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nds X-2015
aus demGesicht. „Drei Monate“, ruft Gül aus
Deutschland rein, weil Alma nicht so schnell
die deutschenWorte findet.
Anfang des Jahres wurden der Schule 55
Flüchtlingskinder zugewiesen. Sie müssen auf
die Klassen verteilt werden und sie brauchen
Deutschunterricht.Dochdas istnichtdieeinzige
Herausforderung: Zusätzlichmüssen jedes Jahr,
abKlasse7, dieeigentlichdreizügigenKlassen-
stufenumeinen viertenZugerweitertwerden,
weil nach der Orientierungsstufe viele Kinder
von anderen Schulformen an dieHauptschule
wechseln. In diesem Schuljahr waren es 25.
Um Außenseiterklassen zu vermeiden, müs-
sendieKlassenneugemischt werdenunddas
Cool&Fair-Training beginnt von vorn.
KonfliktbewältigungbeimKickern
Bei einerQualitätsprüfungschnittdieSchule
im sozialen Bereich sehr gut ab. Bei der Leh-
re hingegen nicht. Es fehlen Materialien und
Konzepte zur Lernförderung und vor allem
konstantes Personal. Genauso gefragt sind
Antigewalt-TrainerInnen, MediatorInnen und
ein familientherapeutisches Angebot.
„WarumkommenSchülerInnenvonGesamt-
schulenanunsereSchule?“, fragtNicoleRosen-
stein,MitgliedderSchulleitung„DieGesamtschu-
len haben doch auch einenHauptschulzweig.
Wir braucheneinebessereDurchmischungder
Problemschichten, daran haben aber gewisse
Oberschichtenkein Interesse“, erklärt sieweiter.
Auch imZugederAbschaffungder Förderschu-
len sind die Hauptschulen die Leidtragenden.
Deren SchülerInnen werden ebenfalls nur auf
Hauptschulenverteilt. „Wo istdadie Inklusion,
wenndas Problemnur verlagertwird?“, fragen
sich die LehrerInnen an der Kirschhecke.
Kosta führtunszumerweitertenBildungsan-
gebot vonOliverHauck. Der großgewachsene,
freundliche Mann steht an der Tür der Mehr-
zweckhalle. Drinnen herrscht extremes Durch-
einander. Anallen fünfKickertischen tummeln
sichMädchen und Jungen der Klassen 9 und
10. Oliver Hauck hat das Freizeitangebot vor
einem Jahr initiiert, genauso lange isterander
Schule. Er opfert seinePausedafür. DieKinder
stehen oft vor dem Lehrerzimmer und holen
ihnab. „MeinenNudeltopf kann ich jaauch im
Stehenessen.“ Es ist ihmdeutlichanzumerken,
wie gerne er das tut. BeimKickerspielenarbei-
ten die Kinder imMiteinander an Konflikten.
„Streiten imRahmen“ nennt er das.
DieKinder sinddasWichtigste
Ander Kirschhecke gibt es LehrerInnen, die
entweder aus der freien Wirtschaft oder aus
anderen Schulformen kommen, sich aber be-
wusst für dieHauptschule entschiedenhaben.
Nicht nur Melissa, Dominik und Emre aus der
7b finden, dass das Beste an ihrer Schule die
LehrerInnen sind.
55 Lehrerkräfte und ReferendarInnen ar-
beiten an der Schule. Im 20 Quadratmeter
großen Lehrerzimmer ist der Geräuschpegel in
denPausen fast sohochwieaufdemSchulhof.
Auf den Tischen stapeln sichUnterrichtsunter-
lagen, es gibt keine Rückzugsmöglichkeiten.
DieAbschaffungderHauptschulealsSchul-
form ist beschlossen. Die Kirschhecke ist noch
nicht bedroht. „Dieses Jahr haben sich viele
Elternbewusst fürunserAngebotentschieden“,
sagt Nicole Rosenstein. Etwa 30 Prozent der
Lehrtätigkeit ist Wissensvermittlung, der Rest
soziale Arbeit. Hier wird sogar in den Wasch-
räumennochüber dieKinder geredet.Wer das
nicht kann, ist hier falsch.
RomaHering
RomaHering
Freie Journalistin
„Was früher die Förderschule
war, sindwir jetzt.“
Nicole Rosenstein
„Die Kinder sagen einem direkt,
ob sie einenmögen oder nicht.“
Oliver Hauck
Gemeinschaftshauptschule
Kirschhecke
Linke Seite: Sozialarbeiterin Cornelia Ostendarp zieht mit ihrem Sozialprogramm „Cool&Fair“ durch die Klassen.
Handwerken steht imUnterricht auf demProgrammundbeimbuddY-Projekt spielendieKinder klassenübergreifend
miteinander.
RechteSeite:DieHündinNalaund ihr Frauchen, SozialpädagoginSandraSteinhauer, kennenalleauf demSchulhof.
Judith Fathi steht den SchülerInnen beratend zur Seite, währendOliver Hauck es sportlich angeht. Fotos: A. Etges
Foto: A. Etges