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nds 5-2015
d Beamte rund um den Arbe i tsplatz
Die
Wissensecke
Unbefristeter Streik
Ob in den Kitas oder bei der Bahn: Unbefristete Streiks oder
Erzwingungsstreiks sindpräsenter als je zuvor.Warumentschei-
den sichGewerkschaften für diesenWeg?
Im Gegensatz zu Warnstreiks in einer Tarifauseinandersetzung
werden Erzwingungsstreiksmittels vorheriger Urabstimmung unter
den Mitgliedern eingeleitet. So ist in den Streik-Richtlinien des
DGB die qualifizierte Urabstimmung mit Drei-Viertel-Mehrheit der
kampfbetroffenenMitglieder im Streikgebiet fest verankert. Erzwin-
gungsstreiks, dieanders alsWarnstreiks unbefristet sind, sollenden
Arbeitgeberdazubewegen, aufdiegewerkschaftlichenForderungen
einzugehen. Das Recht zumunbefristeten Streikbegründet sichaus
der Koalitionsfreiheit (Art. 9Abs. 3Grundgesetz): BürgerInnendür-
fen sich auf demArbeitsmarkt zu Kartellen zur Durchsetzung ihrer
Interessenzusammenschließen.DasBundesarbeitsgerichthat füralle
StreiksdasUltima-Ratio-Prinzip festgelegt:Arbeitskampfmaßnahmen
sindnicht grundsätzlicherlaubt, sondernerst nacherfolglosenoder
gescheitertenVerhandlungen rechtlich abgesichert.
Absicherung fürGewerkschaftsmitglieder
Während des Streiks ruht das Arbeitsverhältnis und Arbeitneh-
merInnen müssen keine Arbeitsleistung erbringen. Ein Anspruch
auf Arbeitsentgelt besteht für die Dauer des Streik jedoch nicht.
Hier stehen die Gewerkschaften für ihre Mitglieder ein, indem sie
aus Teilen der Mitgliedsbeiträge eine Streikkasse einrichten und
KollegInnen im Ausstand ein Streikgeld auszahlen – eine wichtige
Voraussetzung für einen erfolgreichen Erzwingungsstreik. Je mehr
Mitglieder eine Gewerkschaft hat, desto größer sind ihre Chancen,
denArbeitgeberüberdenArbeitskampf zumEinlenkenundzumindest
zuKompromissen zu bringen.
Waspassiertmit der Sozialversicherung?
Für Pflichtversicherte in einer gesetzlichenKrankenkassebesteht
während eines Streiks dieMitgliedschaft ohne Beitragspflicht fort.
FreiwilligundprivatKrankenversichertemüssen ihrenBeitragwährend
eines Streiks weiter zahlen. Der Arbeitgeberzuschuss wird bei einer
streikbedingtenEntgeltkürzunganteiligverringert. FallenBeschäftigte
durchdieseKürzungkurzzeitigunterdiePflichtversicherungsgrenze,
hatdaskeineFolgen fürdieKrankenversicherung. FürdieDauereines
Streiks werden keine Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt. Die
Auswirkungenaufdie spätereRente sind jedochminimal: 100,- Euro
streikbedingter Einkommensausfall ergebeneineRentenminderung
um 0,09 Euro imMonat. Ein geringer Verlust, gemessen an der
erstreiktenGehhaltserhöhung!
Ute Lorenz
Mehr Infos:
Wirksamkeit einer Befristung
Institutioneller Rechtsmissbrauch imSchulwesen
Entscheidet einArbeitgeber sichunter Berufung auf den Sachgrund
vorübergehendenVertretungsbedarfs zumAbschlussbefristeterKet-
tenarbeitsverträge, ist imRahmen einerMissbrauchskontrolle unter
Abwägung aller Umstände des Einzelfalls zu prüfen, ob nicht ein
institutioneller Rechtsmissbrauch vorliegt.
Indizien für einen institutionellen Rechtsmissbrauch können nicht
nur Anzahl und Gesamtdauer der Befristung sein, sondern auch ein
häufigesunddeutlichesZurückbleibenderBefristungsdauer hinter dem
jeweiligen Vertretungsbedarf, eine fortdauernde Vertretung trotz zwi-
schenzeitlicher Rückkehr des zu Vertretenden, einmehrjähriger Einsatz
als Klassenlehrer trotzwechselnder zu vertretender Lehrkräfte, eineVer-
tretungstätigkeit an Schulen, andenendie zu vertretende Lehrkraft gar
nicht tätig war (deren bloße abstrakt-hypothetische Umsetzbarkeit ge-
nügt dem Erfordernis der erkennbaren gedanklichen Zuordnung nicht),
oder eine Vertragsgestaltung, nach der sich das arbeitgeberseitige
Direktionsrecht auf eine Viel-zahl an Schulen, Orten und Schulformen
bezieht, (ArbG Trier v. 18.09.2014 – 3Ca237/14).
Quelle: DGB, Info Recht vom08.05.2015
Unfallruhegehalt und -entschädigung
Amoklauf alsDienstunfall anerkannt
Das Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart hat den Amoklauf vom 11.
März 2009 als einen qualifizierten Dienstunfall eingestuft und
einer beamteten Lehrerin der Albertville-Realschule in Winnenden
deshalb ein erhöhtes Unfallruhegehalt und eine Unfallentschädi-
gung inHöhe von80.000,- Euro zugestanden.
Die Klägerin konnte sich und ihre Klasse am Tag des Amoklaufs in
Sicherheit bringen und ist seit Ende Januar 2013 im vorzeitigen Ruhe-
stand. Das Regierungspräsidium Stuttgart erkannte die Geschehnisse
zwar alsDienstunfallmit derUnfallfolge „PosttraumatischeBelastungs-
störung“ an. Das Landesamt für Besoldung und Versorgung jedoch
gewährte kein erhöhtes Unfallruhegehalt, weil kein qualifizierter
Dienstunfall vorliege. Weder habe sich die Klägerin bei ihrer Tätigkeit
einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr ausgesetzt, noch
sei sie gezielt einem Angriff ausgesetzt gewesen. Dagegen hatte die
Lehrerin geklagt.
Das VG Stuttgart hat der Klage stattgegeben und die Ereignisse als
qualifizierten Dienstunfall bewertet. Ein Anspruch auf Unfallfürsorge
setze zwar einen Angriff voraus. Dieser liege jedoch dann vor, wenn
BeamtInnenobjektiv indieGefahr gerieten, einenKörperschaden zuer-
leiden. DieKlägerinhabe inder konkretenGefahr einer beabsichtigten
Körperverletzung beziehungsweise Tötung geschwebt und infolgedes-
sen eine Verletzung ihrer seelischen Integrität erlitten. Nur der Zufall
habe eine Verletzung ihrer körperlichen Integrität verhindert. Wegen
der erlittenen Bedrohung sei sie erheblich psychisch belastet und er-
krankt (Verwaltungsgericht Stuttgart: 12K2461/14).
Ute Lorenz, Quelle: Verwaltungsgericht Stuttgart
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