nds201505 - page 3

3
nds 5-2015
Konkursmitteilung
DasEndewar schonvor Jahrzehntenabsehbar.Wir erinnernuns: 1968wurdeeineEmpfehlung
desDeutschenAusschussesausdem Jahr1960 fürdasErziehungs- undBildungswesendurchden
BeschlussderKultusministerkonferenz inganzWestdeutschlandumgesetzt unddieHauptschule
eingeführt. Vereinfacht handelte es sich um einen Schnitt durch die Volksschule.
Bekannt seit 45 Jahren: Selektion ist unzeitgemäß
Eswarder falscheBeschluss zur falschenZeit.Nunmehr inEilekamendieKultusbehördenden
absehbaren Gutachten des bereits bestehenden Deutschen Bildungsrates zuvor, der – wie sich
spätestens 1970 im Strukturplan zeigte – begabungstheoretisch begründete Bildungsgänge für
unzeitgemäß hielt. Doch dawar dieHauptschule längst Realität.
Das Scheitern des erhofften Erfolgsmodells mit optimistischer Schulformbezeichnung hatte
sich schonbei seiner Einführungabgezeichnet. Denbundesweit steigendenÜbergangsquoten in
Realschulen und Gymnasien konnten Hauptschulen nichts entgegensetzen. Von 1955 bis 1970
hattendieRealschulen ihreÜbergangsquote von8,3auf 20,2Prozent gesteigert, dieGymnasien
von14,6auf21,3Prozent zugelegt.Von fast70ProzentÜbergangsquotezurdamaligenVolksschule
waren1970bundesweit noch53,7Prozent übriggeblieben, inNordrhein-Westfalen55,9Prozent.
Rollentausch: vonderHaupt- zurNebenschule
Damit war sie aber immer noch die meistbesuchte Schulform. Doch der Wandel des Schul-
wahlverhaltens setzte sichunbeirrbar fort: 1986übernahm inNRWdasGymnasiumdieRolledes
begehrtestenBildungsgangs–undgibt siebisheutenichtmehrab. 1992 lagauchdieRealschule
erstmals vor derHauptschuleundab2005waren sogar dieGesamtschulen stärker nachgefragt.
Aus der Hauptschulewar eineNebenschule geworden.
Die letzte Bilanz der Hauptschule ist rundum trostlos: Die Übergangsquote liegt aktuell bei
5,4Prozent. Vonehemals1.478nordrhein-westfälischenHauptschulen sind535geblieben. Doch
das ist nur die halbe Wahrheit, denn 263 Hauptschulen verfügen nicht mehr über eine fünfte
Klassenstufe – sie laufenalsoaus. EinViertel der 396Kommunenmeldete2013 keinen einzigen
Übergang zur Hauptschulemehr, bei einemweiterenViertel waren es weniger als fünf Kinder.
BerufsperspektivenachderHauptschule: Lehrkräftewerdengebraucht
Ungeachtet immer nochvagabundierenderVerschwörungstheorienundSchuldzuweisungen–
wiebeispielsweise „DieHauptschulewurdekaputtgeredet.“oder „DieHauptschulewurde imStich
gelassen.“–verweisteinnüchternerBlickaufandereUrsachen, vorallemaufdiese: Schulabschlüs-
se präjudizieren berufliche Positionen – und die bestimmenmaßgeblich den gesellschaftlichen
Status einer Familie. Wenn aber die Einmündung in einen Beruf an immer höhere schulische
Qualifikationengebundenwird, dann setzt diebegehrteErhaltungdes gesellschaftlichen Status
in der Generationenfolge immer bessere Schulabschlüsse voraus. Elternwissen das undwählen
die passendenBildungsgänge.
DieserEinstellung istmitpolitischen Interventionennichtbeizukommen.AlleBemühungenum
die Attraktivierung der Hauptschule prallten daran ab und nicht einmal krude Zugangsbestim-
mungen zu begehrteren weiterführenden Schulen wie in Bayern konnten den Trend aufhalten.
DerWandel des Schulwahlverhaltens ist eben ein universales Phänomen.
SchnellesHandeln ist geboten, inder Landespolitikwieauf Schulträgerebene.Wer stigmatisie-
rende Restschulen für unerträglichhält, benötigt ein zeitlichund inhaltlichdefiniertes Ausstiegs-
konzept für die letzten verbliebenenHauptschulen. Es sollteanKriteriengebunden seinund eine
klare Berufsperspektive für die Lehrkräfte enthalten. Sie sind schließlich die letzten, denen der
Niedergang der Hauptschule vorzuhalten ist. Und siewerden gebraucht.
Ernst Rösner
Dr. Ernst Rösner
war bis zu seinem Eintritt in
denRuhestand in2013wis-
senschaftlicherMitarbeiter
des Instituts für Schulent-
wicklungsforschung an der
TechnischenUniversität
Dortmund.
1,2 4,5,6,7,8,9,10,11,12,13,...40
Powered by FlippingBook