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ARBEITSPLATZ
DieDigitalisierungunserer Lebenswelten ist im vollenGange. Eswirdgemailt,
gegoogelt, geskypt undgechattet. Unddas ständig. Dochwasmacht das
eigentlichmit unserem (Arbeits-)Leben?Darüber sprachdie ndsmit Professor
AlexanderMarkowetz, der in seinemBuch „Digitaler Burnout“ für einen
bewussterenUmgangmit dendigitalenMedienund eineneueKommunikations-
etikette plädiert.
ImGesprächmit Professor AlexanderMarkowetz
MultitaskingalsNormalzustand
nds:Smartphone,TabletundCohabenunsere
(Arbeits-)Welt radikalverändert–mitwelchen
Folgen?
Alexander Markowetz:
Untersuchungen
an unserem Institut haben gezeigt: 88 Mal
am Tag schalten wir den Bildschirm unseres
Smartphones ein. 35 Mal davon sind es nur
geringfügige Unterbrechungen wie ein Blick
auf dieUhr. 53Mal am Tag entsperrenwir es,
umE-Mails undNachrichten zu schreibenoder
Apps zunutzen. ImDurchschnitt aktivierendie
BesitzerInnendamit 53Mal amTag ihrHandy
undunterbrechenalle18MinutendieTätigkeit,
mit der sie gerade beschäftigt sind. Was wir
zurzeit erleben, ist die Entstehung des „Homo
Digitalis“–einePerson, dieeinenGroßteil ihrer
Aufgaben mittels digitaler Medien abwickelt.
Die typischenSmartphone-NutzerInnen führen
dabei keine Anwendungwirklich zu Ende aus,
sondernunterbrechen sie immerwieder, um zu
einer anderen Anwendung zu springen. Multi-
tasking istheutekeineAusnahmemehr, sondern
einNormalzustand.
WelcheAuswirkungen sehen Sie?
Die ständigen Unterbrechungen, die lau-
fende Interaktion laugen uns aus und stellen
unser Gehirn, das unsere wichtigste Ressour-
ce ist, unter dauernde Belastung. Die Folgen
sind Unkonzentriertheit, Unzufriedenheit und
mangelndes Glücksempfinden. Das zeigt sich
auch an der Tatsache, dass schon seit Jahren
die Krankschreibungen aufgrund psychischer
Erkrankungen und die Einnahme von Psycho-
pharmaka steigen – inmeinenAugen vielfach
Symptome der Digitalisierung.
DiemeistenUnternehmenhabendieProble-
matik noch nicht erkannt. Sie erlauben ihren
MitarbeiterInnen zuarbeitenwannundwo sie
AlexanderMarkowetz ist seit 2009 Juniorprofessor für Informatik ander Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität
Bonn,woer imRahmeneinesgroßangelegtenProjektsdasVerhaltenvon300.000Smartphone-NutzerInnenuntersucht.
Foto: Barbara Frommann/Universität Bonn
wollen – und Flexibilität ist prinzipiell erstmal
gut. Aber sie entlassen sie damit auch in die
Anarchieund riskierenAbhängigkeit undBurn-
out. Andere Unternehmen unterbinden zwar
abends die berufliche Smartphone-Nutzung,
zum Beispiel indem sie die E-Mail-Server ab-
stellen. Das setzt aber nicht beim eigentlichen
Problem an: bei denUnterbrechungen, die ein
fokussiertes Arbeiten unmöglich machen. Der
daraus resultierendeProduktivitätsverlust fürdie
Unternehmen ist immens – unddieGefahr des
Burn-outs fürdieArbeitnehmerInnensteigtstetig.
Dasklingtallesplausibel –wieso fälltesden
meistenMenschen so schwer, ihr Verhalten
zu ändern?
Weil hinter dem unaufhörlichen Blick aufs
Smartphone ähnliche Mechanismen wie bei
einer Sucht stehen; Apps funktionieren wie
Glücksspielautomaten. Verantwortlich dafür
istdasGlückshormonDopamin. Es sorgtdafür,
dass wir bei der Stange bleiben. Unser Körper
schüttet Dopamin nicht erst aus, wenn wir
etwas Positives erleben, sondern schon dann,
wennwir erwarten, etwas Positives zu erleben.
Auf das Smartphone übertragen heißt das:
Wir schauen ständig darauf, denn es könnte
etwas Neues passiert sein. Jeder Blick auf das
Handy ruft also schon Glücksgefühle hervor
– unabhängig davon, ob es tatsächlich etwas
Neues gibt. Über dieseAutomatismen, dieuns
zumHandy greifen lassen, mussman sich erst
einmal bewusst werden und dann kann man
anfangen, dagegen vorzugehen.
Wiekannein verantwortungsvollerUmgang
aussehen?
Die permanente Smartphone-Nutzung ist
einunterbewusster Reflex, denmannur durch
gezielte Techniken bekämpfen kann. Nehmen
Foto: charles taylor/fotolia.com
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