Privatisierungsreport – 11 Berufsbildende Schulen unter Privatisierungsdruck Titel-11b.indd 1 17.08.2010 15:19:58 Uhr Impressum Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hauptvorstand Reifenberger Str. 21 60489 Frankfurt 069/78973-0 Fax: 069/78973-202 E-Mail: info@gew.de www.gew.de Verantwortlich: Ulrich Thöne, Ulf Rödde (V.i.S.d.P.) Autor: Matthias Holland-Letz Redaktion: Dr. Stephanie Odenwald, Arnfried Gläser Illustration: Katja Rosenberg Gestaltung: Jana Roth Druck: Druckerei Leutheußer Artikelnummer: 1382 ISBN-Nummer: 978-3-939470-50-2 Die Broschüre erhalten Sie im GEW-Shop (www.gew-shop.de, E-Mail: gew-shop@callagift.de, Fax: 06103-30332-20), Mindestbestellmenge: 10 Exemplare, Einzelpreis 2,00 Euro. Aktuelle Versandkosten unter www.gew-shop.de. Einzelexemplare können Sie anfordern unter: broschueren@gew.de, Fax: 069/78973-70161. Preis: 2,70 Euro inkl. Versandkosten. August 2010 Titel-11b.indd 2 17.08.2010 15:19:58 Uhr Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 3 Privatisierungsreport – 11 Berufsbildende Schulen unter Privatisierungsdruck Vorwort 7 1. Die Berufsbildende Schule (BBS) – das unbekannte Wesen 11 2. Notstand an öffentlichen BBS 2.1 Das Übergangssystem als „Warteschleife der Nation“ 2.2 Im Zangengriff der demographischen Entwicklung – Beispiel Sachsen 2.3 Marode Infrastruktur – Beispiel Regensburg/Bayern 2.4 Quereinsteiger statt qualifizierte Lehrkräfte – Beispiel Hessen 21 3. Umbau der öffentlichen BBS nach dem Vorbild privater Unternehmen 3.1 Niedersachsen: Schulversuch „Projekt Regionale Kompetenzzentren“ (ProReKo) 3.2 Schleswig-Holstein: Errichtung von „Regionalen Bildungszentren“ (RBZ) 4. BBS im Verbund mit Volkshochschulen und privaten Anbietern: Der Modellversuch „Hessencampus 5. Weiterer Einstieg in die Deregulierung von beruflicher Bildung? 6.1 Projekt „Lernen vor Ort“ 6.2 Projekt „Jobstarter“ 37 Boom der privaten BBS 5.1 Traditionelle Rolle der privaten BBS in der BRD 5.2 Immer mehr private BBS – Beispiel Sachsen 5.3 Kampf um den Haustarifvertrag – Beispiel Rosenheim und Traunstein in Bayern 5.4 Grenzen der Privatisierung – Beispiel Hamburg 6. 33 7. 8. 47 Die Vorzeigeschule – offene Lernlandschaften in der Berufsbildenden Schule Westerburg/ Rheinland-Pfalz 57 Was die GEW fordert 61 Anhang 65 3 Priva-11_neu:Layout 1 4 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 4 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 5 Vorwort Der 11. Teil der Reihe Privatisierungsreport beinhaltet eine Analyse der Privatisierungstendenzen im Bereich der Beruflichen Bildung. Damit will die GEW auf die rasanten Veränderungsprozesse in berufsbildenden Schulen, die in der öffentlichen Wahrnehmung im Hintergrund stehen, hinweisen. Wie der Report zeigt, sind sie eine sehr vielseitige Schulform in Deutschland. Über 120.000 PädagogInnen arbeiten in berufsbildenden Schulen, mit einer ausgesprochenen Vielfalt an Kompetenzen, sowohl in fachlicher, wie in pädagogischer Hinsicht. Sie werden sowohl in der Berufsvorbereitung, wie auch in der Ausbildung in über 300 Berufen sowie in beruflichen Fachschulen und Gymnasien eingesetzt. Das pädagogische Personal an berufsbildenden Schulen ist mit großen Herausforderungen konfrontiert: der ständige Wandel in der Arbeitswelt, der in den Ausbildungen berücksichtigt werden muss; der Notstand hinsichtlich der Ausbildungsplätze in Betrieben und damit der Rückgang der dualen Ausbildung; die enge Zusammenarbeit mit Betrieben und anderen Trägern beruflicher Ausbildung; eine große Heterogenität an Schülern, die im Sinne von Chancengleichheit so gefördert werden sollten, dass ihnen für ihr späteres Leben viele Wege offen stehen, auch ein Studium an einer Hochschule. Dass Spektrum an Schülerinnen und Schülern in berufsbildenden Schulen ist äußerst vielfältig: Vom Jugendlichen ohne Schulabschluss bis hin zu ehemaligen Studenten, die ihr Studium aufgegeben und eine Berufsausbildung begonnen haben. Hervorzuheben ist folgende Tendenz: In den letzten 25 Jahren haben sich berufsbildende Schulen mehr und mehr auf solche Jugendliche einstellen müssen, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz erhalten haben. Auf diese folgenreiche Entwicklung geht der Report ebenso ein, wie auf die zunehmende Gründung privater berufsbildender Schulen vor allem in östlichen Bundesländern. Der Mangel an öffentlicher Verantwortung in der beruflichen Bildung ist sozusagen der Nährboden für private Angebote. Privatschulen haben 5 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 6 ihren Preis. Doch selbst Eltern mit schmalem Geldbeutel tun alles dafür, dass ihre Kinder eine berufliche Ausbildung erhalten. So bezahlen die einen viel Geld für eine berufliche Ausbildung, während die anderen im dualen System in einem Großbetrieb sowohl gut ausgebildet werden, als auch die tariflich vereinbarte Ausbildungsvergütung erhalten. Eine große Ungerechtigkeit. Diese geht nicht nur zu Lasten der Schüler sondern auch der Lehrkräfte. Die Privatisierung geht einher mit zunehmend prekären Arbeitsbedingungen und Lohndumping bei Trägern und privaten Schulen, obwohl sie alle staatliche Unterstützung erhalten. Die GEW möchte mit dem vorliegenden Report vor dieser Entwicklung warnen und für die Rechte der Lehrkräfte und Schülern eintreten. Lernen und Lehren braucht gute abgesicherte Bedingungen, Kontinuität, Raum und Zeit für individuelle Förderung und für die Kooperation und Fortbildung der Lehrenden. Die GEW fordert zusammen mit anderen DGB-Gewerkschaften das Grundrecht auf Ausbildung. Sie vertritt folgenden Grundsatz: Der Staat hat die Pflicht, allen Jugendlichen eine Ausbildung zu garantieren, also auch denen, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz erhalten. Schon jetzt gibt es voll qualifizierende Ausbildung in berufsbildenden Schulen. Diese auszubauen, statt Warteschleifen zu finanzieren, gehört zu den zentralen Forderungen der GEW für die Weiterentwicklung berufsbildender Schulen, die im Report zusammengefasst sind. Attraktive staatliche berufsbildende Schulen mit guten Arbeitsbedingungen, optimale Förderung der Lernenden, Durchlässigkeit zur Hochschule – das ist unsere Perspektive und somit Alternative zu einer zunehmenden Privatisierung von beruflicher Bildung! Dr. Stephanie Odenwald Vorstandsbereich Berufliche Bildung und Weiterbildung des GEW-Hauptvorstandes 6 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 7 1. Die Berufsbildenden Schulen – das unbekannte Wesen Rodewisch, eine Kleinstadt im sächsischen Vogtland. 7.000 Menschen leben im Ort, umgeben von den Hügeln und Wäldern des westlichen Erzgebirges. Am Stadtpark, mit Blick auf das Flüsschen Göltzsch, befindet sich die größte Bildungseinrichtung der Stadt: Das Berufliche Schulzentrum für Wirtschaft (BSZW). Das Hauptgebäude, ein Neubau mit viel Glas, glänzt dunkelblau im Sonnenlicht. „Wirtschaft, Informatik und Fremdsprachen – das sind unsere drei Säulen“, erläutert Schulleiter Klaus-Peter Palme, 51 Jahre alt. Das BSZW Rodewisch gehört zu den Berufsbildenden Schulen (BBS) in Deutschland. Die BBS sind Deutschlands vielseitigste Schulform. Sie vermitteln den Hauptschulabschluss, den mittleren Abschluss (ehemals „Realschulabschluss“) und das Abitur. Sie qualifizieren zudem für Hunderte Berufe, von Mechatronikerin über Maßschneider bis hin zum Musikinstrumentenbauer. Blockunterricht, Vollzeitunterricht, Ganztag – all das findet sich hier. 2,76 Millionen junge Menschen besuchten im Schuljahr 2009/10 Berufsbildende Schulen in Deutschland.1 Zwei Drittel aller Jugendlichen eines Jahrgangs erwerben hier einen Berufsabschluss.2 Klaus-Peter Palme, ein schlanker Mann mit kurzem grauen Haar und Rollkragenpullover, zeigt uns die Unterrichtsräume in Rodewisch. Haus 1, Erdgeschoss. Hier sieht es aus wie im Großraumbüro. Schreibtische, Hängeordner, Aktenkarussels. „Beschaffung“ steht über einem Arbeitsplatz, „Sekretariat“ nennt sich ein anderer Bereich. „Hier arbeitet eine unserer drei Übungsfirmen“, erklärt der Schulleiter. Die Firma heißt Gesund und Saftig OHG. Das fiktive Geschäftsfeld: Fruchtsäfte produzieren und vermarkten. „Die Schüler üben hier Abläufe wie in einem richtigen Betrieb“, sagt der Schulleiter. Im zweiten Stock unterrichtet derweil Margita Schmidt angehende Bürokaufleute. 14 junge Frauen und vier junge Männer sitzen im Raum. Lehrerin Schmidt wirft per Overheadprojektor das Bild eines Schecks an die 7 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 8 Wand. „Das ist ein Verrechnungsscheck“, weiß Stefanie. Dann verteilt Margita Schmidt ein Arbeitsblatt mit Merksätzen. Die enthalten Lücken, die von den Schülern auszufüllen sind. Es geht darum, wie sich Verrechnungsschecks von Barschecks unterscheiden. Auf dem Blatt steht: „Barschecks sind gefährlich“. Denn: „Bei Diebstahl oder Verlust kann jeder den unterschriebenen Barscheck einlösen.“ Wir fragen Stefanie, was ihr am BSZW gefalle. „Das moderne Gebäude“, antwortet die 20jährige. Sie macht ihre Ausbildung in einem Elektrofachgeschäft. Mitschüler Denny, 18 Jahre, lernt in einer Firma, die Spezialstiefel fürs Skispringen herstellt. Am BSZW lernen sie zwei Tage pro Woche – immer donnerstags und freitags. Berufliche Schulzentren bieten viele Schulformen unter einem Dach: Berufsschule, Berufsfachschule, Fachschule, Fachoberschule und Berufliches Gymnasium. Deren Angebote lassen sich in drei Blöcke aufteilen:3 q Das duale System steht für Ausbildung an den beiden („dualen“) Lernorten Betrieb und Berufsschule. Die klassische Berufsausbildung also, früher hieß sie Lehre. q Im Vollzeit-Schulberufssystem geht es zumeist um Berufe in Gesundheitswesen, Pflegedienst und Erziehung sowie um kaufmännische Assistenzberufe. Ausgebildet wird vor allem an Berufsfachschulen. q Das Übergangssystem fasst Bildungsangebote zusammen, die zu keinem anerkannten Ausbildungsabschluss führen.4 Sie richten sich zum einen an Jugendliche, die eine allgemeinbildende Schule ohne Abschluss verlassen haben. Das Übergangssystem ermöglicht „zum Teil das Nachholen eines allgemeinbildenden Schulabschlusses“. So 8 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 9 steht es in „Bildung in Deutschland 2008“. Zum anderen lernen hier auch viele Hauptschulabsolventen, die keinen Ausbildungsplatz gefunden haben. Oder Studienabbrecher. Die Bildungsangebote haben auch zum Ziel, die individuellen Kompetenzen im Sinne von Berufsvorbereitung zu verbessern. Zum Übergangssystem gehören zum Beispiel das Schulische Berufsvorbereitungsjahr (BVJ) und das Schulische Berufsgrundbildungsjahr in Vollzeit (BGJ). Ferner Berufsfachschulen, die keinen beruflichen Abschluss vermitteln. Hier finden sich viele Heranwachsende, die türkische, arabische oder deutsch-russische Eltern haben beziehungsweise aus bildungsfernen Familien stammen.5 Und welchen Stellenwert haben die drei Blöcke bundesweit? Folgende Zahlen beziehen sich auf jene Jugendlichen, die im Jahr 2006 als Neulinge im beruflichen Ausbildungssystem starteten:6 q 43,5 Prozent begannen im dualen System. q 16,8 Prozent wählten das Schulberufssystem. q 39,7 Prozent bewegten sich Übergangssystem. Quellen 1 http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/ pm/2010/03/PD10__105__211,templateId=renderPrint.psml, 25.3.2010 2 Autorengruppe Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutschland 2008. Im Auftrag der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland und des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Bielefeld 2008, Seite 95 3 Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, Seite 96 4 dazu und zum Folgenden: Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, Seite 97 9 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 10 5 6 10 Ursula Beicht, Verbesserung der Ausbildungschancen oder sinnlose Warteschleife? BiBB-Report 11/2009, Seiten 5 und 6 Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, Seite 96 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 11 2. Notstand an öffentlichen BBS 2.1 Das Übergangssystem als Auffangbecken für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz „Labyrinth“, „Warteschleife“, „Bildungsmaßnahmen, die nicht ausreichend produktiv werden“.7 Fachleute lassen kein gutes Haar am Übergangssystem. Viel zu selten sorgt es dafür, dass Jugendlichen doch noch der Einstieg ins Berufsleben gelingt. Gleichzeitig verschlingt es viel Geld – nach Schätzungen sind es jährlich sechs Milliarden Euro.8 So lautet die Kritik. „Das berufliche Übergangssystem gehört komplett abgeschafft“, fordert denn auch Gerhard Zimmer, Experte für berufliche Bildung und emeritierter Professor an der Universität der Bundeswehr Hamburg.9 Doch von Abschaffen kann keine Rede sein. Im Gegenteil. Der ungeliebte Zweig der beruflichen Bildung muss für immer mehr junge Menschen als Auffangbecken herhalten. 1995 stießen 341.137 junge Frauen und Männer neu zum Übergangssystem.10 2006 waren es 503.401 – ein Anstieg um fast 50 Prozent.11 Sie bewegen sich in Maßnahmen mit „wenig beruflichen Perspektiven und hoher Arbeitsmarktunsicherheit“. So formulieren es die Bildungsfachleute Martin Baethge, Heike Solga und Markus Wieck.12 Beim Ländervergleich schneidet Nordrhein-Westfalen besonders schlecht ab:13 49 Prozent aller jungen Frauen und Männer, die 2006 als Neuzugang ins berufliche Ausbildungssystem eintraten, hingen in der Warteschleife des Übergangssystems. Das ist die rote Laterne, gefolgt von Niedersachsen mit 48,6 Prozent und Baden-Württemberg mit 43,8 Prozent. In Bayern lag der Prozentsatz bei 25,9 Prozent. Brandenburg, wo Arbeitslosigkeit und Lehrstellenmangel ebenfalls hoch sind, kam auf 34,1 Prozent. Sachsen meldete 29,8 Prozent. Ohne Ausbildungsplatz, kaum Aussichten, einen Job zu finden – viele Jugendlichen resignieren, manche verhalten sich gar aggressiv. Das be11 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 12 lastet auch die Berufskollegs, wie in NRW die Berufsbildenden Schulen heißen. „Hier herrscht große Unzufriedenheit“, berichtet Stephanie Odenwald, im GEW-Hauptvorstand zuständig für Berufliche Bildung. Viele Lehrkräfte sind wütend, haben es satt, als „Reparaturbetrieb der Nation“ missbraucht zu werden. Zu wenig Ausbildungsplätze vor allem in westdeutschen Großstädten und Ostdeutschland Berlin, Hamburg, Dortmund, Köln, Hannover – westdeutsche Städte mit hoher Arbeitslosigkeit. Hier ist die Ausbildungsnachfrage bei weitem größer als das Angebot. Dies gilt auch für die ostdeutschen Bundesländern. Das berichtet die Autorengruppe Bildungsberichterstattung, die sich auf Zahlen für das Jahr 2007 stützt.14 Wer hingegen in München, Stuttgart oder Frankfurt am Main eine Lehrstelle sucht, gehört noch zu den Glücklichen. In diesen Städten ist das Verhältnis zwischen Ausbildungsangebot und -nachfrage einigermaßen ausgeglichen. Generell gilt: Beim Verhältnis Ausbildungsangebot zu Ausbildungsnachfrage sind Großstädte gegenüber Mittelstädten und ländlichen Regionen benachteiligt. Woran das liegt? Die Autorengruppe verweist beispielsweise auf Jugendliche aus dem Umland, die in der Großstadt eine Lehrstelle suchen – und so die Nachfrage nach oben drücken. 12 Priva-11_neu:Layout 1 2.2 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 13 Im Zangengriff der demographischen Entwicklung – Beispiel Sachsen Das BSZW Rodewisch besteht aus einem Campus mit vier Gebäuden. Zwei der Häuser entstanden neu, die beiden anderen wurden umfassend saniert. Alles in der Zeit von 2001 bis 2004. „Baukosten 15 Millionen Euro“, erklärt Klaus-Peter Palme. Zehn Millionen Euro davon zahlte die Europäische Union. Doch trotz des modernen, großzügig angelegten Bildungszentrums – der Schulleiter hat Sorgen. Denn noch im Januar 2002 lernten hier rund 1.300 Schülerinnen und Schüler.15 Zum Schuljahr 2010/11 erwartet das Berufsschulzentrum in Rodewisch lediglich 647 Schüler – 50 Prozent weniger als 2002! Klaus-Peter Palme fürchtet, dass das BSZW weitere Bildungsangebote abgeben muss. Auch deshalb, weil im Vogtland Ausbildungsplätze fehlen. Das duale System ist folglich weniger gefragt. Aber vor allem aufgrund der demographischen Entwicklung. Rodewisch verlor bereits die Ausbildung zum Kaufmann/frau für Bürokommunikation. Ebenso die Ausbildung zur Steuerfachangestellten. Bricht ein Angebot weg, haben die jungen Leute das Nachsehen. Sie müssen entweder längere Wege auf sich nehmen, um die nächstgelegene Berufsbildende Schule zu erreichen. Doch längere Fahrten, etwa nach Chemnitz, bedeuten höhere Kosten. Oder sie besuchen eine private BBBS. Die jedoch verlangt Schulgeld. Sachsen schrumpft. Niedrige Geburtenziffern und das Abwandern vor allem jüngerer Frauen und Männer drücken die Einwohnerzahl. Und dies stärker als in vielen anderen Bundesländern. 1950 lebten in Sachsen 5,7 Millionen Menschen.16 2004 waren es 4,3 Millionen. Und für 2020 sagen Forscher einen weiteren Rückgang auf 3,8 Millionen voraus.17 Besonders dramatisch ist die Entwicklung, wenn man die Gruppe der unter 20jährigen betrachtet. Deren Zahl sank allein von 2000 bis 2009 um etwa 250.000 – ein Minus von 29 Prozent.18 13 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 14 Palme kämpft derweil um sein Berufsschulzentrum. Seit 2009 testet das BSZW, ob sich Auszubildende aus verschiedenen kaufmännischen Berufen zusammen unterrichten lassen. Damit die Klassen die Mindestzahl von 16 Schülern erreichen. Beteiligt sind angehende Kaufleute aus den Bereichen Tourismus, Personaldienstleistungen, Informatik und Informationstechnologie. „Ein Schulversuch, der an sechs Schulzentren in Sachsen läuft“, erklärt Palme. Er führt uns ins „Tourismus-Kabinett“ der Schule. An der Wand Werbeplakate, auf denen „South Africa“ und „Val de Loire“ steht. Davor Tische mit PC-Arbeitsplätzen. „Hier ist Software installiert, mit der man alles machen kann, was auch ein Reisebüro macht – außer Reisen buchen“, erklärt der Schulleiter. Also beste Bedingungen, um Reiseverkehrskaufleute auszubilden. Jedoch: „In ganz Sachsen gibt es derzeit gerade mal 37 Auszubildende im ersten Ausbildungsjahr“, berichtet Palme. Die verteilen sich auf die Standorte Dresden, Leipzig und Rodewisch. „Warum können diese 37 nicht in Rodewisch ausgebildet werden?“, fragt der Schulleiter. „Wir haben hier eine Super-Ausstattung und ein Super-Potenzial, das teilweise brachliegt.“ „Sinken die Schülerzahlen, werden auch weniger Lehrkräfte benötigt, wird die Klassenbildung für bestimmte Berufe problematisch und steht eine Ressourcenkonzentration vor allem hinsichtlich der sächlichen Ausstattung an...“19 Matthias Becker, Juniorprofessor am Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik, Universität Flensburg 14 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 15 Die Zentralisierung der öffentlichen Berufsbildenden Schulen in Sachsen ist in vollem Gange. Denn der Freistaat, verschuldet mit 12 Milliarden Euro20, steht gleich mehrfach unter Druck. Ebenso die sächsischen Schulträger, die Kreise und kreisfreien Städte: q Schmerzhafte Steuerausfälle auf der einen Seite, steigende Sozialausgaben auf der anderen. Beides eine Folge der Finanzkrise. Allerdings hat Sachsen kräftig mitgezockt. Erinnert sei an das Debakel um die Sächsische Landsbank.21 q Hinzu kommen Belastungen aufgrund der Steuerpolitik der schwarz-gelben Bundesregierung. Stichwort Steuersenkung für Hotelbetreiber. Städten und Kreisen entgehen dadurch weitere Steuereinnahmen. q Steuereinnahmen sinken in Zukunft auch wegen des anhaltenden Bevölkerungsschwunds.22 Sachsen plant deshalb, bis 2020 rund 18.000 Stellen in der Landesverwaltung abzubauen.23 Was auch Lehrerstellen betrifft. Zum 1. August 2008 reduzierte der Freistaat bereits die Zahl seiner Landkreise von 22 auf zehn, statt sieben kreisfreien Städten gibt es noch drei.24 Damit sank auch die Zahl der Schulträger. Dies wird den Druck, öffentliche Schulen zusammenlegen, verstärken. 2.3 Marode Infrastruktur – Beispiel Regensburg/Bayern Überfüllte Räume. Asbestverseuchung. Schimmelbefall. Die Lüftung funktioniert nicht.25 „Wie soll da Motivation entstehen?“, fragt Evelyn Mittenzwei. Sie ist Personalratsvorsitzende an der staatlichen Fachoberschule (FOS) und Berufsoberschule (BOS) in Regensburg. 15 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 16 Seit Jahren klagen Lehrkräfte, Schüler und Eltern über den Altbau der FOS/BOS in der Landshuter Straße. Sie demonstrieren vor dem Alten Rathaus. Sie sammeln Unterschriften. Nun verfassten sie eine Petition an den Bayerischen Landtag. Der soll sich dafür einsetzen, dass die Stadt Regensburg endlich ein neues Schulgebäude errichten läßt. Bislang sind die Unterrichtsräume auf mehrere Standorte verteilt. Die schuleigene Homepage präsentiert eine Bilderserie mit der Überschrift „unsere 40jährige Odyssee durch Gebäude in Regensburg.“26 Eigentlich war der Neubau – Baukosten mindestens 25 Millionen Euro27 – schon beschlossene Sache. Die Bagger sollten ab 2011 rollen. Doch dann verkündete Regensburgs Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU), dass die Stadt kein Geld hat. Der erste Spatenstich soll deshalb erst 2013 stattfinden. Außerdem plant die Stadt laut Presseberichten lediglich eine Teillösung. Bis ein Neubau für alle bezugsfertig ist, vergehen folglich noch viele Jahre. „Einhäusigkeit nicht vor 2025“, meldet das Online-Magazin regensburg-digital.de.28 OB Schaidinger klagt über die „strukturellen Unterfinanziertheit der Gemeinden in der Bundesrepublik“.29 Doch SPD, FDP und Linkspartei sind der Ansicht, dass Schaidinger selbst zur Finanznot der bayerischen Kommunen beigetragen hat.30 Der CSU-Mann ist Verwaltungsrat der Bayerischen Landesbank – und habe, so der Vorwurf, den völlig überteuerten Kauf der österreichischen Skandalbank Hypo-Alpe-Adria nicht verhindert. Ein Geschäft, das böse Folgen für den Freistaat hat. „Die Kommunen Bayerns werden in diesem Jahr die Folgen der 3,7 Milliarden-Euro-Pleite massiv in ihren Haushaltssäckel zu spüren bekommen“.31 Das betont Ulrich Teichmann vom Kreisverband Regensburg der Linken. 16 Priva-11_neu:Layout 1 2.4 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 17 Quereinsteiger statt qualifizierte Lehrkräfte – Beispiel Hessen Von „neuer Qualitätsoffensive“ ist die Rede. Von „modernen Strukturen“.32 Vollmundig klingt, wenn die von Roland Koch (CDU) geführte Hessische Landesregierung ihre Schulpolitik beschreibt. Aber wie steht es um die Qualifikation des Lehrpersonals an den Berufsbildenden Schulen in Hessen? Der Blick auf die Statistik überrascht.33 Vom Schuljahr 1999/2000 bis 2008/09 stieg die Zahl der hauptamtlich beschäftigten Lehrkräfte an den BBS – von 7.899 auf 9.076. Ein Zuwachs, den vor allem Lehrende ohne Lehrbefähigung beziehungsweise ohne Lehramt ermöglichten. Diese Gruppe wuchs sich im genannten Zeitraum um mehr als das Doppelte – von 547 auf 1.686. Derweil arbeiten an den BBS immer weniger ausgebildete Berufsschullehrerinnen und -lehrer, die „Lehrkräfte mit Lehrbefähigung“. 1999/2000 lag deren Zahl bei 5.053. Neun Jahre später waren es noch 4.958. Das Kultusministerium in Wiesbaden sieht darin kein Problem.34 Pressesprecher Nicolas Wolz betont zunächst, dass sich die genannte Zahlen sowohl auf öffentliche als auf private BBS beziehen. „Wir können jedoch nur Aussagen zu den öffentlichen BBS machen“. Wolz räumt allerdings ein, dass auch an öffentlichen BBS die Zahl der Lehrenden ohne Lehrbefähigung gestiegen ist. Der Nachwuchsmangel in einigen Fächern, so der Pressesprecher, führe zur Einstellung von „akademisch gebildeten Quereinsteigern ohne Lehramt“. Diese werden in einem besonderen Programm nachqualifiziert. Nicolas Wolz ist deshalb überzeugt, „dass das anerkannt hohe Ausbildungsniveau an den hessischen BBS erhalten bleibt.“ Er versichert: „Der Eindruck, dass die Qualifikation der Lehrkräfte in den letzten Jahren gesunken sei, ist nicht richtig“. 17 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 18 Ralf Becker, Vorstandsmitglied der GEW Hessen, hingegen sieht Handlungsbedarf. Berufliche Schulen brauchten zeitgemäße Strukturen, gut ausgestattete Räumlichkeiten – „und bestens ausgebildetes Personal“.35 Quellen 7 8 vgl. Antrag 3.23 auf dem GEW-Gewerkschaftstag 2009 9 Gerhard Zimmer, Notwendigkeiten und Leitlinien der Entwicklung des Systems der Berufsausbildung, zitiert nach: Ursula Beicht, Verbesserung der Ausbildungschancen oder sinnlose Warteschleifen? , BiBB-Report 11/2009, Seite 4 10 Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, Seite 96 11 ebd., Seite 96 12 Martin Baethge, Heike Solga, Markus Wieck, Berufsbildung im Umbruch: Signale eines überfälligen Aufbruchs, Berlin 2007, zitiert nach: Ursula Beicht, Verbesserung der Ausbildungschancen oder sinnlose Warteschleifen? , BiBB-Report 11/2009, Seite 3 13 dazu und zum Folgenden: Autorengruppe Bildung 2008, Seite 98 14 Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2008, Seite 102f 15 http://www.vogtlandkreis.de/shownews.php?id=606, 19.3.2010 16 http://www.statistik.sachsen.de/21/02_02/02_02_03_tabelle.asp, 23.3.2010 17 http://www.ev-akademie-tutzing.de/doku/aktuell/upload/DemografischerWandel.htm, 22.3.2010 18 Auskunft des Statistischen Landesamtes des Freistaats Sachsen 19 Matthias Becker, Entwicklung und Perspektiven für berufsbildende Schulen, Vortrag im Rahmen der Konferenz „Perspektiven einer beruflichen Bildung für alle – im europäischen Bildungsraum“, Hamburg, 29.2. bis 1.3.2008, Manuskript, Seite 2 20 http://www.rechnungshof.sachsen.de/jb2009/jb09-04.pdf, Seite 4, 22.3.2010 21 18 Ursula Beicht, Verbesserung der Ausbildungschancen oder sinnlose Warteschleifen? , BiBB-Report 11/2009, Seiten 3 und 4 siehe etwa: Beat Balzli, Michaela Schiessl, Stefan Winter, Casino provincial, in: Der Spiegel, 7.7.2008 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 19 22 http://www.medienservice.sachsen.de/medien/news/10176, 22.3.2010 23 http://www.sz-online.de/Nachrichten/Wirtschaft/Iris_Kloppich_fuehrt_den_ DGB_Sachsen/articleid-2370366, 22.3.2010 24 http://www.smi.sachsen.de/download/SMI/049RahmenPM_Verwaltungsreform.pdf, 25.3.2010 25 dazu und zum Folgenden: http://www.fos-regensburg.de/pdf/presse/2010_03_14_RD_Petition.pdf, 16.3.2010 26 http://www.fos-regensburg.de/start.html, 5.2.2010 27 http://www.fos-regensburg.de/pdf/presse/2009_11_04_Sparzwang_bleibt.pdf, 16.3.2010 28 http://www.regensburg-digital.de/fosbos-einhausigkeit-nicht-vor-2025/27012010/, 16.3.2010 29 http://www.regensburg.de/sixcms/detail.php/30940, 6.2.2010 30 http://www.dielinke-regensburg.de/nc/politik/presse/detail/zurueck/aktuell5/artikel/linke-fordert-ein-ende-der-verantwortungslosen-politik-schaidingers; siehe auch: http://www.fdp-bayern.de/Schaidinger-muss-politische-Mitverantwor tung-uebernehmen/125c102i1p32/index.html, 16.3.2010 31 http://www.dielinke-regensburg.de/nc/politik/presse/detail/zurueck/aktuell5/artikel/linke-fordert-ein-ende-der-verantwortungslosen-politik-schaidingers/, 16.3.2010 32 http://www.hessen.de/irj/hessen_Internet?cid=76928cc073e9b3bf72648218 d8f6d622, 5.2.2010 33 zum Folgenden: Hessisches Statistisches Landesamt 34 Nicolas Wolz per E-Mail vom 2.2.2010 35 http://www.gew-hessen.de/index.php?id=296&tx_ttnews[tt_news]=4302&tx_ ttnews[backPid]=464&cHash=14b4faf637654ffc93b6e21b7f63ebba, 16.3.2010 19 Priva-11_neu:Layout 1 20 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 20 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 21 3. Umbau der öffentlichen BBS nach dem Vorbild privater Unternehmen 3.1 Niedersachsen: Schulversuch „Projekt Regionale Kompetenzzentren“ (ProReKo) Am 17. September 2001 forderte der niedersächsische Landtag die Landesregierung auf: Untersuche, wie sich Berufsbildende Schulen zu „regionalen Kompetenzzentren“ umbauen lassen.1 Das Parlament gab auch vor, was zu testen war: q vollständige personalrechtliche Befugnisse der Schule, einschließlich neuer Modelle zur Finanzierung des Lehrpersonals („Geld statt Stellen“) q Einsatz von Verwaltungspersonal in der Schule durch Nutzung eigener Ressourcen („Verwaltungsleiter“) q Geänderte Entscheidungsstruktur der Schule („Beirat als Beratungsund Lenkungsorgan“) q Fort- und Weiterbildung auch in privatrechtlicher Form q leistungsbezogene Bezahlung von Lehrkräften („Prämien und Zulagen statt Anrechnungsstunden“) q neue Arbeitszeitmodelle („Jahresarbeitszeitkonto“) q eine wirtschaftliche Betätigung der Schulen („begrenzt und in der Region mit der Wirtschaft abgestimmt“). Der Schulversuch ProReKo lief fünf Jahre lang, vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Dezember 2007. 19 öffentliche BBS nahmen teil – in Göttingen, in Cuxhaven, im Landkreis Osterode oder im Landkreis HamelnPyrmont.2 Niedersachsen habe damit „eine Vorreiterrolle auf dem Weg zur Errichtung regionaler Kompetenzzentren eingenommen“. So formuliert es Niedersachsens Kultusministerin Elisabeth Heister-Neumann (CDU) im ProReKo-Abschlussbericht.3 Ministerin Heister-Neumann nutzt Begriffe aus der Marktwirtschaft, wenn sie von der künftigen Rolle der BBS spricht. Es gehe um „Kun21 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 22 denorientierung“, die Berufsbildenden Schulen seien „Dienstleister“ und „regionale Standortfaktoren“. Dies missfällt dem GEW-Landesverband Niedersachsen. Die Gewerkschaft ist zwar grundsätzlich dafür, dass „die Schulen möglichst viele Freiheiten für ihre pädagogische Entwicklung erhalten.“ Sie begrüßt, wenn Schulen „mit möglichst wenig Bürokratie belastet sind“. Doch überwiegt die Kritik am ProReKo-Schulversuch.4 Die GEW Niedersachsen ... q ... hält zentrale Steuerungsmöglichkeiten des Landes in einem Flächenstaat wie Niedersachsen für unabdingbar. q … kritisiert, wenn Schulen ihre Mittel selbst verwalten. Der Aufwand sei immens. Schulen müssen dazu Verwaltungsleiter einstellen – und aus dem eigenen Budget bezahlen. q … ist zwar dafür, dass die Schulen ihre Lehrkräfte selbst aussuchen dürfen. Die rechtliche Entscheidung muss aber in der Landesschulbehörde bleiben. Denn dort arbeitet das erforderliche juristische Fachpersonal – nicht an der Schule. q ... plädiert für eine demokratische Schulverfassung, in der die Gesamtkonferenz eine zentrale Rolle spielt. q ... fordert, die Mitbestimmungsrechte der Schulpersonalräte durch eine höhere Freistellung abzusichern. q … betont, dass Bildung keine Ware ist. Wenn die BBS neue Angebote macht, dürfen diese nicht gegen Geld angeboten werden. 22 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 23 q ... lehnt output-orientierte Steuerung ab. Ein Modell, das eine Schule danach beurteilt, was Tests, Messungen und Evaluationen ergeben. Denn dadurch wälzt das Land die Verantwortung für Schulqualität auf die Schulen ab, „ohne dass die notwendigen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden müssen.“ q … kritisiert Qualitätsmanagement nach dem EFQM-Modell: Dies erzielt bei hohem Aufwand an Personal und Geld nur geringe positive Wirkung. Das Land verpflichtete bereits 2005 alle Berufsbildenden Schulen Niedersachsens, EFQM anzuwenden. Dazu gehört, Schulen nach vier Kennziffern zu beurteilen: Abschlussquote der Schülerinnen und Schüler. Übernahmequote in Berufund Arbeitswelt. Zielerreichung mit optimierten Ressourcen-einsatz. Und: Einhaltung der Regelaus-bildungsdauer. Die GEW beanstandet zudem: „Durch die Veröffentlichung der Daten werden die Schulen zueinander in Konkurrenz gesetzt.“ Ein GEW-Kollege, der anonym bleiben will, unterrichtete jahrelang an einer ProReKo-Schule. Er lässt kein gutes Haar an der Reform. Stichwort Personalhoheit. „In allen ProReKo-Schulen hat die Tendenz zu prekären Arbeitsverhältnissen zugenommen“, berichtet der Pädagoge. Pensionäre wurden mit Angestelltenverträgen weiterbeschäftigt. Neue Stellen besetzte die Schule häufig mit Lehrkräften, die lediglich einen Teilzeitvertrag erhielten. Befristete Verträge hielten Einzug. Stichwort Budgethoheit. ProReKo-Schulen nutzen Überschüsse aus dem Personalhaushalt, um Lücken bei Räumlichkeiten und Lehrmitteln zu stopfen. „Dies wurde immer wieder gemacht, nicht nur in unserer Schule“, berichtet der Insider. Da floss Geld, um PC-Unterrichtsräume auf den neuesten Stand zu bringen. Da kaufte die Schule Sitzmöbel und Schreibtische. Oder griff in den Lehrkräfteetat, um den Verwaltungsleiter zu finanzieren. 23 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 24 Stichwort Stellung des Schulleiters. „Ich hatte den Eindruck, dass sich unsere Schulleiter wie Arbeitgeber im 19.Jahrhundert gebärdeten.“ Ein beliebter Ausspruch an der ProReKo-Schule war: „Das Schulgesetz gilt für uns nicht“. Stichwort Mitbestimmmung. Die hat unter ProReKo „stark gelitten.“ Zum einen, weil der Personalrat angesichts der vielen neuen Aufgaben häufig fachlich überfordert war. „Es gab keine gute begleitende Schulung und Beratung, auch nicht durch die GEW“, so der Kollege. Zum anderen ist die zeitliche Freistellung der PR-Mitglieder unzureichend. Das Klima zwischen Schulleitung und Mitarbeitervertretung verschärft sich. Folge: Immer weniger Kolleginnen und Kollegen an ProReKoSchulen sind bereit, für den PR zu kandidieren. Die Gesamtkonferenz ist abgeschafft. Lehrkräfte haben nur noch wenig Mitspracherechte. Stichwort Qualitätsmanagement nach EFQM. Ein Problem sei, dass alle EFQM-Schulungen aus dem Schuletat bezahlt werden müssen. „Dieses Geld fehlt für unser Kerngeschäft, das Unterrichten.“ Er persönlich halte EFQM nur für den Verwaltungsbereich sinnvoll. Pädagogische Prozesse hingegen werden „eher behindert als gefördert.“ Der Mensch „ist nicht normierbar.“ Ob er denn auch positive Seiten an ProReKo sehe? Ja, erklärt der GEWKollege. Etwa die Möglichkeit, Stellen passend zum Schulprofil auszuschreiben und zu besetzen. Er sieht auch Chancen darin, Drittmittel einwerben zu können. Er lobt zudem bessere Möglichkeiten, Benachteiligte individuell zu fördern. Das Land entschied bereits Ende 2005, große Teile des Schulversuchs auf alle Berufsbildenden Schulen in Niedersachsen zu übertragen.5 Was die GEW kritisierte. Sie beanstandete, dass die Landesregierung ihren Beschluss traf, „ohne dass die Ergebnisse evaluiert wurden“.6 24 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 25 Die Gewerkschaft sieht ProReKo vor allem als Sparprogramm. So will das Land Niedersachsen, belastet durch über 50 Milliarden Euro Schulden,8 6.000 Stellen in der Landesverwaltung abbauen. Sie lösste bereits die Bezirksregierungen auf. Sie zwang zudem die neue vorläufige Lan- „Verwaltungsmodernisierung in Niedersachsen“ „Die Verwaltungsmodernisierung orientiert sich an folgenden Grundsätzen: Konzentration des Staates auf seine Kernaufgaben, Privatisierung von Landesaufgaben, Einbeziehung der berufsständischen Selbstverwaltung…“7 (Homepage des Niedersächsischen Ministeriums für Inneres, Sport und Integration) desschulbehörde, mit weniger Sachbearbeitungen und Schuldezernenten auszukommen.9 „Das war nur möglich durch die Verlagerung von Aufgaben an die Schulen“, urteilt Andreas Streubel von der Fachgruppe Berufsbildende Schulen des GEW-Landesverbandes. Den Schulleitern fehlen aber die Mittel, um die zusätzlichen Aufgaben zu stemmen. „Ein großer Teil der Verwaltungsarbeit ist nach unten weiter geschoben worden und bei den Lehrkräften gelandet“, so Andreas Streubel. 3.2 Schleswig-Holstein: Errichtung von Regionalen Berufsbildungszentren (RBZ) „Ich hätte nie gedacht, dass ich mal Gastwirt werde“, sagt Hans Hermann Henken und lacht.10 Der 58jährige ist Schulleiter – und trägt zusätzlich Verantwortung für eine private Kantine. Henken leitet das staatliche Berufsbildungszentrum in Schleswig. Das Schulzentrum übernahm die Kantine von der benachbarten Kreisverwaltung. Und führt 25 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 26 sie nun „als regulärer Gewerbebetrieb, steuerpflichtig, mit eigenem Rechnungswesen“, erläutert Henken. „Wir versorgen mittags die Kreisverwaltung“. Das bedeutet 80 bis 120 Essen täglich. Außerdem bietet die Kantine einen Mittagstisch für die Schülerinnen und Schüler am BBZ. „Demnächst gibt es dort auch Frühstück“, berichtet der Schulleiter. Das Berufsbildungszentrum nutzt die Kantine zudem als schuleigenen Lehrbetrieb. „Wir bilden dort neun benachteiligte Jugendliche aus“. Sie lernen Beikoch oder Hauswirtschaftshelferin. Eine öffentliche Schule, kombiniert mit einem kommerziellen Unternehmen? In SchleswigHolstein ist das politisch gewollt. Wir schauen zurück. Schleswig, 28. November 2007. Ute Erdsiek-Rave (SPD), damals Bildungsministerin in Schleswig-Holstein, findet große Worte. „Sie gehören heute zu den Pionieren der beruflichen Bildung in Deutschland, ja sogar in Europa.”11 Die Ministerin verkündet, dass sich das Schulzentrum in Schleswig künftig „Regionales Berufsbildungszentrum“ nennen darf, kurz RBZ.12 Als eines der Ersten in Schleswig-Holstein. Die RBZ werden aus der staatlichen Schulbürokratie herausgelöst und sind als „rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts“ organisiert.13 Regionale Berufsbildungszentren in Schleswig-Holstein ... q ... können Verträge mit Unternehmen abschließen. q ... haben das Recht, EU-Fördermittel zu beantragen. q ... müssen Zielvereinbarungen erfüllen, die mit dem Land vereinbart wurden. RBZ sind demnach „wirtschaftlich selbstständige Bildungsunternehmen.“14 Diese sollen „schnell und flexibel auf die Anforderungen der Wirtschaft reagieren können“, heißt es in der Handreichung des schleswig-holsteinischen Bildungsministeriums. RBZ haben das Recht, Beschäftigte anzustellen. Aber nur ergänzend zu den bereits vorhandenen 26 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 27 Stellen, schränkt Jan Nissen ein. Er ist zweiter stellvertretender Vorsitzender des GEW-Landesverbandes Schleswig-Holstein. Beschäftigt werden sie auf Grundlage des TV-L, des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst der Länder. Am RBZ Schleswig arbeiten etwa 200 Lehrkräfte. Sie unterrichten 3.950 junge Frauen und Männer. Rund die Hälfte besucht die Schule in Teilzeit, die übrigen in Vollzeit. Das RBZ bietet Berufsschulunterricht für angehende Bäcker, Feinmechanikerinnen oder Justizfachangestellte. Zum Schulzentrum gehören weitere Einrichtungen, etwa ein Berufliches Gymnasium, eine Fachoberschule Technik und Wirtschaft und eine Fachschule für Sozialpädagogik. Schulleiter Hans Hermann Henken, Mitglied in der GEW, nutzt die Autonomie nicht nur für die private Kantine. Das RBZ Schleswig unterhält auch ein so genanntes Learn Center. Dort sind derzeit 13 Mitarbeiter beschäftigt, zumeist Sozialpädagoginnen und -pädagogen. „Wenn es in der Klasse pädagogische Probleme gibt, kann sich die Lehrkraft ans Learn Center wenden“, erläutert Henken. Dessen Mitarbeiter gehen dann mit in den Unterricht. Sie helfen, Konflikte zu lösen. Bei Bedarf organisieren sie Anti-Aggressions-Training. „Das Learn Center finanzieren wir über eine Kooperation mit dem Kreis Schleswig-Flensburg“, berichtet Henken. „Der Kreis hat uns beauftragt, arbeitslose Jugendliche zu qualifizieren“, umschreibt Henken die Kooperation. Derzeit kümmern sich die Learn-Center-Pädagogen um 24 junge Männer und Frauen. Gegen Bezahlung. Laut Schulgesetz haben die RBZ zudem das Recht, privatwirtschaftliche Bildungsangebote zu machen. Und zwar im Bereich Fort- und Weiterbildung.15 Das RBZ Schleswig vermarktet einen Weiterbildungskurs „Systemische Beratung“.16 Der Kurs umfasst 120 Unterrichtsstunden 27 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 28 und kostet 800 Euro. Maximale Teilnehmerzahl: 15. Das Angebot richtet sich an Frauen und Männer, die in pädagogischen, therapeutischen oder pflegerischen Berufen arbeiten. Die Nachfrage sei gut, berichtet Schulleiter Henken. „Das läuft schon seit drei Jahren.“ Den Kurs, der Anfang Februar 2010 startete, leitet eine Diplom-Pädagogin und Systemische Beraterin.17 Doch auch RBZ-Lehrerinnen und -Lehrer sind hier tätig. Zum Ausgleich unterrichten sie pro Woche vier Unterrichtsstunden weniger. Was der kommerzielle Weiterbildungskurse an Gewinn bringt, fließt in die schulintene Fortbildung. Das Fortbildungsbudget liege derzeit bei 27.000 Euro pro Jahr, sagt Henken. Geld genug, um auch mal einen teuren Dozenten zu engagieren. Henken freut sich: „Das sind Möglichkeiten, die Sie im normalen Schulsystem nicht haben.“ Was aber nur gilt, solange die Einnahmen aus dem privaten Kursangebot fließen. Wer als RBZ mit Weiterbildung Geld verdienen will, hat einige Vorschriften zu beachten.18 Da gilt etwa Grundsatz Pflicht vor Kür – die Schulzentren dürfen nur dann in der Weiterbildung aktiv werden, wenn sie ihren staatlichen Bildungsauftrag laut Schulgesetz „nachweislich erfüllen.“19 Ferner sind die Kurse zu „marktgerechten Preisen“ anzubieten. „Angebote sollen nicht in Konkurrenz ... der bestehenden Weiterbildungsträger erfolgen“, schreibt das Landesbildungsministerium vor. Für die Einnahmen aus privatwirtschaftlicher Tätigkeit muss die Schule Körperschaftssteuer und Umsatzsteuer zahlen. Darunter fallen auch Einnahmen aus „Vermietung von Werkstätten“ und „Vermietung von Räumen“. Die RBZ sind zudem gezwungen, eine Menge Papierkram zu erledigen. Stattlich ist die Liste der Verträge, die das RBZ an Stelle des Schulträgers abschliessen und verwalten muss. Dazu gehören Verträge zum Versicherungsschutz, zur Beschäftigung von Hausmeister, Techniker und 28 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 29 Wirtschaftsleiter bis hin zu Verträgen, die Gebäudereinigung und Müllentsorgung regeln.20 Zudem hat jedes RBZ einen Wirtschaftsplan auszuarbeiten.21 Der besteht unter anderem aus einem „Finanzplan mit Investitionsprogramm“ sowie dem „Personalplan mit Personalkostenentwicklung“. Die Geschäftsführung des RBZ hat diese Unterlagen dem schuleigenen Verwaltungsrat vorzulegen, dem wichtigsten Gremium am RBZ.22 Der Verwaltungsrat genehmigt den Wirtschaftsplan und ist zuständig für das Schulprogramm. Er wählt zudem den Schulleiter bzw. die Schulleiterin, auf Vorschlag des Bildungsministeriums. Die Mitglieder des Verwaltungsrats werden vom Schulträger bestimmt, also vom Kreis oder der kreisfreien Stadt.23 Zum Verwaltungsrat des RBZ Schleswig gehören der Landrat, drei weitere Vertreter des Kreises sowie drei Vertreter der Schule. Je ein Deligierter von Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften sowie die Schulaufsicht haben beratende Stimme. Die Lehrkräfte am RBZ bleiben Beamte oder Beschäftigte des Landes.24 Sie werden weiterhin durch den örtlichen Personalrat vertreten. Lehrerinnen und Lehrer wirken zudem „im Rahmen der Pädagogischen Konferenz, der Klassenkonferenz sowie sonstiger Konferenzen“ mit.25 Und was kommt auf den Personalrat zu, wenn sich ein Berufsschulzentrum in ein RBZ umwandelt? Dies ließ der Hauptpersonalrat der Lehrkräfte des Landes Schleswig-Holstein untersuchen.26 Die Studie, veröffentlicht im April 2007, sieht „wesentliche Belastungen der Personalratsarbeit“.27 Die Autoren verweisen etwa auf „Überforderung durch die Einarbeitung in viele neue Themen“ und „Emotionale Belastung durch vermehrte Konflikte im Kollegium“. Die Studie empfiehlt denn auch, „mehr Schulungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten“ für Personalräte anzubieten.28 Und „mehr Ausgleichsstunden“. 29 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 30 Zusätzliche Schulungen seien inzwischen angeboten worden, mehr Ausgleichsstunden gebe es aber nicht. Das berichtet Jan Nissen vom GEW-Landesverband Schleswig-Holstein. Dennoch, so Nissen, sei die Akzeptanz der RBZ in den Lehrerkollegien hoch. Woran das liegt? Wo doch der Widerstand gegen die „Selbstständige Schule“ in anderen Bundesländern erheblich ist? Andernorts zwinge das Bildungsministerium die Schulen dazu, sagt GEW-Mann Nissen. In Schleswig-Holstein hingegen geschehe dies freiwillig. „In jeder Schule ist abgestimmt worden, ob sie die Umwandlung zum RBZ will“, erklärt Jan Nissen. Wo sich das Kollegium dagegen ausgesprochen habe, „da passiert das auch nicht.“ In Schleswig-Holstein gibt es 34 öffentliche Berufsbildende Schulen. Zehn sind inzwischen als RBZ organisiert.29 Quellen 1 2 Abschlussbericht ProReKo, Seite 15 3 Abschlussbericht ProReKo, Seite 1 4 zum Folgenden: GEW Landesverband Niedersachsen, Stellungnahme zum Abschussbericht des Modellversuchs ProReKo, 6.10.2008 5 http://www.gew-nds.de/meldungen/ministeraussagen.php, 26.3.2010 6 siehe auch: GEW Landesverband Niedersachsen, Stellungnahme zum Abschussbericht des Modellversuchs ProReKo, 6.10.2008 7 http://www.mi.niedersachsen.de/master/C3249655_L20_D0_I522.html, 12.3.2010 8 http://www.spdnds.de/content/12575.php, 26.3.2010 9 vgl. http://www.cdu-niedersachsen.de/index.php?we_objectID=6868, 26.3.2010 10 dazu und zum Folgenden: Hans Hermann Henken per Telefon am 9.2.2010 11 30 dazu und zum Folgenden: Bericht der Landesprojektgruppe Niedersächsisches Kultusministerium, Schulversuch Berufsbildende Schulen in Niedersachsen als regionale Kompetenzzentren ProReKo, Abschlussbericht, 17. Juni 2008, Seiten 9f Rede der Ministerin zum Start des Berufsbildungszentrums Schleswig, 28.11.2007: http://www.bbzsl.de/index.php?option=com_docman&task=doc_view&gid=74, 4.2.2010 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 31 12 http://www.bbzsl.de/index.php?option=com_frontpage&Itemid=1, 4.2.2010 13 dazu und zum Folgenden: Ministerium für Bildung und Frauen Schleswig-Holstein (Hrsg.), „Errichtung von Regionalen Berufsbildungszentren – Handreichung für Berufliche Schulen“, Seite 125, zum Download unter: http://www.rbz-verband.de/?Links, 4.2.2010 14 Handreichung, Seite 7 15 Handreichung, Seite 17 16 Flyer zur Weiterbildung „Systemische Beratung“, zum Download unter: http://www.bbzsl.de/index.php?option=com_content&task=blogsection&id=12& Itemid=72, 4.2.2010 17 siehe Flyer zum Weiterbildungsangebot, zum Download unter: http://www.bbzsl.de/index.php?option=com_content&task=blogsection&id=12& Itemid=72, 8.3.2010 18 dazu und zum Folgenden: Handreichung, Seiten 33 und 34 19 Handreichung, Seite 129 20 Handreichung, Seite 117ff 21 Handreichung, Seite 83 22 Handreichung, Seite 126, siehe auch: E-Mail von Hans Hermann Henken, 10.2.2010 23 § 105 Schulgesetz Schleswig-Holstein, zitiert nach: Handreichung, Seite 18 24 zum Folgenden: Handreichung, Seiten 20 und 127 25 § 108 Schulgesetz Schleswig-Holstein, zitiert nach: Handreichung, Seite 20 26 Martin Resch, u.a., Bericht über die Gefährdungs- und Belastungsbeurteilung für Personalräte in den Projektschulen des Projektes „Regionales Bildungszentrums“ (RBZ), Hamburg, Seevetal, April 2007 27 dazu und zum Folgenden: Martin Resch, Seite 22 28 ebd., Seite 23 29 http://www.schleswig-holstein.de/Bildung/DE/Schulen/BeruflicheBildung/ RBZ/RBZ__node.html, 25.3.2010 31 Priva-11_neu:Layout 1 32 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 32 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 33 4. BBS im Verbund mit Volkshochschulen und privaten Anbietern: Der Modellversuch „Hessencampus“ Laut Schulchronik hat sie über 130 Jahre auf dem Buckel: Die MaxEyth-Schule im Städtchen Dreieich bei Offenbach am Main.1 Die berufsbildende Schule ist heute Teil eines Bildungszentrums, das „Haus des Lebenslangen Lernens“ (HLL) heißt.2 Eröffnet im Frühjahr 2009, gehören zum HLL auch ein Abendgymnasium, mehrere Volkshochschulen, eine private Internationale Schule, eine Musikschule sowie mehrere private Weiterbildungszentren.3 Das Bildungszentrum in Dreieich erntet nicht nur Beifall.4 Teile des GEW-Landsverbandes Hessen kritisieren, dass das HLL zum landesweiten Reformprojekt Hessencampus gehört. Hessencampus will an diversen Standorten vor allem die Erwachsenenbildung fördern. Es zielt darauf, die vorhandenen Anbieterstrukturen zu verknüpfen.5 Auch private Unternehmen sind mit im Boot. Zu den Partnern des Hessencampus-Projekts in Kassel gehört etwa die Volkswagen Coaching GmbH, eine Tochter der Volkswagen AG.6 GEW-Mitglieder warnen:7 Ziel ist „Rationalisierung, Abbau von Angeboten, Deregulierung und Entstaatlichung“. Unter dem Dach von Hessencampus, so die Befürchtung, fusionieren öffentliche Schulen mit Volkshochschulen und privaten Bildungsträgern. So entstehen Einrich- „Alle Beteiligten im Hessencampus können zusammen mehr als jeder einzelne für sich allein. Dass damit auch Synergieeffekte erwartet werden, ist angesichts des Drucks, der auf den öffentlichen Haushalten lastet, keineswegs unwichtig.“8 Dorothea Henzler (FDP), Hessische Kultusministerin tungen, in denen sich mittelfristig Niedriglöhne, Zeitverträge und befristete Arbeitsverhältnisse durchsetzen – „aus Ersparnisgründen“. 33 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 34 Hessencampus ist das „Einfallstor für den privaten Bildungsmarkt“. Gewerkschafter fragen zudem, welche Rolle die Personalräte der öffentlichen Schulen im Projekt Hessencampus künftig spielen. Dieter Staudt von der Fachgruppe Berufliche Schulen der GEW Hessen hingegen sieht das Projekt gelassen.9 Er leitet die Landrat-Gruber-Schule in Dieburg - ein staatliches Berufliches Schulzentrum, das am Hessencampus Darmstadt-Dieburg beteiligt ist. Staudt betont: Mit neuen Bildungsangeboten an den Markt zu gehen, werde nur einen kleinen Teil der Hessencampus-Aktiviäten ausmachen. „In der Weiterbildung sind die Claims abgesteckt“, so der Schulleiter. Hessencampus habe nicht die Aufgabe, anderen Trägern Konkurrenz zu machen. Das Projekt ziele stattdessen darauf, trägerunabhängige Bildungsberatung aufzubauen. Außerdem gehe es darum, Übergänge ins Berufsleben zu gestalten und Selbstlernzentren zu errichten. Dass prekäre Arbeitsbedingungen entstehen, „da sehe ich wenig Gefahr“, sagt Staudt. Der Schulleiter räumt jedoch ein, dass der Hessencampus Darmstadt-Dieburg für seine Bildungsberatungsstelle Honorarkräfte einstellt. „Weil wir soviel Geld nicht haben.“ Bislang, so Dieter Staudt, habe sich keines der Hessencampus-Projekte eine eigene Rechtsform gegeben. Er verweist allerdings auf ein Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse-Coopers (PWC), erstellt im Auftrag des Hessencampus Frankfurt am Main.10 Ein aufschlussreiches Dokument. So schreibt PWC, dass Hessencampus Frankfurt verbeamtete Lehrkräfte im Rahmen ihres Dienstverhältnisses „beispielsweise in der Bildungsberatung“ einsetzen will.11 Zudem gehören Firmen wie die Adecco Personaldienstleistungen GmbH zu den Kooperationspartnern.12 34 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 35 Das Gutachten empfiehlt, den Hessencampus Frankfurt als Zweckverband zu organisieren. Zweckverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und sowohl organisatorisch als auch rechtlich selbständig.13 Diese Lösung habe laut PWC den Vorteil, dass die Lehrkräfte „zu einem verhältnismäßigen Teil in den Dienst des Zweckverbandes übernommen werden können.“14 Die Zuweisung von verbeamteten Lehrerinnen und Lehrern zu „einer öffentlich-rechtlichen Fort- und Weiterbildungseinheit“ könne „im Wege der Abordnung gegebenenfalls auch gegen deren Willen erfolgen.“15 Zudem bestehe die Möglichkeit, dass „verstärkt Unternehmen der privaten Wirtschaft Mitglieder des Zweckverbandes sein können.“16 Und was wird aus den Personalräten der beteiligten öffentlichen Schulen? Nicolas Wolz vom Hessischen Kultusministerium betont: „Hessencampus versteht sich als Verbund von selbstständigen Bildungseinrichtungen.“17 Die Frage, ob Personalvertretungen neu zu ordnen sind, stelle sich deshalb nicht. Warum dann das Gutachten von PWC? Wolz antwortet: „Ein Verbund braucht eine Verbundorganisation.“18 Hessencampus Frankfurt habe deshalb das Gutachten in Auftrag gegeben „und für die landesweite Diskussion zur Verfügung gestellt.“ Bis Herbst 2009 steckte das Land Hessen mehr als sieben Millionen Euro in die Anschub-finanzierung.19 Bis 2013 fließen weitere acht Millionen Euro, verspricht Kultusministerin Dorothea Henzler (FDP). Langfristig, so die Ministerin, soll sich die Initiative Hessencampus durch „eigene Einnahmen sowie aus Drittmitteln und Fördermitteln des Bundes und der EU finanzieren.“ Inzwischen beteiligen sich in 16 Regionen etwa 150 Einrichtungen, die über 45.000 Menschen aus- oder weiterbilden. 35 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 36 Quellen 1 2 http://www.hll-dreieich.de/, 12.2.2010 3 siehe Privatisierungsreport Nr.10 4 Für Kritik sorgt auch, dass der Neubau des HLL in Dreieich als Public-PrivatePartnership finanziert wurde: siehe Privatisierungsreport Nr. 10 5 dazu und zum Folgenden: 12.2.2010 6 Broschüre „Hessencampus Inside“, 2009/10, Seite 9 7 dazu: Berufliche Schulen – Chancen für eine Neugestaltung?, Reader zur Fachtagung der GEW Hessen am 6.10.2009, Seite 92 8 http://hc-hessencampus.e/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=fileadmin /Content/forum_2009/Rede-Ministerin(...) 1.3.2010 9 zum Folgenden: Dieter Staudt per Telefon am 15.3.2010 10 PricewaterhouseCoopers, Machbarkeitsstudie Hessencampus Frankfurt, Frankfurt am Main 11 ebd., Seite 44 12 ebd., Seite 10 13 ebd., Seite 45 14 ebd., Seite 47 15 ebd., Seite 44 16 ebd., Seite 47 17 Nicolas Wolz per E-Mail am 17.3.2010 18 Nicolas Wolz per E-Mail am 23.3.2010 19 36 http://www.mes-dreieich.de/Schule/Geschichte/tabid/56/portalid/0/Default.aspx, 12.2.2010 dazu und zum Folgenden: http://hc-hessencampus.de/index.php?eID=tx_nawsecuredl&u=0&file=fileadmin/Content/forum_2009/Pressemeldung_HC-(...), 23.3.2010 http://www.hessen.de/irj/zentral_Internet(...), Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 37 5. Boom der privaten BBS 5.1 Traditionelle Rolle der privaten BBS in der Bundesrepublik Die Siemens-Berufsschule Das ostwestfälische Paderborn beherbergt einen stattlichen Dom, ein Renaissance-Rathaus – und ein privates Berufskolleg des Siemenskonzerns: Das „Ausbildungszentrum für Technik, Informationsverarbeitung und Wirtschaft gem. GmbH“ (ATIW). Das ATIW bildet Kaufleute für Bürokommunikation ebenso aus wie Fachinformatikerinnen oder IT-System-Elektroniker.20 Das Berufskolleg biete „eine Campus-ähnliche, lernfördernde Umgebung, mit modernstem Equipment ausgestattete Klassenräume und PC-Labore“. Dazu „volles Unterrichtsangebot ohne Ausfälle und homogene Klassen mit gleichem Berufsbild“, wirbt Siemens. Das Interesse scheint groß. „Wir betreuen an unserem Standort Paderborn rund 1.000 Auszubildende.“21 Mehr als die Hälfte davon, heißt es in einer Unternehmensbroschüre, stamme aus externen Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen. Von Sun Microsystems bis zu den Landesversicherungsanstalten, von den Sparkassen bis zu Berufsgenossenschaften. Dass Groß-Unternehmen eigene Berufsschulen unterhalten, ist nicht neu. Auch kirchliche Träger bieten seit Jahrzehnten berufliche Bildung an. Dort geht es vor allem um Pflege, Gesundheit und Erziehung. Auch wer Europasekretärin, Dolmetscher, Marketingassistent oder Journalistin werden will, landet häufig in einer privaten Einrichtung.22 Weil staatliche Schulen diese Ausbildungen gar nicht anbieten. Berufliche Schulen vom TÜV Rheinland Seit 1995 operiert auch die TÜV Rheinland Group auf dem Markt für berufliche Bildung.23 Das Unternehmen – Slogan „Privat macht stark“ 37 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 38 – unterhält acht Schulstandorte, vor allem in Ostdeutschland, an denen jährlich über 1.000 junge Leute unterrichtet werden.24 Ein neunter Standort befindet sich in Gründung: 2010 wird in Köln eine private Berufsausbildung starten, in den Bereichen Elektrotechnik und Gestaltung. TÜV-Schulen bilden aus für Tourismus, Sport, Freizeit, Gesundheitswesen, Soziales, Informatik, Technik sowie Medien und Kosmetik. Private BBS übernimmt auch die Auswahl der Auszubildenden Mit einer besonderen Dienstleistung wartet laut GEW ein anderer privater Träger auf – die AFBB Akademie für berufliche Bildung gGmbH mit Zentrale in Dresden.25 Wie die GEW Frankfurt am Main berichtet, übernimmt die AFFB „für die Ausbildungsbetriebe das gesamte Auswahlverfahren vor einer Einstellung von Auszubildenden“.26 Kunden seien unter anderem Media-Markt und Obi. „Es gibt Betriebe, die bei den staatlichen Berufsschulen nachgefragt haben, ob diese das Auswahlverfahren auch übernehmen würden“, meldet die GEW Frankfurt. Gerne hätten wir dazu näheres gewusst. Doch AFBB-Geschäftsführer Günter Kahle lässt ausrichten, dass er unsere Fragen nicht beantworten will. In einem Firmenporträt finden wir die Information, dass AFBB eine Abteilung namens Lehrstellenservice unterhält.27 Die habe zehn Mitarbeiter. Sie kümmere sich auch um „die Vermittlung der passenden Lehrstellen“, heißt es dort. Die AFBB bildet in Dresden, Berlin, Chemnitz und Leipzig aus, ab Schuljahr 2010/11 auch in Frankfurt am Main und Köln.28 5.2 Immer mehr private BBS – Beispiel Sachsen Geht es um Berufsbildende Schulen in freier Trägerschaft, so ist Sachsen Deutscher Meister. Im Schuljahr 2008/09 besuchten 25,4 Prozent aller BBS-Schüler im Freistaat eine private Einrichtung. Zum Vergleich: 38 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 39 In Thüringen waren es im selben Jahr 15,6 Prozent. In Bayern 8,8 Prozent, in NRW 6,8 Prozent. Bundesweit lag die Quote bei 8,4 Prozent. Eindrucksvoll ist zudem, wie sich zwischen Vogtland, Dresden und Görlitz die Zahl der Schulen in privater Hand entwickelt hat. 1999/00 gab es 162 BBS in freier Trägerschaft, vor allem Berufsfachschulen. Bis 2009/10 kamen 41 freie BBS hinzu. Gleichzeitig schlossen die Behörden öffentliche Berufsbildende Schulen. Deren Zahl sank auf 95. Wie ist der Siegeszug der privaten BBS zu erklären? Sie seien kleiner, eigenständiger und flexibler als die öffentliche Konkurrenz, urteilt Manja Bürger.29 Sie ist Geschäftsführerin des Landesverbandes SachsenThüringen im Privatschulverband VDP. „Deshalb können sie schneller auf wirtschaftliche Entwicklungen reagieren.“ Etwa neue Ausbildungsgänge anbieten, wenn die Unternehmen Bedarf anmelden. Traditionell fällt der Anteil privater BBS in den neuen Bundesländern hoch aus. „Das war nach der Wende politisch gewollt“, sagt Manja Bürger. „Schulen in freier Trägerschaft haben zur Vermeidung von Jugendarbeitslosigkeit beigetragen“. Ein big player in Ostdeutschland ist die Rahn-Dittrich-Group mit Zentrale in Leipzig.30 Neben Kitas und Grundschulen betreibt sie Berufsfachschulen und Fachoberschulen. Das Unternehmen, das auch in Polen und Ägypten tätig ist, beschäftigt rund 400 Lehrkräfte. Zu den Großen im Geschäft zählt auch die Euro-Schulen-Organisation.31 Unter ihrem Dach arbeiten private Berufsfachschulen, etwa in Leipzig, Görlitz und Hoyerswerda. Die Euro-Schulen sind ein Zusammenschluss von bundesweit mehr als 100 Bildungseinrichtungen. Sie haben über 2.000 Festangestellte und mehr als 1.000 freie Dozenten. 39 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 40 Wie die Arbeitsbedingungen in den privaten BBS Sachsens aussehen, dazu weiß die GEW wenig. „Es gibt kaum Kontakt“, berichtet Ralf Hähnel vom Vorstand des sächsischen Lehrer-Hauptpersonalrats. Gewerkschaftsmitglieder hätten dort oft einen schweren Stand. „Wer sich in einer privaten Schule engagiert, dem kann es passieren, dass er psychisch unter Druck gesetzt wird.“ 5.3 Kampf um den Haustarifvertrag – Beispiel Rosenheim und Traunstein in Bayern „Seit Jahrzehnten ein wichtiger Bestandteil im regionalen Bildungsangebot“. Alois Glück (CSU), Präsident des bayerischen Landtags, lobt die Privaten Wirtschaftsschulen Dr. Kalscheuer.32 Er reiste eigens an, um in Traunstein den 2,3 Millionen teuren Anbau einzuweihen. Acht neue Klassenzimmer, Fachräume, eine Mensa sowie eine Bibliothek erweitern nun das Raumangebot. Die Privaten Wirtschaftsschulen Dr. Kalscheuer bestehen seit 1949. Sie vermitteln vor allem kaufmännische Lerninhalte, die Ausbildung endet mit dem staatlich geprüften Wirtschaftsabschluss (früher Mittlerer Bildungsabschluss).33 In Traunstein unterhält Kalscheuer auch zwei Berufsfachschulen, etwa für Tourismus- und Hotelmanagement. Hier und am zweiten Standort der Schule, in Rosenheim, lernen derzeit rund 640 Schülerinnen und Schüler.34 Das Schulgeld liegt bei 180 Euro im Monat. Als Träger der Schulen dient eine gemeinnützige GmbH, geleitet von Axel Kalscheuer. „Er ist ausgebildeter Gymnasiallehrer, nach unserem Eindruck aber derzeit nicht im Staatsdienst“, heißt es beim GEW-Landesverband Bayern. Axel Kalscheuer gehörte lange der GEW an. Seit Anfang 2009 tobt ein heftiger Tarifkonflikt bei Dr. Kalscheuer. „Ziel ist, einen Haustarifvertrag abzuschließen“, sagt Peter Weiß, beim GEW40 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 41 Landesverband Bayern zuständig für private Berufsbildende Schulen. Der soll sich am TV-L orientieren, dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst in den Bundesländern. GEW und gewerkschaftlich organisierte Beschäftigte glaubten zwar nicht, schon im ersten Anlauf die TV-LStandards zu 100 Prozent zu erreichen. „Doch wenn eine Anschlussperspektive sichtbar geworden wäre, wären wir zufrieden gewesen“, erklärt GEW-Mann Weiß. Der Arbeitgeber indes legte sich quer. „Herr Kalscheuer will keinen Tarifvertrag“, fasst Peter Weiß zusammen. „Er will nach Belieben zahlen und die Bedingungen bei Neueinstellungen jederzeit verschlechtern können“. Bis einschließlich Schuljahr 2005/06 zahlte die Private Wirtschaftsschule ihren Lehrkräften Gehälter nach Bundesangestelltentarif (BAT). Dann hätte Kalscheuer mit der Überleitung in den neuen TV-L beginnen müssen. „Doch nix ist passiert“, sagt Weiß. Aktive GEW-Mitglieder wollten darauf im März 2009 zum Streik aufrufen. Die Mehrheit im Betriebsrat indes sprach sich dagegen aus. Der Betriebsrat verhandelte mit Axel Kalscheuer, ohne die GEW Bayern einzubeziehen. Peter Weiß berichtet: Dem Arbeitgeber gelang es „mit Drohungen und Lockungen“, den Betriebsrat der Privatschule auf seine Seite zu ziehen. Beide Seiten vereinbarten eine „Regelungsabrede“, mit Datum vom 21. April 2009. Vom der hält Peter Weiß gar nichts. „Daraus erwachsen den Beschäftigten keinerlei Rechte“. Anders als beim Haustarifvertrag, dessen Regelungen einklagbar sind. Auch am Inhalt der Abrede lässt Weiß kein gutes Haar. So verspricht das Papier zwar eine „garantierte Erhöhung“ der Gehälter. Doch gilt dies nur in dem Maße, in dem der Freistaat Bayern zuvor seine Betriebskostenzuschüsse an die Schule erhöht hat. Ferner hat sich der Arbeitgeber eine weitere Hintertür gesichert: Wenn die „Personalaufwendungen“ auf über 80 Prozent der Gesamteinnahmen steigen, so muss der Betriebsrat über eine „Anpassung“ verhandeln. 41 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 42 Axel Kalscheuer verteidigt seine Vereinbarungen mit dem Betriebsrat.35 Er betont, dass der Schulträger eine gemeinnützige GmbH sei. „Gemeinnützigkeit bedeutet: es gibt keine Gewinnentnahmen“, erklärt der Unternehmer. Die Regelungsabrede „sichert den Kollegen einen festen Teil der Einnahmen“. Für das laufende Schuljahr, betont Kalscheuer, habe man eine Erhöhung der Gehälter um 1,32 Prozent vereinbart. „Die Forderungen der GEW hätten aus meiner Sicht in wenigen Jahren zur Insolvenz geführt“. Aus der GEW sei er „auf Grund der zahlreichen persönlichen Angriffe“ ausgetreten. Peter Weiß vermutet, den Grund für Kalscheuers harten Kurs zu kennen. Die Privaten Wirtschaftsschulen hätten für den Anbau in Traunstein, neben Zuschüssen der öffentlichen Hand, hohe Kredite aufgenommen. „Die Zinsen und Tilgungen müssen jetzt die Beschäftigten bezahlen“. 5.4 Grenzen der Privatisierung – Beispiel Hamburg Alles begann mit dem „Jesteburger Beschluss“.36 In Jesteburg, einer Kleinstadt südlich von Hamburg, tagten im Mai 2002 Mitglieder des Hamburger Senats. Der wurde damals von CDU, FDP und Schillpartei gestellt. Die Senatsmitglieder beschlossen, die öffentlichen Berufsschulen der Hansestadt zu privatisieren. Eine gemeinnützige Stiftung des öffentlichen Rechts sollte die Trägerschaft der BBS übernehmen – „und auch schulrelevante Entscheidungen treffen“. So fasst es Professor Dieter Sterzel von der Universität Oldenburg zusammen. Hamburgs Senat plante damals, Entscheidungszuständigkeiten der Schulbehörde dem Stiftungskuratorium zu übertragen. Dort sollten Wirtschaftsvertreter das Sagen haben. Der Jesteburger Beschluss stieß auf heftigen Widerstand. GEW, Lehrkräfte, Personalräte, Ausbilder und viele Eltern starteten ein Volksbe42 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 43 gehren gegen die Privatisierung der Beruflichen Schulen.37 „Bildung ist keine Ware“, hieß die Aktion. Ein großer Erfolg: Bis September 2004 unterschrieben 120.985 Frauen und Männer, die erste Hürde war genommen. Professor Dieter Sterzel untersuchte, wo die verfassungsrechtlichen Grenzen von Schulprivatisierung liegen. Das Gutachten, erstellt im Auftrag der GEW-nahen Max-Traeger-Stiftung, kommt zum Schluss: Das Hamburger Stiftungsmodell verstößt gegen das Grundgesetz, Artikel 7, Absatz 1.38 Demnach hat der Staat „das originäre Recht“, das öffentliche Schulwesen zu gestalten. Diese Gestaltung umfasse „nicht nur die organisatorische Gliederung der Schule“, sondern auch „die inhaltliche Festlegung der Ausbildungsgänge und Unterrichtsziele“, schreibt Sterzel. Es bleibe „verfassungsungssystematisch kein Raum“, Teile der staatlichen Schulaufsicht „auf der Grundlage funktionaler Selbstverwaltungseinrichtungen zu organisieren.“39 Damit sind auch Stiftungen gemeint. Sterzel beanstandet zudem einen „Verstoß gegen das Demokratieprinzip“, das im Grundgesetz, in Artikel 20, Absatz 2 sowie in Artikel 28, Absatz 1 verankert ist.40 Er verweist auf die „sachlich nicht gerechtfertigte Überrepräsentation“ der Wirtschaftsvertreter im Stiftungskuratorium.41 Dies sei eine „Privilegierung von gesellschaftlichen Sonderinteressen“ und verletze das „Gebot der Neutralität staatlicher Entscheidungen“. Im Einklang mit dem Grundgesetz steht laut Professor Sterzel hingegen, was die Hansestadt Bremen damals plante.42 Der Bremer Senat sah vor, lediglich die schulbezogenen Infrastrukturaufgaben zu privatisieren. Eine GmbH, so der Plan, leistet künftig Unterstützung im IT-Bereich sowie bei der Beschaffung für die Schulverwaltung. Sie soll sich zudem um Schulsteuerung kümmern, also um die Einhaltung von Zielvorgaben des Bremischen Bildungssenators. Sterzel sieht hier auch keine Verletzung des Demokratieprinzips. 43 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 44 Und wie ging es in Hamburg weiter? Im Februar 2004 gab es Neuwahlen, fortan stellte die CDU alleine den Senat. Der ließ, unter dem Druck des Volksbegehrens, das Stiftungsmodell fallen. Das Parlament Hamburgs, die Bürgerschaft, beauftragte den Senat, eine neue Reform auszuarbeiten. Dazu formulierte die Bürgerschaft „Eckpunkte“. Die besagten: Der Senat überträgt die Beruflichen Schulen auf ein „Landesinstitut für Berufliche Bildung“.43 Und: In dessen Leitungsgremium sollen die Wirtschaftsvertreter sechs von zwölf Stimmen haben. GEW und Volksinitiative „Bildung ist keine Ware“ protestierten. „Das verstößt gegen die Forderungen des Volksbegehrens“, argumentierten sie. Die Entscheidungsbefugnisse der Wirtschaftsvertreter seien rechtlich bedenklich. Doch das Hamburgische Verfassungsgericht gab der Bürgerschaft recht.44 Der Stadtstaat gründete darauf zum 1. Januar 2007 einen Landesbetrieb, das Hamburger Institut für Berufliche Bildung (HIBB).45 „Das HIBB ist Schulträger und nimmt die Aufsicht über die Beruflichen Schulen wahr“, heißt es in der Eigendarstellung. Zu den Aufgaben zählt auch die „Dienstaufsicht über die Schulleiterinnen und Schulleiter.“ Als Leitungsgremium dient das so genannte Kuratorium. Auch dessen Besetzung folgt den „Eckpunkten“: Sechs Plätze haben Vertreter von Schulbehörde und Schulleitungen. Sechs Plätze stellen Unternehmensverbände und Innungen. Die Gewerkschaften schicken zwei Mitglieder, die nicht stimmberechtigt sind.46 Klaus Bullan, Vorsitzender der GEW Hamburg, sieht zumindest einen Teilerfolg im Kampf gegen die Privatisierung. „Der Einfluss der staatlichen Stellen auf die Berufsbildenden Schulen ist gesichert“, sagt der Gewerkschaftler. Besteht denn die Aussicht, dass der jetzige schwarz-grüne Senat das HIBB-Kuratorium reformiert – damit Gewerkschaftsvertreter mitbestimmen können? Klaus Bullan verneint. „Politisch nicht durchsetzbar“. 44 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 45 Quellen 20 zum Folgenden: anders. ATIW Berufskolleg. Schneller mehr lernen, zum Download unter: http://www.atiw.de/index.php?option=com_phocadownload&view=category&id=1:allgemein-bk&Itemid=163 21 Zum Folgenden: Impulse. Kooperativ ausbilden mit Siemens, Seite 6, zum Download unter: http://www.spep.de/downloads/impulse.pdf, 18.10.2010 22 vgl. Rainer Wolf, Private berufliche Schulen in Baden-Württemberg, in: Statistisches Monatsheft Baden-Württemberg, 8/2005 23 http://www.tuv.com/de/privatschulen.html, 18.2.2010 24 http://www.tuv.com/de/privatschulen_im_portraet.html, 18.2.2010 25 http://www.ausbildung-und-studium.de/cms/index.php?option=com_frontpage &Itemid=1, 18.2.2010 26 dazu und zum Folgenden: http://www.gew-frankfurt.de/fileadmin/uploads/dokumente/8-ZLL-Anlagen.doc, Anlage 6, 24.3.2010 27 http://www.ausbildung-und-studium.de/cms/index.php?option=com_content &task=view&id=793&Itemid=153, 24.3.2010 28 http://www.ausbildung-und-studium.de/cms/index.php?option=com_ frontpage&Itemid=1, 24.3.2010 29 dazu und zum Folgenden: Manja Bürger per Telefon am 22.3.2010 30 http://www.rahndittrich.de/, 23.3.2010 31 http://www.eso.de/, 23.3.2010 32 http://www.ws-traunstein.de/index.php?option=com_content&task=view&id =47&Itemid=11, 26.3.2010 33 http://www.ws-rosenheim.de/index.php?option=com_content&task=view&id =15&Itemid=23, 24.3.2010 34 dazu und zum Folgenden: Axel Kalscheuer per E-Mail am 3.3.2010 35 Axel Kalscheuer per E-Mail am 3.3.2010 36 dazu und zum Folgenden: Professor Dieter Sterzel, Universität Oldenburg, Entstaatlichung der beruflichen Schulen. Verfassungsrechtliche Grenzen einer Privatisierung des Lernorts Schule im Dualen System der Berufsausbildung. Rechtsgutachten, erstattet im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung, Oldenburg, 27. August 2004, Seite 2f 45 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 46 37 38 Sterzel, Seite 204 39 ebd., Seite 205 40 ebd., Seite 208 41 ebd., Seite 207 42 Sterzel, Seite 210f 43 Gegen eine Privatisierung der Beruflichen Schulen. Pressemitteilung vom 19. November 2004, veröffentlicht auf www.spd-bildungsserver.de 44 Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil aufgrund mündlicher Verhandlung vom 3. November 2005, Aktenzeichen: HVerfG 16/04 45 dazu und zum Folgenden: http://www.hibb.hamburg.de/index.php/article/detail/1121?PHPSESSID=e4935334a38f7960177dd6d49b46f62f, 9.2.2010 46 46 dazu und zum Folgenden: http://www.gaebler.info/hamburg/gew-1.htm, 8.2.2010 dazu: „Handout für Schulvorstände“, veröffentlicht von der Handelskammer Hamburg, Seite 4, zum Herunterladen unter: http://www.hk24.de/produktmarken/aus_und_weiterbildung/beruflliche_schulen/ Handout.pdf, 9.2.2010 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 47 6. Weiterer Einstieg in die Deregulierung von beruflicher Bildung? 6.1 Projekt „Lernen vor Ort“ Der Bund, 40 Städte und Landkreise, ferner über 100 Stiftungen – von der Bertelsmann-Stiftung, der Körber-Stiftung bis zur Eberhard-vonKuenheim-Stiftung der BMW AG. Das sind die Akteure des Projekts „Lernen vor Ort“.1 Ihr Ziel: Kommunen zu „hervorragenden Bildungsstandorten“ entwickeln. Dazu soll das Nebeneinander bestehender Bildungsangebote – von der Kinderkrippe bis zur Senioren-Uni – beseitigt werden. Bundesbildungsministerium und Europäischer Sozialfonds stellen dafür 60 Millionen Euro bereit. „Lernen vor Ort“ startete am 1.September 2009 – und hat auch die berufliche Bildung im Visier. Die Projektbetreiber planen vor allem, den Übergang von Schule zum Berufs- und Arbeitsleben zu verbessern. Da plant der Landkreis Görlitz, ein „bildungsbiographisches Übergangsmonitoring“ mit dem „Arbeitsmarktmonitoring“ zu verbinden.2 Im Landkreis Elbe-Elster in Brandenburg entsteht ein „Unternehmer-SchulStammtisch“. Und der bayerische Landkreis Mühldorf am Inn kündigt an, „eine trägerübergreifende Servicestelle“ einzurichten. Eine Stelle, die Kooperationen mit Betrieben aufbaut und „eine mögliche Modularisierung von beruflicher Ausbildung vorantreibt.“3 So steht es in der Projektbeschreibung. Partnerin des Landkreises Mühldorf am Inn ist die Stiftung des Unternehmensberaters Roland Berger. Wer die Selbstdarstellung von „Lernen vor Ort“ liest, entdeckt viel Unterstützenswertes. Warum sollen die vielen Bildungseinrichtungen, die in Stadt oder Landkreis nebeneinander wirken, nicht zusammenarbeiten? Was spricht dagegen, wenn sich Berufsbildende Schulen neue Partner suchen? Doch „Lernen vor Ort“ will offenbar mehr. Viel mehr. Diesen Eindruck erweckt eine Rede, die Professor Jürgen Oelkers zur Auftaktkonferenz 47 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 48 von „Lernen vor Ort“ hielt, am 11. November 2009 im Berliner Congress-Center. Oelkers ist Professor für Allgemeine Pädagogik an der Universität Zürich4. Bis 2006 gehörte er zum Expertengremium des Aktionsrats Bildung, der von der bayerischen Wirtschaft finanziert wird.5 Oelkers Rede legt den Schluss nahe, dass es bei „Lernen vor Ort“ auch um Entstaatlichung geht, um Entprofessionalisierung, um die Einführung von Marktgesetzen und Wettbewerb.6 An keiner Stelle spricht der Hochschullehrer, im Gegensatz etwa zur OECD, von der Unterfinanzierung des deutschen Bildungswesens. Aufschlussreich ist bereits, wie der Professor aus Zürich Schlüsselbegriffe definiert. Unter „Bildungsmanagement“ versteht er Gestaltungen und Problemlösungen, „die nicht einem Amt anvertraut werden.“7 Er sagt: Mit Bildungsmanagement verbinde sich zudem ein Wort, „das in der deutschen Bildungssprache tabuisiert wird, nämlich Kunden.“ Kunden seien die Eltern und Schüler. Entstaatlichung Auch mit „den besten Gesetzen“ sei „keine flächendeckende Steuerung des Bildungswesens möglich“, behauptet Jürgen Oelkers.8 „Bildungsreformen kommen nie so an, wie die politische Rhetorik sie verkündet.“ Der Grund: Die Realisierung hänge „von den Akteuren vor Ort“ ab. Akteure, die laut Oelkers „über eine Deutungshoheit eigener Art verfügen und die sich nicht kommandieren lassen, was immer den Behörden dazu einfallen mag.“ Deshalb begrüßt der Professor, dass „Lernen vor Ort“ die Kommunalisierung der Bildung anstrebt. Auch die Steuerung von Schulen gelinge um so besser, „je mehr und je besser die lokalen Akteure daran beteiligt sind.“ Das sei durch zahlreiche internationale Studien belegt.9 Wobei zu den lokalen Akteuren offenbar auch unternehmensnahe Stiftungen gehören. 48 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 49 Public-Private-Partnership Oelkers fragt weiter: „Kann die Zersplitterung und Unübersichtlichkeit der öffentlichen und privaten Bildungsangebote in Deutschland wirklich überwunden werden?“10 Er findet: „Die kommunalen Bildungseinrichtungen samt den damit verbundenen Behörden sollen zu einem kommunizierenden und entscheidungsfähigen Gesamtsystem ausgebaut werden, das auch die öffentlichen Schulen umschliesst.“11 Das gehe nur, wenn dafür eine passende Organisation gefunden wird. Entprofessionalisierung Der Professor aus Zürich verrät zudem, dass er von Lehrkräften in Dauerstellung nicht allzu viel hält. Den Sprachkurs in Business English könnte auch die Volkshochschule übernehmen, „die Trainer anstellt, die anders als die Englischlehrer diese sehr spezielle Sprache auch tatsächlich beherrschen.“12 Weitere Aussage: Die Kommunen bieten Volkshochschulen, Museen, Theater bis hin zu Krippen und Seniorenbildung. „Nur weil die Lehrergehälter in den Haushalten der deutschen Bundesländer den größten Posten einnehmen, darf nicht vom unbedingten Vorrang der schulischen Bildung gesprochen werden.“13 Der Professor plädiert zudem für Orte, die als Selbstlernzentren bereitstehen. Ausgestattet auch mit Computern. „Laptops ersetzen nicht den Theaterbesuch,“, so Oelkers, „wohl aber manche überflüssige Unterrichtslektion, die es tatsächlich geben soll.“14 Ideen für Kooperationen liefert Oelkers gleich mit: Kommunal neu organisiert werden könnte die curriculare Verzahnung der Schulen mit den Sportvereinen oder Musikschulen vor Ort. „Lernzeit, die im Verein erbracht wird, kann angerechnet werden.“ Da klatschen viele Länderfinanzminister sicher Beifall. Denn Ehrenamtler oder Honorarkräfte in Vereinen oder privaten Musikschulen sind billiger zu haben als qualifizierte Lehrkräfte für Sport und Musik. Noch ein Vorschlag: Ältere Schü49 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 50 ler bieten organisierte Nachhilfe an – um den kommerziellen NachhilfeUnternehmen Konkurrenz machen. „Die Schulen müssten nur einen kommunalen Pool bilden, einen Service bereitstellen und gegen ein Entgelt die Leistungen bezahlen.“15 Die GEW hingegen fordert ein Schulsystem, in dem eine ausreichende Zahl von Lehrerinnen und Lehrer dafür sorgt, dass der Nachhilfemarkt austrocknet. Marktgesetze Der Hochschullehrer berichtet davon, dass die Schweiz die Erwachsenenbildung massiv ausbauen will.16 Und zwar mit dem Schlagwort „nachfrageorientierte Bildung“. Wir erfahren, dass Erwachsene dort öffentlich finanzierte Gutscheine und Darlehen erhalten, zur Steigerung der Nachfrage. Eine Schweizer Studie von 2009 zeige: Bildungsgutscheine können unter bestimmten Umständen dafür sorgen, „dass sich auch bildungsferne Personengruppen für Weiterbildungsmaßnahmen interessieren.“17 Gewerkschafter und kritische Bildungsfachleute kritisieren: Gutscheine haben die Funktion, Marktgesetze in einem Bildungsbereich durchzusetzen. Dadurch steigt die Gefahr, dass die Beschäftigten in prekäre Arbeitsverhältnisse gepresst werden. Berufliche Bildung/ Übergangsmanagement Der Professor beschäftigt sich auch mit der Frage, wie sich ehemalige Schülerinnen und Schüler besser in den Arbeitsmarkt integrieren lassen. Hier sei man um so erfolgreicher, je höher der Nutzer für die Unternehmen sei. Auch hier könne kommunal viel erreicht werden. „Das Ende der Schulzeit kann stärker auf die Anforderungen in den Betrieben abgestimmt werden.“ Oder: „Das erforderliche Können kann direkt durch Teilnahme am Arbeitsprozess erworben werden.“18 Statt qualifizierter Ausbildung also training on the job – nach Regeln, die allein das Unternehmen festlegt? 50 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 51 Der Professor betonte in seinem Einführungsvortrag: „Lernen vor Ort“ soll zu all diesen Punkten „empirisches Material zu Tage fördern.“ Es handele sich um „die größte Versuchsdichte, die je in der Fläche und gleichzeitig erreicht wurde.“19 Oelkers erwartet „hohe Transfereffekte“, von denen auch andere Orte profitieren können. Wilfried Lohre ist Geschäftsführer des Stiftungsverbundes „Lernen vor Ort“ mit Sitz in Bonn. Zuvor betreute er bei der Bertelsmann-Stiftung das Projekt „Selbstständige Schule“. Wir fragen Lohre, was der Stiftungsverbund von den Aussagen des Hochschullehrers hält. Wilfried Lohre betont: Er gebe im Folgenden seine persönliche Meinung wieder.20 Lohre erklärt, dass es dem Stiftungsverbund nicht um das Zurückdrängen des Staates gehe. Der Stiftungsverbund sehe Bildung als Gemeinschaftsaufgabe. Der Staat formuliere die Leitziele, könne „die Bildungsaufgaben jedoch nicht allein erfüllen.“ Schulen seien „Teil eines ganzheitlichen Bildungswesens, in dem viele Akteure beteiligt und zu beteiligen sind.“ Dazu zählten die Betroffenen, also Schülerinnen und Schüler oder Weiterbildungswillige. Ferner „die Zivilgesellschaft“ sowie „die anderen nicht-staatlichen Akteure im Bildungsbereich“. Die Stiftungen, so Lohre, verstünden sich als Teil der Zivilgesellschaft. Wie die Beteiligung dieser Akteure gestaltet wird, dies herauszufinden sei Gegenstand von „Lernen vor Ort“. Keine Stiftung gehe davon aus, dass „irgendwelche Zuständigkeiten geändert werden“. Vielmehr werde auf „gemeinsame Verantwortungswahrnehmung“ gesetzt, die nur im Konsens erfolgen könne. Kommt kein Konsens zustande, „ziehen automatisch die tradierten Zuständigkeitsregelungen“. Auch von Entprofessionalisierung könne keine Rede sein, erklärt Wilfried Lohre. Die Stiftungen würden nur „höchste Professionalisierungsgrade beim lehrenden und erziehenden Personal akzeptieren.“ Die Tatsache, dass ein Englischkurs durch die VHS angeboten werde, „zeugt 51 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 52 nicht zwingend von einer Entprofessionalisierung.“ Nach seiner Meinung müssten die vielfältigen örtlichen Bildungsangebote auf „Einhaltung gemeinsamer Qualitätsstandards hin überprüft werden“. Allerdings stellt er klar: „Ob allein ausgebildete schulische Pädagogen Ausdruck einer Professionalität im Bildungsbereich sind, mag ich bezweifeln.“ Oelkers sei kein Experte für Berufliche Bildung, stellt Lohre weiter klar. Im Projekt „Lernen vor Ort“ gehe es nicht darum, das duale System zu verändern. Lohre teilt jedoch die Meinung von Professor Oelkers, dass die Stärkung der Nachfrager zusätzliche Bildungsangebote erzeugen werde.21 Die Bundesregierung bevorzuge Bildungsgutscheine und „plant neue Programme zu diesem Thema.“ Für ihn stelle sich vor allem die Frage, „wer darüber entscheidet, in wessen Hände diese Gutscheine gelangen.“ Und für welche Bildung sie eingesetzt werden. Dies, betont Lohre, „kann nur vor Ort unter Mitwirkung der örtlichen und vor allem relevanten Akteure bewerkstelligt werden.“ 6.2 Projekt „Jobstarter Connect“ Die Ausbildungsplatzsituation für Jugendliche umfassend verbessern – das will das Programm Jobstarter.22 Stattliche 125 Millionen Euro stehen bis 2013 dafür bereit, finanziert vom Bundesbildungsministerium und dem Europäischen Sozialfonds. Unter dem Dach von Jobstarter laufen seit 2006 zahlreiche Projekte. Sie zielen etwa darauf, „ausbildungsunerfahrene oder -müde Betriebe“ zu unterstützen. Projektmacher knüpfen Ausbildungs-netzwerke, kümmern sich um Teilzeitberufsausbildung oder gründen Stiftungen, die Ausbildung fördern sollen.23 Beteiligt sind Handwerkskammern, der Caritasverband für Stuttgart oder der Bund Türkisch-Europäischer Unternehmer in Hannover. Für die Umsetzung ist das Bundesinstitut für 52 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 53 Berufsbildung (BiBB) in Bonn zuständig. Die bisherige Bilanz könne sich sehen lassen, melden die Programmverantwortlichen. Rund 42.000 Ausbildungsplätze habe man bislang akquiriert. Vor allem ein Projekt weckt Argwohn bei den Gewerkschaften. Es trägt den Namen Jobstarter Connect und will den Übergang in das duale System verbessern – „durch die Erprobung bundeseinheitlicher Ausbildungsbausteine“.24 Standardisierte Bausteine, auch Module genannt, sind geschlossene Qualifizierungsprogramme, die jeweils über vier bis sechs Monate laufen.25 Sie existieren modellhaft bereits für 14 Ausbildungsberufe – von der Fachkraft für Lagerlogistik bis zum Maler und Lackierer. Beispiel Chemikant. Hier kann die Berufsausbildung mit Hilfe von sieben Bausteinen getestet werden.26 Baustein 1 behandelt „Labortechnische Grundoperationen“. Baustein 2 deckt „Mechanische Verfahrenstechnik“ ab. Bei Baustein 3 geht es um „Installationstechnik, Instandhaltung und Anlagentechnik“. Und so weiter. Doch die GEW warnt. „Die klassische Form der Berufsausbildung in ihrer Ganzheitlichkeit wird untergraben, wenn Module nicht nur in einem pädagogischen Sinne als didaktische Elemente dienen sondern instrumentalisiert werden, Kurzausbildungen einzuführen.“ Das kritisiert Stephanie Odenwald vom GEW-Hauptvorstand. Sie sieht zudem die Gefahr eines weiteren Privatisierungsschubs. „Die Modularisierung erleichtert den privaten Trägern, ins Geschäft zu kommen“, so Odenwald. „Sie müssen dann nicht mehr eine komplette Ausbildung anbieten, sondern verkaufen einzelne Bausteine.“ Bedenken äußern auch Hermann Nehls, Referatsleiter Bildung und Qualifizierung beim DGB-Bundesvorstand, und Michael Ehrke, Bildungsexperte beim Vorstand der IG Metall.27 Die Aufspaltung in 53 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 54 Module sei vor dem Hintergrund zu sehen, dass Arbeitgeber und Großunternehmen das Ausbildungsniveau senken wollen – „aus lohn- und arbeitspolitischen Interessen“. Dies betonen Nehls und Ehrke in einem Fachaufsatz. Der „spezifisch deutsche“ Weg von Arbeit und Berufsausbildung führe nicht zu den erwarteten Wettbewerbsvorteilen, heiße es im Arbeitgeberlager. Effizienz und Wertschöpfung verlange den Wechsel von der beruflichen Ausbildung zur „aufgabenbezogenen Anlernung“. Setzt sich die Modularisierung durch, hätte dies „weitreichende Konsequenzen für die Situation der Auszubildenden“, warnen Nehls und Ehrke. So verliere die Berufsschule ihren festen Platz im Ausbildungssystem. Denn ein Modul könne an den unterschiedlichsten Lernorten angeboten werden, zu den unterschiedlichsten Bedingungen. Zudem machten Ausbildungsverträge mit festgelegten Vergütungen „keinen Sinn mehr“, so die beiden Bildungsexperten. Denn von einer einheitlichen Ausbildungsdauer „kann keine Rede mehr sein“. Statt einer Abschlussprüfung hätten die Auszubildenden ferner sechs bis zehn Einzelprüfungen zu absolvieren. „Wer wird diese Prüfungen bezahlen?“ Die beiden Gewerkschafter halten es für möglich, dass diese Kosten von den Jugendlichen und ihren Eltern zu tragen sind. Ihr Fazit: „Das „Qualifikationsniveau und die Beschäftigungsfähigkeit der beruflich qualifizierten erwerbsfähigen Bevölkerung wird sinken.“ Dies sei in allen Ländern mit ähnlichen Systemen zu beobachten. 54 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 55 Quellen 1 http://www.lernen-vor-ort.info/index.php, 25.3.2010; siehe auch Privatisierungsreport Nr.10 2 dazu und zum Folgenden: http://www.lernen-vor-ort.info/de/268.php, 25.3.2010 3 http://www.lernen-vor-ort.info/de/189.php, 17.2.2010 4 http://www.ife.uzh.ch/index.php?treenode_id=127, 17.2.2010 5 http://www.aktionsrat-bildung.de/index.php?id=24, 17.2.2010; Der Aktionsrat Bildung forderte 2007, alle öffentlichen Schulen in eine private Trägerschaft zu überführen, siehe Privatisierungsreport Nr. 5, Seite 31 6 Manuskript des Vortrags zum Download: http://paed-services.uzh.ch/user_downloads/1012/BerlinLernenvorOrt.pdf, 17.2.2010 7 ebd., Seite 2 8 ebd., Seite 5 9 ebd., Seite 4 10 ebd., Seite 11 11 ebd., Seite 6 12 ebd., Seite 8 13 ebd., Seite 3 14 ebd., Seite 8 15 ebd., Seite 7 16 ebd., Seite 9 17 ebd., Seite 10 18 ebd., Seite 8 19 ebd., Seite 11 20 Wilfried Lohre per E-Mail am 26.2.2010 21 Laut Lohre gilt allerdings auch umgekehrt: Angebote finden dann eine Nachfrage, wenn es sich um gute Angebote handelt 22 http://www.jobstarter.de/de/104.php, 31.3.2010 23 http://www.jobstarter.de/de/1911.php, 1.4.2010 55 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 56 24 25 Hermann Nehls, Michael Ehrke, „Aufgabenbezogene Anlernung“ oder berufsbezogene Ausbildung? Zur Kritik der aktuellen Modularisierungsdebatte, in: BWP 1/2007, Seite 41, zum Herunterladen unter: http://www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/bwp/show/id/1731, 31.3.2010 26 http://www.jobstarter.de/de/1230.php, 31.3.2010 27 56 http://www.jobstarter.de/de/1208.php; vgl. Dieter Euler, Eckart Severing, Zusammendenken, was zusammengehört - Ausbildungsbausteine als Grundlage der Weitereintwicklung der Berufsausbildung, in : BWP 1/2007, zum Herunterladen unter: http://www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/bwp/show/id/1731, 31.3.2010 zum Folgenden: Hermann Nehls, Michael Ehrke, „Aufgabenbezogene Anlernung“ oder berufsbezogene Ausbildung? Zur Kritik der aktuellen Modularisierungsdebatte, in: BWP 1/2007, zum Herunterladen unter: http://www.bibb.de/veroeffentlichungen/de/bwp/show/id/1731, 31.3.2010 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 57 7. Die Vorzeigeschule – offene Lernlandschaften in der Berufsbildenden Schule Westerburg/Rheinland-Pfalz Ein Luftkurort im Westerwald, 400 Meter hoch, mit Schloss und mittelalterlichem Charme. Das ist Westerburg, zwischen Köln und Frankfurt/Main gelegen. In der Hofwiesenstrasse befindet sich ein Schulzentrum, das viele Besuchergruppen anzieht: Die Berufsbildende Schule (BBS) Westerburg, getragen vom Westerwaldkreis.28 Hier lernen rund 2.800 junge Frauen und Männer, davon etwa 1.500 im dualen System. Die BBS Westerburg hat seit 2002 Schritt für Schritt ihre Klassenräume aufgelöst – und durch offene Lernlandschaften ersetzt.29 Die bestehen jeweils aus einem großen zentralen Raum, um den sich Klassenräume gruppieren. Die sind zum zentralen Raum hin „teils völlig offen“ oder „mit flexiblen Raumteilern getrennt“. So beschreibt es Dieter Staudt vom GEW-Landesverband Hessen, Fachgruppe Berufliche Schulen. Er besuchte Ende 2008 die BBS Westerburg, zusammen mit Kolleginnen und Kollegen. Alle Lernlandschaften, die so genannten Cluster, sind als Gesamtheit zum Treppenhaus abgeschlossen. Sie bilden somit „einen eigenen Bereich, räumlich und personell“, berichtet Dieter Staudt. Als „faszinierend und fast unglaublich“ beschreibt der Gewerkschafter, wie er die Schülerinnen und Schüler der BBS Westerburg erlebte.30 „Egal, in welche Cluster wir kamen, wir erlebten immer eine angenehme Ruhe und konzentrierte Arbeitsatmosphäre.“ Dieter Staudt führt das auf die offenen Raumstrukturen zurück, „die zwingend zu Rücksichtnahme und Lärmminderung führen.“ Die GEW-Kollegen aus Hessen beobachteten junge Leute, „die in Gruppen an Themen arbeiteten und sich durch uns überhaupt nicht gestört sahen.“ Die Pädagogik im Schulzentrums zielt BBS Westerburg auf „ein problemorientiertes, eigenverantwortliches und teamorientiertes Lernen“.31 Wer hier als Lehrkraft arbeite, sei nicht mehr „Wissensvermittler“.32 Sondern „Lernbegleiter und Lernberater“. Die offene Raumstruktur des Schulgebäudes soll helfen, diese Ziele zu erreichen. 57 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 58 Dieter Staudt erzählt, er habe die jeweils für ein Cluster zuständigen Lehrerteams „in unterschiedlichen Funktionen“ erlebt. „Mal als Lernbegleiter in einer Gruppe, mal mit Kollegen zusammensitzend.“ „Mal was organisierend, dazwischen auch mal zusammenfassend dozierend.“ Die Westerburger Berufskollegen verstünden sich nicht mehr als Einzelkämpfer, sondern arbeiteten im Team, berichtet Staudt. Diese Art des Lehrens sei für sie „entlastend und auch bereichernd“. 2,4 Millionen Euro kostete es, die altbackenen Klassenräume durch moderne Lernlandschaften zu ersetzen. Joachim Dell, Schulleiter der BBS Westerburg, berichtet:33 Der Schulträger sowie das Land Rheinland-Pfalz hatten das Geld aufgebracht – für dringend erforderlichen Brandschutz. „Wir hätten so oder so umbauen müssen“, sagt Dell. Also nutzte man die Gunst der Stunde und sorgte neben Brandschutzmaßnahmen auch für die offene Innenarchitektur. Der Kreis gab grünes Licht für die Pläne der Westerburger. „Das hat auch mit Vertrauen in die Schule zu tun“, sagt Dell. Auch der Personalrat der BBS Westerburg stimmte den Plänen zu. Seit 2001/02 erhöhte sich die Schülerzahl um rund 500. „Durch den Umbau haben wir zusätzliche Unterrichtsfläche geschaffen“, erläutert der Schulleiter. Auf 80 Plätze, die pro Jahr am Beruflichen Gymnasium Wirtschaft zu vergeben sind, kommen heute 250 Bewerber. Auch der Berufsschulbereich habe Erfolg. Wer hierher komme, „erlebt Schule ganz anders“, sagt Dell. Das pädagogische und architektonische Konzept gebe schulmüden Jugendlichen „eine neue Chance“. Westerburg findet inzwischen Nachahmer. So begannen die Beruflichen Schulen im nordhessischen Witzenhausen, ihr Ostgebäude umzubauen. Ziel ist ebenfalls, offene Lernräume zu schaffen, inclusive „Selbstlernbereiche für Schülerinnen und Schüler.“34 58 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 59 Quellen 28 http://www.bbs-westerburg.de/, 12.2.2010 29 zum Folgenden: Dieter Staudt, Offene Lernlandschaften – ein Besuch in Westerburg!, in: Berufsschul-Insider 1/2009, Informationen der Fachgruppe Berufliche Schulen der GEW Hessen, Seite 6f, 30 ebd., Seite 6f 31 http://www.bbs-westerburg.de/, 12.2.2010 32 dazu und zum Folgenden: Präsentation zum Lernkonzept der BBS Westerburg, zum Download unter: http://www.bbs-westerburg.de/, 12.2010 33 Telefonische Auskunft von Joachim Dell am 17.2.2010 34 http://www.bs-witzenhausen.de/index.php?id=719, 15.3.2010 59 Priva-11_neu:Layout 1 60 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 60 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 61 8. Was die GEW für Berufsbildende Schulen fordert 8.1 Grundsätzlich35 q Gegen die Privatisierung von Berufsbildenden Schulen. q Für gute Arbeitsbedingungen und die Möglichkeit, sich an BBS demokratisch zu beteiligen. q Für eine zeitgemäße Lernkultur à la BBS Westerburg. Die berufsbildenden Schulen müssen den Spagat schaffen, sowohl benachteiligten Jugendlichen gerecht zu werden als auch im Rahmen beruflicher Ausbildung auf ein Studium vorzubereiten. Das erfordert eine inklusive Pädagogik. q Für eine qualitativ hochwertige Ausbildung der Lehrkräfte. Der Bedarf an jungen Lehrerinnen und Lehrern ist groß. Deshalb muss deren Ausbildung ausgeweitet werden. q Für eine Ausweitung der Fort- und Weiterbildung. q Die pädagogische Arbeit darf nicht von unqualifizierten und/oder prekär beschäftigten Hilfskräften geleistet werden. q Der Deutsche Qualifikationsrahmen und der Europäische Qualifikationsrahmen müssen genutzt werden, um die Durchlässigkeit des Bildungswesens in Deutschland zu erreichenund endlich die Gleichwertigkeit von beruflicher und allgemeiner Bildung zu erreichen. Der Zugang zur Hochschule muss auch über eine berufliche Ausbildung ermöglicht werden (Berufsabitur). 61 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 62 Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, verkündet von der Generalversammlung der Vereinten Nationen:36 Artikel 23: „Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl...“ Artikel 26: „Jeder hat das Recht auf Bildung. (...) Fachund Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden...“ 8.2 Duales System:Ausbildungschancen nicht dem Markt überlassen „Die Krise der beruflichen Ausbildung in Deutschland ist nach wie vor nicht gelöst“, kritisiert die GEW.37 Weniger als ein Drittel der Betriebe bildet aus. Vor allem in Ostdeutschland fehlen duale Ausbildungsangebote. Besonders Jugendlichen, die die Schule abgebrochen oder lediglich einen Hauptschulabschluss vorzuweisen haben, bleibt der Zugang zu einem Ausbildungsplatz versperrt. Wer einen Migrationshintergrund hat, findet ebenfalls nur selten einen Platz im dualen System. Für junge Frauen ist das Spektrum der angebotenen dualen Berufe eingeengt. Zudem beanstandet die GEW die hohe Abbruchquote von über 20 Prozent. Deshalb fordert die Gewerkschaft, das Recht auf berufliche Ausbildung gesetzlich zu regeln.38 An den Ausbildungskosten sind die Unternehmen zu beteiligen. Schließlich profitieren sie von qualifizierten Arbeitskräften. Die Unternehmen könnten beispielsweise verpflichtet werden, in einen Ausbildungsfonds einzuzahlen. Ein solcher Fonds existiert bereits für die Baubranche. „Berufliche Ausbildung darf nicht von gewinnorientierten Zielen der Unternehmen abhängig gemacht werden“, stellt Stephanie Odenwald vom GEW-Hauptvorstand klar. 62 Priva-11_neu:Layout 1 8.3 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 63 Für ein plurales Ausbildungssystem39 Die GEW fordert verstärkte Investitionen in berufsbildende Schulen. Damit diese in der Lage sind, die duale Ausbildung systematisch durch öffentlich finanzierte gleichwertige Ausbildungsgänge zu ergänzen. Bislang jedoch verlaufe die Ausweitung vollqualifizierender Ausbildung in Schulen „sehr schleppend“. Es fehle eine bundesweite Abstimmung, die im Rahmen der Kultusministerkonferenz möglich wäre. Die Gewerkschaft verlangt, die Ausbildungsmöglichkeiten auch bei Trägern und in außerbetrieblichen Ausbildungszentren auszuweiten. Unabhängig vom Lernort gilt es, die Qualität der Ausbildung zu sichern. Kurzausbildungen oder zertifizierte Teilmodule „werden diesen Ansprüchen nicht gerecht“, betont die GEW. 8.4 Übergangssystem begrenzen und verbessern – zweite Chance ausbauen40 Die Gewerkschaft lehnt ab, das Übergangssystem „als Auffangbecken für marktbenachteiligte Jugendliche“ auszubauen. Sie verlangt, die Zielgruppe der Übergangsphase deutlich zu verkleinern. Sie soll sich lediglich an jene richten, die Lernprobleme haben oder in einer besonders schwierigen Lebenslage stecken. Wer an einer Maßnahme teilnimmt, soll künftig Schüler-Bafög erhalten. Sie fordert, benachteiligte Jugendliche besonders zu unterstützen durch längere Ausbildungszeiten, Teilzeitformen oder Zertifizierung von Teilqualifikationen. Wenn die Gefahr droht, dass junge Frauen und Männer ihre Ausbildung abbrechen, müsse das Instrument der ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) flächendeckend greifen. Ferner soll dieses Instrument mit ausreichender sozialpädagogischer Betreuung verbunden werden. 63 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 64 Wer eine berufliche Erstausbildung zunächst nicht geschafft hat, dem ist eine „berufsbegleitende Nachqualifizierung“ anzubieten. Diese gilt es so zu gestalten, dass die Betroffenen durch Erwerbsarbeit ihren Lebensunterhalt selbst finanzieren. Quellen 35 36 Artikel 23, Absatz 1, http://www.amnesty.de/alle-30-artikel-der-allgemeinenerklaerung-der-menschenrechte, 24.3.2010 37 siehe Antrag 3.22 auf dem GEW-Gewerkschaftstag 2009 38 dazu und zum Folgenden: „Die GEW-Position: Integration in Ausbildung und Beruf für alle“, in: Harry Neß, Generation abgeschoben. Warteschleifen und Endlosschleifen zwischen Bildung und Beschäftigung, herausgegeben vom GEW-Hauptvorstand, Bielefeld 2007, Seite 168ff 39 ebd., Seite 168ff 40 64 siehe: Hamburger Erklärung des GEW-Hauptvorstandes, Februar/März 2008 ebd., Seite 168ff Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 65 Anhang Übersicht alte Bundesländer (Quelle: Statistisches Bundesamt) Abb.1: Zahl der BBS (staatlich und privat) 7.800 7.769 7.600 7.400 7.543 7.200 7.000 6.918 6.800 6.600 6.400 1995 2002 2008 Veränderung von 1995 bis 2008: - 8 Prozent Abb. 2: Zahl der privaten BBS 1.350 1.300 1.306 1.302 2002 2008 1.250 1.200 1.150 1.161 1.100 1.150 1995 Veränderung von 1995 bis 2008: + 12 Prozent 65 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 66 Abb. 3: Zahl der Schüler/innen an BBS (staatl. und privat) (in Mio) 2,3 2,276 2,2 2,1 2,109 2 1,9 1,920 1,8 1,7 1995 2002 2008 Veränderung von 1995 bis 2008: + 18 Prozent Abb. 4: Zahl der Schüler/innen an privaten BBS (in Mio) 0,16 0,154 0,14 0,12 0,1 0,134 0,115 0,08 0,06 0,04 0,02 0 1995 2002 2008 Veränderung von 1995 bis 2008: + 33,4 Prozent 66 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 67 Übersicht neue Bundesländer (Quelle: Statistisches Bundesamt) Abb. 5: Zahl der BBS (staatlich und privat) 2.100 2.087 2.052 2.000 1.900 1.773 1.800 1.700 1.600 1995 2002 2008 Veränderung von 1995 bis 2008: + 15 Prozent Abb.6: Zahl der BBS (staatlich und privat) 700 656 600 500 516 400 300 322 200 100 0 1995 2002 2008 Veränderung von 1995 bis 2008: + 103 Prozent 67 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:32 Uhr Seite 68 Abb. 7: Zahl der Schüler/innen an BBS (staatl. und privat) (in Mio) 0,6 0,590 0,58 0,56 0,54 0,52 0,529 0,525 0,5 0,48 1995 2002 2008 Veränderung von 1995 bis 2008: + 0,7 Prozent Abb. 8: Zahl der Schüler/innen an privaten BBS (in Mio) 0,1 0,08 0,081 0,06 0,063 0,04 0,02 0,027 0 1995 2002 2008 Veränderung von 1995 bis 2008: + 200 Prozent 68 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:33 Uhr Seite 69 Verteilung der Neuzugänge auf die drei Sektoren des beruflichen Ausbildungssystems (Quelle:Autorengruppe Bildungsberichterstattung, Bildung in Deutschland 2008, S.96) Abb. 9: Duales System, Anteil der Neuzugänge in Prozent 52 50 Abb.10: Schulberufssystem, Anteil der Neuzugänge in Prozent 17 16,5 51,2 16,9 16,8 16 48 47,8 15,5 46 15 44 43,5 42 14,5 14,4 14 40 13,5 38 13 1995 2000 2006 1995 2000 2006 Abb. 11: Übergangssystem, Anteil der Neuzugänge in Prozent 40 37,8 35 30 39,7 31,9 25 20 15 10 5 0 1995 2000 2006 69 Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:33 Uhr Seite 70 Ihr Kontakt zur GEW GEW Baden-Württemberg Silcherstraße 7 70176 Stuttgart Telefon: 0711/21030-0 Telefax: 0711/2103045 E-Mail: info@gew-bw.de www.gew-bw.de GEW Bayern Schwanthalerstraße 64 80336 München Telefon: 089/544081-0 Telefax: 089/5389487 E-Mail: info@gew-bayern.de www.gew-bayern.de GEW Berlin Ahornstraße 5 10787 Berlin Telefon: 030/219993-0 Telefax: 030/219993-50 E-Mail: info@gew-berlin.de www.gew-berlin.de GEW Brandenburg Alleestraße 6a 14469 Potsdam Telefon: 0331/27184-0 Telefax: 0331/27184-30 E-Mail: info@gew-brandenburg.de www.gew-brandenburg.de GEW Bremen Löningstraße 35 28195 Bremen Telefon: 0421/33764-0 Telefax: 0421/33764-30 E-Mail: info@gew-hb.de www.gew-bremen.de GEW Hamburg Rothenbaumchaussee 15 20148 Hamburg Telefon: 040/414633-0 Telefax: 040/440877 E-Mail: info@gew-hamburg.de www.gew-hamburg.de GEW Hessen Zimmerweg 12 60325 Frankfurt am Main Telefon: 069/971293-0 Telefax: 069/971293-93 E-Mail: info@gew-hessen.de www.gew-hessen.de GEW MecklenburgVorpommern Lübecker Straße 265a 19059 Schwerin Telefon: 0385/485270 Telefax: 0385/4852724 E-Mail: landesverband@gew-mvp.de www.gew-mv.de GEW Niedersachsen Berliner Allee 16 30175 Hannover Telefon: 0511/33804-0 Telefax: 0511/33804-46 E-Mail: email@gew-nds.de www.gew-nds.de GEW Nordrhein-Westfalen Nünningstraße 11 45141 Essen Telefon: 0201/294030-1 Telefax: 0201/29403-51 E-Mail: info@gew-nrw.de www.gew-nrw.de GEW Rheinland-Pfalz Neubrunnenstraße 8 55116 Mainz Telefon: 06131/28988-0 Telefax: 06131/28988-80 E-Mail: gew@gew-rlp.de www.gew-rlp.de GEW Saarland Mainzer Straße 84 66121 Saarbrücken Telefon: 0681/66830-0 Telefax: 0681/66830-17 E-Mail: info@gew-saarland.de www.gew-saarland.de GEW Sachsen Nonnenstraße 58 04229 Leipzig Telefon: 0341/4947404 Telefax: 0341/4947406 E-Mail: gew-sachsen@t-online.de www.gew-sachsen.de GEW Sachsen-Anhalt Markgrafenstraße 6 39114 Magdeburg Telefon: 0391/73554-0 Telefax: 0391/7313405 E-Mail: info@gew-lsa.de www.gew-lsa.de GEW Schleswig-Holstein Legienstraße 22-24 24103 Kiel Telefon: 0431/5195-1550 Telefax: 0431/5195-1555 E-Mail: info@gew-sh.de www.gew-sh.de GEW Thüringen Heinrich-Mann--Straße 22 99096 Erfurt Telefon: 0361/59095-0 Telefax: 0361/59095-60 E-Mail: info@gew-thueringen.de www.gew-thueringen.de Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hauptvorstand Reifenberger Straße 21 60489 Frankfurt am Main Telefon: 069/78973-0 Telefax: 069/78973-201 E-Mail: info@gew.de www.gew.de GEW-Hauptvorstand Parlamentarisches Verbindungsbüro Berlin Wallstraße 65, 10179 Berlin Telefon: 030/235014-0 Telefax: 030/235014-10 E-Mail: parlamentsbuero@gew.de Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:33 Uhr Seite 71 Antrag auf Mitgliedschaft (Bitte in Druckschrift ausfüllen) Persönliches Online Mitglied werden unter www.gew.de/Mitgliedsantrag.html Berufliches Frau/Herr Nachname (Titel) Berufsbezeichnung für Studierende: Berufsziel Vorname Diensteintritt / Berufsanfang Straße, Nr. Tarif- / Besoldungsgebiet Postleitzahl, Ort Tarif / Besoldungsgruppe Fachgruppe Stufe seit Telefon E-Mail Bruttoeinkommen Euro monatlich (falls nicht öffentlicher Dienst) Geburtsdatum Nationalität Betrieb / Dienststelle / Schule gewünschtes Eintrittsdatum bisher gewerkschaftlich organisiert bei Träger des Betriebs / der Dienststelle / der Schule von/bis (Monat/Jahr) Straße, Nr. des Betriebs / der Dienststelle / der Schule Name/Ort der Bank Postleitzahl,Ort des Betriebs/der Dienststelle / der Schule Kontonummer BLZ Ihr Mitgliedsbeitrag: - - BeamtInnen zahlen 0,75 Prozent der Besoldungsgruppe und -stufe, nach der sie besoldet werden. - Angestellte zahlen 0,7 Prozent der Entgeltgruppe und Stufe, nach der vergütet wird. - Der Mindestbeitrag beträgt immer 0,6 Prozent der untersten Stufe der Entgeltgruppe 1 des TVöD. - Arbeitslose zahlen ein Drittel des Mindestbeitrages. - Studierende zahlen einen Festbetrag von 2,50 Euro. - Mitglieder im Referendariat oder Praktikum zahlen einen Festbetrag von 4 Euro. - Mitglieder im Ruhestand zahlen 0,66 Prozent ihrer Ruhestandsbezüge. Weitere Informationen sind der Beitragsordnung zu entnehmen. Jedes Mitglied der GEW ist verpflichtet, den satzungsgemäßen Beitrag zu entrichten. Der Austritt ist mit einer Frist von drei Monaten schriftlich dem Landesverband zu erklären und nur zum Ende eines Kalendervierteljahres möglich. Mit meiner Unterschrift auf diesemAntrag ermächtige ich die GEW zugleich widerruflich, den von mir zu leistenden Mitgliedsbeitrag vierteljährlich von meinem Konto abzubuchen. Beschäftigungsverhältnis: t Honorarkraft t in Elternzeit t beurlaubt ohne Bezüge t teilzeitbeschäftigt mit t angestellt t beamtet t in Rente / pensioniert t im Studium t Altersteilzeit Ort, Datum t befristet bis t teilzeitbeschäftigt mit Std. / Woche Prozent t Referendariat / Berufspraktikum t arbeitslos t Sonstiges Unterschrift wird von der GEW ausgefüllt GEW-KV/-OV Dienststelle Tarifbereich Beschäftigungsverhältnis Bitte senden Sie den ausgefüllten Antrag an den für Sie zuständigen Landesverband der GEW bzw. an den Hauptvorstand. ¢ Vielen Dank! Ihre GEW Fachgruppe Kassiererstelle MItgliedsbeitrag Euro Startmonat Die uns von Ihnen angegebenen personenbezogenen Daten sind nur zur Erfüllung unserer satzungsgemäßen Aufgaben auf Datenträgern gespeichert und entsprechend den Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes geschützt. Priva-11_neu:Layout 1 17.08.2010 15:33 Uhr Seite 72 Fachgruppe Nach § 11 der GEW-Satzung bestehen folgende Fachgruppen: - Erwachsenenbildung - Gesamtschulen - Gewerbliche Schulen - Grundschulen - Gymnasien - Hauptschulen - Hochschule und Forschung - Kaufmännische Schulen - Realschulen - Schulaufsicht und Schulverwaltung - Sonderschulen - Sozialpädagogische Berufe Bitte ordnen Sie sich einer dieser Fachgruppen zu. Betrieb/Dienststelle Hierunter versteht die GEW den jeweiligen Arbeitsplatz des Mitglieds. Im Hochschulbereich bitte den Namen der Hochschule/der Forschungseinrichtung und die Bezeichnung des Fachbereichs/Fachs angeben. Berufsbezeichnung Geben Sie hier bitte Ihren Beruf oder Ihre Tätigkeit an, eingetragen werden sollen auch Arbeitslosigkeit oder Ruhestand. Tarifgruppe/Besoldungsgruppe Die Angaben Ihrer Vergütungs- oder Besoldungsgruppe ermöglicht die korrekte Berechnung des satzungsgemäßen Beitrags. Sollten Sie keine Besoldung oder keine Vergütung nach TVöD/TV-L oder BAT erhalten, bitten wir Sie um die Angabe Ihres Bruttoeinkommens.