nds201505 - page 24

Foto: krockenmitte/photocase.de
nds: Die Hauptschule ist eine aussterbende
Schulform. Warum haben Sie sich dennoch
nach Ihrem Referendariat für eine Festan-
stellung an einer Hauptschule entschieden?
Stefanie Sommerey:
Nach anfänglichen
Schwierigkeiten im Referendariat habe ich
sehr schnell gemerkt, dass mir die Arbeit an
der Hauptschule liegt und viel Spaß macht.
GeradeSchülerInnendieserSchulformbrauchen
jeglicheUnterstützung füreinengutenStart ins
Berufslebenundgegen viele Vorurteile.
IchhätteauchaneinerGesamtschuleanfan-
genkönnen.DieGrundidee, längergemeinsam
zu lernen, halte ich auch für gut. Auch die
Möglichkeiten an einer großen Schule sind
vielfältigeralsaneinerHauptschulemitnur350
SchülerInnen. Doch gerade dieser Umfang ist
mir zuunübersichtlich.AnunsererSchulekenne
ich diemeisten SchülerInnen schon jetzt nach
kurzer Zeit oder kann sie zumindest zuordnen
– das gefälltmir.
Auchwenn esmanchmal eineHerausforde-
rung ist, Projektedurchzuführen, SchülerInnen
zumotivierenoder Fachwissen zuvermitteln, so
habe ichdiesegerneangenommen.Dennselbst
wenn es sichum eine aussterbende Schulform
handelt,müssenauchHauptschülerInneneine
Perspektivevermitteltbekommen–unddakämp-
fe ichgernegemeinsammitdenKollegInnenum
denErhaltunserer Schulebeziehungsweiseum
eineadäquateAlternative. Fürmich isteswich-
tig, dieBenachteiligung zuverringern, dieviele
vor allem durch ihr soziales Umfeld erfahren.
Engagierte, junge Lehrerin sucht ...mit Sicherheit keine Festanstellunganeiner
Hauptschule–magman jetztdenken.Doch für StefanieSommerey standgenau
das schnell außer Frage: Nach ihremReferendariat an einer Hauptschule ist sie
ebendort als Lehreringestartet.Warum siedieEntscheidungbewusst getroffen
hat und sie für die Schulfrom kämpft, erzählt die38-Jährige imnds-Interview.
Erste Festanstellung an einer Hauptschule
Ich nehme die
Herausforderungen an
Stefanie Sommerey ist frischgebackene Lehrerinan einer
Hauptschule.
Leider bietet der Job kaum eine berufliche
Perspektive. Wie gehen Sie damit um und
wie geht es für Sieweiter, wenn Ihre Schule
innaher Zukunft schließt?
Ichgehöre zudenMenschen, die imGro-ßen
undGanzendieDinge sonehmenwie siekom-
men. Undwenn es dann so weit ist, wäge ich
dieMöglichkeiten ab und versuche, das Beste
ausder Situation zumachen.Da ichpersönlich
keineFamilieversorgenmuss, kann ichmirdiese
Haltung sozusagen leisten. Schonbei derWahl
derUnterrichtsfächerhabe ichbedacht,dasssie
nicht nur Spaßmachen, sondern inNRWauch
gebraucht werden.
Zunächst gehe ich erst einmal davon aus,
dass unsere Schule nicht in allzu naher Zu-
kunft schließtundversuche zusammenmitden
KollegInnen, einigesgenaudafür zu tun.Wenn
wir zeigen, wie wichtig unsere Arbeit ist, wird
sie hoffentlich auch anerkannt. Vielleicht wird
es eines Tages eine passende Alternative zur
Hauptschule geben…
Fühlen Sie sich imAuslaufprozess gut infor-
miert undbegleitet?
Gut informiert und begleitet? Nein! Wenn
wir Informationen benötigen, müssen wir uns
dieseeigenständigbeschaffenundstoßendabei
auf sehr unterschiedliche Quellen. In der Ver-
gangenheithat sichgezeigt, dassSchließungen
schon mal sehr plötzlich und unvorbereitet
entschiedenwerden. Eine Transparenz, warum
welcheSchulegeschlossenwird, kann ichdabei
leider nicht erkennen.
Wie geht Ihre Schulemit der Situation um?
Macht sich die mögliche Schließung in der
pädagogischen Arbeit bemerkbar? Haben
sichMotivationundEngagementverändert?
Anunserer Schulegibt es einTeam, das sich
darumbemüht,dieVorzügederHauptschule für
SchülerInnenaberauch fürAusbildungsbetriebe
wieder hervorzuheben – zum Beispiel durch
Kooperationen und Projekte mit regionalen
Firmen und Institutionen. Denn gerade in die-
sem Bereich macht sich der negative Ruf der
HauptschülerInnenunddiemöglicheSchließung
der Schule vielfach bemerkbar.
Ausgeschriebene Stellen sind schwierig zu
besetzen–dasmüssenwir jedenTag feststellen.
Viele LehrerInnenwollen sich gar nicht erst in
eine unsichere Position begeben und wählen
schondeshalbeineandereSchulform. Fürmich
sehr verständlich – leider.
Dennoch engagiert sich die Mehrheit im
Kollegium sehr für das Fortbestehen unserer
Schulform. Immer mal wieder bekomme ich
gesagt, dass mein Enthusiasmus nach einer
Weilewenigerwerdenwürde.Daskann ichnicht
beurteilen, dazu müssten Sie mich in einigen
Jahrennocheinmal fragen.AberdieserSatzzeigt
mir auch immerwieder, dass vieleKollegInnen
früherengagiertergearbeitethabenmüssenund
inzwischen durch die Situation unzufriedener
oder demotivierter sind – auch das kannman
ihnen kaum verübeln.
Die Fragen für die nds stellte SherinKrüger.
Impressum:GEW-LandesverbandNordrhein-Westfalen,Nünningstr.11,45141Essen,www.gew-nrw.de; V.i.S.d.P.DorotheaSchäfer; Titelfoto: misterQM/photocase.de
1...,14,15,16,17,18,19,20,21,22,23 25,26,27,28,29,30,31,32,33,34,...40
Powered by FlippingBook