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Die Jahre 2013 bis 2019 sind voller
Gedenktage, die uns anGeschehnisse
vor jeweils100 Jahrenerinnernwollen.
Gedenktage sind nicht nur Anlass für
Feierstunden. Als Teil unserer Erinne-
rungskultur beleben sie die politische
BildungundeinenmodernenGeschichts-
und Politikunterricht.
Erinnern für die Zukunft an Schulen inNRW
Plädoyer für einen
kultursensiblen Zugang
Viele Schulen haben sich auf denWeg ge-
macht, um zu einem authentischen Ort der
Erinnerungskultur zu werden. Themen der
Erinnerungwerden in den Fächern, aber auch
fächerübergreifend, imUnterrichtund inaußer-
unterrichtlichen Projekten aufgenommen. Das
Schulprogramm erhält einen demokratiepäda-
gogischen Schwerpunkt.
Dabei ist es für einennachhaltigenund ver-
tiefendenUnterrichtwichtig– imSinneder refle-
xivenErinnerungskultur, einBegriffdenHarald
Welzergeprägthat–,dasswirdieErinnerungan
Vergangenes immer imHinblickaufGegenwart
undZukunft verstehenunddebattieren sollten:
als Mahnung und als Auftrag, sich für Demo-
kratie undMenschenrechte aktiv einzusetzen.
Dies ist angesichts aktueller Ereignisse – viele
Menschen kommen zuuns und suchen Schutz,
aber auch mit Bezug auf die Attentate von
Paris – aktueller undwichtiger denn je.
Schulen engagieren sich
für historisch-politischeBildung
In NRW haben wir mit dem Konzept „Erin-
nern für die Zukunft“ von Oktober 2013 eine
Bildungspartnerschaft zwischen Schulen und
Gedenkstätten ins Leben gerufen. Bei dieser
Bildungspartnerschaft ist es uns einwichtiges
Anliegen, auch die kulturelle Vielfalt in un-
serem Land zu bedenken. Dies erfahren wir
heute umso mehr, in einer Zeit, in der viele
Menschen vor Verfolgung, Krieg und Terror in
unserem Land Zuflucht suchen. Hier setzt das
neueFortbildungsangebot „Erinnern inderMi-
grationsgesellschaft“anundbietetPerspektiven
für denUnterricht.
IndenSchulengibtes zahlreicheAktivitäten
zurhistorisch-politischenBildung, imUnterricht,
inaußerunterrichtlichenAngeboten,oftauchmit
künstlerischenMitteln, imEngagement ineiner
Initiativewie „SchuleohneRassismus – Schule
mitCourage“, demFörderprogramm „Demokra-
tischhandeln“, dem Programm „Sozial genial“
oder imProjekt„SchulederVielfalt–Schuleohne
Homophobie“. An diesen Projekten beteiligen
sich allein in NRW fast 1.000 Schulen. Viele
andere haben ähnliche Initiativen – das sind
Ansätze, diewir stärkenmüssen.
Erinnerungskulturen:
der Stellenwert der Shoah
Die Shoah ist und bleibt in Deutschland
Dreh- undAngelpunkt jederErinnerungskultur.
Wirdürfenniemalsnachlassen, das „Menschen-
mögliche“ zu beschreiben, zu reflektieren, das
Unbegreifbare zubegreifen. Ichbin ferndavon,
einerKonkurrenzzwischendenOpfernvonTerror
undVerfolgungdasWort zu reden, auchwenn
esMenschen gibt, die gerade dieses tun.
Wirmüssenuns aber fragen, wiewirmit der
VielzahlvonErinnerungskulturen,denenwir jetzt
begegnen, umgehen: Wenn die Untersuchung
„Deutsch-israelischer Schulbuchvergleich“ des
Braunschweiger Georg-Eckert-Instituts zu dem
Ergebnis kommt, dassweder dieVorgeschichte
derGründung Israelsnochdiekomplexen ideo-
logischen, religiösenodergeopolitischenHinter-
gründe kriegerischer Auseinandersetzungen in
der Region berücksichtigt werden und demo-
kratischeStrukturendesheutigenStaates Israel
auch keinThema sind, so zeigt das ohne Frage,
dass wir noch viel zu tun haben. Auch die Ver-
lage werden noch besser beratenmüssen. Die
geplanteHandreichung für Lehrkräfte ist dafür
sicher eine guteGrundlage.
Mit BlickaufDeutschlandundgeradeauch
NRWheißtdas fürmich:Wirmüssenuns fragen,
wie wir in unserem Einwanderungsland die
ErinnerungenundGeschichtenderMenschen,
die in den vergangenen 50 Jahren zu uns ge-
kommen sind, derMenschen, die heute zuuns
kommen,unddiespezifischdeutscheGeschichte
verknüpfen.
Erinnerungskulturenund
Kultursensibilität
Historisch-politischeBildungkannsichheute
nichtmehr nur auf deutsche oder europäische
GeschichteundPolitikbeschränken–wenndas
überhaupt jemalsmöglichwar.Dasgiltnichtnur
wegendervielenKulturen inderBundesrepublik,
die vonMenschen mit Migrationshintergrund
immerweiter bereichertwerden, sondernauch
wegenderweltweitenVerflechtungenvonPoli-
tik. Menschenrechte sindunteilbar undgelten
nichtnur fürbestimmteLänder.Menschenrechte
gelten für Geflüchtete auf demMittelmeer
genausowie für all dieMenschen, dieaus afri-
kanischen oder asiatischen Ländern bei uns
Zuflucht suchen.
Sprechenwir alsobewusst vonErinnerungs-
kulturen imPlural – imZusammenhangmitder
spezifisch deutschen Erinnerungskultur – aus
West- und Ostdeutschland. Die 2014 im Jahr
meinerPräsidentschafterarbeiteteEmpfehlung
der Kultusministerkonferenz spricht daher von
einem kultursensiblen Zugang zur historisch-
politischenBildung.DieBildungspartnerschaft
Schule–Gedenkstätten inNordrhein-Westfalen
hat das Thema des kultursensiblen Erinnerns
zu einem Schwerpunkt ihrer Arbeit gemacht.
Deutschland inderWelt –dieWelt inDeutsch-
land, vielleicht ist das eine Formel, die das
Miteinander in all seinen Facetten erfasst. Es
kommtnichtdaraufan,mitwelchen Ideenoder
Themenmanbeginnt. Eskommtnurdaraufan,
dassmansichaufdieReisebegibt.Zurhistorisch-
Fotos: S. Spiegl
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