Frauen in der GEW

Eine Schule für Mädchen
und Jungen
Praxishilfe mit Unterrichtsentwürfen für eine
geschlechtergerechte Bildung

Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft

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Gestaltung und Satz: Jana Roth
Fotos: David Ausserhofer (Titel, S. 31, S. 33, S. 41, S. 43, S. 47, S. 51), Nico Schmidt (S. 49)
Druck: apm
März 2007
ISBN 978-3-939470-10-6
GEW-Shop – Artikel-Nr.: 1199
Die Broschüre erhalten Sie im GEW-Shop (www.gew-shop.de, E-Mail: gew-shop@callagift.de,
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Eine Schule für Mädchen und Jungen
Praxishilfe mit Unterrichtsentwürfen für eine
geschlechtergerechte Bildung

Studie im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung
erstellt von Prof. Dr. Friederike Heinzel, Rabea Henze
und Sabine Klomfaß an der Universität Kassel

Inhalt
Vorwort
1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung

7
8

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Von Schulleistung und Berufschancen
Schulleistung und Geschlecht
PISA (Programme for International Student Assessment)
IGLU (Internationale Grundschulleseuntersuchung)
Koedukation in Deutschland – geschlechtergerecht?
Die Weiterentwicklung: Reflexive Koedukation
„Männer sind anders, Frauen auch“ (John Gray) – Die differenzfeministische Sichtweise
„Man wird nicht als Frau geboren, zur Frau wird man gemacht“ (Simone de Beauvoir)
– Die konstruktivistische Sichtweise
q Doing Gender – Doing Student
q Geschlechtergerechte Bildung anbahnen

2. Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung

20

q A) An der eigenen Lehrer/innenrolle arbeiten
q B) Den Unterricht geschlechtergerecht gestalten
q C) Die Schule als demokratische Institution weiterentwickeln
3. Aus der Praxis ... in die Praxis!
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Quiz: Was kann ein Junge nicht? Was kann ein Mädchen nicht?
Barbie, Ken und der Versandhaus-Katalog
Grundrechte: Mädchen und Jungen sind gleichberechtigt
Väterabend: „Was erlebe ich mit meinen Kindern?“
Die Rolle des ‚Lehr-Körpers’ in der Sexualerziehung
Die 24-Stunden-Uhr
Freiarbeit im Mathematikunterricht
Mädchen und Jungen lesen anders und anderes
Kinderalltag in Deutschland – heute und früher
Berufswahlorientierung: Elternarbeit – Konzept einer Seminarreihe
Das Rollenbild in der Schöpfungsgeschichte
Schulprogramm Stieghorst

4. Ergebnisse und Perspektiven
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29

54

Koedukationsdebatte mit umgekehrten Vorzeichen?
Ausbildung und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern
Der Ãœbergang von der Schule in die Arbeitswelt
Mit zeitgemäßer Bildung Schule verändern!

Literatur
Lesetip

59
63

5

6

Liebe Leserinnen und Leser,

Kinder und Jugendliche brauchen eine geschlechtergerechte Schule, damit
sie sich als Individuen entfalten können und nicht als das typische Mädchen,
der typische Junge gesehen werden. Wie das abstrakte Ziel der Geschlechtergerechtigkeit mit Leben gefüllt werden kann und was das Rollenverständnis
von Lehrerinnen und Lehrern damit zu tun hat, waren die Ausgangsfragen
für diese Broschüre, die sich als Praxishilfe für den Schulalltag versteht.
Wir wollen Sie/Dich anregen, an der einen oder anderen Stelle den eigenen
Unterricht zu reflektieren und den Blick zu öffnen für die Geschlechterverhältnisse in der Schule. Wir möchten Sie/Dich auch ermutigen, etwas Neues auszuprobieren. Dazu bieten wir in dieser Broschüre vier Wege an:
Das Kapitel 1 „Jungen und Mädchen in der Schule – eine kleine Einführung“ ist eine Einschätzung von Ergebnissen aus der schulischen Geschlechterforschung. Das Kapitel 2 „Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung“ ist eine Anregung in Frageform, sich mit der eigenen professionellen
Haltung, der Unterrichtsgestaltung und der Schule als Institution auseinander zu setzen. In Kapitel 3 „Aus der Praxis … in die Praxis“ wird bereits erprobte Praxis zur geschlechtergerechten Bildung beschrieben. In Kapitel 4
„Ergebnisse und Perspektiven“ erfolgt eine bildungspolitische Verortung des
Anliegens der geschlechtergerechten Bildung. Ein ausführliches Literaturverzeichnis und Lesetipps der Redaktion geben weitere Anregungen.
An Sie/Euch, die Leserinnen und Leser dieser Praxishilfe habe ich die Bitte,
uns über die Erfahrungen mit Aktivitäten zur geschlechtergerechten Bildung
im Unterricht und an der Schule zu informieren. Wir freuen uns über Rückmeldungen an: sekretariat.frauenpolitik@gew.de.
Anne Jenter
Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands der GEW

7

1.

Jungen und Mädchen in der Schule –
Eine kleine Einführung

Nicht erst seit den internationalen
Schulleistungsvergleichsstudien PISA, IGLU
u.a. wissen wir, dass die Leistungen von
Schülerinnen und Schülern geschlechterspezifisch variieren. Meist wird salopp gesagt,
dass Mädchen im sprachlichen, Jungen dafür
im physikalisch-technischen Bereich
bessere Leistungen erzielen.
Diese Feststellung ist zwar eindrucksvoll, aber
sie hilft nicht, zu verstehen, wodurch die geschlechterspezifischen Leistungsdifferenzen
entstehen und wie man ihnen begegnen kann.
Man muss sich aber über die Gründe im Klaren sein, wenn man ernsthaft daran interessiert
ist, für Jungen und Mädchen eine geschlechtergerechte Bildung zu gestalten. Geschlechtergerecht
– das heißt zunächst, dass Jungen und Mädchen gemäß ihrer Population mit vergleichbaren Leistungen in den Bildungsinstitutionen
vertreten sein sollten. Die Ansprüche einer geschlechtergerechten Bildung sind jedoch wesentlich umfassender: Sie zielen auf die Befähigung zur Selbstbestimmung in sozialer Verantwortung, aber auch auf das Recht, sich frei
entfalten und nach eigenen Vorstellungen
glücklich werden zu können. Dazu gehört
selbstverständlich auch, dass niemand aufgrund des Geschlechts benachteiligt, also in
seinen Rechten eingeschränkt werden darf.
Eine geschlechtergerechte Bildung verfolgt daher zwei grundsätzliche Anliegen: Auf der
einen Seite formuliert sie ein Erziehungsund Bildungsprogramm, das auf die individuelle Förderung und Persönlichkeitsstärkung der einzelnen Jungen und Mädchen
zielt. Auf der anderen Seite nimmt sie politisch institutionelle Rahmenbedingungen

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in den Blick. Die geschlechtergerechte Bildung setzt somit ein Bewusstsein für Geschlechterfragen (im Sinne von „geschlechterbewusster“ oder „geschlechtersensibler“
Pädagogik) notwendig voraus.

Von Schulleistung und Berufschancen
Oft sind geschlechterbedingte Einschränkungen im Bildungsbereich auf den ersten Blick
nicht zu sehen. Trotzdem hat der GEW-Gender-Report (2004, S. 4) geschlechtstypische Bildungsverläufe in allen Bildungsbereichen festgestellt. Wenn diese Typik dann mit geschlechtsspezifischen Einschränkungen verbunden ist, spricht man von ‚unsichtbaren
Hürden’, die erst auf den zweiten Blick erkennen lassen, dass die Chancen nicht geschlechterparitätisch vergeben sind. Die Verteilung
von Bildungsabschlüssen und Führungspositionen macht solche Ungleichgewichte besonders deutlich: Seit 1992 schließen mehr
Mädchen als Jungen ihre Schulbildung mit einem Abitur ab. An den Realschulen herrscht in
etwa Geschlechterparität, während an den
Hauptschulen die Jungen überwiegen. Überrepräsentiert sind sie an den Förderschulen: Hier
halten die Jungen einen Anteil von über
60 Prozent. Während des Studiums hingegen
scheint Geschlechtergerechtigkeit zunächst erreicht: Es gab im Jahr 2004 fast so viele Hochschulabsolventinnen wie -absolventen, allerdings verändert sich das Geschlechterverhältnis
an den Hochschulen anschließend (bei den
Promotionen und Habilitationen) stark zu
Gunsten der Männer.
Ein differenzierterer Blick auf die Studierenden
zeigt darüber hinaus, dass es im Hochschulbereich nach wie vor deutliche Geschlechter-

Bei den Berufswahlen offenbaren sich noch
deutlicher geschlechterspezifische Unterschiede: So stellten die Männer im Jahr 2005 über
95 Prozent der Ausbildungsanfänger in den
Metall- und Elektroberufen. Auch in den Bauund Verkehrsberufen liegt der Anteil der Männer bei mehr als 90 Prozent. Überproportional
viele Frauen in Verwaltungs- und Büroberufen
(72,7 Prozent), Körperpflege-, Hauswirtschaftsund Reinigungsberufen (79,3 Prozent) sowie
bekanntermaßen im Dienstleistungssektor (vgl.
Berufsbildungsbericht 2006, S. 56f.).
Der Blick auf unser Handlungsfeld Schule
zeigt, dass es seit einiger Zeit mehr Lehrerinnen als Lehrer gibt: Rechnet man alle Vollzeit-,
Teilzeit- und Stundenkräfte zusammen, beträgt
der Frauenanteil 67 Prozent, der aber aufgeschlüsselt nach Schularten stark differiert (vgl.
Tabelle).
Nur bei den Abendrealschulen und -gymnasien finden sich mehr Männer als Frauen. Bei
den Gymnasien ist das Geschlechterverhältnis
der Lehrkräfte in etwa gleich. Besonders hoch
ist der Frauenanteil in den Förderschulen (drei
Viertel) und in den Grundschulen (mehr als
vier Fünftel).

Frauenanteil der Lehrkräfte an
allgemeinbildenden Schulen in Prozent
Grundschulen

85

Schulartunabhängige
Orientierungsstufe

77

Hauptschulen

57

Realschulen

62

Gymnasien

52

Integrierte Gesamtschulen

59

Freie Waldorfschulen

59

Sonderschulen/Förderschulen

75

Abendhauptschulen

58

Abendrealschulen

43

Abendgymnasien

47

Kollegs

55

Insgesamt

67

Quelle: Statistisches Bundesamt: Allgemeinbildende Schulen – Schuljahr 2004/05
(Fachserie 11 Reihe 1 – 2004/05. Im Internet unter: http://www-ec.destatis.de). Eigene Berechnungen, Zahlen gerundet

Diese Daten aus den Schul-, Hochschul- und
Berufsfeldern weisen darauf hin, dass die alte
Rechnung „bessere Bildungsabschlüsse gleich
bessere berufliche Chancen“ seit einiger Zeit
für Jungen und Mädchen nicht in derselben
Weise stimmt. Wenn man nämlich das Geschlecht berücksichtigt, zeigt sich ein differenzierteres Bild bei den Schulabschlüssen und
mit umgekehrtem Vorzeichen bei den Berufsund Studienwahlen: Statistisch gesehen haben
Mädchen Vorteile in den Schulen und Nachteile in der Berufswelt, während es sich für die
Jungen anders herum darstellt. Zwischen Schule und Beruf tritt so ein Bruch auf, der offensichtlich etwas damit zu tun hat, wie die Jugendlichen ihre persönliche Lebensplanung

1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung
1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung

unterschiede bei den Studienfachwahlen gibt:
Die Studentinnen dominieren mit über 70 Prozent die Sprach- und Kulturwissenschaften sowie mit mehr als 60 Prozent die Bereiche Kunst
und Medizin, während die Studenten in den
Ingenieurwissenschaften mit knapp 80 Prozent
sowie in Mathematik und den Naturwissenschaften mit über 62 Prozent vorherrschen
(vgl. GEW-Gender-Report 2004, S. 9).

9

mit der Ãœbernahme geschlechtsspezifischer
Rollenerwartungen vereinbaren (vgl. Crotti
2006). Ein Blick in die 15. Shell Jugendstudie
zeigt, dass sich dabei die jungen Frauen mehr
Spielraum für die Vereinbarung von Karriere
und Familie wünschen und eine traditionelle
Hausfrauenrolle zunehmend ablehnen. Die
jungen Männer allerdings befürworten „nach
wie vor insbesondere bei der Kindererziehung
die traditionelle Arbeitsteilung der Geschlechter“ (Albert et al. 2006, S. 37), was darauf zurückgeführt wird, dass „die ehrgeizige Generation junger Frauen von einem Teil der jungen
Männer als ernsthafte Gefährdung ihres Erfolgs auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen“
(ebd.) wird. Diese Abwehrstrategie der jungen
Männer in Bezug auf neue Rollenerwartungen
werde verstärkt durch tradierte Männerbilder,
die es den Jungen weitgehend verbieten, ihre
Ängste oder Unsicherheit auszudrücken.
Die viel zitierten internationalen Schulleistungsvergleichsstudien der letzten Jahre erbrachten darüber hinaus einen alarmierenden
Befund: In Deutschland haben TIMSS, PISA
und IGLU den allgemeinbildenden Schulen
bescheinigt, dass sie Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen eher verstärken
statt abzubauen.
So ist als erstes festzuhalten: Geschlechterspezifische Schulleistungsunterschiede sowie die Frage nach den beruflichen Chancen und der individuellen Lebensplanung
von Schülerinnen und Schülern machen es
notwendig, die inhaltliche und organisatorische Gestaltung von Unterricht und
Schule sowie die Aus- und Weiterbildung
der Lehrerinnen und Lehrer mit dem Ziel
einer geschlechtergerechten Schule weiterzuentwickeln.

10

Schulleistung und Geschlecht
Warum ist es eigentlich so schwierig, eine Schule zu gestalten, in der Jungen und Mädchen
vergleichbar gute Leistungen erreichen? Um zu
verstehen, welche verzwickte Rolle das Geschlecht für die schulischen Leistungen spielt,
müssen wir uns zunächst ansehen, wie das Lernen als Grundlage für Schulleistung überhaupt
funktioniert: In der pädagogischen Lehr-/Lernforschung gilt dabei die grundsätzliche Annahme, dass Wissen nicht übertragen und schon
gar nicht eingetrichtert werden kann, sondern
von den Lernenden immer selbst geschaffen
werden muss. Lernprozesse sind abhängig von
vielen Faktoren: Lernabsichten, Selbstwirksamkeit, Arbeitsgewohnheiten, Aufmerksamkeit,
Anstrengung, Handlungsstrategien, Vorwissen,
Selbstkontrollfähigkeiten, Familie, Freundeskreis etc. (vgl. Helmke/Weinert 1997, S. 105).
Ähnlich wie der eigene Name gehört das Geschlecht dabei zu den Dingen, die für den Lernenden immer anwesend, d.h. „omnipräsent“
sind. Kreienbaum und Urbaniak beschreiben
diese Omnipräsenz des eigenen Geschlechts
sehr anschaulich als eine Art „Hut“, der aufgesetzt und vorgezeigt wird (Kreienbaum/Urbaniak 2006, S. 48): Egal, was man macht – man
tut es immer entweder als Junge oder Mädchen, Mann oder Frau. Die Wahrnehmung der
Menschen in der Gesellschaft ist also generell
geschlechtlich gefärbt.
Durch diese Omnipräsenz mischt sich die Geschlechterkategorie in vielfacher Weise unter die
Determinanten, die das Lernen beeinflussen:

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Die von den Eltern tradierten Vorstellungen prägen die Werte und Normen der Kinder
in der Regel sehr stark und legen früh fest, was
für Mädchen und Jungen wünschenswert ist.

dabei vielfältig und teilweise auch sehr umstritten.
Grundsätzlich können alle diese Studien
aber auf zwei unterschiedliche Erklärungsansätze zurückgeführt werden:

q

Der biologische Ansatz
Die Ursachen für die geschlechterspezifischen Leistungen werden in biologischen
Unterschieden gesucht, vor allem in der
Funktionsweise des Gehirns oder dem Einfluss von Geschlechtshormonen. Beispielsweise wurde lange Zeit angenommen, dass
Jungen ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen entwickeln könnten als
Mädchen, was auf genetische Unterschiede
zurückgeführt wurde. Dieser Erklärungsansatz konnte empirisch allerdings bislang
nicht belegt werden (vgl. Friedmann 1995).

So unterschiedlich, wie die Erfahrungen mit der
eigenen Geschlechtlichkeit und der damit verbundenen Sozialisation sind, so verschieden
wird davon auch das Lernen beeinflusst. Allerdings prägen sich schon früh bestimmte geschlechtsspezifische Muster aus. Aus dem
Unterricht in den Grundschulen wissen wir beispielsweise, dass die Kinder sich sehr oft vom
anderen Geschlecht abgrenzen möchten (vgl.
Heinzel/Prengel 2001, S. 149). Mit zahlreichen
Studien wurde versucht, die Relevanz des Geschlechts für die Schulleistung genauer zu bestimmen. (Übersichten über die wichtigsten
Studien geben u.a. Kreienbaum/Urbaniak
2006.) Die Forschungsfragen und Befunde sind

Der sozialisationstheoretische Ansatz
In dieser Theorie werden Geschlechterunterschiede auf unterschiedliche Rollenerwartungen an Mädchen und Jungen im
Verlauf ihrer Sozialisation zurückgeführt.
Zum Beispiel wurde die These aufgestellt,
dass zwischen den Schulleistungen der Jungen und dem Anteil der männlichen
Grundschullehrer sowie der Arbeitslosenquote in den Bundesländern eine Abhängigkeit bestehe (vgl. Diefenbach/Klein
2002): Da den Jungen in den Schulen die
männlichen Vorbilder und Bezugspersonen fehlten, würden sie öfter als faul oder
störend wahrgenommen und in Folge dessen eine Tendenz zum Schulversagen entwickeln, was wiederum den Bezug zur Arbeitslosenquote erklären soll. Indessen sind
die Ergebnisse dieser Studie nach wissenschaftlichen Standards fraglich, da nicht die

q

Aus der psychologischen Schulforschung
ist auch bekannt, welche wichtige Rolle die
Lehrperson als Frau oder Mann für die Schülerinnen und Schüler spielt (vgl. Roth 2004, S.
501). Die Lehrerinnen und Lehrer brauchen einen Zugang, der den einzelnen Schüler und
die einzelne Schülerin sieht und wertschätzt,
so dass ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann.

Wenn das Interesse eines Kindes schon
früh für ein bestimmtes Thema geweckt wurde,
kann es später an mehr Vorwissen anknüpfen
und so leichter lernen. Die frühesten Lernerfahrungen sind aber oft schon geschlechterspezifisch geprägt, z.B. durch das Spielzeug.

1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung

Auch die Freunde und Freundinnen werden
mit zunehmender Bewusstheit des eigenen Geschlechts geschlechtsspezifisch stereotypisiert:
Malen gilt schnell mal als ‚Mädchenkram’ und
Experimentieren ist ‚Jungensache’. Wen wundert es dann, dass sich diese geschlechterstereotype Einteilung der Welt in den Unterrichtsfächern wiederfindet?

11

Entwicklung der Kinder und Jugendlichen
über einen längeren Zeitraum qualitativ
untersucht, sondern nur quantitativ verschiedene Durchschnittswerte miteinander
verglichen wurden.

Diese Beispiele für jeweils eine biologisch- und
eine soziologisch-orientierte Studie zeigen vor
allem eines: Einfache Antworten und einseitige
Schlussfolgerungen scheinen nicht angemessen
erklären zu können, wie es zu den geschlechtsspezifischen Leistungsunterschieden kommt
(vgl. Helmke/Weinert 1997, S. 105). Das Geschlecht kann weder als eine angeborene und
daher unwandelbare Eigenschaft des Lernenden noch als rein gesellschaftliches Konstrukt
verstanden werden, sondern man braucht eine
differenziertere Betrachtungsweise. Besonders
vielversprechend könnte somit ein Erklärungsmodell sein, das sowohl biologische als auch
sozialisationstheoretische Faktoren berücksichtigt. Die Leistungsvergleichsstudie PISA geht
von einem solchen Modell aus. Im Folgenden
wird dieser Ansatz und seine Ergebnisse insbesondere hinsichtlich der Lesekompetenz der
15-jährigen deutschen Schülerinnen und Schüler vorgestellt.

PISA (Programme for International
Student Assessment)
Die PISA-Autorinnen Stanat und Kunter gehen davon aus, dass „Geschlechterunterschiede
in kognitiven Leistungen sowohl durch biologische Faktoren als auch durch Umwelteinflüsse“ (Stanat/Kunter 2003, S. 218) zustande
kommen. Bei den biologischen Unterschieden
der kognitiven Leistungsfähigkeit von Jungen
und Mädchen handele es sich um bestimmte

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Neigungen oder Tendenzen, die z.B. auf hormonelle Prädispositionen zurückgeführt werden könnten. Da diese Unterschiede sehr gering seien, könnten sie durch entsprechende
Übungen leicht ausgeglichen werden. Laut Stanat und Kunter besteht allerdings in der Umwelt „eher eine Tendenz, die biologisch verankerten Lernneigungen von Mädchen und Jungen zu verstärken“ (ebd.), indem entsprechende Erwartungen ausgebildet werden, die die
Lernerfahrungen geschlechtsspezifisch prägen:
Hat z.B. ein Mädchen Probleme mit ihren Mathematikaufgaben, wird dies immer noch viel
zu oft auf ihr Geschlecht geschoben, anstatt zu
überlegen, wie dieses Mädchen beim Lernen
unterstützt werden könnte.
Stichwort: Lesekompetenz
PISA 2000 hat gezeigt, dass nicht nur in
Deutschland, sondern in allen Teilnehmerstaaten die Mädchen über eine durchschnittlich
größere Lesekompetenz verfügen als die Jungen. Vor allem das Analysieren literarischer
Texte macht vielen Jungen Probleme, während
die Leistungsunterschiede im Bereich der Sachtexte nicht so groß sind. Auch das Interesse am
Lesen variiert enorm: In Deutschland berichteten über die Hälfte aller Jungen, aber nur gut
ein Viertel der Mädchen, dass sie ungern freiwillig lesen würden. Jungen sind also viel weniger zum Lesen motiviert als Mädchen. Die
Motivation scheint allerdings sehr entscheidend für die Lesekompetenz zu sein, denn die
PISA-Daten zeigen auch, dass die Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen
vor allem bei Sachtexten verschwinden, wenn
man Schüler und Schülerinnen mit ähnlich
ausgeprägtem Leseinteresse vergleicht.
Außerdem betonen Stanat und Kunter, dass
der Ãœberlappungsbereich (d.h. die Streuung)

Die PISA-Autorinnen führen die unterschiedlichen Muster in der Bildungsbeteiligung von
Jungen und Mädchen auch auf die durchschnittlichen Leistungsvorteile der Mädchen
im sprachlichen Bereich zurück, denn die Lesekompetenz scheint eine besondere Bedeutung
für die Zuweisung zu den weiterführenden
Schulen zu haben. Damit schließt ihre Interpretation an eine Studie von Lehmann, Peek
und Gänsfuß (1997) an, die beobachteten, dass
die Deutschnote für die Gymnasialempfehlung
ausschlaggebender ist als z.B. die Mathematiknote. Auch die Zuweisung auf Förderschulen
werde oft mit besonderen Problemen im Leseund Rechtschreibbereich begründet (vgl. Brügelmann 1994). Hinzu kommt das Ergebnis
von PISA, dass nur ein Viertel der 15-jährigen,
deren Lesekompetenz unterhalb des Niveaus
der ersten Kompetenzstufe gemessen wurde, in
Deutschland ihre Schullaufbahn ohne Verzögerungen durchlaufen. Für diejenigen, die diese Lesekompetenzstufe erreichen, ist die Chance auf ein Absolvieren ohne Zurückstellung
und ohne Sitzenbleiben doppelt so groß. (Artelt u.a. 2001, S. 118f.)
Da vor allem die Jungen die erste PISA-Lesekompetenzstufe nicht erreichen, sind sie beim
Sitzenbleiben folglich besonders stark betroffen.

Stichwort: Mathematische Kompetenz
PISA 2003 (Prenzel et al. 2005) hat schwerpunktmäßig die mathematische Kompetenz
der Jungen und Mädchen untersucht. Dabei
haben sich die erwarteten Geschlechterunterschiede im Großen und Ganzen bestätigt, allerdings sind die Differenzen nicht so gravierend
wie bei der Lesekompetenz. Auch hat sich erneut gezeigt, dass das Selbstkonzept der Mädchen in Bezug auf die Einschätzung ihrer eigenen Leistungen nicht so stark ausgeprägt ist wie
bei den Jungen. Das heißt, dass die Mädchen
in den Naturwissenschaften und Mathematik
ihre eigenen Leistungen viel niedriger einschätzen als die Jungen, selbst wenn die getesteten
Leistungen gleichgut oder sogar besser waren
(vgl. Tiedemann/Faber 1995). Diese Befunde
sehen bei Schülerinnen und Schülern am Ende
der Grundschulzeit noch anders aus – das hat
die internationale Grundschulleseuntersuchung IGLU belegt.

IGLU (Internationale Grundschulleseuntersuchung)

1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung

bei den PISA-Tests sehr groß war: Kurz gesagt
bedeutet das, dass mehr Gemeinsamkeiten als
Unterschiede zwischen den Schulleistungen
der Jungen und Mädchen in den gemessenen
Kompetenzbereichen bestehen. Also scheint es
auch aussichtsreich, durch gezielte Förderung
einen entsprechenden Abbau der Leistungsunterschiede zu erreichen.

Zwar ist die Freude an Mathematik in der vierten Klasse bei den Jungen größer als bei den
Mädchen, aber das Selbstkonzept unterscheidet sich nicht signifikant. Jungen und Mädchen vertrauen gleichermaßen gut auf ihre eigenen mathematischen Fähigkeiten, was für
den tatsächlichen Lernerfolg ein wichtiger Faktor ist. Auch im Sachunterricht zeigen sich
nach IGLU keine signifikanten geschlechtsspezifischen Motivationsunterschiede, allerdings
sind die gemessenen Testleistungen der Jungen
in beiden Bereichen etwas besser als bei den
Mädchen.

13

Besonders interessant sind die Leseergebnisse:
Wie erwartet liegen hier die Mädchen bei den
Leistungen vorn und ein größerer Anteil verfügt auch über ein positives Selbstkonzept.
Aber der internationale Vergleich zeigt, dass in
Deutschland die Differenz zwischen den ungefähr zehnjährigen Jungen und Mädchen beim
Lesen viel geringer ausgeprägt ist als in den
meisten anderen untersuchten Ländern. Bei
den von PISA getesteten etwa fünf Jahre älteren Jungen und Mädchen hingegen ist der geschlechtsspezifische Unterschied im Lesen
deutlich größer als im internationalen Durchschnitt.
Die IGLU-Forschergruppe berichtet ferner von
geschlechtsspezifisch variierenden Wahrnehmungen und Einschätzungen des Grundschulalltags aus Sicht der Kinder: Jungen fühlen
sich in der Schule durchschnittlich weniger
wohl als Mädchen und erfahren häufiger Gewalt. Sie langweilen sich auch mehr und
schweifen nach eigenen Angaben mit den Gedanken öfter ab. Dem entgegen ist das schulische Engagement von Mädchen höher und sie
scheinen sich besser konzentrieren zu können.
Mädchen lesen bereits in der Grundschule öfter in Büchern, während Jungen lieber fernsehen, ein Video schauen oder den Computer
nutzen (vgl. Valtin et al. S. 232). Die Eltern beschreiben im Ãœbrigen das Lernverhalten ihrer
Töchter durchschnittlich positiver als das ihrer
Söhne. (vgl. ebd.)
Wo genau die Ursachen für diese Unterschiede
liegen, kann die IGLU-Forschergruppe nicht
beantworten, da nur ein Querschnitt untersucht, aber keine Kausalzusammenhänge erforscht wurden. Deshalb drängen die Ergebnisse von IGLU und auch PISA die Frage auf,
warum in den Schulen nach wie vor so vielfäl-

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tige und teilweise sehr große geschlechterspezifische Verschiedenheiten be- oder entstehen.
Eine fundierte wissenschaftliche Antwort steht
noch weitgehend aus. Handlungsmöglichkeiten hingegen werden breit diskutiert: Sollen
mehr Männer als Lehrkräfte in die Grundschulen? Können spezielle Trainings das Selbstkonzept der Mädchen steigern? Müssen die Literaturvorlieben von Jungen stärker berücksichtigt
werden? Brauchen Mädchen spezielle Förderung im naturwissenschaftlichen Bereich, insbesondere in Physik? Diese Vorschläge sind
letztlich alle nicht neu: Seit der Einführung der
Koedukation in Deutschland wird kontrovers
darüber diskutiert, wie Jungen und Mädchen
unterrichtet werden sollten, ohne sie aufgrund
ihres Geschlechts zu benachteiligen.

Koedukation in Deutschland –
geschlechtergerecht?
In der Deutschen Demokratischen Republik
war die Koedukation schon früh Standard, da
sie mit dem Aufbau des sozialistischen Schulsystems eingeführt wurde (vgl. Hempel 1994).
In den alten Ländern der Bundesrepublik
Deutschland wurden Mädchen und Jungen erst
seit den 1960er Jahren flächendeckend bis zum
Schulabschluss zusammen unterrichtet – vor
allem auf ökonomische Gründe (vgl. Picht
1964) und einen stärkeren Demokratisierungswillens (vgl. Dahrendorf 1968) zurückzuführen
ist. Dies bedeutete zunächst einen erheblichen
Fortschritt für die Mädchen in beiden deutschen Staaten, waren doch die Mädchenschulen traditionell schlechter angesehen als die
Jungenschulen, da sie meist weniger qualifizierend ausgerichtet waren. In den 1980er Jahren
bildete sich jedoch ausgerechnet von Seiten der
zeitgenössischen Frauenbewegung in West-

Was war passiert? Verschiedene Studien hatten
herausgefunden, dass es trotz scheinbarer
Gleichberechtigung der Geschlechter in koedukativen Schulen einen „heimlichen Lehrplan“
gab, der zur Benachteiligung der Mädchen
führte. Genannt sei hier z.B. Marianne Horstkempers Längsschnittbefragung zum Selbstvertrauen von Jungen und Mädchen während der
Schulzeit (Horstkemper 1987), bei der sie feststellte, dass trotz besserer schulischer Leistungen das Selbstbewusstsein der Mädchen niedriger war, sogar während der Schulkarriere noch
abnahm. Im mathematischen Bereich wurden
diese Ergebnisse mehrfach bestätigt (u.a. auch
durch TIMSS, vgl. Baumert 2000, S. 83 ff.;
Stürzer 2003, S. 114 f. mit einer Übersicht über
verschiedene Studien). Dazu kamen Befunde
von nationalen und internationalen Studien
(z.B. Spender 1985), die belegten, dass Jungen
im Schnitt doppelt so viel Aufmerksamkeit der
Lehrkraft zuteil wurde wie Mädchen. Obwohl
diese im Allgemeinen die besseren Schulleistungen als Jungen aufwiesen, weniger sitzenblieben und seit Ende der 1980er Jahre die
Hälfte der Absolventinnen höherer Schulen
stellten, führte ihr Schulerfolg weder zu dem
entsprechenden Erfolg im Beruf, noch zu besserem Selbstwertgefühl (Horstkemper 1987).
Diese Ergebnisse brachten die Einsicht, dass
mit der Koedukation eben nicht sofort die
Gleichberechtigung von Schülerinnen und
Schülern erreicht werden konnte. Aus der Argumentation, dass gemischte Schulen sich
nach wie vor an ‚männlichen’ Normen orientierten und damit die Bedürfnisse der Mäd-

chen ignorierten, ergab sich für einige daher
die erneute Forderung nach getrennten Schulen.
Auch wenn für einzelne ausschließlich
monoedukativer Unterricht bis heute
attraktiv erscheint, bleibt die pädagogische
Aufgabe unbestritten, das Schulsystem
prinzipiell koedukativ zu gestalten: Das
Miteinander von Jungen und Mädchen in
der Schule (das auch von ihnen selbst vornehmlich gewünscht wird, vgl. FaulstichWieland/Horstkemper 1995) soll auf ein
gleichberechtigtes Zusammenleben von
Männern und Frauen in der Gesellschaft
vorbereiten.

Die Weiterentwicklung: Reflexive
Koedukation
Hannelore Faulstich-Wieland schlug 1991 ein
Konzept vor, das sie reflexive Koedukation
nennt: „Reflektiert werden müssen das Geschlechterverhältnis und seine Konstitutionsbedingungen, und zwar sowohl in getrennten
Gruppen wie im gemeinsamen Unterricht.“
(Faulstich-Wieland 1991, S. 165). Die in der reflexiven Koedukation vorgesehenen „positiven
Strategien zur Änderung des Geschlechterverhältnisses in der Schule“ (ebd. S. 168) beinhalten Modifizierungen auf verschiedenen Ebenen: Nicht nur im curricularen Bereich und bei
der Bildung von Lerngruppen, sondern gerade
auch in der Lehrer/innenaus- und -fortbildung:
Das eigene Bild von Weiblichkeit und Männlichkeit wird reflektiert, um sensibel für geschlechtsspezifische Unterschiede und deren
Ursachen, Bedeutungen und Konsequenzen
zu werden.

1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung

deutschland zunehmend Kritik am koedukativen Schulsystem heraus: So fragte etwa Ingrid
Strobl (1981) in der EMMA: „Macht Koedukation dumm?“

15

Faulstich-Wieland befürwortet, bestimmte
Unterrichtsinhalte dabei zeitweise in geschlechtergetrennten Gruppen aufzubereiten.
Dies gründet sich auf Erfahrungen, nach denen
getrennter Unterricht durchaus zu guten Resultaten in Bezug auf Leistungen und fachliches
Selbstbewusstsein führen kann, wenn die
Unterrichtsinhalte angepasst werden und auch
im Nachhinein (nach der Wiederzusammenführung der Gruppen) eine angemessene Reflexion stattfindet (vgl. Faulstich-Wieland 1991,
S. 165; auch Nyssen 1996; Kraul/Horstkemper
1999). Die Trennung nach Geschlecht beinhaltet trotzdem paradoxerweise zugleich immer
die Gefahr, bestimmte Rollenerwartungen hervorzurufen und somit auf lange Sicht die Stereotype zu bestätigen, die eigentlich mit der
Maßname verhindert werden sollten.

„Männer sind anders, Frauen auch“
(John Gray) – Die differenzfeministische
Sichtweise
Hinter der Forderung nach Mädchenschulen
stand die Annahme, dass bestehende Unterschiede zwischen Frauen und Männern nicht
an Hierarchien gekoppelt werden dürfen. Gefordert wurde Gleichheit als herzustellender
gesellschaftlicher Zustand mit dem Ziel der
Aufhebung von Geschlechterhierarchie. Auf
der Ebene der Praxis führte die differenztheoretische Sichtweise zu Ansätzen einer kompensatorischen Erziehung. Kompensatorisch bedeutet, dass ein Ausgleich für ein (subjektiv)
wahrgenommenes Defizit angestrebt wurde,
z.B. für „die schüchternen Mädchen“ Selbstbehauptungskurse oder für „die hibbeligen Jungen“ Konzentrationsübungen. Mit einer differenztheoretischen Argumentation wurde die
Bedeutung von Unterschieden bewusst hervor-

16

gehoben; jedoch beschränkt ein solcher Ansatz
die individuellen Bedürfnisse von Frauen und
Männern gleichermaßen, denn er geht davon
aus, dass jeder Mensch zwischen zwei festgelegten Identitäten wählen muss: entweder Frau
oder Mann. Zwar wurde wissenschaftlich nie
belegt, dass vom biologischen Geschlecht auf
typische Verhaltensweisen geschlossen werden
könne, aber trotzdem erfreuen sich bestimmte
differenztheoretische Thesen einer steten Popularität. Dazu gehören auch pseudo-wissenschaftlich ausstaffierte Tiraden über die angebliche Unfähigkeit von Frauen einparken zu
können oder die Inkompetenz der Männer
beim Zuhören.
Um diesem Problem der unterschwelligen Einengung auf spezifische Männer- und Frauenrollen zu begegnen, entwickelte Annedore
Prengel eine produktive Variation der Differenztheorie: Statt nur zwei (meist gegensätzliche) Möglichkeiten zuzulassen, forderte sie einen demokratischen Umgang mit Verschiedenheit („egalitäre Differenz“, Prengel 2006,
1. Aufl. 1993) und konzipierte eine „Pädagogik
der Vielfalt“, bei der das Anders-Sein zu den
Eigenschaften jeder einzelnen Person gehört
und individuell immer etwas anderes bedeutet
kann. Durch diese wahrgenommene Vervielfältigung der Unterschiede wird der Geschlechterunterschied relativiert, da er nur noch einer unter vielen anderen ist.

Berechtigte Zweifel an der „Zweigeschlechtlichkeit der Welt“ (Koch-Priewe 2002, S. 19) führten vor allem in den 1990er Jahren auch zu
konstruktivistisch orientierten Theorieansätzen. Die Fragestellung des Konstruktivismus ist
nicht mehr: Wie soll in der Gesellschaft mit
der Verschiedenheit der Geschlechter umgegangen werden? Sondern eher: Auf welche Art
und Weise wird Geschlecht überhaupt zugewiesen? Einengende Verhaltenszuweisungen
sollten als solche entlarvt und vermieden werden. Dabei wurde zunächst die englische
Unterscheidung von „Sex“ und „Gender“ in
den deutschen Sprachgebrauch übernommen,
um deutlich zu machen, dass das biologische
Geschlecht („Sex“) nicht mit den ihm zugewiesenen sozialen Merkmalen identisch ist.
Ein radikal verstandener Konstruktivismus
lehnt sogar die Vorstellung eines biologischen
Geschlechts überhaupt ab und vertritt die Position, dass jede Form von Geschlecht konstruiert sei, also unter den Begriff „Gender“ gefasst
werden könnte (vgl. Butler 1991). Für konkrete
Situationen innerhalb des Schulkontexts
scheint es jedoch nicht praktikabel, grundsätzlich an der Negierung eines biologischen Geschlechts anzusetzen. Wichtiger erscheint die
Tatsache, dass durch die Betonung von Geschlechterunterschieden diese (z.T. immer
noch hierarchisch konnotierten) Unterschiede
geradezu verfestigt werden können. Betont also beispielsweise eine Lehrerin mit besten Absichten das besonders gute Sozialverhalten der
Mädchen, so wird damit eine ganz bestimmte
Rolle eben der Mädchen bestärkt, die auch

Nachteile für diese Gruppe mit einschließt
(z.B. Mädchen als ‚Sozialschmiere’ in der Klasse). In diesem Fall hat das vermeintlich geschlechtersensible Verhalten eine Verstärkung
von Geschlechterstereotypen zur Folge. Allerdings hat sich schon nach der Einführung der
Koedukation in den 1960er Jahren gezeigt,
dass durch unreflektiertes NebeneinanderUnterrichten keine Geschlechtergerechtigkeit
hergestellt werden kann.
Wichtig bleibt, sich bewusst zu machen,
dass Geschlechterverhalten nicht angeboren und unveränderlich, sondern vom Umfeld der Beteiligten zugewiesen und daher
wandelbar ist.

Doing Gender – Doing Student
Der Begriff „Gender“ ist daher in der Diskussion um geschlechterabhängige Unterschiede
in der Schule sinnvoll. Wie können wir uns
„Gendering“ genauer vorstellen? Hannelore
Faulstich-Wieland zeichnet diesen Vorgang aus
sozialisationstheoretischer Sicht nach (vgl.
Faulstich-Wieland 2003, S. 116-123): Kindern
wird mit der Geburt eines von zwei Geschlechtern zugewiesen, dass schon im Krankenhaus
oft zum Beispiel durch ein rosa oder hellblaues Armband gekennzeichnet wird. Im folgenden Sozialisationsprozess muss sich nun das
Mädchen bzw. der Junge aneignen, was diese
Zuordnung bedeutet. Der Geschlechtszugehörigkeit wird Kontinuität verliehen, indem sich
z.B. der Junge gegenüber anderen wieder als
Junge inszeniert und gleichzeitig seinem
Gegenüber Gleichgeschlechtlichkeit zuschreibt.
Damit hat der Junge nicht einfach ein Geschlecht, sondern er weist es sich und anderen
immer wieder zu. Diese ständige Zuweisung ist

1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung

„Man wird nicht als Frau geboren, zur
Frau wird man gemacht.“
(Simone de Beauvoir) – Die konstruktivistische Sichtweise

17

mit dem „Doing Gender“ gemeint. Junge Kinder sind sich ihrer Geschlechtsidentität oft
noch nicht sehr sicher und versuchen eben deshalb, sich ‚richtig’ zu verhalten, also nur Dinge
zu tun, die dem eigenen Geschlecht zugeschrieben werden. Gerade aus ihrer Geschlechterunsicherheit heraus tun Kinder folglich oft
Dinge, die besonders engen Vorstellungen von
Geschlecht entsprechen und deshalb als Beweis
für ‚natürliche’ Differenz missverstanden werden. Geschlecht wird somit durch Verhaltensweisen dramatisiert.
Gleichzeitig ist der Mensch ja nicht nur weiblich oder männlich; es gibt also nicht nur ein
„Doing Gender“, sondern gleichzeitig auch immer ein „Doing Student“, „Doing Adult“, etc.
Jeder Mensch kann in verschiedenen sozialen
Zusammenhängen gesehen werden (z.B. ethnische Zugehörigkeit, Alter, soziale Lage, usw.).
Die Dramatisierung von Geschlecht kann hinderlich sein, wenn sich beispielsweise ein Schüler im Textilunterricht hauptsächlich als Junge
wahrnimmt (also nicht etwa hauptsächlich als
Schüler im Sinne des „Doing Student“), solange dem Fach Textilgestaltung die Klassifikation
‚weiblich’ anhaftet. Diese Tatsache hat Ursula
Kessels (Kessels 2002) veranlasst zu prüfen, ob
monoedukativer Physikunterricht Mädchen
helfen würde, sich weniger von diesem Fach zu
distanzieren, weil sie „geschlechtsbezogenes
Selbstwissen“ eher in gemischten Gruppen vermutete. In ihrer Studie fand Kessels tatsächlich
heraus, dass getrennte Gruppen sozusagen eine
Entdramatisierung von Geschlecht erleichterten. Sicherlich muss eine solche zeitweise Trennung aber mindestens in eine Nachbereitung
eingebettet werden, um zu vermeiden, dass auf
lange Sicht Stereotypen bestärkt werden – wie
z.B. die Auffassung, die Mädchen würden eine
Art Nachhilfe oder ‚vereinfachten’ Physikunterricht bekommen.

18

Geschlechtergerechte Bildung anbahnen
Fazit ist also: Es gibt nicht „die Mädchen“
und „die Jungen“. Gerade wer daran interessiert ist geschlechterspezifische Ungerechtigkeiten abzubauen, muss sich darum
bemühen, eine „Entdramatisierung“ von
Geschlecht zu erreichen, damit nicht eine
einengende Geschlechterrolle, sondern die
individuelle Person in den Mittelpunkt
rückt. Für die einzelne Lehrperson, aber
auch für das ganze schulische Umfeld heißt
das, dass ein Bewusstsein für Geschlechterfragen geschaffen werden muss, um nicht
ungewollt Rollenklischees zu verstärken.
Damit ist die Reflexion der geschlechterrelevanten Aspekte als Teil von Lehrprofessionalität zu verstehen, die dann im Schulalltag durch entsprechend geschlechtergerechtes Handeln ihre Anwendung finden
kann. Dieser Anspruch an professionelles
Lehrer/innenhandeln richtet sich selbstverständlich gleichermaßen an weibliche und
männliche Lehrkräfte.
Unser Anliegen ist es im Folgenden, mit
dem Fokus auf allgemeinbildende Schulen
zu fragen, wie eine geschlechtergerechte
Bildung realisiert werden kann und welche
verschiedenen Dimensionen dabei zu berücksichtigen sind. An Beispielen aus dem
Schulalltag und der unterrichtlichen Praxis
möchten wir dann zeigen, wie qualitativ
anspruchsvoller Unterricht aussehen kann,
der die Kategorie Geschlecht konzeptionell, curricular und, sofern möglich, unterstützt durch entsprechende Rahmenbedingungen zur Förderung aller Mädchen und
Jungen aufnimmt.
Die geschlechtergerechte Bildung kann nur
dann ein solider Erfolg werden, wenn auch
die nötigen Strukturen in der Schule und

1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung

im weiteren Umfeld vorhanden sind oder
entwickelt werden, was vor allem die Einbindung von Eltern und den Schulverantwortlichen voraussetzt. Daher wird abschließend ein Ausblick gegeben, der diese
Rahmenbedingungen für eine geschlechtergerechte Bildung noch einmal aufnimmt,
Handlungsfelder aufzeigt und Ansprüche
formuliert, um eine geschlechtergerechte
Bildung zu stärken.

19

2.

Zehn Fragen an eine
geschlechtergerechte Bildung

Es ist eine große Herausforderung, die
komplexen Erkenntnisse der Geschlechterforschung, die Entwicklung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen
sowie Werte und Ziele für die schulische
Praxis zu ‚übersetzen’.
Manchmal scheint es fast so, als gäbe es überhaupt kein richtiges Tun, da letztlich jede Haltung oder Handlung zu einer Verstärkung der
Geschlechterstereotype führen kann. Die
Schwierigkeit besteht ferner darin, dass sich die
Ziele, um die es in einer geschlechtergerechten
Bildung geht, nicht durch ‚Rezepte’ vermitteln
lassen. Um Demokratie zu leben, Gleichberechtigung zu realisieren und plurale Lebensentwürfe zu unterstützen, braucht die Schule
mehr als ein optimales Verhältnis von monound koedukativem Unterricht oder von männlichen und weiblichen Lehrkräften – obwohl
diese Aspekte selbstverständlich auch ihre Berechtigung haben.
In der schulischen Praxis sind das Handeln und
das Verhalten der Lehrerinnen und Lehrer
Dreh- und Angelpunkte für guten Unterricht.
Oft ist dieses Handeln partiell instinktiv, aber
meist mit einem feinen Gespür für die heterogenen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler. Zur professionellen Lehrtätigkeit gehört es
jedoch auch, die eigenen Diagnosefähigkeiten
fortlaufend zu schulen und Handlungsmuster
reflektieren zu können. Pädagogische Professionalität zielt also auf die Entwicklung eines
Selbst, „das sich der Unvollkommenheit und
Vorläufigkeit aller gefundenen Lösungen bewusst ist und an sich selbst arbeitet, um wirkungsvoller handeln zu können.“ (Bauer 2000,
S. 63) Folglich haben wir (in ausdrücklicher

20

Abgrenzung zu ‚Rezeptwissen’) statt Antworten einen Fragenkatalog für die Schulpraxis
entwickelt. Die Form der Fragen soll auf die
Verantwortlichkeit der Lehrerinnen und Lehrer
(ferner auf die der Eltern und der Bildungsinstitutionen) aufmerksam machen. Diese Fragen
sind nicht mit „Ja oder Nein“ und schon gar
nicht abschließend zu beantworten, sondern
sie erfordern eine stete Auseinandersetzung
und Aktualisierung. Gleichzeitig geht es so
auch immer darum, Orientierungs- und Zielperspektiven für eine geschlechtergerechte Bildung in einer sich fortlaufend wandelnden Gesellschaft zu erarbeiten und transparent zu machen.
Insgesamt stellen diese zehn Fragen ein Set
von Kriterien dar, mit dem man die Qualität
von Unterricht und Schule in Bezug auf eine
geschlechtergerechte Bildung reflektieren kann.
Dabei werden drei Ebenen berücksichtigt,
nämlich die persönliche Haltung der Lehrkraft,
der Unterricht und die Schule als Institution.
Dies heißt nichts anderes, als A) an der eigenen
geschlechtlich-geprägten Lehrer/innenrolle zu
arbeiten (Fragen 1-3), B) den Unterricht geschlechtergerecht zu gestalten (Fragen 4-7) und
C) die Schule als demokratische Institution
weiterzuentwickeln (Fragen 8-10). Für eine vertiefende Beschäftigung mit der jeweiligen Thematik wurden Literatur- und Internettipps eingefügt.

1. Selbstbild – Wie sehe ich mich selbst
als Frau oder Mann?
Wie nehme ich mich als Identifikationsfigur wahr,
die ich als Lehrer bzw. Lehrerin für meine Schülerinnen und Schüler bin? Wie erlebe ich in meinem
Unterricht Jungen und Mädchen?
Neben allen Fähigkeiten und Eigenschaften,
die eine gute Lehrkraft ausmachen, ist die Persönlichkeit besonders wichtig. Daher sollte sich
die Lehrerin bzw. der Lehrer zunächst darüber
klar werden, welches Bild sie oder er selbst eigentlich von sich als Frau oder Mann hat und
vermittelt. Diese Selbstwahrnehmung hat mit
der eigenen Biographie zu tun. Eine gezielte
Selbstreflexion in Bezug auf die eigene Wahrnehmung von Geschlechterrollen hilft Lehrerinnen und Lehrern, sich und ihren Schülerinnen und Schülern mehr Handlungsspielraum
zu eröffnen. Aber, wie Faulstich-Wieland bemerkt: „Solche Selbstreflexionen sind ohne
Genderkompetenz – also ein Wissen um die
Geschlechterstereotype, um die symbolischen
Repräsentationen, die sich immer wieder selbst
bestätigen – nicht zu leisten.“ (Faulstich-Wieland 2006, S. 272)
Literatur- und Surftipps:
Thies, Wiltrud & Charlotte Röhner (2000):
Erziehungsziel Geschlechterdemokratie.
Weinheim. S. 57-60.
Drogand-Strud, Michael (2005): Train the
trainer – Gendersensible Didaktik. In:
Schule im Gender Mainstream, Denkanstöße – Erfahrungen – Perspektiven. Hg. v.
Ministerium für Schule, Jugend und Kin-

21

der des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, und dem Landesinstitut für Schule.
Soest. S. 228-232.
Im Internet unter: http://www.learn-line.
nrw.de/angebote/gendermainstreaming/
reader/

2. Professionelles Selbst – Wie verhalte
ich mich als Lehrerin bzw. Lehrer?
Wie positioniere ich mich zwischen meinem persönlichen Lehrer/innenbild (subjektive Theorie) und
professionellem Lehrer/innenhandeln?
Was genau die einzelne Lehrkraft in ihrem
Unterricht wahrnimmt, ist nicht nur davon abhängig, was sie in ihrer beruflichen und privaten Biographie erlebt oder nicht erlebt hat,
sondern auch davon, welche Deutungsmuster
ihr zur Bewertung der Unterrichtssituationen
zur Verfügung stehen. Aus der pädagogischen
Professionsforschung wissen wir, dass für diese
Aufgabe selbstbezügliche biographische Arbeit
unverzichtbar ist, um, wie Johannes Bastian
und Werner Helsper konstatieren, „die Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln, den eigenen Handlungs- und
Deutungsmustern, der eigenen Person in den
pädagogischen Interaktionen und Prozessen
mit den Schülerinnen und Schülern reflektieren zu können.“ (Bastian/Helsper 2000, S. 182)
Ein professionelles Selbst zu entfalten meint
daher in diesem Zusammenhang, die persönlichen Erfahrungen mit den Ergebnissen der
Forschung in Beziehung zu setzen, um sodann
das eigene Handlungsrepertoire in Bezug auf
das Ziel einer geschlechtergerechten Bildung
weiterzuentwickeln. Dabei können Lehrerinnen und Lehrer natürlich auch auf externe Beratung zurückgreifen, um die verschiedenen
Deutungs- und Handlungsmuster zu reflektie-

2. Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung

A) An der eigenen Lehrer/innenrolle
arbeiten

21

ren und mehr Sicherheit für das eigene pädagogische Handeln zu gewinnen. Das Wissen
über Ergebnisse der Koedukationsforschung
und Fachdidaktik einerseits sowie Supervision
und Reflexion über die eigenen Verhaltensweisen andererseits helfen, die Interaktionen im
Unterricht bewusst zu gestalten und Fehler sowie Missverständnisse zu erkennen (vgl. KronTraudt 1999, S. 146). Das professionelle Selbst
wird so zunehmend in die Lage versetzt,
Unterrichtssituationen besser einzuschätzen
und Lösungen für auftretende Probleme zu
entwickeln, statt diese gewollt oder ungewollt
zu verstärken.

nächst einmal notwendig, den eigenen Lebensentwurf in Bezug auf den kulturellen Hintergrund, Familienvorstellungen, sexuelle Orientierung etc. in den Blick zu nehmen. Als
heterosexueller Lehrer muss ich mich zum Beispiel fragen, ob ich meinen Lebensentwurf als
‚Norm’ (also als ‚norm’-al) ansehe, während andere Lebenskonzepte für mich ‚anders’ sind.
Dasselbe gilt für meine Vorstellung von Familie: Ist für mich ein Familienmodell mit allein
erziehendem Vater gleichwertig zu einem mit
verheirateten Eltern? Respektiere ich andere
Modelle wirklich oder denke ich vielleicht
doch, mein Lebensentwurf sei auch der bessere
für meine Schülerinnen und Schüler?

Literaturtipp:
Bastian, Johannes & Werner Helsper, Sabine Reh, Carla Schelle (Hg.) (2000): Professionalisierung im Lehrberuf. Von der Kritik
der Lehrerrolle zur pädagogischen Professionalität. Opladen.

Um bei Intoleranz und Diffamierung einschreiten zu können, muss man von deren Unredlichkeit und Unrechtmäßigkeit überzeugt
sein. Mache ich immer deutlich, dass solche
Diskriminierungen in meinem Unterricht
nicht erwünscht sind?
Literatur- und Surftipps:

3. In welcher Weise unterstütze ich
vielfältige Lebensentwürfe von Kindern
und Jugendlichen?
Wie kann ich das Verständnis für vielfältige Lebensentwürfe fördern sowie die Schülerinnen und Schüler
dabei unterstützen und motivieren, ihre eigenen Lebensentwürfe bewusst zu gestalten?
Faulstich-Wieland hat darauf eine klare Antwort: „Wenn man Mädchen und Frauen ebenso wie Jungen und Männer als Subjekt ihrer
Handlungen akzeptiert, dann geht dies nur
durch ein Ernstnehmen ihrer Einstellungen
und Wünsche und durch eine Auseinandersetzung damit.“ (Faulstich-Wieland 2006, S. 272f.)
Um die Einstellungen der Schülerinnen und
Schüler ernst nehmen zu können, ist es zu-

22

Mit Vielfalt umgehen: Sexuelle Orientierung und Diversity in Erziehung und Beratung. Handbuch vom europäischen Projekt
TRIANGLE (Transfer of Information to
Combat Discrimination Against Gays and
Lesbians in Europe). Im Internet unter:
http://www.diversity-in-europe.org/
Kinderwelten – Projekt zur Verbreitung
vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung
an Kindertageseinrichtungen (getragen
vom Institut für den Situationsansatz an
der Freien Universität Berlin):
http://www.kinderwelten.net

B) Den Unterricht geschlechtergerecht
gestalten
4. Wie erkenne ich in meinem
Schulalltag Rollenzuweisungen?
Was fällt mir bei der Unterrichtsbeteiligung von Jungen und Mädchen auf? Wie nehme ich das Miteinander der Schülerinnen und Schüler wahr? In welchen Situationen neige ich selbst zu geschlechterstereotypen Zuweisungen?
Wie überall, so finden auch in der Schule laufend Eigenschaftszuweisungen statt, die als
selbstverständlich wahrgenommen werden und
uns so meist nicht weiter auffallen. Als Beispiel
eine Unterrichtsbeobachtung: Fünfte Stunde.
In der siebten Klasse ist es mal wieder sehr unruhig. „Es sind v.a. vier Schüler in der letzten
Reihe, die überhaupt nicht bei der Sache sind
und stattdessen einander wechselseitig die Hefte wegnehmen und sich spaßhaft schlagen. Die
Lehrerin denkt bei sich: ‚Typisch Jungen! Jungen in diesem Alter schaffen es einfach nicht,
still zu sitzen und aufzupassen.’“ (Nach Breidenstein/Heinzel 2001, S. 16.)

selbstverständlich immer subjektiv ist, sondern
auch, dass das eigene Erleben durch gesellschaftlich verbreitete und so verinnerlichte Stereotype gelenkt wird. Ein Stereotyp gibt letztlich nichts anderes als einfache Erklärungsmuster vor, die genau dann angewendet werden, so
Breidenstein und Heinzel, „wenn es gerade
‚passt’, d.h. wenn es bestimmte Ausschnitte des
sozialen Geschehens zu erklären vermag. Im
Zuge dieser situativen Aktualisierung bestätigt
sich die Zuschreibung dann selbst.“ (Breidenstein/Heinzel 2001, S. 16) Was kann ich also
tun? Weitgehend unsichtbare stereotype Einstellungen und Verhaltenszuschreibungen
unterlaufen uns allen im Alltag, so Horstkemper (2002). Dennoch gilt es, die eigene Diagnosefähigkeit zu schulen, z.B. an Beschreibungen und Analysen von Unterricht. Denn
nur, wenn ich weiß, worauf ich schauen soll,
kann ich auch etwas sehen.
Literatur- und Surftipp:

2. Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung

KomBi (Kommunikation und Bildung) –
Berliner Bildungseinrichtung zu Diversity,
Gender und Sexueller Identität, die auf die
Förderung von Akzeptanz und Respekt für
unterschiedliche Lebensweisen zielt:
http://www.kombi-berlin.de

Breidenstein, Georg & Helga Kelle (1998):
Geschlechteralltag in der Schulklasse. Ethnographische Studien zur Gleichaltrigenkultur. Weinheim, München.
„Online Fallarchiv Schulpädagogik“ mit
Fällen, Fallanalysen und Handlungsmöglichkeiten aus dem Bereich der Schulpädagogik sowie mit Literaturhinweisen zur pädagogischen Fallarbeit: http://www.unikassel.de/fb1/heinzel/fallarchiv/

Breidenstein und Heinzel machen darauf aufmerksam, dass die Lehrerin in dieser Situation
die Mehrzahl der nicht störenden Jungen übersieht. Stattdessen bestätigt sich für die Lehrerin
ein Stereotyp: Jungen stören den Unterricht.
Dieses Beispiel zeigt nicht nur, dass die Wahrnehmung des Miteinanders im Schulunterricht

23

23

5. Die Situation in der Klasse –
was kann ich tun?
Wie kann ich dazu beitragen, dass meine Schülerinnen und Schüler die Schule als gemeinsamen Lebensraum positiv erleben? Welchen Stellenwert haben demokratische Werte (z.B. Toleranz, gegenseitige Rücksichtnahme etc.) in meinem Unterricht?
Die Schule stellt einen gemeinsamen Lebensraum für Schülerinnen und Schüler sowie das
gesamte Schulpersonal dar, in den alle Beteiligten ihre Erfahrungen, Wünsche, Ängste etc.
einbringen. Dieser Ort (insbesondere die eigene Klasse) ist für die Kinder ein erster (halb-)öffentlicher Raum, in dem sie ihre Vorstellungen
von dem ausprobieren können, was und wie
sie sein wollen. Die Suche nach der geschlechtlichen Identität ist dabei eine wichtige biographische Aufgabe, die sich an gesellschaftlichen
Vorbildern von Weiblichkeit bzw. Männlichkeit orientiert. Im Spannungsfeld zwischen eigenen Vorstellungen und den unumgänglichen
Eigenschaftszuweisungen der anderen entwickelt sich die Persönlichkeit: Was will ich und
was sehen die anderen in mir?
Diese Prozesse können vom pädagogischen
Personal einer Schule begleitet und unterstützt
werden, indem darauf geachtet wird, dass
a) für die individuelle Entwicklung des Kindes
genug Raum bleibt. Es sollten Möglichkeiten
geschaffen werden, die Wahrnehmungen des
Selbst und der anderen zu reflektieren, ggf. zu
korrigieren oder zu bestärken. Auch das Spiel
mit anderen Rollen gibt den Jungen und Mädchen Gelegenheit, neue Verhaltensweisen und
Gefühle zu inszenieren und ggf. alte Vorbehalte zu revidieren.
b) die Kinder einen Ort finden, an dem sie die
anderen respektieren lernen und selbst als Person Akzeptanz finden. Das heißt, der schuli-

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sche Alltag muss sich an demokratischen Werten orientieren. So fordert auch Horstkemper:
„Ziel ist die Sensibilisierung für Abwertung
und Ausgrenzung, ihre Ãœberwindung durch
gemeinsame Aktivitäten, aber auch die Toleranz gegenüber Wünschen, auch Rückzug in
eigene Räume.“ (Horstkemper 2002, S. 58)
Insgesamt geht es aus pädagogischer Sicht darum, wie Lemmermöhle (1997, S. 425) ausführt, „dass die Jugendlichen lernen, sich selbst
als Akteure/innen der eigenen Biographie zu
begreifen und gesellschaftliche Bedingungen –
und dazu gehören auch die Geschlechterverhältnisse – als historisch gewordenen und deshalb veränderbaren Kontext des eigenen Handelns zu erkennen.“
Literatur- und Surftipp:
Horstkemper, Marianne (2002): Eine Schule für Jungen und Mädchen. In: Pädagogische Führung 2/2002. S. 58-59.
Unterrichtsmaterialien zur Arbeit an der eigenen Geschlechterrolle und sozialen
Kompetenzen finden sich – teilweise für
beide Geschlechter, teilweise mit einem
Schwerpunkt auf der Jungenarbeit – beim
Projekt „Neue Wege für Jungs“ in einer Online-Datenbank: http://www.neue-wegefuer-jungs.de/gute_beispiele/

Kommen in meinen Unterrichtsinhalten Männer
und Frauen zu gleichen Teilen vor? Sind meine
Unterrichtsmaterialien so konzipiert, dass sie vielfältige Identifikationsmöglichkeiten für Jungen und
Mädchen beinhalten?
Zunächst ein Beispiel: Eine engagierte Geschichtslehrerin versucht, ihre Schülerinnen
mit mühevoll aufbereiteten, frauenspezifischen Themen anzusprechen wie z.B. „Die
Frau im alten Ägypten“. Von vornherein entscheiden sich die Jungen der Klasse für andere
wählbare Themen. Nach anfänglicher Begeisterung wählen die Schülerinnen bei den nächsten Angeboten wieder ‚richtige’ Themen und
wollen nicht ‚für immer’ auf das Thema ‚Frauen’ festgelegt sein. Die Lehrerin begreift nach
einigen Auseinandersetzungen mit ihren Schülerinnen, dass ihre persönliche Auffassung, geschlechterbewussten Unterricht anzubieten, so
nicht mit der Sicht der Schülerinnen übereinstimmt. Dass ihre frauenspezifischen Unterrichtsangebote nicht langfristig wahrgenommen werden, liegt nicht etwa daran, dass die
Schülerinnen einfach nicht für geschlechterbewusste Bildung empfänglich wären, sondern
daran, dass die (in diesem Fall einseitige) Dramatisierung von Geschlecht auf Dauer kontraproduktiv wirkt. Die Lehrerin resümiert: „In
meinen Auseinandersetzungen mit ihnen stellten die Mädchen die Frage, die inzwischen als
die ‚wirklich wichtige’ und ‚richtige’ erscheint:
‚Warum gibt es unter allen Themen, die du uns
anbietest, das Thema ‚Frauen’, aber nicht das
Thema ‚Männer’? Wer sind wir, dass wir das
Besondere brauchen, uns aber im allgemeinen
nicht wieder finden?’“ (Susanne Thurn zit. in
Faulstich-Wieland 1998, S. 53)

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Dieses Beispiel zeigt, dass eine einseitige Thematisierung des Weiblichen kontraproduktiv
sein kann, weil die Mädchen diese als Spezialfall erleben und die Jungen sich durch den Inhalt gar nicht angesprochen fühlen. Aus diesem Grund ist auch zu befürchten, dass die
derzeit lautstark artikulierten Forderungen
nach mehr ‚Männlichkeit’ in der Schule letztlich wenig dazu beitragen werden, eine adäquate Bearbeitung des Geschlechterthemas zu
erreichen. Denn dieses Thema gehört als
Unterrichtsinhalt Jungen und Mädchen, Lehrern und Lehrerinnen.
Sehr viele Interessen der Kinder sind geschlechterspezifisch gefärbt. Daher muss didaktisch weiter gefragt werden: Wie sieht es aus
mit Physik, Tanz, der Deutschlektüre oder chemischen Experimenten? Finde ich Möglichkeiten, die vielfältigen Vorlieben und Interessen
der Schülerinnen und Schüler ausreichend zu
berücksichtigen (subjektive Seite) und ihnen
die Relevanz der Unterrichtsinhalte (objektive
Seite) zu verdeutlichen?

2. Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung

6. Werden durch die Inhalte in meinem
Unterricht Geschlechterstereotype
abgebaut?

Bislang scheint es keine fundierte Didaktik
des geschlechtergerechten Unterrichts zu
geben. Anstatt eines Literaturtipps können
wir daher nur ein Fragezeichen auf diese
Fehlstelle setzen.

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7. Sind die Methoden in meinem Unterricht für eine heterogene Schülerschaft
angemessen?
Nutze ich vielfältige Methoden, um meinen Schülerinnen und Schülern unterschiedliche Zugänge zu
den Unterrichtsinhalten zu ermöglichen?
Auch methodisch gilt es, genau auf den Unterricht zu schauen: Es gehört zum Schulalltag
von der Geschlechterunterscheidung Gebrauch
zu machen; ganz pragmatisch und besonders
schnell können so meist zwei etwa gleichgroße
Gruppen gebildet werden. Aber ist diese Art
der Gruppenbildung genauso unproblematisch
wie jede andere?
Hier muss genau bedacht werden: Wo und wie
mache ich mir die Geschlechterdifferenz in der
Strukturierung des schulischen Alltags zunutze?
In welchen Situationen spreche ich Kinder als
„Mädchen“ oder als „Jungen“ an? Denn eine
rein organisatorische Trennung in Jungen- und
Mädchengruppen ist noch lange keine pädagogische Maßnahme (vgl. Horstkemper 2002, S.
59), sondern kann auch zur Verstärkung von Geschlechterstereotypen oder zur Ablehnung der
Maßnahme durch die Kinder führen. Aber auch
eine positive Wirkung monoedukativer Gruppenarbeit ist denkbar, wenn so dem Bedürfnis
der Kinder Rechnung getragen wird, sich als
Mädchen oder Junge zu inszenieren, d.h. auch
die eigene Geschlechteridentität entwickeln zu
können. (Vgl. Heinzel/Prengel 1998, S. 84)
Auf der Basis pädagogischer Verantwortung
gegenüber den Bedürfnissen der Schülerinnen
und Schüler sollte monoedukativer Unterricht
daher explizit didaktisch begründet werden ohne von defizitären, konträren, pauschalisierten,
protektionistischen, kurz: stereotypen Männerund Frauenbildern auszugehen.

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Eine gute Möglichkeit, den Unterricht methodisch geschlechtergerecht zu gestalten, ist der
Einsatz von Formen offenen Unterrichts, in
dem selbstständiges Lernen möglich wird, z.B.
handlungs- oder projektorientiertes Lernen,
Gruppenarbeit etc. Denn diese berücksichtigen
die Heterogenität der Schülerschaft gleich doppelt besser als Frontalunterricht: Die Schülerinnen und Schüler können ihre jeweiligen
Interessen stärker mit einbringen und vielfach
soziale Beziehungen knüpfen. So erfahren sie
auch eine Anerkennung ihrer individuellen
Persönlichkeit (vgl. Prengel 2006).
Literaturtipp:
Prengel, Annedore (1999): Vielfalt durch
gute Ordnung im Anfangsunterricht. Opladen.

C) Die Schule als demokratische Institution weiterentwickeln
8. Inwiefern können die Eltern
miteinbezogen werden?
Teilen die Eltern den Anspruch einer geschlechtergerechten Erziehung für ihre Kinder? Welche Hindernisse gilt es zu überwinden, um gemeinsam mit den
Eltern für die Chancen und Rechte der Jungen und
Mädchen einzustehen?
Eine Lehrkraft ist kein Einzelkämpfer. Durch
die Einbindung der Eltern können die Bemühungen für eine geschlechtergerechte Schule
bedeutend unterstützt werden. Elternabende
(auch „Väterabende“ oder „Mütterabende“)
oder Elternseminare bieten dafür gute Gelegenheiten. Denn es ist kaum möglich, eine
nachhaltig geschlechtergerechte Bildung zu
verwirklichen, wenn das Umfeld der Kinder

Literatur- und Surftipps:
Jansen-Schulz, Bettina (2005): Genderorientierte Elternarbeit am Beispiel der Berufsorientierung und Lebensplanung. In:
Schule im Gender Mainstream, Denkanstöße – Erfahrungen – Perspektiven. Hg. v.
Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, und dem Landesinstitut für Schule,
Soest, 1. S. 185-189. Im Internet unter:
http://www.learn-line.nrw.de/angebote/
gendermainstreaming/reader/
„Gender und Schule“ ist eine Website für
Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und
Schüler sowie interessierte Eltern der Vernetzungsstelle für Gleichberechtigung,
Frauenbeauftragte und Gleichstellungsbeauftragte des Landes Niedersachsen. Hilfreiches zur Elternarbeit unter dem gleichen
Stichwort. http://www.genderundschule.de

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9. Inwiefern sind die Unterrichtsprojekte in ein Gesamtkonzept eingebunden?
Kann ich auf den Rückhalt meiner Kollegen und
Kolleginnen vertrauen? Gibt es für Schulprojekte zur
geschlechtergerechten Bildung Unterstützung von der
Schulleitung?
Einzelne Maßnahmen sensibilisieren und inspirieren, aber sie reichen nicht aus, um eine
geschlechtergerechte Bildung zu erreichen.
Denn die Entwicklung der Geschlechteridentität der Jungen und Mädchen findet während
der gesamten Schulzeit statt. Aber Grundschulkinder suchen etwas anderes als Jugendliche in Berufsfindungsphasen. Natürlich geht es
nicht darum, die Schule nur noch durch eine
‚Geschlechterbrille’ zu sehen, aber wichtig ist,
dass die ganze Schule die Beschäftigung mit
der Geschlechterthematik als gemeinsame und
fortwährende Aufgabe akzeptiert, um die Jungen und Mädchen optimal zu fördern. Tragen
alle Lehrerinnen und Lehrer dieses Ziel mit?
Wer kümmert sich darum, dass das Thema präsent bleibt? Im Interesse der Jungen und Mädchen gilt es, eine Art Geschlechtercurriculum
zu entwickeln, das auf die Kinder gemäß ihrem
Entwicklungsstand und ihren Bedürfnissen zugeschnitten ist. Ein solches Curriculum kann
demgemäß sehr vielfältig sein: Welche Rollenbilder haben Jungen und Mädchen heute? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen gibt es
auf dem Weg zur Gleichberechtigung? Besondere Relevanz werden für die Jungen und Mädchen solche Projekte haben, in denen sie –
außerhalb der Schule – neue Erfahrungen sammeln können, z.B. in außerschulischen Bildungseinrichtungen, durch soziale Projekte, in
der Wirtschaft, aber natürlich auch im Haushalt oder in Werkstätten.

2. Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung

und Jugendlichen dies nicht zulässt. Wenn
zum Beispiel ein Schüler von der Schule dazu
angehalten wird, einen Haushaltspass zu erwerben, er aber von seiner Familie den Eindruck vermittelt bekommt, das sei ‚Mädchenkram’, statt für seine Leistungen gelobt zu werden, dann werden diese Leistungen in seinen
Augen abgewertet. Folglich wird der geschlechtergerechte Ansatz der Schule unterlaufen.
Werden Eltern dagegen in geschlechterbewusste Projekte einbezogen, können sie ihren Kindern wie auch deren Lehrerinnen und Lehrern
wertvolle Unterstützung bieten, z.B. bei Projekten zur Berufsorientierung.

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Ein erster Schritt für die Entwicklung eines eigenen Geschlechtercurriculums ist die Analyse
der gegenwärtigen Situation: Werden in der
Schule unterschiedliche Interessen von Jungen
und Mädchen berücksichtigt? Ist diese Arbeit
im Schulprogramm oder Schulprofil verankert? Wo sind Widerstände zu erwarten? Wo
kann eine Schule ein spezifisches Profil entwickeln, z.B. durch eine Öffnung zur Umgebung? Wie können Möglichkeiten implementiert werden, die geschlechterbewusste Arbeit
zu evaluieren und so zu verbessern?
Literaturtipp:
Koch-Priewe, Barbara (Hg.) (2002): Schulprogramme zur Mädchen und Jungenförderung. Die geschlechterbewusste Schule.
Weinheim.

10. Ist meine/unsere Institution Schule
geschlechterdemokratisch geprägt?
Wo können meine Schülerinnen und Schüler Geschlechterdemokratie im Schulalltag erfahren? Wird
es problematisiert, wenn Ungleichheiten erkannt werden?
Die institutionellen Strukturen der Schule sind
ein politischer Bezugsrahmen für die Kinder
und Jugendlichen. Hier sollten sie nicht nur
von Geschlechtergerechtigkeit hören, sondern
sie müssen sie auch sehen und leben: in der
Schulleitung, bei den Lehrerinnen und Lehrern, in der eigenen Klasse – und natürlich
überall dort, wo Ämter oder Gelder vergeben
werden. Nichts anderes bedeutet letztlich der
Begriff des Gender Mainstreaming, der als Strategie mittlerweile in vielen Politikbereichen
verankert ist. Es gilt, jede Maßnahme dahingehend zu hinterfragen, ob sie die Interessen von

28

Männern und Frauen berücksichtigt. In erster
Linie zielt das Gender Mainstreaming auf eine
Veränderung der Geschlechterstrukturen z.B.
hinsichtlich der Verteilung von Führungspositionen: „Ziel der Entwicklung ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an
der Gestaltung der Institution.“ (Kraul/Horstkemper 1999, S. 308)
Durch den Abbau von Geschlechterungleichheiten wird die Schulqualität und damit auch
die Chance für eine „Realisierung zeitgemäßer
Bildung“ verbessert, konstatiert Faulstich-Wieland (2006, S. 261). Also ist zu fragen: Inwiefern zielen die institutionellen Strukturen meiner Schule (Schulprofil, Verwaltungsvorschriften, Haushalt etc.) auf eine Gleichberechtigung
der Geschlechter?
Welche Möglichkeiten hat meine bzw. unsere
Institution, um Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten zu implementieren, die
den Schülerinnen und Schülern echte Gelegenheiten geben, an demokratischen Entscheidungsprozessen zu lernen und diese als Grundlage des gesellschaftlichen Miteinanders zu begreifen? (Vgl. Lemmermöhle 1997, S. 426)
Surftipp:
Ein informatives Portal zum Gender Mainstreaming bietet das Bundesministerium
für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
im Internet unter: http://www.gendermainstreaming.net/

Aus der Praxis … in die Praxis!

Die Dokumentation der größeren Projekte soll
deutlich machen, wie von der Einzelmaßnahme ausgehend eine Entwicklungslinie hin zu
einer geschlechtergerechten Schule gezogen
werden kann.
Für die Auswahl der Praxisbeispiele haben wir
drei Kriterien zu Grunde gelegt, nämlich Vielfalt, Aktualität und das Prinzip der Koedukation:

3.

Im Folgenden stellen wir Ihnen ein
Dutzend Beispiele für geschlechtergerechte
Konzepte an allgemeinbildenden Schulen
vor. Diese Beispiele beinhalten die
Darstellung einzelner Unterrichtsentwürfe
und auch größer angelegte Projekte.
rung ergänzen sinnvoll die vorhandenen Möglichkeiten in den allgemeinbildenden Schulen.

q

Zunächst haben wir alle Schulstufen berücksichtigt. Bei der bundesweiten Recherche
fällt auf, dass in der Primarstufe und vor allem
in der Sekundarstufe I fast in jedem Bundesland Projekte zur Förderung von Jungen und
Mädchen in der Schule oder in Kooperation
mit außerschulischen Bildungseinrichtungen
laufen. Für die Sekundarstufe II lassen sich solche Projekte jedoch nur selten finden. Vielleicht gibt diese Handreichung ja der einen
oder dem anderen von Ihnen einen Anstoß,
hier aktiv und kreativ zu werden.

q

Die Beispiele sollen möglichst aktuell
sein, daher wurde auf manche Klassiker (wie
den von der Bielefelder Laborschule entwickelten Haushaltspass) verzichtet. Dafür finden
sich viele Projekte, die im Internet dokumentiert und mit umfangreichem Material zum
komfortablen Download ausgestattet sind.

Zur übersichtlichen Darstellung wurde eine tabellarische Form gewählt. Die Angaben über
die didaktische Ziele sowie die Zielgruppe, den
Verlauf und das benötigte Material sind den jeweils ausgewiesenen Quellen entnommen. Wir
haben jedes Beispiel durch einen kurzen Kommentar ergänzt, der die jeweiligen Besonderheiten herausstellt. So werden Bezüge zu den
zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung (Kapitel 2) hergestellt. Anzumerken ist jedoch, dass die Beispiele selbstverständlich
nicht alle Ansprüche an eine geschlechtergerechte Bildung gleichzeitig erfüllen können
oder auch nur sollten. Vielmehr geht es uns darum, gute Ideen aus der Schulpraxis vorzustellen, damit Sie sie dann in der Praxis für die eigene Arbeit umsetzen können.

q

Da die allgemeinbildenden Schulen vorwiegend koedukativ organisiert sind, haben wir
nur solche Unterrichtskonzepte ausgesucht, die
sich gleichermaßen an Jungen und Mädchen
wenden. Das heißt selbstverständlich nicht,
dass Projekte abgewertet werden, die ausschließlich für ein Geschlecht konzipiert sind.
Im Gegenteil: Diese (meist außerschulischen)
Programme zur Jungen- oder Mädchenförde-

29

29

Quiz: Was kann ein Junge nicht? Was kann ein Mädchen nicht?
Autorin
Konzept

Unterrichtsentwurf, ca. eine Stunde

Schulform & -stufe

Primarstufe, ab Klasse 3

Ziele

Die Kinder werden motiviert, Geschlechterstereotype bewusst zu
machen und sie gemeinsam in der Klasse zu hinterfragen. Ein
Entwicklungsprozess zur Reflexion des Sinns bzw. Unsinns von
geschlechtsspezifischen Vorurteilen wird initiiert, der gleichwertige
Umgang zwischen Mädchen und Jungen gefördert.

Verlauf

Zunächst wird die Gruppe in zwei Kleingruppen unterteilt. Die
Aufgabe ist es, so viele Antworten wie möglich auf die Fragen zu
finden: „Was kann ein Junge nicht?“ Was kann ein Mädchen
nicht?“ Für jede Antwort gibt es einen Punkt.
Im zweiten Schritt werden die Antworten zusammengetragen.
Dabei werden die einzelnen Aussagen noch nicht bewertet.
Anschließend haben die beiden Kleingruppen die Aufgabe, sich
gegenseitig ihre Aussagen zu widerlegen. Für jede Widerlegung
gibt es zwei Punkte. Gewonnen hat die Gruppe mit den meisten
Punkten.
In einem gemeinsamen Abschlussgespräch wird die Möglichkeit
gegeben zu reflektieren, wie und warum solche Stereotype
entstehen.

Material

Wandzeitung, Papier, Stifte

Quelle

30

Jamie Walker

Welz, Eberhard & Ulla Dussa (1998) (Hg.): Mädchen sind besser
– Jungen auch. Konfliktbewältigung für Mädchen und Jungen –
ein Beitrag zur Förderung sozialer Kompetenzen in der Grundschule. Band 2: Curriculum und Spiele. Berlin. S. 202.

31

Vorurteile durch die Diskussionen“ selber passiert. Die Kinder können so auf spielerische
Weise lernen, was geschlechterspezifische Stereotype sind und mehr noch: dass diese keine
Allgemeingültigkeit beanspruchen können.
Durch die unterschiedliche Punktvergabepraxis
in den beiden Spielrunden wird ferner suggeriert, dass das Demontieren von Stereotypen
besonders wichtig ist (vgl. Frage 6 im 2. Kapitel
dieser Broschüre). Mit diesem Unterrichtskonzept kann das Verständnis für vielfältige Lebensentwürfe (vgl. Frage 3) gefördert werden.

3. Aus der Praxis … in die Praxis!

Kommentar:
Die Grundschule ist für die Identitätsentwicklung der Jungen und Mädchen besondere relevant, da die Kinder beim Schulstart meistens
bereits die erste „fundamentale Selbstkategorisierung als Mädchen oder Junge“ (Roth 2002,
S. 340) hinter sich haben. Während der Grundschulzeit stellt die Geschlechtsidentität einen
wichtigen Faktor der Selbstwahrnehmung der
Kinder dar, ihre Rollenvorstellungen sind noch
besonders eng. Genau an diesem Punkt setzt
das vorliegende geschlechterbewusste Unterrichtsbeispiel an: „Die Idee dabei ist“, schreibt
Jamie Walker, „dass die Dekonstruktion der

31

Barbie, Ken und der Versandhaus-Katalog
Autorin
Konzept

Gruppenpuzzle Mathematik, zwei Doppelstunden

Schulform & -stufe

Sekundarstufe I, Klasse 6

Ziele

Spielerisches Entdecken und Diskutieren von Rollenstereotypen
Umgang mit Tabellen. Messen und Vergleichen. Multiplikation
und Division von Dezimalzahlen
Selbstständiges Lernen im Team und Präsentieren der Ergebnisse
vor der Klasse

Verlauf

Es werden kleine Jungen- und Mädchengruppen gebildet und jede Gruppe bekommt eine andere Puppe, z.B. Barbie, Ken und
weitere Spielfiguren. Die Puppen werden vermessen und auf eine
menschliche Person hochgerechnet, die dann im Versandkatalog
Kleider bestellen soll. Dabei ergibt sich eine Diskussion über Rollenstereotype, die mit Leitfragen zur Selbstwahrnehmung ergänzt
wird: Warum spielen viele Mädchen mit Barbie-Puppen, aber
kaum ein Junge? Warum spielt die Mehrzahl aller Jungen mit
„Action-Figuren“, aber kaum ein Mädchen?
Die abschließende gemeinsame Diskussion soll „einen Beitrag
zur Entlastung von Rollenzwängen“ (Kaiser 2001, S. 195) leisten.

Material

Barbie, Ken und weitere Figuren (Action-Puppen), Maßband
oder Schnur, Maßtabellen für Kinder, Frauen und Männer aus einem Versandhauskatalog

Quelle

32

Elisabeth Frank

Dokumentiert von: Kaiser, Astrid (Hg.) (2001): Praxisbuch Mädchen- und Jungenstunden. Hohengehren. S. 193-196.

Man sieht, dass Kaiser hier von einem differenzfeministischen Ansatz ausgeht. Dabei suggeriert sie, dass Mädchen vor überzogenen Erwartungen zu schützen, Jungen hingegen ei-

33

gentlich nur „schwache Kerlchen“ seien – getrieben von ihrer Sexualität. Daher empfiehlt
Kaiser weiter, eine Barbie nicht an Jungengruppen zu verteilen, „um das Vermessen des
‚Superbusens’ in der Jungengruppe zu vermeiden.“ (ebd.) Passender wäre es jedoch, wenn
diese Deutungsmuster von der Lehrkraft erst
einmal selbst kritisch hinterfragt würden (vgl.
Frage 2 im 2. Kapitel). Dadurch kann der Lehrer bzw. die Lehrerin sich besser darauf vorbereiten, adäquat auf Probleme reagieren zu können. Auf der Grundlage gegenseitiger Akzeptanz von Schülerinnen, Schülern und der Lehrkraft können diese dann besprochen und hoffentlich auch gelöst werden, statt sie vermeintlich wohlmeinend im Vorfeld aus dem Weg zuräumen.

3. Aus der Praxis … in die Praxis!

Kommentar:
In der Dokumentation dieses Unterrichtsbeispiels beschreibt Kaiser die unterschiedlichen
Rollenzwänge, denen Jungen und Mädchen ihrer Meinung nach ausgesetzt sind: „bei Mädchen den Zwang von Nettsein, Schönsein und
Schlanksein (Magersucht), bei Jungen den
Zwang zum coolen Superhelden, der – selbst
wenn er eigentlich ein schwaches Kerlchen ist –
dank phallusähnlicher Wunderwaffen die Erde
vor dem Untergang rettet (Gewaltproblem,
Kopplung: Technik-Macht-Männlichkeit).“
(Kaiser 2001, S. 194).

33

Grundrechte: Mädchen und Jungen sind gleichberechtigt
Autor

Horst-Dieter Gerold

Konzept

Heimat- oder Sachkundeunterricht

Schulfstufe

Primarstufe

Ziele

Die Mädchen und Jungen sollen sich mit Geschlechterrollen auseinandersetzen. Teilwissen über Geschlechterrollen wird strukturiert und Rollenklischees sollen aufgebrochen werden, so dass die
Kinder ihre individuellen Qualitäten stärker wahrnehmen.

Verlauf

Als Stundeneinstieg schauen sich die Schülerinnen und Schüler
zwei Bilder an, auf denen unterschiedlich handelnde Kinder und
Erwachsene in einer Küche dargestellt sind. Alternativ gibt es
auch zwei Bilder eines Spielplatzszenarios nur mit Kindern. Sind
die Szenen erfasst und etwaige Fragen geklärt, findet eine Gruppenarbeit statt: Als Arbeitsauftrag wird vorgeschlagen, zunächst
die beiden Bilder detaillierter zu beschreiben. Was fällt bei diesen
Szenen auf, wo sind die Unterschiede? Welche Personen sind ungewöhnlich? Wie gehen die Personen miteinander um und wie
fühlen sie sich? Was könnten die dargestellten Personen sagen
oder denken? Wenn die Kinder schon schreiben können, werden
sie angeregt, Texte für Sprechblasen zu verfassen. Diese werden
ausgeschnitten und an verschiedene Personen im Bild angelegt.
Mit Bezug auf das Grundgesetz wird dann in der Auswertungsphase der Gruppenarbeit gefragt, ob Jungen und Mädchen bzw.
Frauen und Männer das gleiche Recht haben, sich so zu benehmen, wie es ihnen passt. Die Kinder sollen diskutieren, was passieren würde, wenn sich Jungen wie Mädchen benehmen bzw.
umgekehrt. Daran kann sich ein Rollenspiel anschließen, in dem
die Schülerinnen und Schüler einzelne Szenen nachspielen und
eine Fortsetzung dazu erfinden.
Der Autor regt an, das Thema durch eine weitere Auseinandersetzung zu vertiefen und macht verschiedene Vorschläge, z.B.: Die
Kinder bringen ihr Lieblingsspielzeug mit und es wird sortiert in
Spielsachen, mit denen Mädchen bzw. Jungen bevorzugt spielen.

34

Material

Eine Doppelseite mit zwei Spielplatzszenen und eine weitere mit
zwei Küchenszenarien, auf denen geschlechtstypische, vor allem
aber auch -untypische Verhaltensweisen von Kindern und Erwachsenen dargestellt sind. Die Bilder und eine ausführliche Dokumentation gibt es zum kostenfreien Download unter der u.g.
Internetadresse.

Quelle

Themenblätter für die Grundschule. (2002) Hg. von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) Redaktion: Iris Möckel (verantw.); Pamela Brandt. Bonn.
Im Internet unter: http://www.bpb.de/files/9J2IFT.pdf

Kommentar:
Die Kinder bringen geprägt durch die Familie
unterschiedliche Vorstellungen von ‚richtigem’
Geschlechterverhalten in die Schule mit. Im
Praxisbeispiel werden diese heterogenen Erfahrungen für eine intensive Auseinandersetzung
mit dem Thema konstruktiv genutzt (vgl. Frage 3 im 2. Kapitel). Horst-Dieter Gerold betont, dass die Komplexität des Themas es erforderlich macht, einzelne Inhalte immer wieder aufzugreifen und methodisch fächerverbindend zu arbeiten, um „offene Handlungssituationen“ zu schaffen, die es den Kindern „als
Teilnehmende am Kommunikations- und
Interaktionsprozess ermöglichen, flexibel zu
reagieren.“ Diese Vorgehensweise sollte, so Gerold weiter, als „durchgängiges Prinzip eines
Erziehungs- und Bildungsprozesses“ in der

35

3. Aus der Praxis … in die Praxis!

Oder: Typische Verhaltensweisen (auch Interessen und Hobbys)
von Jungen und Mädchen werden aufgeschrieben und geprüft,
wo es Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt.

Schule etabliert werden, „mit dem Ziel, Geschlechtsrollenkonflikte abzubauen und zu bewältigen.“ So deutet sich an, dass Geschlechtergerechtigkeit als feste Struktur in der Schule
verankert werden kann (vgl. Frage 10).
In einigen Klassen stelle sich „das Problem
‚Jungen contra Mädchen’ überhaupt nicht,
während in anderen Klassen die Thematisierung geschlechtsrollenspezifischer Verhaltensweisen zu Konflikten und Polarisierungen in
der Klasse oder in der Schule führen kann“, bemerkt der Autor weiter. Dies führt er hauptsächlich darauf zurück, dass die Lehrpersonen
geschlechtsrollentypisches Verhalten sehr
unterschiedlich wahrnehmen. Daher empfiehlt
er eine sorgfältige Selbstreflexion (vgl. Frage 1).

35

Väterabend: „Was erlebe ich mit meinen Kindern?“
Autoren

Uli Boldt, Michael Herschelmann, Christoph Grote

Konzept

Väterarbeit als Variante der Elternarbeit

Zielgruppe/Schulstufe

Primarstufe, Väter von Söhnen und Töchtern

Ziele

Die Väter können sich mit anderen Männern über Erziehungsfragen und die eigene Männer- bzw. Vaterrolle austauschen. Die
Diskussion unterschiedlicher Erfahrungen kann zur Entwicklung
neuer Handlungsperspektiven führen. Die Väter werden für die
Lebenswelten ihrer Kinder (Söhne und Töchter gleichermaßen)
sensibilisiert. Ziel ist es, den Vätern „Ideen und Anregungen für
die Beschäftigung mit ihren Kindern zu geben“ (Boldt, Heuschelmann, Grothe (2006),S. 17), ohne dabei in Geschlechterstereotype zu verfallen.

Verlauf

Zu Beginn des Abends wird das Thema „Was erlebe ich mit meinen Kindern?“ vorgestellt. Dabei soll deutlich werden, dass die
Aktivitäten der Väter mit ihren Kindern sehr unterschiedlich sein
können: Vorlesen, ins Bett bringen, gemeinsames Kochen, Besichtigungen, Hausarbeit etc. Daran schließt sich eine offene Diskussion an. Durch eine Kleingruppenarbeit kann der gegenseitige
Austausch noch intensiviert werden.
Anschließend wird ein Fragebogen ausgeteilt, bei dem die Männer sich in Bezug auf ihren Beruf und ihre Familie selbst einschätzen sollen (vgl. Material). Anschließend wird ein Mann gebeten, seinen Fragebogen vorzustellen. Dies dient als Impuls für
eine Diskussion, in der Möglichkeiten entwickelt werden, wie Väter ihre „Anwesenheitszeit in der Familie“ (S. 16) erhöhen, bzw.
welche Aktivitäten sie mit ihren Kindern machen können. Während der Diskussion sollte die Gesprächsleitung darauf achten,
dass „das Gespräch nicht dogmatisch verläuft und moralische Zurechtweisungen vermieden werden.“ (ebd.)
Fragebogen Beruf/Familie und Haushalt (kann individuell entwickelt werden, ein Beispiel findet sich in der angegebenen Literatur). Auszug:

36

Fragebogen Beruf/Familie und Haushalt (kann individuell entwickelt werden, ein Beispiel findet sich in der angegebenen Literatur). Auszug:
1 = trifft nicht zu; 6 trifft vollkommen zu
Ich arbeite zu viel.
1
2
3

4

5

6

Ich würde beruflich gern mit meiner Frau tauschen.
1
2
3
4
5
6
Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit.
1
2
3
4
5

3. Aus der Praxis … in die Praxis!

Material

6

Beim Putzen arbeitet die ganze Familie zusammen.
1
2
3
4
5
6
Bohren, Schrauben und Nageln fallen in meine Verantwortung.
1
2
3
4
5
6

Quelle

Boldt, Uli & Michael Herschelmann, Christoph Grote (2006):
Väterarbeit in der Grundschule. In: Die Grundschulzeitschrift
194/2006, S. 15-17.

Kommentar:
Dieser Väterabend soll Elternabende nicht ersetzen, sondern das Angebot der Elternarbeit
erweitern, da diese in der Regel hauptsächlich
von Müttern besucht werden. Es gibt verschiedene Gründe, warum die Väter bei Elternabenden wenig präsent sind, z.B. die Arbeitszeiten,
Betreuungsnotwendigkeiten oder „zu wenig
reizvolle Veranstaltungsankündigungen, genauso wie Desinteresse und Verantwortungsdelegation an die Mütter.“ (Boldt et al. 2006, S.
15) Ein eigener Väterabend soll den Männer

37

zeigen, dass ihre Meinung gefragt und ihr Einsatz gewünscht ist. Denn, wie die Autoren
schreiben: „Wenn die Lehrkräfte die Väter in
ihren Anliegen und Fragen ernst nehmen,
dann werden die Väter es mit Aufmerksamkeit
für ihre Kinder zurückzahlen.“ (ebd. S. 17)
Weitere Elternabende von Müttern und Vätern
können der Vertiefung des Geschlechterthemas
dienen, z.B. die Organisation von Eltern-Tochter- bzw. Eltern-Sohn-Gruppen (vgl. Frage 8 im
2. Kapitel).

37

Die Rolle des ‚Lehr-Körpers’ in der Sexualerziehung
Autorin
Konzept

Schulinterne Lehrer/innenfortbildung: psychosozialer
Arbeitskreis

Schulstufe/ Zielgruppe

Lehrkräfte einer Grundschule

Ziele

Gespräche über die Erfahrungen mit sexualpädagogischem Unterricht sollen die Kommunikation zwischen den Lehrkräften bereichern, kollegiales Verhalten fördern und dazu inspirieren, mit gemeinsamen innovativen Projekten das Schulklima zu verbessern.

Verlauf

38

Christa Wanzeck-Sielert

Mit einem kollegialen Arbeitskreis sollen sich die Lehrkräfte darauf vorbereiten, eine vertrauensvolle und angstfreie Lernatmosphäre für dieses ‚besondere’ Thema Sexualerziehung zu schaffen. Der Arbeitskreis wird als ein erster Schritt gesehen, sich gemeinsam mit anderen für das Thema zu sensibilisieren, d.h. im
Gespräch mit den Kollegen und Kolleginnen wird das Thema
„kommunizierbar“ gemacht, Gemeinsamkeiten und Unterschiede
bei der Bewertung und im Umgang mit kindlicher Sexualität
können besprochen werden. So wird durch den Kreis ein Ort geschaffen, „wo eigene Hemmungen und Barrieren zur Sprache
kommen können und es möglich ist, sich gegenseitig den Blick
für soziale und emotionale Entwicklungen zu schärfen. Das
wiederum kann sich positiv auf Kooperationen bei sexualpädagogischen Projekten und Themen sowie der Erarbeitung einer gemeinsamen sexualpädagogischen Haltung auswirken.“ (WanzeckSielert 2004, S. 13). Mit Fragen zur Wahrnehmung der geschlechtlichen Rolle als Lehrkraft und zur eigenen Biographie
werden Impulse für das kollegiale Miteinander gegeben. Auch die
Elternarbeit kann so verbessert werden, da es mit dem Rückhalt
des Kollegiums leichter ist, offen mit den Eltern über die Ziele
einer umfassenden Sexualerziehung zu sprechen (inkl. Aspekten
wie Drogen, Gewalt, AIDS etc.).

Auszug aus den Fragen zur Anregungen für die Arbeit im kollegialen Kreis (mehr Beispiele finden sich in der angegebenen Literatur):
q Können Sie über das Thema ‚Sexualität’ offen sprechen?
q Worüber möchten Sie mit den Kindern in der Klasse nicht reden?
q Wann sollen, dürfen, müssen Lehrer/innen in sexuelle Interaktionen zwischen Mädchen und Jungen eingreifen?
Fragen zur Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie:
q Wie haben Ihre Eltern an Ihrer sexuellen Entwicklung teilgenommen?
q Was haben Sie von Gleichaltrigen über Sexualität gehört?
q In welcher Situation haben Sie sich schon einmal sprachlos erlebt?

Quelle

Wanzeck-Sielert, Christa (2004): „Eigentlich ist es der schönste
Unterricht überhaupt!“ Die Rolle des ‚Lehr-Körpers’ in der Sexualerziehung. In: Die Grundschulzeitschrift 178/2004. S. 12-15.

Kommentar:
Der kollegiale Arbeitskreis stellt einen wichtigen Baustein für die Planung von Sexualerziehung dar. Denn die Lehrkräfte benötigen, wie
Christia Wanzeck-Sielert (2004, S. 13) schreibt,
ein „Mindestmaß an Selbstreflexion und persönliches Lernen. Gemeint ist die angeleitete
Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie,
gesellschaftlichen Normen und Werten, sexuellen Verhaltensweisen und Einstellungen“ (vgl.
Frage 1 und 2 im 2. Kapitel). Gerade bei diesem sensiblen Thema ist es wichtig, dass die

39

3. Aus der Praxis … in die Praxis!

Material

Lehrkraft für ihre Schülerinnen und Schüler eine Vertrauensperson sein kann, die für die Fragen der Kinder zur Verfügung steht, ohne ihnen ein Gefühl von Scham oder Schuld zu vermitteln (vgl. Frage 3). Dazu gehört aber auch,
„einen eigenen Standpunkt zu finden und zu
formulieren, schwierige Themen anzusprechen, Handlungsalternativen aufzuzeigen und
im sexualpädagogischen Kontext sprachfähig
zu sein.“ (ebd.)

39

Die 24-Stunden-Uhr
Autorinnen
Konzept

Unterrichtsbaustein, ca. zwei Unterrichtsstunden

Schulstufe

Sekundarstufe I, ab ca. elf Jahren

Ziele

Die Schüler und Schülerinnen sollen für Geschlechterunterschiede im Berufsfindungsprozess sensibilisiert und angeregt werden,
über eigene Rollenvorbilder und Zukunftsvorstellungen nachzudenken.

Verlauf

Alle Schülerinnen und Schüler bekommen ein Blatt mit einer 24Stunden-Uhr (s. Material). Auf der Uhr wird nun eingezeichnet,
wie ein typischer Arbeitstag aussehen könnte, wenn die Schülerinnen und Schüler 30 Jahre alt sind.
Anschließend werden geschlechtshomogene Gruppen (mit je vier
bis sechs Personen) gebildet. In den Gruppen sollen die Schülerinnen und Schüler eine „Gruppenuhr“ (auf Flipchart-Papier)
aufzeichnen. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede
der individuellen Uhren diskutiert.
Sodann präsentiert jede Gruppe ihre Uhr. Im gemeinsamen Abschlussgespräch werden die „Mädchen-“ und „Jungenuhren“ miteinander verglichen und die Unterschiede diskutiert.

Material

Arbeitsblatt 24-Stunden-Uhr (im Internet unter der u.g. Seite
zum Download verfügbar), Flipchartpapier, Stifte

Quelle

40

Sybille Reidl, Nicole Schaffer und Birgit Woitech

Dieser Unterrichtsbaustein ist Teil des „virtuellen geseBo-Koffers“. GeseBo (geschlechtssensible Berufsorientierung) ist ein Pilotprojekt der Koordinationsstelle für Gender Mainstreaming in
Niederösterreich. Der „virtuelle Koffer“ ist eine Internetplattform, auf der sich abgesehen von der 24-Stunden-Uhr noch weitere Unterrichtsbausteine, Erfahrungsberichte und Hintergrundinformationen zum Gender Mainstreaming finden. Neben Lehrerinnen und Lehrern der Sekundarstufe I richtet sich dieses Projekt an alle, die im Bereich Berufsorientierung von Jugendlichen
arbeiten (z.B. Berufsberater und -beraterinnen).
http://www.gendernow.at/gesebo

41

ihre persönlichen Vorstellungen mit den anderen zu diskutieren, Problematisches selbst auszumachen und scheinbar Selbstverständliches
zu hinterfragen. So werden Möglichkeiten geschaffen, die Selbst- und Fremdwahrnehmungen zu reflektieren (vgl. Frage 5). Die Methode
fördert die Kooperationsfähigkeit.

3. Aus der Praxis … in die Praxis!

Kommentar:
Mit diesem Unterrichtsbaustein kann gut ein
Einstieg in das Thema „Geschlechterrollen“ erfolgen: Zunächst beschreiben die Jugendlichen
selbst, wo sie stehen. Gleichzeitig werden so ihre eigenen Lebensentwürfe wertgeschätzt, da
sie die Grundlage für die weitere Arbeit darstellen (vgl. Frage 3 in Kapitel 2). Anschließend
haben die Jungen und Mädchen Gelegenheit,

41

Freiarbeit im Mathematikunterricht
Autorin

Lisa Glagow-Schicha

Konzept

Freiarbeit

Schulstufe

Sekundarstufe I, Erprobungsstufe

Ziele

Förderung der Ich-Identität und Verbesserung des sozialkompetenten Verhaltens.

Verlauf

Material

Quelle

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Etwa einmal im Monat erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Arbeitsplan mit unterschiedlich anspruchsvollen Aufgaben,
Spielen und Übungen, die in speziell ausgewiesenen Freiarbeitsstunden (während des regulären Mathematikunterrichts) zu absolvieren sind. Auch die Kontrolle der Lösungen wird durch die
Kinder zunächst selbst durchgeführt, eine weitere Kontrolle kann
durch eine anschließende Klassenarbeit erfolgen. Der Arbeitsplan
ist in der Regel für etwa vier-sechs Stunden zu konzipieren.
Reicht die Zeit nicht, können einzelne Aufgaben als Hausaufgabe
erledigt werden.
Die Aufgaben sind so zu gestalten, dass sie verschiedene Interessensfelder abdecken (Lebensweltbezug) und Fähigkeiten schulen
(z.B. Wiederholen, Ãœben, Anwenden).
Je nach Konzeption: Arbeitspläne und entsprechende Materialien
(z.B. Computer, Ausmalbilder, Würfel etc.)
Glagow-Schicha, Lisa (1997): Freiarbeit im Mathematikunterricht
in der Erprobungsstufe. In: Glagow-Schicha, Lisa & Sonja Meyer,
Petra Ridlhammer (Hg.): Für Ada, Marie und andere Mädchen.
IKÖ-Diskussionsforum Band 1. Veröffentlichung des Institutes
für Informations- und Kommunikationsökologie. Duisburg.
S. 26-31.

43

figuren im Mathematikunterricht zu berücksichtigen, was in traditionellen Mathematiklehrbüchern oft nicht der Fall ist (vgl. Frage 6).
Durch die Selbstkontrolle wird „das hierarchische Kontrollsystem durch die Lehrperson, das
normalerweise in der Schule vorherrscht, zurückgenommen“ (Glagow-Schicha 1997, S. 29).
In diesem Sinne wäre weiter zu überlegen, wie
die Leistungen der Kinder in offenen Unterrichtsformen auch ohne Klassenarbeiten bewertet und dokumentiert werden können.
Denn nicht die Überprüfung und Benotung,
sondern die Aufgabe und die Leistung selbst
sollten (nicht nur) in offenen Unterrichtsformen stets im Mittelpunkt stehen.

3. Aus der Praxis … in die Praxis!

Kommentar:
Durch die Wahl der Reihenfolge der Arbeitsaufgaben, teilweise auch durch die Wahl der
Sozialform und des Lernortes wird das selbstständige Lernen der Kinder gefördert (vgl. Frage 7 in Kapitel 2). „Freiarbeit“, so schreibt die
Autorin, „gibt Mädchen und Jungen gleichermaßen Raum, geschlechtsspezifische Wirklichkeitskonzeptionen herauszufinden und auszudrücken. Geschlechterdifferenzen können
dann als produktives Moment von Lehren und
Lernen genutzt werden.“ (Glagow-Schicha
1997, S. 27).
Zudem kann die Lehrkraft bei der Auswahl der
Aufgaben verstärkt darauf achten, zu gleichen
Teilen weibliche wie männliche Identifikations-

43

Mädchen und Jungen lesen anders und anderes
Autorin

Andrea Bertschi-Kaufmann

Konzept

Offener Leseunterricht

Schulstufe

Primarstufe

Ziele

Der Leseunterricht trainiert nicht nur Fertigkeiten, sondern versteht das Lesen als Erfahrungsraum für persönlich bedeutsame Informationen und Geschichten.
Es geht auch darum, die Literaturvorlieben anderer nicht pauschal
abzuwerten, sondern sich selbst eine Meinung zu bilden und
nach „verschiedenen Spielregeln“ mit anderen zu diskutieren.

Verlauf

Im Leseunterricht haben die Kinder die Möglichkeit, eigenständig zu bestimmen, wie und was sie lesen möchten. Dazu steht
eine Bibliothek bereit: In „freien Lesestunden“ können die
Kinder unterschiedliche Lektüren und Leseorte wählen. Gezielte
Fragen und verschiedene Spiele motivieren, das bereits Gelesene
zu reflektieren, mit anderen zu besprechen und ggf. weiterzuempfehlen: Die Kinder malen z.B. ihre literarischen Lieblingsfiguren, sie überlegen den Anfang einer neuen Geschichte, sie
variieren stereotype Handlungsverläufe oder prämieren „besondere“ Buchhelden und -heldinnen: Zunächst werden die Eigenschaften stereotyper Figuren aufgelistet. So wird ein Raster
gebildet, mit dem man bestimmen kann, welche Figuren „ganz
anders und weniger normgerecht“ sind. Alle Kinder entscheiden
dann als Jury zusammen, welches „Buchmädchen“ oder welcher
„Buchjunge“ beson-ders spannend ist.
Wichtig ist, dass die Lehrerin bzw. der Lehrer sich selbst auch für
unterschiedliche Lesestoffe interessiert und diese (auch wenn sie
aus literarischer Sicht eher stereotyp sind) integrieren und als
gleichwertig nebeneinander gelten lassen kann.

Material

44

Klassenzimmerbibliothek

Bertschi-Kaufmann, Andrea (1997): Mädchen und Jungen lesen
anders und anderes. In: Grundschulzeitschrift 103 (1997), S. 4044. Aufsatz über das fachdidaktische Projekt „Leseförderung und
Leseentwicklung“, an dem die Lehrerinnen- und Lehrerbildung
des Kantons Aargau (Schweiz) und die Schulpraxis kooperieren.
25 Grundschullehrkräfte erproben verschiedene Förderanlagen
und Materialien.

Kommentar:
Indem die Lehrerin bzw. der Lehrer die Lektürevorlieben der Kinder respektiert, drückt sie
bzw. er auch eine persönliche Wertschätzung
für die Jungen und Mädchen aus (vgl. Frage 1
in Kapitel 2). Zwar seien die „trivialen Erzählmuster und die einfachen Rollenbilder […] aus
pädagogischer und aus literarischer Sicht ärgerlich“, räumt Andrea Bertschi-Kaufmann (1997,
S. 41) ein, aber für viele Kinder gelinge damit
der Einstieg in das Lesen von Büchern. Die
Lust am Lesen zu wecken hat somit Priorität,
was – wie die PISA-Ergebnisse gezeigt haben –
insbesondere für Jungen keine triviale Aufgabe
ist. Dementsprechend geht es Bertschi-Kaufmann nicht darum, durch den spielerischen
Austausch der Lektüreerfahrungen das Lesever-

45

halten der Kinder in eine bestimmte Richtung
zu lenken, sondern den Mädchen und Jungen
Gelegenheiten zu geben, „Muster, Wiederholungen und Stereotype wahrzunehmen“ und
„die Neugierde für weniger vertraute Lesestoffe“ (ebd. S. 44) zu wecken.

3. Aus der Praxis … in die Praxis!

Quelle

Durch die Etablierung von offenem Leseunterricht mit einer gemeinsamen Bibliothek und
Leseecken zum Wohlfühlen und Entspannen,
wird die Schule als angenehmer Lebensraum
für die Kinder gestaltet (vgl. Frage 5), in der sowohl ein gleichberechtigtes Miteinander gefördert, daneben aber auch Möglichkeiten für partiellen Rückzug und Ruhephasen eingeräumt
werden.

45

Kinderalltag in Deutschland – heute und früher
Autorin
Konzept

Fächerübergreifende Unterrichtseinheit (Politik/SoWi, Geographie, Religion/Ethik, Deutsch). Mindestens 4 Stunden werden
veranschlagt. Das Konzept kann aber auch als Thema für eine
Projektwoche ausgebaut werden.

Schulstufe

Sekundarstufe I, Klasse 5-7

Ziele

Es geht darum, den eigenen Alltag bewusst wahrzunehmen und
die Lebensbedingungen von anderen Kindern (an anderen Orten
und zu anderen Zeiten), insbesondere unterschiedliche „Jungenund Mädchenwelten“ zu betrachten.
Durch die Auseinandersetzung mit Selbstverständlichkeiten aus
anderen Zeiten oder fremden Orten wird der Horizont der Schülerinnen und Schüler in historischer bzw. geographischer (globaler) Dimension erweitert.
Als weiteres Ziel ist der Aufbau von Medienkompetenz (insbesondere Umgang mit dem Internet) zu nennen.

Verlauf

Das Projekt enthält unterschiedliche Zugänge zum Thema Kindheit:
Wie wird im Internet über den Alltag von Kindern berichtet?
(Möglichkeiten der Internetrecherche ausprobieren und bewerten
lernen.)
Wie lebten Jungen und Mädchen früher? (Leitfrageninterviews
mit Erwachsenen führen, z.B. den Großeltern.)
Was ist typisch für mich als Mädchen oder mich als Junge? Wie
sieht mein Alltag aus? (Einen Brief nach Westafrika schreiben.)
Wie leben Kinder in Afrika? (Film- und Bildmaterial auswerten.)

Material

Umfangreiches Material (inkl. Aufgabenstellungen zu den einzelnen Zugängen) findet sich im Internet auf den Seiten von „Schulen ans Netz“ unter der u.g. Internetadresse.

Quelle

46

Regina Riepe

Projekt von „Schulen ans Netz“ e.V. © 2006
http://www.lehrer-online.de/url/kinderalltag-deutschland

werden für die Kinder individuelle Zugänge
zum Thema geschaffen (vgl. Frage 7 in Kapitel
2). Das Verständnis für vielfältige Lebensentwürfe (vgl. Frage 3) wird gefördert. Gleichzeitig
wird der Blick auch auf die Klasse selbst gelenkt, da die Jungen und Mädchen die Lebensbedingungen von anderen mit ihrer eigenen Situation kontrastieren (vgl. Frage 5).

3. Aus der Praxis … in die Praxis!

Kommentar:
„Die Auseinandersetzung mit dem Alltag von
Kindern“, schreibt Regina Riepe, „schließt den
Blick auf den Genderaspekt als Querschnittsthema mit ein: Was ist anders, wenn ich ein
Junge beziehungsweise ein Mädchen bin? Welche Spiele haben Jungen und Mädchen früher
gespielt? Gab es unterschiedliche Geschlechterrollen? Wie ist das Rollenverhältnis heute?“
Durch die abwechslungsreichen Methoden

47

Berufswahlorientierung: Elternarbeit – Konzept einer Seminarreihe
Autor/innen

Arbeitsgruppe „Reflexive Koedukation“ des Landesinstituts für
Schule/Qualitätsagentur NRW

Konzept

Elternarbeit zur Berufswahlorientierung als Seminarreihe (pro
Termin ca. 2– bis 3 Stunden)

Zielgruppe/Schulstufe

Eltern der Jahrgänge 7-10

Ziele

Die Eltern sollen stärker und früher in den Prozess der Berufsfindung ihrer Kinder einbezogen werden. Dazu ist eine Sensibilisierung der Eltern für geschlechtsspezifische Frage- und Problemstellungen nötig.

Verlauf

Material

Quelle

48

Die Eltern werden eingeladen, ihre eigene pädagogische Einflussnahme und ihre Erfahrungen als Mütter und Väter zu reflektieren. Sie sollen ferner unterschiedliche Informationsquellen kennen lernen und Strategien zur Unterstützung der eigenen Kinder
erarbeiten.
Die Elternarbeit ist über mehrere Jahre konzipiert. Pro Jahr finden ein- oder zweimal gemeinsame Abende statt. Das Konzept
beinhaltet folgende Einheiten:
q Grenzenloses Vertrauen oder Ãœberforderung? Aufgaben der
Eltern im Berufsfindungsprozess
q Was kann mein Kind? Individuelle Stärken und objektive
Möglichkeiten von Jugendlichen im Berufsfindungsprozess.
q Typisch männlich – typisch weiblich? Geschlechterstereotype
in der Berufswahlorientierung
q Manipulation oder Hilfestellung? Eltern können helfen!
q Was tun die anderen? Angebote von Schule und Berufsberatung
q Versteckte Botschaften? Bearbeitung von unterschiedlichen
Verhaltensweisen
q Angst vor dem Vorstellungsgespräch? Eltern können helfen!
Die Einheiten sind methodisch vielfältig gestaltet. Aussagen über
die jeweiligen Zielsetzungen, Vorschläge zur Organisation und
Materialien für die Durchführung sind zum kostenlosen Download zur Verfügung gestellt.

Learn:line © (Bildungsserver NRW), hg. vom Landesinstitut für
Schule/Qualitätsagentur (LfS/QA): http://www.learn-line.nrw.de
Konzeption der Seminarreihe: http://www.learnline.de/angebote/koedukation/downloads/sekundarstufen_pdf/berufswahl_elternarbeit.PDF
Ansprechpartnerin: Margret Kratz-Dreisbach

Kommentar:
Diese Seminarreihe ist beispielhaft für das
Unterfangen, eine Kooperation zwischen Eltern und Schule anzubahnen (vgl. Frage 8 in
Kapitel 2). Beide Seiten können ihre Vorstellungen von „richtiger“ Erziehung transparent
machen und zum Wohl der Kinder zusammen
arbeiten. Auf der Grundlage gegenseitiger Akzeptanz und Vertrauen kann so ein Dialog

stattfinden, der die öffentlichen bzw. privaten
Dimensionen der Erziehung für die jeweils andere Seite verständlich macht. Die Kinder erfahren so, dass man sich für sie und ihr Schülerinnen- bzw. Schülersein interessiert und bereit ist, sie bei ihrer persönlichen Lebens- und
Berufsplanung zu unterstützen (vgl. Frage 3).

3. Aus der Praxis … in die Praxis!

Quelle

49

Das Rollenbild in der Schöpfungsgeschichte
Autor
Konzept

Unterrichtsreihe für etwa 14 Stunden.
Projektorientierter Religionsunterricht.

Schulstufe

Sekundarstufe II

Ziele

Die Schülerinnen und Schüler sollen erkennen, dass sich aus der
zweiten Schöpfungserzählung (Erschaffung des Menschen als
Mann und Frau, Genesis 2,7.18-24) keine Geschlechterhierarchie
ableiten lässt. Sie lernen verschiedene Methoden der Bibelexegese
kennen.Wissenschaftspropädeutisch fördert der Unterricht die
Arbeit mit Primär- und Sekundärtexten, die Literatur- und Internetrecherche sowie Präsentationstechniken (auch mit neuen Medien). Durch längerfristiges selbstständiges Arbeiten in Kleingruppen können die Schülerinnen und Schüler Sozial- und Planungskompetenzen aufbauen.

Verlauf

50

Boris Meltzow

Zu Beginn erfolgt eine detaillierte Einführung (ca. eine Doppelstunde) in das Projekt: Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten
durch die Lektüre des Primärtextes die traditionelle Auslegung
und erörtern anschließend die theologische und gesellschaftliche
Relevanz (auch mit Sekundärtexten). Dabei sollen sie erkennen,
dass eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Text einer eingehenden Exegese bedarf. So ergibt sich die Aufgabe für das Projekt, dessen Ergebnisse auf einer Website der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen.
Anschließend erarbeiten die Schülerinnen und Schüler einen gemeinsamen Arbeitsplan, der die verschiedenen Dimensionen des
Projekts umfasst und den Fahrplan für die folgende Gruppenarbeitsphase darstellt. In den selbstständig arbeitenden Lerngruppen können sich die Schülerinnen und Schüler interessegeleitet
mit Recherchemöglichkeiten im Internet, Medienkritik, Möglichkeiten der Präsentation, wichtigen Exegeseverfahren usw. auseinandersetzen.
Zum Abschluss der Unterrichtsreihe präsentieren die Gruppen
ihre Arbeitsergebnisse. Auch die aufgetretenen Probleme, das methodische Vorgehen etc. sollten diskutiert werden.

PC mit Internetzugang für die einzelnen Gruppen

Quelle

Projekt von „Schulen ans Netz“ e.V. © 2003
http://www.lehrer-online.de/dyn/9.asp?url=323649.htm
Die Ergebnisse dieses Projekts kann man sich im Internet anschauen unter: http://genesisprojekt.meltzow.de

Kommentar:
Der biblische Stoff gehört zu den Grundpfeilern des christlichen Menschenbildes. Die Rolle des Mannes und die Rolle der Frau werden
gleichermaßen zum Unterrichtsthema (vgl.
Frage 6 in Kapitel 2). Durch eine wissenschaftlich orientierte Bearbeitung wird erfahrbar,
welche Ausmaße die Rollentypisierung und
Hierarchisierung der Geschlechter historisch
angenommen hat. Dabei ist die Spannung zwischen Glauben und Wissen für die Schülerin-

nen und Schüler bedeutsam, die insbesondere
bei der Vorbereitung auf ein Studium, aber
auch für ein reflektiertes Selbstverständnis eine
wichtige Rolle spielt. Die Projektarbeit berücksichtigt die heterogenen Interessen der Schülerinnen und Schüler, da ihnen die Wahl der Arbeitsmittel, der spezifischen Fragestellung sowie der Lernpartner und -partnerinnen überlassen wird (vgl. Frage 7).

3. Aus der Praxis … in die Praxis!

Material

51

Schulprogramm Stieghorst
Autor/innen

Schulkonferenz der Gesamtschule Stieghorst

Konzept

Schulprogramm der städtischen Ganztagsschule Stieghorst
(Gesamtschule)

Schulstufe

Sekundarstufen I und II

Ziele

„Wir begreifen die geschlechterbewusste Bildung als Chance und
Möglichkeit, die Sozialfähigkeit, den Handlungsspielraum zu erweitern und die Entwicklung von Mädchen und Jungen in allen
Bereichen zu fördern.“ (Gembus 2002, S. 132)

Verlauf

Im Unterschied zu den anderen Beispielen wird der Verlauf nicht
detailliert dargestellt, sondern wegen des großen Umfangs nur
skizziert. Die Gesamtschule Stieghorst hat das Thema einer geschlechtergerechten Bildung in ihr Schulprogramm aufgenommen.
Jede Klasse wird von einer Lehrerin und einem Lehrer begeleitet.
Dementsprechend sind auch geschlechterparitätisch besetzte Klassensprecherteams selbstverständlich.
Das Thema der Geschlechtergerechtigkeit wird in vielen Schulfächern implementiert:
q Deutsch: Auswahl der Lektüren und des Sprachgebrauchs
q Gesellschaftslehre: Nicht nur Männergeschichte, sondern Alltagsgeschichte, Leben von Frauen und Männern
q Sprachenunterricht: Jungen- und mädchenspezifische Förderung
q Naturwissenschaften & Mathematik: Beispiele aus dem Alltagsleben der Schülerinnen und Schüler
q Sexualkundeunterricht: Ohne Festlegung auf eine heterosexuelle Orientierung. Projekt zu AIDS in der 9. Jahrgangsstufe
q Informatikgrundkurse werden monoedukativ angeboten
q Sportunterricht: Nicht nur Wettkampfsport, sondern auch
neue Körperarbeit u.a. mit Yoga und Massage
q Im 5. Jahrgang wird ein Projekt zur Selbstbehauptung sowie
Selbst- und Fremdwahrnehmung durchgeführt

52

Insgesamt finden solche Unterrichtsprinzipien Anwendung, die
Mädchen und Jungen stärken, insbesondere durch Formen des
selbstständigen Lernens.
Quelle

Gembus, Christian (2002): Schulprogramm Stieghorst. In: KochPriewe, Barbara (Hg.): Schulprogramme zur Mädchen- und Jungenförderung. Die geschlechterbewusste Schule. Weinheim.
S. 131-141.
Das Schulprogramm findet sich auf der Homepage der Gesamtschule: http://www.gesti.de/

Kommentar:
Das Schulprogramm der Gesamtschule Stieghorst zeigt, wie das Thema Geschlechtergerechtigkeit in ein Gesamtkonzept für eine geschlechtergerechte Bildung eingebunden werden kann (vgl. Frage 9 in Kapitel 2). Die thematisch abwechslungsreichen Projekte und die
Methodenvielfalt stellen sicher, dass die Schülerinnen und Schüler Geschlechtergerechtigkeit nicht als ein Thema unter anderen, sondern als ein Grundprinzip des demokratischen

3. Aus der Praxis … in die Praxis!

q Haushalts- und Werkstattpass für Jungen und Mädchen (in
Anlehnung an das Konzept der Laborschule Bielefeld)

Zusammenlebens begreifen können. Das ganze Kollegium und die Schulleitung haben sich
mit dem Schulprogramm auf die Ansprüche einer geschlechtergerechten Schule verpflichtet.
Sicherlich trägt auch das dazu bei, ein kooperatives Klima zu schaffen, in dem Demokratie
mehr als eine leere Phrase ist. Selbstverständlich sind in Stieghorst auch die Gremien geschlechterparitätisch besetzt (vgl. Frage 10).

53

4.

Ergebnisse und Perspektiven

Die Tatsache, dass das Geschlecht der
Kinder und Jugendlichen viele Elemente
von Schule beeinflusst (z.B. Leistung,
Fächerwahl und Schullaufbahn), führt zu
dem pädagogischen und demokratischen
Anspruch, dass in der Schule und vor allem
im Unterricht verstärkt darauf geachtet
werden muss, eine geschlechtergerechte
Bildung zu gestalten.

Die Wichtigkeit dieser Aufgabe zeigt sich besonders deutlich bei der Gruppe von Kindern,
die wenig positive Schul- und Lernerfahrungen
machen können, dies gilt vor allem für Jungen.
Woran liegt es denn, dass die Mädchen heute
(im Gegensatz zur Zeit der Anfänge der Koedukation) ihre schulischen Chancen so erfolgreich nutzen können? Einige Antworten auf
diese Frage wurden bereits angedeutet, andere
werden weiter diskutiert und untersucht; eine
weitere soll an dieser Stelle explizit herausgehoben werden: Dass die Mädchen heute nicht
mehr das schulisch „benachteiligte Geschlecht“
darstellen, ist sicherlich der konsequenten Arbeit der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, den Lehrern und Lehrerinnen sowie
den politischen Vertretern und Vertreterinnen
zu verdanken, die sich für die Gleichberechtigung in der Schule engagiert haben. Auf gesellschaftlicher Ebene beweist ihr Einsatz, dass
auch starr scheinende gesellschaftliche Verhältnisse verändert werden können. Der Erfolg der
politischen Maßnahmen und Praktiken widerlegt die Annahme, dass die schulischen Geschlechterdifferenzen ausschließlich als Folgen
unterschiedlicher Interessen oder Lernstile und
schon gar nicht auf vermeintlich angeborene
Begabungen von Jungen und Mädchen zu-

54

rückgeführt werden können (vgl. auch OECD
2004, S. 110).
Diese Befunde gehören auch zur Geschichte
und Entwicklung der Koedukation in Deutschland, die man zur Kenntnis nehmen sollte,
wenn man nicht hinter bereits erreichte Ziele
zurückfallen will. Um solche Kurzsichtigkeit
auszuschließen, haben wir im zweiten Kapitel
Fragen entwickelt, die die verschiedenen Dimensionen einer geschlechtergerechten Bildung aufnehmen. Sodann wurden ein Dutzend Beispiele aus der Schulpraxis vorgestellt,
die variantenreich aufzeigen, dass man Mädchen und Jungen (und auch die Lehrkräfte und
Eltern) für das Thema Geschlechtergerechtigkeit sensibilisieren kann, indem man ihre individuellen Vorstellungen von Leben und Beruf
ernst nimmt und ihnen einen Raum schafft,
miteinander zu diskutieren und sich auszuprobieren. Obwohl es viele interessante Beispiele
(sowohl koedukativer als auch monoedukativer
Art) für eine geschlechtergerechte Bildung gibt,
bleibt anzumerken, dass eine fundierte Didaktik für einen geschlechtergerechten Unterricht
noch aussteht, mit der man die einzelnen
Unterrichtsziele und -entwürfe systematisch
begründen und bewerten könnte.
Nach diesem kurzen Resümee möchten wir –
ausgehend von der gegenwärtigen Diskussion
über die Notwendigkeit einer neuen Jungenförderung – mit einigen Überlegungen abschließen, wie weitere Schritte für eine Verankerung geschlechtergerechter Bildung in der
Schule aussehen könnten.

Nachdem innerhalb der Koedukationsdebatte
Jahrzehnte lang die Mädchen als das benachteiligte Geschlecht galten, werden derzeit die
Jungen als die eigentlichen Verlierer des Bildungssystems bezeichnet (vgl. Crotti 2006,
S. 363 ff.). Diese erst durch PISA breit rezipierte Beobachtung, dass von den weiterführenden
Schulen die Mädchen stärker profitieren können als die Jungen, hat die öffentliche Diskussion ordentlich durcheinander gewirbelt: Die
„Jungenkatastrophe“ (Beuster 2006) wurde ausgerufen, die Grundschullehrerinnen als Ursache allen Übels angeklagt (Diefenbach/Klein
2002), ein neuer „Krieg der Geschlechter“ (Gaserow 2006) beschworen. Preuss-Lausitz (2005,
S. 222) resümiert, dass das „Reden über leistungsschwache, gewalttätige und verhaltensgestörte Jungen […] in den letzten Jahren in
Deutschland Konjunktur“ hat. Statt des katholischen Arbeitermädchens vom Lande wird
nun der männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund aus der Vorstadt als Inbegriff
aller möglichen Benachteiligungen angesehen.
Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass
auch Mädchen mit ähnlichem sozialen Hintergrund benachteiligt werden, so stellt Allemann-Ghionda (2006, S. 360) zu Recht heraus,
„wenn Lehrpersonen eine bestimmte ethnische
oder religiöse Zugehörigkeit (in der Regel: die
Zugehörigkeit zum Islam) gekoppelt mit einem
in ihren Augen defizitären familiären Hintergrund als Bildungshindernis betrachten und
aktiv zum Hindernis machen.“ Deshalb hat es
auch wenig Sinn, pauschal eines der beiden
Geschlechter als Verlierer der allgemeinbildenden Schulen auszumachen, für das besondere
pädagogische Maßnahmen zu ergreifen sind.
Denn, wie Boldt/Schütte (2006, S. 5) zu Recht

anmerken: „Eine bloße Korrektur von Defiziten greift in der pädagogischen Arbeit zu kurz.
Durch eine reine Thematisierung ihrer Defizite
lernen Menschen nichts hinzu.“ Vielmehr
kommt es darauf an die Schule so auszugestalten, dass sie ihrer Aufgabe adäquat nachkommen kann, Jungen und Mädchen zu fördern
sowie soziale Nachteile auszugleichen statt Ungleichheiten weiter zu verstärken.
Darüber hinaus sind auch die Befunde der
internationalen Leistungsvergleichsstudien
nicht so umfassend, wie es manchmal proklamiert wird. Dementsprechend sollten diese Ergebnisse als Anlass verstanden werden, die geschlechtliche Prägung (Vor- bzw. Nachteile für
Jungen oder Mädchen) in jedem schulischen
Fach, aber auch für alle Schularten weiter zu
untersuchen und zu prüfen, ob nicht schon
Möglichkeiten existieren, die beiden Geschlechtern gerecht werden (vgl. Stürzer 2003,
S. 113).

4. Ergebnisse und Perspektiven

Koedukationsdebatte mit umgekehrten
Vorzeichen?

Unverzichtbar bleibt, dass weder Jungen
unter eine Art Generalverdacht gestellt werden, noch Mädchen besondere Obhut benötigen – oder umgekehrt. Denn diese Annahmen würden nicht mehr als eine „pauschale Dichotomisierung“ (vgl. FaulstichWieland 2006, S. 265) darstellen, die den
vielfältigen Lebenswirklichkeiten der Kinder nicht gerecht wird.

Ausbildung und Weiterbildung von
Lehrerinnen und Lehrern
Die Lehrerinnen und Lehrer gehören für ihre
Schülerinnen und Schüler zu den wichtigsten
Bezugspersonen außerhalb der eigenen Familie, da sie nicht nur Wissen vermitteln sondern

55

eine Vorbildfunktion übernehmen und spezifische Werte und Normen der Institution Schule verkörpern (vgl. Nyssen 1994, S. 174). Daher
ist für eine geschlechtergerechte Bildung eine
entsprechende Schulung der Lehrkräfte notwendig, denn diese „müssen zunächst einmal
ein Bewusstsein davon entwickeln, dass sie als
mögliche Identifikationspersonen für Mädchen bzw. Jungen entscheidende Bedeutung in
gewinnen.“
deren
Sozialisationsprozess
(Kraul/Horstkemper 1999, S. 311) Eine Ausbzw. Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer sollte die folgenden geschlechterspezifischen Kompetenzen berücksichtigen, die auch
durch die zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung gespiegelt werden:

q

Historisch:
Lehrerinnen und Lehrer sollten Kenntnisse
von der historischen Bedeutung von Geschlechterhierarchien und dem langen Weg zur
Gleichberechtigung haben. Dazu gehören zumindest Kenntnisse über die Frauen- und
Männerbewegung, Zahlen und Fakten zur Situation der Männer und Frauen in der Gesellschaft sowie schulspezifisch die Entwicklung
der Koedukation in Deutschland.

q

Diagnostisch:
Um auf die heterogenen Bedürfnisse der Kinder eingehen zu können, brauchen die Lehrerinnen und Lehrer fundierte diagnostische
Kompetenzen. Dazu zählen auch die Fähigkeiten, die eigene Geschlechterrolle zu reflektieren und das Unterrichtsgeschehen geschlechtersensibel einschätzen zu können, über vielfältige Deutungsmuster zu verfügen und sich
der symbolischen Repräsentationen von Ungleichheit bewusst zu sein.

q

Didaktisch und methodisch:
Um den Interessen und unterschiedlichen Fähigkeiten der Jungen und Mädchen gerecht zu
werden, brauchen die Lehrer/innen die Kompetenz, ihren Unterricht methodisch vielfältig
zu gestalten. Es gilt, die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen integrieren zu können.
Dies spricht für eine Öffnung des Unterrichts
nach innen und außen. Darüber sollten sich
Lehrkräfte über die Dramatisierung der Geschlechter (z.B. bei monoedukativen Unterrichtsphasen) im Klaren sein sowie Strategien
zur Entdramatisierung entwickeln können.
Schließlich ist bei der Auswahl von Unterrichtsinhalten auf eine angemessene Präsenz von
Frauen und Männern zu achten.

q

Politisch:
Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist
innerhalb unserer Demokratie ein Grundrecht,
das aber bedeutungslos bleibt, wenn es nicht
von den Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen wird. Daher muss sich die Lehrerin/der Lehrer nicht nur in ihrer Rolle als Vorbild und als Vermittler/in demokratischer Prinzipien unserer Gesellschaft begreifen lernen,
sondern sollte darüber hinaus von der grundsätzlichen Veränderbarkeit gesellschaftlicher
(Geschlechter-)Verhältnisse überzeugt sein.

56

Diese Fähigkeiten und Haltungen bilden einen
spezifischen Begriff der Genderkompetenz für
Lehrerinnen und Lehrer, der die pädagogische
Aufgabe in den Mittelpunkt stellt, den Schülerinnen und Schülern neue und vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen, um die
eigene Geschlechteridentität in einer demokratisch geprägten Gesellschaft verwirklichen zu
können.
Zur Konzeption und für die Realisierung solcher Studienangebote sind als erstes die Hoch-

Der Ãœbergang von der Schule in die
Arbeitswelt
Dem Übergang von der Schule in die Arbeitswelt kommt für eine geschlechtergerechte Bildung besondere Bedeutung zu. Hier zeigt sich,
dass gute schulische Leistungen oft nicht ausreichen, um entsprechende Berufschancen zu
bekommen. Deshalb sind spezielle Maßnah-

men von den Regierungsverantwortlichen, der
Wirtschaft und auch von den Gewerkschaften
gefragt: Sowohl durch entsprechende Gesetze
und Strategien (z.B. Gender Mainstreaming)
als auch durch innovative Projekte (z.B. den
„Girls’ Day“ und „Neue Wege für Jungs“) können neue Berufsfelder für die Jugendlichen geöffnet werden. In der Schule sollten die Jugendlichen analog lernen, „die Zusammenhänge zu durchschauen und die Mechanismen zu
verstehen, nach denen soziale Ungleichheiten
nicht nur zwischen den Geschlechtern hergestellt werden,“ (Lemmermöhle 1997, S. 423),
denn gesellschaftlich produzierte Ungleichheit
gehört nach wie vor zu den Schlüsselproblemen unserer Gegenwart. Um Ungewissheit,
Ungerechtigkeit und Frustration gewachsen zu
sein, brauchen die Kinder und Jugendlichen
ein stabiles Selbstbild und die Gewissheit, dass
die in der Schule gelebten Werte trotzdem bzw.
erst recht weiter Geltung haben. In diesem Sinne zählt die Stärkung der Schülerinnen und
Schüler zu den wichtigsten Aufgaben der Schule als demokratische Institution.

4. Ergebnisse und Perspektiven

schulen und Studienseminare gefragt: Gerade
bei der Umstellung der traditionellen Staatsexamensstudiengänge auf Bachelor- und Masterstrukturen im Zuge des Bologna-Prozesses
ergibt sich die Chance, Genderkompetenz als
Lernziel stärker in der ersten und zweiten Phase der Lehrer/innenbildung zu verankern.
Durch die Entwicklung spezieller Module
könnte auch für die dritte Phase ein attraktives
Fortbildungsangebot geschaffen werden. Besonders interessant wäre eine Kooperation aller
Phasen: Studentinnen und Studenten sowie
Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst könnten so
von erfahrenen Lehrkräften einen guten Einblick in den Unterrichtsalltag bekommen und
diese wiederum hätten Gelegenheit, ihren Wissensstand zu aktualisieren sowie die eigenen
Handlungsmuster zu reflektieren und zu erweitern. Solch ein Modell setzt allerdings voraus, dass auch alle an der Ausbildung beteiligten Personen kooperieren wollen und Geschlechtergerechtigkeit als gemeinsames Ziel
akzeptiert wird. So könnten Reflexionen angestoßen werden, die zu Innovationen in der
Schulpraxis führen (vgl. Kraul/Horstkemper
1999, S. 311), wobei die Lehrer/innenbildung
als Motor für gesellschaftliche Veränderungen
fungierte. Dies ist ein Weg, das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit immer wieder neu zu
beleben und zu aktualisieren.

Mit zeitgemäßer Bildung Schule
verändern!
Ebenso wie sich die Gesellschaft wandelt,
braucht auch die Schule eine stete Weiterentwicklung, die die Erfordernisse und Bedürfnisse der Zeit berücksichtigt. Selbstverständlich
heißt das nicht, dass deshalb jeder neue Trend
in der Schule Einzug halten sollte; aber es zeigt
sich die Notwendigkeit einer fortgesetzten Diskussion über eine zeitgemäße Bildung, die – so
Faulstich-Wieland (2006, S. 267) – die „komplexen Zusammenhänge von individuellem
Verhalten, sozialen Interaktionen und institutionell-organisatorischen Maßnahmen berück-

57

sichtigen [muss], wenn Geschlechtergerechtigkeit erreicht werden soll“.
Die Schule ist für die Realisierung von Gleichberechtigung deshalb so wichtig, weil sie von
allen Kindern und Jugendlichen durchlaufen
wird. Dabei darf aber auch die Familie als „Sozialisationsinstanz“ (Nyssen 1994, S. 172)
nicht vergessen werden: Besonders die Eltern
spielen bei der Entwicklung der geschlechtlichen Identität ihrer Kinder eine maßgebliche
Rolle. Daher sollte die Beteiligung von Eltern
an der Schulentwicklungsarbeit verstärkt werden, um gemeinsam Konzepte entwickeln zu
können, die die Kinder und Jugendlichen optimal fördern. Es ist klar, dass dieser Vorschlag in
vielen Fällen eher eine Wunschvorstellung bleiben wird. Aber gerade dann, wenn die Kinder
nicht das Glück haben, sorgende und bildungsinteressierte Eltern zu haben, muss die
Schule es leisten, dass aus diesen Startbedingungen keine langfristigen schulischen Nachteile werden. (Vgl. Alleman-Ghionda 2006,
S. 354)
Eine dringende Maßnahme zur Verbesserung
des deutschen Schulwesens ist die Verringerung

58

der hohen Rückstellungs-, Wiederholungs- und
Förderschulüberweisungsquoten – insbesondere der Jungen. Andere Länder zeigen, wie man
ein Lernumfeld schaffen kann, von dem Mädchen und Jungen auch ohne Sitzenbleiben
gleichermaßen profitieren können. Die hohe
Selektivität in unserem Schulsystem wird vor
allem von konservativer Seite immer noch mit
der Annahme begründet, dass vermeintlich
leistungshomogene Gruppen die besseren Lernergebnisse erzielen könnten. Die vielfältigen
Fähigkeiten und Bedürfnisse der Kinder und
Jugendlichen machen aber deutlich, dass diese
These an der schulischen Realität schlicht vorbeigeht. Deshalb mahnt Röhner (2003, S. 11)
zu Recht an, dass das deutsche Bildungssystem
„insgesamt von der Fiktion der Homogenität
Abschied“ nehmen muss. Was engagierte Lehrerinnen und Lehrer mit ihrem Unterricht
schon längst gezeigt haben, sollte sich künftig
auch in den Strukturen des Bildungssystems
wiederfinden:
Es gilt, die Heterogenität der Schülerinnen
und Schüler konstruktiv als Chance für gemeinsames Lernen miteinander und voneinander zu nutzen.

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Heinzel, Friederike & Annedore Prengel (2001): Mädchen und Jungen in der Grundschule. In: Einsiedler, Wolfgang
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Grundschulpädagogik und Grundschuldidaktik. Bad Heilbrunn. S. 148-153.
Helmke, Andreas & Franz E. Weinert (1997): Bedingungsfaktoren schulischer Leistung. In: Weinert, Franz E. (Hg.):
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Hempel, Marlies (1994): Die Koedukationsdebatte – eine ‚nichtwestliche’ Perspektive. In: Büttner, Ujo & Helga
Endrejat, Britta Naumann (Hg.): Koedukation. Texte zur neuen Koedukationsdebatte. Frankfurt a.M. S. 41-50.
Horstkemper, Marianne (1987): Schule, Geschlecht und Selbstvertrauen. Eine Längsschnittstudie über Mädchensozialisation in der Schule. Weinheim.

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Horstkemper, Marianne (2002): Eine Schule für Jungen und Mädchen. In: Pädagogische Führung 2/2002, S. 58-59.

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Kiper, Hanna (1999): Feminismus und Bildungsbegriff: Eine kritische Auseinandersetzung. Oldenburg.
Koch-Priewe, Barbara (Hg.) (2002): Schulprogramme zur Mädchen und Jungenförderung. Die geschlechterbewusste
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Kraul, Magret & Marianne Horstkemper (1999): Reflexive Koedukation in der Schule. Evaluation eines Modellversuchs zur Veränderung von Unterricht und Schulkultur. Unter Mitarbeit von Achim Meis, Elisabeth Scherner
und Marissa Wetzel-Schumann. Mainz.
Kreienbaum, Maria Anna & Tamina Urbaniak (2006): Jungen und Mädchen in der Schule. Konzepte der Koedukation. Berlin.
Krohne, Julia Ann & Ulrich Meier, Klaus-Jürgen Tillmann (2004): Sitzenbleiben, Geschlecht und Migration –
Klassenwiederholungen im Spiegel der PISA-Daten. In: Zeitschrift für Pädagogik 50/2004, Heft 3. S. 373-391.
Kron-Traudt, Ulrike (1999): Neue Wege im Physik- und Chemieunterricht – ein Gymnasium erprobt den getrennten
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Koedukation in Theorie und Praxis. Dokumentation der zweiten landesweiten Tagung „Frauen und Schule
NRW e.V.“ September 1998. Bielefeld 1999. S. 125-152.
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Lemmermöhle, Doris (1997): Berufs- und Lebensgestaltung im gesellschaftlichen Modernisierungsprozess.
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Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, und dem Landesinstitut
für Schule (Hg.) (2005): Schule im Gender Mainstream. Denkanstöße - Erfahrungen – Perspektiven. Soest.
Im Internet unter: http://www.learn-line.nrw.de/angebote/gendermainstreaming/reader/
Nyssen, Elke (1994): „Aber ich behandle doch Mädchen und Jungen gleich.“ Über die Notwendigkeit der Frauenforschung in der LehrerInnenausbildung. In: Glumpler, Edith (Hg.): Koedukation. Entwicklungen und Perspektiven. Bad Heilbrunn. S. 162-179.
Nyssen, Elke (1996): Mädchenförderung in der Schule. Ergebnisse und Erfahrungen aus einem Modellversuch.
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OECD (Hg.): Lernen für die Welt von morgen. Erste Ergebnisse von PISA 2003. (Originalfassungen veröffentlicht
unter dem Titel: Learning for Tomorrow’s World – First Results from PISA 2003. Apprendre aujourd’hui,
réussir demain – Premiers résultats de PISA 2003. Paris 2004.
Im Internet unter: http://www.pisa.oecd.org/dataoecd/48/48/34474315.pdf

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Picht, Georg (1964): Die deutsche Bildungskatastrophe. Analyse und Dokumentation. Olten.
Prengel, Annedore (1999): Vielfalt durch gute Ordnung im Anfangsunterricht. Opladen.
Prengel, Annedore (2006): Anerkennung und Anforderungen. Zum Einstieg der Kinder in die widersprüchliche Welt
der Schule. In: Grundschulunterricht 5/2006. S. 12-15.
Prengel, Annedore (2006): Pädagogik der Vielfalt. Verschiedenheit und Gleichberechtigung in Interkultureller,
Feministischer und Integrativer Pädagogik. Wiesbaden. 3. Aufl. (1. Aufl. 1993).
Prenzel, Manfred & Jürgen Baumert, Werner Blum, Rainer Lehmann, Detlev Leutner, Michael Neubrand, Reinhard
Pekrun, Jürgen Rost, Ulrich Schiefele (Hg.) (2005): PISA 2003 – Der zweite Vergleich der Länder in Deutschland – Was wissen und können Jugendliche? Münster, New York, München, Berlin.
Preuss-Lausitz, Ulf (2005): Anforderungen an eine jungenfreundliche Schule. Ein Vorschlag zur Ãœberwindung ihrer
Benachteiligung. In: Die Deutsche Schule, 97/2005, Heft 2. S. 222-235.
Röhner, Charlotte (2004): Nach PISA und IGLU: Heterogenität und Leistung. In: Heinzel, Friederike & Ute Geiling
(Hg.): Demokratische Perspektiven in der Pädagogik. Wiesbaden. S. 63-72.
Röhner, Charlotte (2003): Bildungsverlierer: Jungen? Zur Koedukationsdebatte nach PISA. In: Praxis Schule 5-10,
14/2003, Heft 6. S. 11-15.
Roth, Gerhard (2004): Warum sind Lehren und Lernen so schwierig? In: Zeitschrift für Pädagogik. 50/2004, Heft 4.
S. 496-506.
Roth, Gabriele (2002): Reflexive Koedukation in der Grundschule. Ausgangslage und Handlungsperspektiven.
In: Die Deutsche Schule 94/2002, Heft 3. S. 340-354.
Spender, Stephen (1985): Frauen kommen nicht vor. Frankfurt.
Stanat, Petra & Mareike Kunter (2002): Geschlechterspezifische Leistungsunterschiede bei Fünfzehnjährigen im
internationalen Vergleich. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. 4/2002, Heft 1. S. 28-48.
Stanat, Petra & Mareike Kunter (2003): Kompetenzerwerb, Bildungsbeteiligung und Schullaufbahn von Mädchen
und Jungen im Ländervergleich. In: Deutsches PISA-Konsortium (Hg.): PISA 2000 – Ein differenzierter Blick
auf die Länder der Bundesrepublik Deutschland. Opladen. S. 211-242.
Stiller, Edwin (2006): Komplementäre Perspektiven auf Theorie und Praxis in einer reformierten Lehrerausbildung.
In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes, 53/2006, Heft 2-3. S. 328-339.
Strobl, Ingrid: Koedukation macht Mädchen dumm! Ein Plädoyer für Mädchenschulen? In: Emma 3/1981. S. 8-13.
Stürzer, Monika (2003): Geschlechtsspezifische Schulleistungen. In: Stürzer, Monika & Henrike Roisch, Annette
Hunze, Waltraud Cornelißen: Geschlechterverhältnisse in der Schule. Opladen. S. 83-122.
Thies, Wiltrud und Charlotte Röhner (2000): Erziehungsziel Geschlechterdemokratie. Weinheim.
Tiedemann, Joachim & Günter Faber (1995): Mädchen im Mathematikunterricht: Selbstkonzept und Kausalattribution im Grundschulalter. In: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie 27/1995.
S. 61-71.
Valtin, Renate & Christine Wagner, Knut Schwippert (2005): Schülerinnen und Schüler am Ende der vierten Klasse –
schulischen Leistungen, lernbezogene Einstellungen und außerschulische Lernbedingungen. In: Bos, Wilfried
& Eva-Maria Lankes, Manfred Prenzel, Knut Schippert, Renate Valtin, Gerd Günther (Hg.): IGLU.
Vertiefende Analysen zu Leseverständnis, Rahmenbedingungen und Zusatzstudien. Münster, New York, München. S. 187-238.
Wanzeck-Sielert, Christa (2004): „Eigentlich ist es der schönste Unterricht überhaupt!“ Die Rolle des ‚Lehr-Körpers’
in der Sexualerziehung. In: Die Grundschulzeitschrift 178/2004. S. 12-15.
Welz, Eberhard & Ulla Dussa (Hg.): Mädchen sind besser – Jungen auch. Konfliktbewältigung für Mädchen und
Jungen – ein Beitrag zur Förderung sozialer Kompetenzen in der Grundschule. Band 2: Curriculum und
Spiele. Berlin 1998.

62

Lesetipps

Für diejenigen, die sich diese Frage stellen, haben wir einige Lesetipps vorbereitet. Die Auswahl der hier vorgestellten Bücher bildet ein
Spektrum von der Praxis zur Theorie sowie von
der Beschreibung schulischen Alltags bis zur
Sammlung einschlägiger Hilfen für Lehrkräfte
und schulische Leitungspersonen.
Böttger, Gudrun & Renate Hein, Helena
Kügele,Angelika Reich, Margot Wichniarz
(2005):
Erziehen heißt bilden.
Eine Handreichung für Erzieherinnen und
Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, hg. vom
Landesinstitut für Schule und Medien
(LISUM). Berlin.
Zu bestellen bei Margot Wichniarz:
m.wichniarz@gmx.de
Mit der Handreichung legen Erzieherinnen
und Lehrerinnen das Ergebnis einer langjährigen konzeptionellen Arbeit an Berliner Schulen vor. Dabei gehen die Autorinnen von einem erweiterten Erziehungsauftrag aus, der es
sich zum Ziel macht, die Handlungskompetenz der Mädchen und Jungen in der Grundschule in fachlicher und methodischer sowie in
personaler und sozialer Hinsicht zu entfalten.
Nach einer Einleitung mit klaren Hinweisen
zur Umsetzung finden sich in der Handreichung, geordnet nach sieben Handlungsfeldern, gut 100 Praxisbeispiele für die Klassenstufen 1-6. Dabei werden Kooperationsmöglichkeiten zwischen Erzieher/innen und Lehrer/innen aufgezeigt, ohne die ein Ganztagsan-

gebot an der Schule undenkbar wäre. Die gedruckte Version ist übersichtlich und ansprechend gestaltet (Ordner im DinA4-Format).
Die CD-Version ermöglicht ebenfalls eine problemlose Handhabung. (Rezension: Christin
Grohn-Menard)

Lesetipps

Ein Literaturverzeichnis, das über 80 Einträge
umfasst, wirkt erst einmal abschreckend. Welches Buch wäre denn ein guter erster Zugang
zum Thema, das meinem Interesse besonders
entspricht?

Breidenstein, Georg & Helga Kelle
(1998):
Geschlechteralltag in der Schulklasse.
Ethnographische Studien zur Gleichaltrigenkultur. Weinheim, München.
ISBN: 3779902036
Welchen Gebrauch machen Kinder zwischen
neun und zwölf Jahren von der Geschlechterunterscheidung? Diese Frage haben Breidenstein und Kelle mit ethnographischen Methoden – in teilnehmenden Beobachtungen und
in Interviews – in den Klassen der Jahrgänge
vier bis sechs untersucht. Ergebnis der Auseinandersetzung mit alltäglichen Praktiken wie Ärgern, Lästern, Erzählen, Kommentieren oder
Spielen ist eine kulturanalytische Beschreibung
geschlechtsspezifischer Situationen des Schulalltags. Zunächst beschreiben Breidenstein und
Kelle, wie Mädchen und Jungen die soziale
Sortierung nach Beliebtheit, Freundschaften
und Cliquen erleben. Sodann arbeiten sie heraus, welche Bedeutungen die Kinder der
Inszenierung von Geschlechtlichkeit, Verliebtheit und Sexualität zuschreiben. Schließlich
zeigt sich in den Konzepten und Alltagstheorien der Kinder, dass das andere Geschlecht die
„Konstruktion eines grundlegend Anderen inmitten des allzu Bekannten“ (S. 269) ermöglicht, was sowohl Fremdheits- und Verunsicherungsgefühle als auch den besonderen Reiz der
Geschlechterdifferenz erklären kann. (Rezension: Frauke Gützkow)

63

Faulstich-Wieland, Hannelore & Martina Weber, Katharina Willems (2004):
Doing Gender im heutigen Schulalltag.
Empirische Studien zur sozialen Konstruktion von Geschlecht in schulischen Interaktionen. Weinheim.
ISBN: 3779916673
Die Autorinnen untersuchen empirisch den
Schulalltag in Bezug auf die Geschlechterkategorie, allerdings auf hohem wissenschaftlichem
Niveau. Die Kapitel „Spielräume“ bieten mit
ihren sehr genau wiedergegebenen Beobachtungen von Outfits, Positionskämpfen und
verschiedenen anderen Verhaltensrepertoires
von Mädchen und Jungen sehr gute Möglichkeiten, die eigene schulische Realität geschlechterbewusst zu reflektieren: Ein hoher Wiedererkennungswert ist garantiert.
Lehrerinnen und Lehrer können Gewinn für
ihre Schulpraxis ziehen, wenn sie bereit sind,
sich mit differenzierten Untersuchungen über
Strukturbedingungen von Schulklassen (Fluktuation, Stabilität, Integration) und von Orten
und Räumen in der Schule zu beschäftigen.
Anregungen für die Unterrichtspraxis bietet
dieses Buch im letzten, sehr kurzen Kapitel
„Pädagogische Reflexionen“, allerdings nicht
fächerbezogen, sondern für die Selbstreflexion
und die Interaktionsweise. (Rezension: Hilke
Emig)

Koch-Priewe, Barbara (Hg.):
Schulprogramme zur Mädchen- und Jungenförderung. Die geschlechterbewusste
Schule.
Weinheim.
ISBN: 3407252587
Der Band vereinigt mehrere gute Beispiele aus
der Praxis der Implementierung von geschlechterbewussten Projekten und Vorhaben an Schulen. Im Blick sind vor allem Beispiele, wie geschlechterbewusstes Handeln in Schulprogramme umgesetzt werden kann.
Die meisten Beiträge thematisieren Mädchenund Jungenförderung an Schulen, wobei der
theoretische Zusammenhang im Rahmen der
Reflexiven Koedukation und der genderorientierten Pädagogik in einem einleitenden Kapitel aufgearbeitet wird.
Die Beiträge, die aus allen Schularten stammen, gehen auch auf Hürden und Widerstände bei den Vorhaben ein, sei es bei Lehrkräften,
der Schulleitung oder bei den Eltern. Durch
diese Erfahrungsberichte ist der Band sehr hilfreich bei dem Vorhaben, Ähnliches an der eigenen Schule umzusetzen. (Rezension: Dorothee Wetzel)

Kreienbaum, Maria Anna & Tamina Urbaniak (2006):
Jungen und Mädchen in der Schule.
Konzepte der Koedukation. Berlin.
ISBN: 3589221410
Zunächst wird mit einer kurzen historischen
Einordnung das eigene Erleben in Beziehung
zu den – durchaus nicht selbstverständlichen –
Grundannahmen gesetzt. Dabei wird auch gesellschaftliche Realität als veränderbar erkannt.
Die Geschlechterkonstruktionen, also die Vor-

64

Ministerium für Schule, Jugend und
Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen
(Hg.) (2005):
Schule im Gender Mainstream.
Denkanstöße – Erfahrungen – Perspektiven. Soest.
ISBN: 3816545254
Im Internet zum Download verfügbar unter: http://www.learn-line.nrw.de/angebote/gendermainstreaming/reader/
Der Reader enthält eine Sammlung von 48
Aufsätzen mit Anregungen, Grundlagen- und
Diskussionsbeiträgen sowie Praxisbeispielen
unterschiedlicher Autorinnen und Autoren aus
Wissenschaft und Schulpraxis. Hier finden sich
u.a. Beispiele zur Reflexiven Koedukation, zur
Gewaltprävention und zur Jungenarbeit, ferner
auch Möglichkeiten für eine genderbewusste
Lehramtsaus- und -weiterbildung. In den Artikeln werden neben systemischen Handlungsfeldern (wie Organisations- und Personalentwicklung unter der Geschlechterperspektive)
auch Themen wie geschlechtsbewusste Kommunikation oder Ressourcenbewirtschaftung

im Schulalltag behandelt. Ein Schwerpunkt des
Readers liegt auf der Umsetzung des Gender
Mainstreaming im Unterricht und Schulprogramm. Der Reader richtet sich sowohl an Leitungsmitglieder in der Schule als auch an Lehrerinnen und Lehrer. (Rezension: Lisa GlagowSchicha)

Lesetipps

stellungen von Frauen- und Männerrollen werden im zweiten Teil gespiegelt an praktischen
pädagogischen Ansätzen. Der dritte Teil referiert ausgewählte Studien aus der Koedukationsforschung und ihre Bedeutung für die
Schulpraxis. Im letzten Teil schließlich stellen
die Autorinnen pädagogische Ansätze (auch
Inhalte und Methoden) vor und geben gut
nachvollziehbare Anregungen für die konkrete
Umsetzung in der Schule.
Das Buch besticht durch die Klarheit des Aufbaus und die gut lesbare Sprache. Es eignet sich
besonders gut als Einführung. (Rezension: Hilke Emig)

Prengel, Annedore (2006):
Pädagogik der Vielfalt.
Verschiedenheit und Gleichberechtigung in
Interkultureller, Feministischer und Integrativer Pädagogik. Wiesbaden. 3. Aufl.,
(1. Aufl. 1993).
ISBN: 353114622X
Die Lebenswelten der Kinder sind geprägt von
Gleichheit und Vielfalt – in der Familie und
der Schule, bei den persönlichen Vorlieben,
Stärken und Schwächen, Traditionen und Werten. Die Grundschulpädagogin Annedore
Prengel konzipiert in diesem Grundlagenwerk
der inklusiven Pädagogik ein Modell zur Wertschätzung der Verschiedenheit. Dieses Modell
ist eine demokratische Antwort auf die Frage
nach einem angemessenen Umgang mit den
heterogenen Voraussetzungen und Bedürfnissen der Kinder, das sie (ausgehend von einer
Analyse der Theorie und Geschichte von
Gleichheit und Verschiedenheit) für die drei
Bereiche Interkulturelle Pädagogik, Feministische Pädagogik und Integrationspädagogik entfaltet. (Rezension: Frauke Gützkow)

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Geburtsdatum

Nationalität

gewünschtes Eintrittsdatum

Telefon

bisher gewerkschaftlich organisiert bei

von/bis

(Monat/Jahr)

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Stufe

Fachgruppe

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Betrieb/Dienststelle

Träger des Betriebs/der Dienststelle

Straße/Nr. des Betriebs/der Dienststelle

Postleitzahl,Ort des Betriebs/der Dienststelle

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angestellt
beamtet
in Rente

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pensioniert
Altersübergangsgeld
arbeitslos

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Honorarkraft
beurlaubt ohne Bezüge
im Studium

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befristet bis
teilzeitbeschäftigt mit

Std./Woche

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ABM
Sonstiges

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