdieMenschenschneller zu
registrieren: durchEinführungdesSchichtdiens-
tes, den Einsatz mobiler Hundertschaften der
Polizei in denNotunterkünften und die Schaf-
fung zweier großer Registrierungszentren am
FlughafenMünster/Osnabrückund inHerford.
DochauchnachderRegistrierungdauertesoft
nochMonate, bis Flüchtlingeeinen förmlichen
AsylantragbeimBundesamt fürMigrationund
Flüchtlinge stellenkönnen.Bisesdann zueiner
Entscheidung kommt, sind in nicht wenigen
Fällen insgesamtmehralszwei Jahreverstrichen.
Eine Zeit, in der die Schutzsuchenden unter
vielen rechtlichenRestriktionen – zumBeispiel
fehlendemAnspruchaufeinen Integrationskurs,
EinschränkungenbeimArbeitsmarktzugangund
Wohnsitzauflage – lebenmüssen.
Esdarf nicht beim
Krisenmanagement bleiben
Auchnachder Zuweisung ineineKommune
verbessert sich die Situation der Flüchtlinge
nicht zwangsläufig.DieUnterbringung inüber-
fülltenGemeinschafts- undeilendshergerichte-
tenNotunterkünften ist ander Tagesordnung.
Momentan ist LandundKommunen zugute zu
halten,dassessichumeineAusnahmesituation
handelt, dieeinesaufwändigenKrisenmanage-
ments bedarf und in der tatsächlich nicht alle
menschenrechtlichen Standards in jedem Fall
eingehalten werden können. Das Land und
vieleKommunensindnachKräftenbemüht,der
Situation annäherndgerecht zuwerden. Doch
auch inderVergangenheitmusstenFlüchtlinge
unter teilsunerträglichenundunwürdigenUm-
ständen inNRW lebenunddie Integrationvon
Flüchtlingenwar langeZeitgarnichtvorgesehen.
Entscheidend ist: Jetzt darf es nicht beim
Krisenmanagement bleiben! Es müssen kurz-,
mittel- und langfristige Lösungen gefunden
werden, um das System der Aufnahme und
Unterbringung wieder zu normalisieren und
menschenrechtlichenStandardsGeltungzuver-
schaffen.DabeidürfenfinanzielleErwägungen
nicht imVordergrund stehen.
Geld indieHandnehmen –
auch für Bildung
Das hat auch das Land erkannt. Seit den
tragischenMisshandlungsfällen indenLandes-
aufnahmeeinrichtungen Burbach und Essen
imHerbst letzten Jahres wird ein sogenannter
Paradigmenwechsel propagiert. Nun sollen
Bedarfe und Bedürfnisse der Flüchtlinge im
Vordergrund stehen.DazuhatNRWbereitsviel
Geld indieHandgenommen,umbeispielsweise
die unabhängigen Verfahrens- und Regional-
beratungsstellen aufzustocken.
Auch sind in zwei Nachtragshaushalten im
Mai und September 2015 die finanziellen Vo-
raussetzungen fürdieEinstellungvon insgesamt
rund 2.600 LehrerInnen und weiteren 1.200