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nds 8-2015
BildungoderAusbildung?
Die Verknüpfung hochschulischer (Aus-)Bildung mit Praxisphasen wird in der öffentlichen
Wahrnehmung ambivalent beurteilt: Zum einen gibt es die Vorstellung von der Generation
Praktikum, die während des Studiums und im Anschluss daran in einer Vielzahl unbezahlter
Tätigkeiten häufig ausgebeutet wird. Daneben finden sich jedoch eineMenge Stimmen, die die
BerufsfähigkeitdirektnachdemHochschulabschlusshinterfragen, umdamitdieForderungnach
praxisnäherenStudienstrukturenzubegründen.Dasgiltnichtnurdort,woStudienabschlüssehohe
FlexibilitätundEigenverantwortlichkeitderAbsolventInnen in ihrerBerufswahl erfordern, sondern
ausdrücklich auch für jeneHochschulausbildung, die eine vermeintlich klare Berufsausrichtung
hat –wie etwa dasMedizin- oder Lehramtsstudium.
Kompetenzen für den Lehrberuf inder Praxis erwerben
Ein starker Berufsfeldbezug sowie eine erkennbare curriculare Einbindung der Praxisphase
in das Studium scheinen das Aufgaben- und Anforderungsspektrum von Praktika zu erweitern:
Während invielenvor allemgeisteswissenschaftlichenStudiengängenPraktika insbesondereder
Erschließung von Berufsfeldern bezüglich Passung, Neigungen und Fähigkeiten dienen, gehen
dieAnforderungen speziell im Lehramt weit darüber hinaus. Nebender Eignungsabklärungund
demPerspektivenwechsel sollenbereitskonkreteberufsbezogeneKompetenzen fürdenLehrberuf
erworben und angewandt werden.
Am Beispiel des Lehramtes lässt sich dabei eine erstaunliche Entwicklung von Praktikums-
strukturennachvollziehen:ÖffentlichkeitundBildungspolitik–ebensowiedieStudierendenselbst–
habendieBerufseignunguniversitärer LehramtsabsolventInnen inZweifel gezogenund forderten
in der Vergangenheit unisono einen stärkeren Praxisbezug der LehrerInnenausbildung. Daraus
resultierte nach Studienreformen in denmeisten Bundesländern vor allem die Implementation
verlängerter Praxisphasen, zumeist als Praxissemester, in die Lehramtsstudiengänge – teilweise
bei gleichzeitiger Verkürzung der schulpraktischenAusbildung imVorbereitungsdienst.
IntensiveBetreuungundReflexion schaffenMehrwert
AllerdingsgehenvielederReformkonzepteundvorallemderenUmsetzungenandenErgebnissen
derSchulpraktikumsforschungvorbei.DenndiesehatalsmaßgeblicheGelingensbedingungendie
möglichst intensiveundqualifizierteBetreuungdurchberufserfahreneMentorenInnen sowiedie
universitäre, also diewissenschaftliche, Aufbereitung des Praxishandelns identifiziert und nicht
etwa die bloße Länge der Praxisphase. Oder anders: Wenn Lehramtsstudierende ohne intensive
Begleitung und Reflexion ihres Praktikums an Schulen tätig sind, welchenMehrwert soll diese
FormderAusbildungdann imVergleich zumVorbereitungsdienst oder zuder späterenBerufsein-
gangsphasebringen?Mittlerweilewundern sichdaher auchdiebetroffenenStudierenden selbst,
weshalb sie ineinemunentgeltlichenPflichtpraktikumarbeiten sollen, ohneerkennbareVorteile
gegenüber dem bezahltenVorbereitungsdienst zu haben.
DieseBetrachtung zeigt einweiteres Problemauf: Universitätenwerdennach einer Phaseder
eigentlich angedachten Öffnung von Studiengängen und -abschlüssen im Zuge der Bologna-
ReformalsAusbildungsstätten für konkreteBerufsfeldermissverstanden.WennPraktikacurricular
in Studiengänge eingebunden werden, geht das im Regelfall nur über die Verschiebung von
Leistungspunkten und damit zu Lasten (allgemein-)bildender theoretischer Studieninhalte. Ob
eben jeneVerschiebung vonBildung zurAusbildungeinen tatsächlichenMehrwert für einebreit
aufgestellte Berufsfähigkeit bringt, darf jedoch bezweifelt werden.
Kris-StephenBesa
Kris-StephenBesa
Mitarbeiter imArbeits-
bereichAbsolventen-
forschung amDeutschen
Zentrum für Hochschul-
undWissenschafts-
forschung inHannover