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nds 11/12-2015
Karl-HeinzHeinemann
Freier Journalist undVorstands-
vorsitzender der Rosa-Luxemburg-
Stiftung e.V. NRW
2009wurdendieHonorarkräfteangehalten,
insgesamt 17, überwiegend kleine Träger zu
gründen mit prekärer Refinanzierung. 2013
begann die Zollbehörde die Trägervereine zu
prüfen und verlangte Rentennachzahlungen;
die Forderungen trieben viele in den Ruin.
Zahlreiche Träger gingen dazu über, alle Ho-
norarkräfte inMinijobberInnen zuüberführen.
Wirksames Qualitätsmanagement ist unter
diesen Strukturen schwer. Prekarisierung und
immer schlechtere Qualität gehen Hand in
Hand. Am Beispiel des Bremer Bündnisses
SozialeArbeitwurdendieMöglichkeiten eines
betriebsungebundenen Bündnisses diskutiert,
das von denGewerkschaften unterstützt wird.
Flüchtlingshilfe statt Tiefkühlkost
In den Volkshochschulen und in den Inte-
grationskursen arbeiten fast ausschließlich
Honorarkräfte. Bei einem Stundensatz von
20,- Euro kommen sie imDurchschnitt auf ein
Nettoeinkommen von 980,- Euro imMonat.
Dawäre er als Fahrer bei Bofrost besser dran,
meintGeorgNiedermüller,Vertreterder Initiative
„Bildungprekär“.Nununterrichtetergeflüchtete
Kinderund JugendlicheaneinerHauptschule–
unddasmacht er, weil er es für sinnvoller hält
alsHausfrauenmit Tiefkühlkost zubeglücken.
DasBAMF,dasBundesamt fürMigrationund
Flüchtlinge, vergibt seine Kurse an Bildungs-
unternehmen und zahlt ihnen 2,94 Euro für
die Teilnehmerstunde. Diese halten sich dann
an ihren „Subunternehmern“, den „freien“Mit-
arbeiterInnen schadlos. Sie kommen bei dem
gnadenlosen Wettbewerb als Erste unter die
Räder. Aber auf die Dauer trifft es auch die
Bildungsanbieter, die sichniederkonkurrieren–
und dann erhält die britische Filiale eines
australischen Bildungskonzerns den Auftrag,
wie kürzlich inKöln.
AnsgarKlinger, imHauptvorstandderGEW
für berufliche Bildung undWeiterbildung zu-
ständig, vertratdieMindestforderungderGEW:
30,- EuroHonorarplusArbeitgeberbeitrag zur
Sozialversicherung. Erst kürzlich haben die
Honorarkräfte an Volkshochschulen in Köln
undBonn fürdieseForderungendemonstriert.
DieGEW trittdafür ein, dassDozentInnenmit
Daueraufgaben auch fest eingestellt werden.
Mangelhafte Finanzierungder
zentralenöffentlichenAufgaben
Wer ist für die Misere verantwortlich zu
machen? Ineiner vonDorotheaSchäfer,Vorsit-
zendederGEWNRW,moderiertenDiskussions-
runde trafen der Fraktionsvorsitzende der
LINKEN im Kölner Rat, Jörg Detjen, und der
Präsident des Städte- und Gemeindebundes,
derBergkamenerBürgermeisterRolandSchäfer,
aufeinander. Bei der Stadt Kölnmüssen über
100BeschäftigtealsAufstockerInnen ihrGehalt
mit Hartz IV aufbessern. Nein, das geht gar
nicht, räumte auch Gemeindebundpräsident
Roland Schäfer ein. Ja, bestätigte er, die
Gemeinden vergeben Aufträge, etwa an die
Träger der OGS oder in der Jugendhilfe, ohne
zu kontrollieren, wie diesemit ihren Beschäf-
tigten umgehen. Auftragnehmer der öffent-
lichen Hand unterliegen tatsächlich keiner
Kontrolle in punctoArbeitsbedingungen. Die
Kommunen sind froh,wennsiebilligeAuftrag-
nehmer finden.
Die Träger wiederum klagen zuRecht über
unsichereVerträge, dieetwabei denOGSnur
überein Jahr laufen. IndenKitaswechseltdas
bezahlte Stundenvolumen ständig s und so
geben siedievon ihnengeforderteFlexibilität
alsUnsicherheit an ihreBeschäftigtenweiter.
Die stehennunmal amEndeder Kettedieser
unsozialenAusteritätspolitik.
DasThemaderKonferenzbietetgenugAnlass
zur Verbitterung. Doch die Atmosphäre in der
Duisburger Gesamtschulewar alles andere als
pessimistisch. Ansgar Klinger lobte die solida-
rischeAtmosphäre, inder dort Gewerkschafte-
rInnen und Initiativen zusammenkamen. Und
dass das Verbindende über die verschiedenen
Arbeitsbereiche, über Beschäftigte, Träger und
Kommunen hinweg die Kritik an der mangel-
haftenöffentlichenFinanzierungder zentralen
öffentlichenAufgabenwar.Änderungen, sosagt
er, können letztlichnurpolitischerreichtwerden,
im Bundestag. Inwieweit die gegenwärtige
PolitikzuÄnderungenbereit ist,wirdsichander
zurzeitdebattiertenReformdesVergaberechts
zeigen – hier geht es um die Ausschreibung
sozialer Dienstleistungen.
//
Trotz qualifizierter Ausbildungundwachsendem
Fachkräftemangel, verlassen viele ErzieherInnen
dasBerufsfeldbereitsnachwenigenJahren.Grund
sind fehlende Perspektiven für Berufsanfänge-
rInnen.Wer jahrelang immerwiedernurbefristet
undmitwechselndenTeilzeitvolumenbeschäftigt
wird, kann kaumdavon lebenund seineZukunft
planen. Ursache für diese Praxis ist ein Refinan-
zierungssystem auf Basis von unzureichenden
Pauschalen, welches Träger von Kitas und Kom-
munen dahin drängt, das finanzielle Risiko an
ihreBeschäftigtenweiterzureichen.GuteBildung
braucht gute Fachkräfte und gute Fachkräfte
brauchenguteArbeit–das fordernErzieherInnen
seitJahrenundsind immervertröstetworden, „weil
keinGeldda ist“.DochdieKollegInnen lassensich
das nicht mehr gefallen, wie der wochenlange
Streik in diesem Jahr gezeigt hat.
SabineUhlenkott, Gewerkschaftssekretärin
im ver.di LandesbezirkNRW
GEWNRW: Beschluss desGewerkschafts-
tags „PrekäreArbeitsverhältnisse skanda-
lisieren, Diskriminierung verhindern“
GEW: Themenseite „GuteArbeit“
ver.di: Themenseite „Arbeit“
Rosa-Luxemburg-Stiftung e.V. NRW, Gesell-
schaft: Prekär im öffentlichenAuftrag
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Prekaer
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