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nds 1-2016
Welche Konsequenzen für das Besoldungs-
recht der Lehrkräfte ergeben sich aus dem
Verfassungsrecht –auchunter Einbeziehung
der aktuellen Rechtsprechung des Bundes-
verfassungsgerichts zur Richterbesoldung?
Das Bundesverfassungsgericht hat in sei-
nemUrteil zur Richterbesoldung betont, dass
die Alimentation amtsangemessen seinmuss.
AmtsangemesseneAlimentationbedeutetnach
einhelliger Auffassung in der juristischen Ju-
dikatur und Literatur, dass ein angemessener
Lebensunterhalt entsprechend der allgemei-
nen wirtschaftlichen und finanziellen Verhält-
nisse und des allgemeinen Lebensstandards
zu gewähren ist. Amtsangemessen muss die
Alimentation aber nicht nur mit Blick auf die
Höhe des Lebensunterhalts, sondern auchmit
Blick auf die grundsätzliche Einstufung des
Amtessein,diewiederumvonderWertigkeitdes
Amtes abhängt. Um dieAmtsangemessenheit
der Alimentation fortdauernd zu gewährleis-
ten, treffen den Gesetzgeber Begründungs-,
Überprüfungs- undBeobachtungspflichten.Der
Gesetzgebermussalsoständigschauen, obdas
von ihm geschaffene Besoldungssystem noch
in sich stimmig ist.
Welche Auswirkungen hat die von Ihnen
geschilderte Rechtslage auf die Altbeschäf-
tigten–alsodiejenigen,diebereitsseitJahren
mit ihrer vielfältigen Erfahrung jene Arbeit
leisten,die jungeMasterabsolventInnenerst
beginnen?
Das ist eine nicht leicht zu beantwortende
Frage. Der Gesetzgeber könnte sich bei einer
Novellierung des Besoldungssystems veran-
lasst sehen, aufdiebisherigeAusbildungabzu-
stellenunddahergrundsätzlichanderniedrigen
EinstufungvonAltbeschäftigten festzuhalten–
doch ob das völlig überzeugend ist, erscheint
fragwürdig. Von Bedeutung ist nämlich nicht
nur die Ausbildung, sondern auch das Tätig-
keitsspektrum. Grundsätzlich gilt nach dem
Gebot der Besoldungsgerechtigkeit, dass das
Besoldungssystem vergleichbare Aufgaben
und Tätigkeiten auch gleichbehandeln muss.
Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht
demBesoldungsgesetzgeberbisher einen recht
großenBeurteilungsspielraumbeiderGestaltung
vonBesoldungsordnungeneingeräumt.Eskann
daher sein, dass das Gericht demGesetzgeber
zubilligenkönnte,denAspektAusbildungstärker
zugewichtenalsdenFaktorTätigkeitsspektrum.
Eskannaberauchsein,dassKarlsruheverlangt,
dass durch großzügige Übergangsregelungen
eine Anpassung der Situation der Altbeschäf-
tigtenandieBehandlungderNeubeschäftigten
zu erfolgen hat. Welche Variante zum Zuge
kommt, lässt sich schwer prognostizieren.
Was ratenSieLehrkräftenaufGrundlage Ihrer
Rechtsauswertung?
DieBesoldungderLehrkräftekannsichwegen
des strikten Gesetzlichkeitsprinzips im Besol-
dungsrecht letztendlich nur auf zwei Wegen
verbessern:Entwederdernordrhein-westfälische
Gesetzgeberhat von sichauseinEinsehenund
ändertunterBerücksichtigungdergeschilderten
Gesichtspunkte das Besoldungsgesetz oder er
wird durch ein Gerichtsurteil zur Änderung
gezwungen. Ein solchesUrteil herbeizuführen,
istallerdingsmühevollundbedarfeines langen
Atems. Es istmiteinermehrjährigenVerfahrens-
dauer zu rechnen. Empfehlenswert ist deshalb,
dass mehrere Musterverfahren wegen nicht
amtsangemessener Alimentation angestrengt
werden, von denen am Ende alle Lehrkräfte
profitieren.
BeidenVerwaltungsgerichten ist–nacheinem
erfolglosverlaufenenWiderspruchsverfahrenge-
gendieBesoldungsmitteilung–einesogenannte
FeststellungsklagemitdemAntrag zuerheben,
dassdasgegenwärtigeBesoldungsgesetzgegen
den aus Artikel 33Absatz 5Grundgesetz her-
geleiteten Grundsatz der amtsangemessenen
Alimentation verstößt. Mit Blick auf die nicht
gerechtfertigteunterschiedlicheEinstufungvon
Lehrkräftenmit vergleichbarerAusbildungund
vergleichbarenAufgaben ist insbesondere das
Prinzip der Besoldungsgerechtigkeit zu rügen.
Hält das Verwaltungsgericht die Besoldung
für rechtswidrig und deshalb die Klage für
begründet, so muss es das Besoldungsgesetz
nach Artikel 100 Absatz 1 Grundgesetz dem
Bundesverfassungsgericht zurÜberprüfungvor-
legen.DasVerwaltungsgericht selbst kanndas
Besoldungsgesetz nicht für verfassungswidrig
erklären. ErklärtdasBundesverfassungsgericht
dasgeltendeBesoldungsgesetz fürverfassungs-
widrig, so ist der Gesetzgeber gehalten, dieses
entsprechend zu ändern.
Nicht erfolgversprechend ist es dagegen,
direkteineLeistungsklageaufZahlunghöherer
Bezügezuerheben,weildasVerwaltungsgericht
keine Bezüge zusprechen darf, die durch das
Gesetz nicht vorgesehen sind.
//
Die Fragen für die nds stellteUte Lorenz.
Foto: speednik  /photocase.de
Foto: christophe papke/photocase.de
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