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In einem Eilverfahren hat das Landessozialgericht Nordrhein-West-
falen einen Kreis als Träger der Sozialhilfe verpflichtet, einem ver-
haltensauffälligen Schüler ab Beginn des neuen Schuljahres einen
Integrationshelfer zur Verfügung zu stellen.
Um amUnterricht sinnvoll teilnehmen zu können, benötigt der An-
tragsteller eine1:1-Betreuung, die ihnwährenddesUnterrichts undder
Pausen begleitet, ihn dabei unterstützt, pünktlich zum Unterricht zu
erscheinen, seine Sachen ein- und auszupacken, seinen Arbeitsplatz zu
organisieren, sein Verhalten zu kontrollieren, aufzupassen, Informati-
onen von der Tafel abzuschreiben, in der Mensa zu essen und seine
Pausen sinnvoll zu gestalten.
Sozialgericht: SchulealsKostenträgerin
Der Kreis als Sozialhilfeträger hatte – bestätigt vom Sozialgericht
Düsseldorf – die Leistungspflicht abgelehnt. Der betroffene Schüler
besuche eine Schule, die inklusiven Unterricht von behinderten und
nichtbehinderten Kindern und Jugendlichen anbiete. Bei ihm sei
bereits ein sonderpädagogischer Förderungsbedarf anerkannt und er
erhalte für die Dauer von sieben Unterrichtsstunden pro Woche son-
derpädagogische Förderung durch eine dafür bereitgestellte Lehrkraft.
Die Aufgaben, die der Integrationshelfer zu verrichten habe, gehörten
zudenAufgabender Schule. Für eine Leistungspflicht der Kommune sei
daneben keinRaum.
Landessozialgericht: Kommune inder Verantwortung
Der 9. Senat des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen hat den
Kreis hingegen verpflichtet, den Integrationshelfer als Maßnahme der
Eingliederungshilfe zu finanzieren. Von der Leistungspflicht des Sozial-
hilfeträgers könnten auchMaßnahmen umfasst werden, die eigentlich
zum Aufgabenbereich der Schulverwaltung gehörten. Lediglich Maß-
nahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule
zuzurechnen seien, wie die Erteilung des Unterrichts selbst, seien von
dieser Leistungspflicht ausgenommen. Die Unterstützung eines behin-
dertenSchülersdurcheinen Integrationshelfer gehöre jedochnicht zum
pädagogischenKernbereich. SolangedieVorgabeder Lerninhalte inder
Hand der LehrerInnen bleibe, berühre die Unterstützung durch einen
Integrationshelfer den pädagogischen Kernbereich selbst dann nicht,
wenn er auch pädagogische Aufgaben übernehme, wie zum Beispiel
dieAnleitung zur Konzentration auf denUnterricht.
PolitischeKonfliktenicht auf demRücken
der SchülerInnenaustragen!
Das Gericht betont, dass es nicht die Gefahr verkenne, dass eigent-
lich dem Land die Gewährleistungsfunktion für einen funktionierenden
Schulbetrieb obliege und aufgrund organisatorischerMängel und einer
unzureichendenPersonalausstattungder SchulendiefinanziellenBelas-
tungen den Kreisen und Gemeinden als Träger der Sozial- und Jugend-
hilfe aufgebürdet werden. Diese in erster Linie politische Problematik
könne jedochnicht zu Lastender behindertenKinder und Jugendlichen
gehen (Landessozialgericht: L 9 SO429/13B ER).
Ute Lorenz
Das Sozialgericht Detmold hat – erstinstanzlich und noch nicht
rechtskräftig – die Kosten für eine Integrationshelferin oder einen
Integrationshelfer für einbehindertesKind inder offenenGanztags-
schule (OGS) inderNachmittagsbetreuungderStadtkasseauferlegt.
Während einigeKommunendenEinsatz von IntegrationshelferInnen
imNachmittagsbereich gewähren, verweisen die Sozialämter einzelner
Kommunen in sehr enger Auslegung auf die Bestimmungen des Sozial-
gesetzbuches: Die OGS sei nicht Teil des verpflichtenden schulischen
Angebots, sondern eine freiwillige Veranstaltung in der Freizeit, für die
nur eine einkommensabhängige Eingliederungshilfe gewährt werden
könne. Die enge Vernetzung von Schule undOGSwird dabei ignoriert.
Sozialgericht: OGS ist Element desmodernenUnterrichts
Das Sozialgericht Detmold hat entschieden, dass die Kosten für ei-
nen Integrationshelfer für die Nachmittagsstunden der OGS eine Hilfe
für eine angemessene Schulbildung sind (§ 53 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII).
Zwar bestehe keine schulrechtliche Pflicht zur Teilnahme an der OGS,
allerdings sei dieOGS ein Element desmodernen Schulunterrichts, das
den Schulalltag präge und im überwiegenden Bezug zur schulischen
Ausbildung stehe. Die Eingliederungshilfe solle gerade jungen, be-
hinderten Menschen ermöglichen, ihren Platz in der Gemeinschaft zu
finden und in diesem Sinne sei die OGS eine regelmäßige schulische
Veranstaltung und somit Schule im alltäglichen Sinne – zumal in der
GU-Klasse des Klägers alle Kinder dieOGS besuchen.
GesellschaftspolitischerKonflikt
In seiner Begründung bezieht das Gericht auch die gesellschafts-
politische Dimension der Inklusion und ihrer Finanzierung ein: „Das
Problem bei der Fragestellung, ob OGS Schulbildung im Sinne des
Paragrafen 54 SGB XII ist, beruht im Kern auf dem unterschiedlichen
Blickwinkel, den JuristInnen einerseits und PädagogInnen und Soziolo-
gInnen andererseits auf das Gebiet Schule von ihrer unterschiedlichen
Aufgabenstellung her beinahe zwangsläufig haben und die bei größe-
ren gesellschaftlichen Neuentwicklungen erst noch harmonisiert wer-
den müssen. (...) Der Gesetzgeber ist vielfach noch nicht klarstellend
tätig geworden, indem er seinen Willen bei der Auslegung einzelner
Bereiche im Lichte der Inklusion aktualisiert hätte. Dies zeigt sich an
der Problematik umdieAuslegungder Kostentragungder Integrations-
helfer für behinderte Kinder, die die OGS besuchen wollen, geradezu
exemplarisch“ (Sozialgericht Detmold: S 2 SO285/12).
Ute Lorenz
Kosten für dieBereitstellung eines Integrationshelfers
Kommunenmüssen sichander Finanzierungder Inklusionbeteiligen
Foto: Weigand/photocase.de
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