nds201601 - page 18

21
THEMA
RomaHering
Freie Journalistin
Nachgefragt
nds: Als pensionierte Lehrerin engagieren Sie sich
ehrenamtlich für Geflüchtete und MigrantInnen.
Was hat Sie dazumotiviert?
Heidrun Friedrichsmeier:
Ich habe lange an einer
Schule mit zunehmend hohem Anteil türkisch-
stämmiger SchülerInnen gearbeitet, die mit zum
Teil sehr geringen Deutschkenntnissen in die Schu-
le kamen. Von dieser Zeit profitiere ich heute. Nach
meiner Pensionierung traten zwei Beratungsstel-
len an mich heran: Ich erfuhr, dass sich unzählige
MigrantInnen Deutschunterricht wünschten und
geflüchtete Frauen eine Alphabetisierung. Meine
Erfahrungengebe ich seit 13 Jahren ehrenamtlich in
Sprachkursenweiter.
WelcheAufgabenübernehmen Sie konkret?
DieKursesindkostenlosundwerdenvonGeflüchteten
und MigrantInnen aus verschiedensten Ländern mit
unterschiedlichstem Aufenthaltsstatus und Kenntnis-
stand besucht. LernanfängerInnen nutzen die Kurse
alsEinstieg, ohnedabei finanzielleoder rechtlichePro-
bleme zu bekommen. Sie erlernen das Sprechen, Ver-
stehen, Lesen und Schreiben der deutschen Sprache.
Fortgeschrittene nutzen den Kurs, um Gelerntes zu
üben, Fragen zu stellen und sich mit anderen zu un-
terhalten – auch über ihre unterschiedlichen Religi-
onenundKulturen. Anders als in zertifiziertenKursen
können Ehrenamtliche sichmehr Zeit nehmen für ein
Thema, für Fragen und Probleme. Ganz individuell,
je nachdem wie es eben notwendig ist. Hilfreich ist
es, wenn eine zweite ehrenamtlich tätige Person zeit-
weilig Einzelne oder Kleingruppen gezielt fördern
oder auchKinderbetreuung anbieten kann.
EhrenamtlicheHelferInnen könnendiesewichtigen
Bildungsaufgaben nicht langfristig stemmen. Wo
muss die Landesregierungdefinitiv nachbessern?
Ohne ehrenamtliche Hilfen können Hauptamtliche
ihreArbeitnichtleisten.AufDauersindsieimBildungs-
bereich unverzichtbar. Dafür müssen in den Schu-
len und Flüchtlingsunterkünften genügend Räume
undMaterialien für Unterricht und Kinderbetreuung
zur Verfügung stehen. Außerdemmuss Zeit für den
Austausch mit Lehrenden da sein. Muttersprach-
licher Unterricht in der Schule hat sich bei türkisch-
sprachigen Kindern bewährt. Jetzt müsste geprüft
werden, wie dies für Kinder mit arabischer Mutter-
sprache verwirklicht werden kann. In NRW gibt es
glücklicherweise keine Sortierung der Kinder nach
HerkunftslandundAufenthaltsstatusmehr. Dasselbe
sollte auch für Erwachsene gelten. Auch Geflüchte-
te, die später von einer Rückführung betroffen sein
könnten, sollten Zugang zu allenUnterrichtsangebo-
ten erhalten, damit die Wartezeit auf die Entschei-
dung eines Antrags für niemanden verlorene Zeit ist.
Die Fragen für die nds stellte SherinKrüger.
Heidrun Friedrichsmeier
Pensionierte Lehrerin und ehren-
amtliche Lehrkraft für Sprachkurse
„Perspektiven kann nur die Politik
entwickeln, wirmachen
dieUmsetzung.“
SchulleiterManfredUchtmann
Unterrichtsthemenverwandeln sich ineinMemoryspiel, umden
Zugang fürdie Jugendlichenzuerleichtern(l.o.).DieKollegInnen
arbeitenengzusammenund ihrUnterrichtbautaufeinanderauf:
MelanieBischkowski ist zuständig fürDeutsch-Förderunterricht
undSoziales Lernen (l.u.). ArianeHeimig (u.Mitte) hat den IF-
Bereich2012 aufgebaut undKollegInnenmit Fakultas für die
Sekundarstufe I und II eingestellt. Wöchentlich treffen sie sich
zum Teammeeting.
Fotos: A. Etges
basieren auf dem Konzept der Lernspirale.
Themen werden eingeführt und tauchen in
Abständen immer wieder auf.
WasPädagogInnenbrauchen
Nebenberuflicher Orientierungauchalters-
gerechte Sprachförderung anzubieten, ist
schwierig. Das Berufskolleg ist darauf eigent-
lich nicht ausgelegt. Bereichsleiterin Ariane
Heimighatden IF-Bereichmitaufgebaut, ohne
Hilfe von außen. Noch 2010 absolvierte sie
ein berufsbegleitendes Studium „Deutsch als
Zweitsprache/Deutschals Fremdsprache“. Im
gleichen Jahr eröffneten siedieersteKlasse für
SchülerInnen ohne Vorkenntnisse. Jetzt waren
neueFormenderVermittlunggefragt:DieSchule
ging dazu über, PädagogInnen mit Fakultas
für Sekundarstufe I und II einzustellen, die
Erfahrungen inbasalerGrammatikvermittlung
mitbrachten. AuchNadine Löppenbergbesitzt
Fakultas fürdieSekundarstufe Iund II inDeutsch
undGeschichte. „IchhabeübereineKolleginaus
demReferendariat vonder Stellehier erfahren.
Es war Liebe auf den erstenBlick“, lacht sie.
Bei aller Euphorie, wo werden die Pädago-
gInnen die Belastungen los, die der Beruf mit
sichbringt? Erst seit 2015bietet der Schulpsy-
chologischeDienstFortbildungenundGruppen-
supervisionen an. „Wir machen regelmäßig
Teamsitzungen mit kollegialer Fallberatung“,
sagtArianeHeimig.DieTeamstundeermöglicht
ihnender Schulleiter, daskooperativeArbeiten
steht an erster Stelle. So werden auch Unter-
richtsreihen gemeinsam geplant undMaterial
ausgetauscht. „Die KollegInnenmöchten hier
arbeiten, deshalb funktioniert es sogut“, wirft
Nadine Löppenberg ein. Die Bereichsleiterin
fordertmehr Supervisionsstunden, Sozialarbeit
und Team-Teaching für die IF-Klassen. Die In-
tegrationsstellenbrauchen sie, umdieKlassen
relativ klein zu halten. „Da ist das Land gefor-
dert“,betontGEW-MitgliedManfredUchtmann.
„Perspektiven kann nur die Politik entwickeln,
wirmachen dieUmsetzung.“
//
1...,8,9,10,11,12,13,14,15,16,17 19,20,21,22,23,24,25,26,27,28,...40
Powered by FlippingBook