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nds 11/12-2015
Integrations- undAlphabetisierungskurse
PrekäreBeschäftigung
behindert Integration
Über 200 KollegInnen aus ganz NRW protestierten am
27.Oktober2015 inKölngegendieprekärenBeschäftigungs-
verhältnisseder Lehrkräfte für Integrations- undAlphabeti-
sierungskurseunddiedesaströseUnterfinanzierung. Zuder
Demo inder Innenstadt undvor demBundesamt fürMigra-
tionund Flüchtlinge (BAMF) hatteder Bonner OffeneKreis
derDozentInnen fürDeutschals Fremdspracheaufgerufen.
SelbstangesichtsderbesorgniserregendenFlüchtlingssituation istdas
Bundesinnenministerium,das fürdie Integrations-undAlphabetisierungs-
kurse verantwortlich ist, nichtwillens, diedringendnotwendigenMittel
zurVerfügungzustellen.DieWirtschaft schafftAusbildungs- undArbeits-
plätze für dieGeflüchteten, dochohneausreichendeDeutschkenntnisse
könnendiesenichtbesetztwerden.VomBAMFqualifizierte, spezialisierte
undberufserfahreneLehrkräftemitabgeschlossenemHochschulstudium
sollen deshalb in den sehr heterogenen Kursen schnellstmöglich und
effizientdiedeutscheSpracheunddasdeutscheWertesystemvermitteln.
Beschäftigtwerdensie jedochzuerbärmlichenundarbeitsrechtlichsehr
fragwürdigenKonditionenaufHonorarbasis: IhrNettojahreseinkommen
liegt knappüber12.000,- Euro, alsonahezuaufHartz-IV-Niveau.Obwohl
diese Lehrkräfte dringend gesucht werden, hält das Bundesinnenminis-
terium seit Jahren daran fest, diesen für die Gesellschaft so wichtigen
Beruf so unattraktiv wiemöglich zu halten.
Erschwerend kommt hinzu,
dass das BAMF empfiehlt, Integrations- und Alphabetisierungskurse
mit bis zu 25 TeilnehmerInnen vollzustopfen. Die Konsequenz: Die Un-
terrichtsqualität verschlechtert sichdramatischundder Lernerfolggeht
viel langsamer voran.DiebereitgestelltenAusbildungs- undArbeitsplätze
werdenalsoweiterhinunnötig lang leer bleiben, wodurch sichauchder
Integrationsprozess deutlich verzögernwird. Für den sozialen Frieden in
Deutschland kann sich das nur nachteilig auswirken.
Wegen der miserablen Arbeitsbedingungen müssen Lehrkräfte für
Integrations- und Alphabetisierungskursen selbst um ihre Integration in
die Gesellschaft fürchten, denn schon jetzt leiden sie unter Gegenwarts-
und künftiggarantiert unter Altersarmut. Sie dürfennicht krankwerden,
dennwer nicht unterrichtet, verdient nichts. Gleichesgilt für Feiertagean
Werktagen und für Urlaubszeiten. Zum Abschluss der Demonstration in
KölnüberreichtendieKollegInnenJensButtler, LeiterdesBAMF,über1.000
Unterschriften mit ihren Forderungen: Festanstellung mit einem Gehalt
entsprechendeinesBerufsschullehrersoder–äquivalentdazu–einHonorar
von 60,- Euro pro Unterrichtseinheit. Eine angemessene Wertschätzung
für hoch qualifizierte Lehrkräfte, die eine so wichtige gesellschaftliche
Daueraufgabe erfüllen.
//
Stephan Pabel, bonneroffenerkreis.jimdo.com
Foto:F.Oghuma/pichamann
Weiterbildungskonferenz im Landtag
KeineGeschenke
zumGeburtstag
WaswäredieWeiterbildungohne ihreGesetze? In2015gab
esmitdem40.GeburtstagdesWeiterbildungsgesetzesund
dem30.GeburtstagdesArbeitnehmerweiterbildungsgesetzes
allenGrund zumFeiern. Ausgelassenwar dieStimmungbei
der19.WeiterbildungskonferenzdesAusschusses fürSchule
undWeiterbildungam1. November 2015 jedochnicht. Der
knappeHaushaltsansatzunddieFlüchtlingssituationstellen
dieWeiterbildung vor enormeHerausforderungen.
DievielfacheingefordertenGeldgeschenkezumGeburtstaghatteSylvia
Löhrmann nicht zu verteilen. Dies stellte dieMinisterin für Schule und
Weiterbildungbei der Vorstellungdes Landeshaushalts klar. Neben Lob
undAnerkennung fürdieArbeitderWeiterbildungseinrichtungenhörten
dieTeilnehmerInnen–vornehmlichVertreterInnenderEinrichtungender
öffentlichgefördertenWeiterbildung – stattdessenberechtigteKritikan
der mangelnden Absprache von Bund und Ländern bei der Verteilung
vonBundesgeldern.
Was passiert, wenn Koordinierung fehlt, wurde in der späteren Dis-
kussionnur zudeutlich:Währenddas Landder gemeinwohlorientierten
Weiterbildung Mittel für Kurse für Flüchtlinge zur Verfügung stellt,
schüttet die Agentur für Arbeit das Geld unkontrolliert und unreguliert
indieRepublik. Auf die Freude folgt der Schrecken:Wer sich ebennoch
über das viele Geld, das einfache Antrags- und Abrechnungsverfahren
unddie vielenneuenKursangebote für Flüchtlinge freuen konnte,muss
nun zusehen, wiedie FahrschulenebenanüberNacht zumAnbieter von
Deutschkursen für AsylbewerberInnenwird.
Ein Großteil der Geflüchteten ist nicht mehr schulpflichtig, will und
soll aber dennoch lernen –Deutschnatürlich, aber ebennicht nur. Dies
stelltdieWeiterbildungvorgroßeHerausforderungenbetonteUlrikeKilp,
Sprecherin des Gesprächskreises der Landesorganisationen der Weiter-
bildung. Dass die EinrichtungenderWeiterbildungbei der Bildung von
Erwachsenenmit Zuwanderungsgeschichte nochgroßeAnstrengungen
vor sich haben, beleuchtete der abschließende Vortrag von Professor
Halit Öztürk von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Er
warnte vor der Pauschalisierungen und betonte die Diversität dieser
Zielgruppe. In einer sich verändernden Gesellschaft ist Weiterbildung
in all ihren Facetten gefragt: Schulungen für das Ehrenamt, politische
Bildung undWeiterbildungsangebote, in denenMenschen gemeinsam
lernen. All das kann dieWeiterbildung leisten.
//
Helle Timmermann,
Leitungsteam der Fachgruppe Erwachsenenbildung der GEWNRW
Foto: benicce/photocase.de
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