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nds 11/12-2015
Sie das Thema Rauchen oder Ernährung: Da
gibt es eine riesige Auswahl an Ratschlägen.
ImUmgangmit dem Internet sindaber sogut
wie keine praktischen Hilfen vorhanden und
die, die es gibt, sind kaum wissenschaftlich
belegt. IndenUSA fangendiedigitalenEliten
gerade an, sich digitale Diäten aufzuerlegen.
So können Sie zum Beispiel das Schlafzimmer
zur Smartphone-freien Zone erklären oder nur
zu bestimmten Zeiten IhreMails lesen.
Das sind Strategien, die ich für mich selbst
anwendenkann.Aberwasmuss inderArbeits-
welt – also in der Interaktion mit anderen
– passieren?
Bisher tun sich die meisten Unternehmen
ziemlich schwer damit, Strategien gegen die
negativenBegleiterscheinungenderDigitalisie-
rung zu entwickeln.Waswir brauchen, ist eine
einfache, klare Kommunikationsetikette. Da
sichdie digitaleWelt so rasant entwickelt hat,
haben wir viele Dinge aus der analogenWelt
einfachüberBordgeschmissen. Beispielsweise
war früher klar: Zwischen12.00Uhrund15.00
Uhr ist Mittagsruhe, da ruft man niemanden
an.Heute schreibtmanauchnoch spätabends
eineNachrichtviaWhatsAppunderwartet,dass
manamnächstenMorgeneineAntworthat. Für
unsere gesamte digitale Kommunikation gibt
es noch keine konkreten Regeln, die müssen
wir erstmal für alle Bereiche neu definieren.
Wie könnte eine solche Etikette in einem
Unternehmen aussehen?
Man könnte zum Beispiel aushandeln: Wer
sich verspätet, muss anrufen, er darf nicht ein-
fach nur eine E-Mail oder gar eineWhatsApp-
Nachricht schicken.DieseRegelmussallenklar
sein.DerVorteil:Niemand istmehrgezwungen,
ständigdieverschiedenenKanälezuchecken,um
eineVerschiebungdesTerminsmitzubekommen.
Überhaupt – Aufschieben und Verspäten, das
sind typischePhänomeneunsererZeit.Deshalb
muss gelten: Dringende Dinge müssen sofort
undüberdenbesprochenenKanalkommuniziert
werden.UndunwichtigeDingedürfenambes-
ten gar nicht kommuniziert werden. Wennwir
dieseRegelnberücksichtigen, übernehmenwir
gegenseitigVerantwortung für unseregeistige
Gesundheit.
Stichwort Arbeitnehmerrechte – wie ist es
angesichts des digitalen Fortschritts darum
bestellt?
Ich sehedabei folgendes Problem: Vieleder
KonzepteundRechte –wiedieArbeitszeit von
8.00bis 17.00Uhr oder das Recht auf Teilzeit-
arbeit für zahlreiche Jobformen –, die durch
dieDigitalisierungderArbeitswelt entstanden
sind, stammennochaus Zeitender Industriali-
sierungund tragenheutesonichtmehr.Werfen
Sie nur einen Blick auf die zunehmend größer
werdendeMengederSoloselbstständigen inder
Medien- oderBeratungsbranche, dieoftdarauf
angewiesen sind, rund um die Uhr oder am
Wochenende zu arbeiten. Im Prinzip müssen
wiralldieseKonzepteanpackenundanpassen,
weil sie einfach nicht mehr zu der Art passen,
wiewir jetzt inder neuenWelt arbeiten. Diese
Konzepte müssen dann aber auch so flexibel
sein,dasssiesichdemweiterendigitalenWandel
anpassen lassen.
Der Blick in die Zukunft – was glauben Sie,
woraufmüssen sichArbeitnehmerInnenund
Unternehmen einstellen?
Smartphones und alle anderen digitalen
Entwicklungen sind erst der Anfang. Unsere
ZumWeiterlesen
AlexanderMarkowetz:
Digitaler Burnout.Warum
unsere permanente Smart-
phone-Nutzunggefährlich ist
Droemer HC, 2015
ISBN: 978-3-426-27670-9
224 Seiten
19,99 Euro
Zusammen mit seinem Team hat Alexander
Markowetz eine App entwickelt, die das Verhalten
von Smartphone-NutzerInnen dokumentiert. Er
kommt zu einem erschreckenden Ergebnis: Drei
Stunden täglich befassen wir uns im Schnitt mit
unserem Smartphone, 55Mal am Tag nehmenwir
es zurHand. Ständig sindwir abgelenkt, unkonzen-
triert, gestört. Welche dramatischen Folgenhat die
digitale Permanenz für unsere Gesundheit, unser
Leben und unsere Gesellschaft? Und was können
wir dagegen tun?
Gesellschaftwird inZukunftdurchdendigitalen
Wandel etwa alle fünf Jahre umgekrempelt
werden. Das bedeutet: Inden kommenden60
Jahren wird die Welt zwölf Mal auf den Kopf
gestellt. Der Kampf um unsere Aufmerksam-
keit wird sich dabei zunehmend verschärfen.
Dazu kommt, dass immer mehr Arbeitsplätze
durchComputer ersetztwerden.Wir stehenvor
enormen sozialen Herausforderungen, die wir
dringendangehenmüssenundvondenennoch
niemand so recht weiß, wie das aussehen soll.
AberwirdürfenauchkeineAngstdavorhaben,
dennwirwerden im Laufeder Zeit dazulernen.
So war es auch bei der Industrialisierung, der
wir es zu verdanken haben, dass wir uns all
die Fragen zur Gesundheit und Arbeitswelt
überhaupt stellen.
Was die gesundheitlichen Auswirkungen
betrifft, bin ich optimistischer: Wenn wir uns
jetztdarüberbewusstwerden,wasSmartphone
und Comit unserer Psychemachen, wennwir
einen gesunden Umgang damit pflegen und
uns überlegen, wiewir eigentlichmiteinander
kommunizieren wollen, dann können wir die
negativen gesundheitlichen Folgen sicher ein-
schränken.
//
Die Fragen für die nds
stellteDeniseHeidenreich.
Foto: inkje/photocase.de
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