Frauen in der GEW Eine Schule für Mädchen und Jungen Praxishilfe mit Unterrichtsentwürfen für eine geschlechtergerechte Bildung Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Impressum: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hauptvorstand Reifenberger Str. 21, 60489 Frankfurt a. M. Tel.: 069/78973-0, Fax: 069/78973-103 E-Mail: info@gew.de www.gew.de Verantwortlich: Anne Jenter, Ulf Rödde Redaktion: Hilke Emig, Stefanie Eßwein, Hannelore Gieseker, Lisa Glagow-Schicha, Frauke Gützkow, Gisela Lindemann, Dagmar Poetzsch, Marlis Tepe, Dorothee Wetzel Gestaltung und Satz: Jana Roth Fotos: David Ausserhofer (Titel, S. 31, S. 33, S. 41, S. 43, S. 47, S. 51), Nico Schmidt (S. 49) Druck: apm März 2007 ISBN 978-3-939470-10-6 GEW-Shop – Artikel-Nr.: 1199 Die Broschüre erhalten Sie im GEW-Shop (www.gew-shop.de, E-Mail: gew-shop@callagift.de, Fax: 06103-30332-20), Mindestbestellmenge: 10 Stück, Einzelpreis 1,50 Euro, Preise zzgl. Verpackungs- und Versandkosten von zurzeit 6,96 Euro brutto. Einzelbestellungen an: sekretariat.frauenpolitik@gew.de. Eine Schule für Mädchen und Jungen Praxishilfe mit Unterrichtsentwürfen für eine geschlechtergerechte Bildung Studie im Auftrag der Max-Traeger-Stiftung erstellt von Prof. Dr. Friederike Heinzel, Rabea Henze und Sabine Klomfaß an der Universität Kassel Inhalt Vorwort 1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung 7 8 q q q q q q q q Von Schulleistung und Berufschancen Schulleistung und Geschlecht PISA (Programme for International Student Assessment) IGLU (Internationale Grundschulleseuntersuchung) Koedukation in Deutschland – geschlechtergerecht? Die Weiterentwicklung: Reflexive Koedukation „Männer sind anders, Frauen auch“ (John Gray) – Die differenzfeministische Sichtweise „Man wird nicht als Frau geboren, zur Frau wird man gemacht“ (Simone de Beauvoir) – Die konstruktivistische Sichtweise q Doing Gender – Doing Student q Geschlechtergerechte Bildung anbahnen 2. Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung 20 q A) An der eigenen Lehrer/innenrolle arbeiten q B) Den Unterricht geschlechtergerecht gestalten q C) Die Schule als demokratische Institution weiterentwickeln 3. Aus der Praxis ... in die Praxis! q q q q q q q q q q q q Quiz: Was kann ein Junge nicht? Was kann ein Mädchen nicht? Barbie, Ken und der Versandhaus-Katalog Grundrechte: Mädchen und Jungen sind gleichberechtigt Väterabend: „Was erlebe ich mit meinen Kindern?“ Die Rolle des ‚Lehr-Körpers’ in der Sexualerziehung Die 24-Stunden-Uhr Freiarbeit im Mathematikunterricht Mädchen und Jungen lesen anders und anderes Kinderalltag in Deutschland – heute und früher Berufswahlorientierung: Elternarbeit – Konzept einer Seminarreihe Das Rollenbild in der Schöpfungsgeschichte Schulprogramm Stieghorst 4. Ergebnisse und Perspektiven q q q q 29 54 Koedukationsdebatte mit umgekehrten Vorzeichen? Ausbildung und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern Der Übergang von der Schule in die Arbeitswelt Mit zeitgemäßer Bildung Schule verändern! Literatur Lesetip 59 63 5 6 Liebe Leserinnen und Leser, Kinder und Jugendliche brauchen eine geschlechtergerechte Schule, damit sie sich als Individuen entfalten können und nicht als das typische Mädchen, der typische Junge gesehen werden. Wie das abstrakte Ziel der Geschlechtergerechtigkeit mit Leben gefüllt werden kann und was das Rollenverständnis von Lehrerinnen und Lehrern damit zu tun hat, waren die Ausgangsfragen für diese Broschüre, die sich als Praxishilfe für den Schulalltag versteht. Wir wollen Sie/Dich anregen, an der einen oder anderen Stelle den eigenen Unterricht zu reflektieren und den Blick zu öffnen für die Geschlechterverhältnisse in der Schule. Wir möchten Sie/Dich auch ermutigen, etwas Neues auszuprobieren. Dazu bieten wir in dieser Broschüre vier Wege an: Das Kapitel 1 „Jungen und Mädchen in der Schule – eine kleine Einführung“ ist eine Einschätzung von Ergebnissen aus der schulischen Geschlechterforschung. Das Kapitel 2 „Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung“ ist eine Anregung in Frageform, sich mit der eigenen professionellen Haltung, der Unterrichtsgestaltung und der Schule als Institution auseinander zu setzen. In Kapitel 3 „Aus der Praxis … in die Praxis“ wird bereits erprobte Praxis zur geschlechtergerechten Bildung beschrieben. In Kapitel 4 „Ergebnisse und Perspektiven“ erfolgt eine bildungspolitische Verortung des Anliegens der geschlechtergerechten Bildung. Ein ausführliches Literaturverzeichnis und Lesetipps der Redaktion geben weitere Anregungen. An Sie/Euch, die Leserinnen und Leser dieser Praxishilfe habe ich die Bitte, uns über die Erfahrungen mit Aktivitäten zur geschlechtergerechten Bildung im Unterricht und an der Schule zu informieren. Wir freuen uns über Rückmeldungen an: sekretariat.frauenpolitik@gew.de. Anne Jenter Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands der GEW 7 1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung Nicht erst seit den internationalen Schulleistungsvergleichsstudien PISA, IGLU u.a. wissen wir, dass die Leistungen von Schülerinnen und Schülern geschlechterspezifisch variieren. Meist wird salopp gesagt, dass Mädchen im sprachlichen, Jungen dafür im physikalisch-technischen Bereich bessere Leistungen erzielen. Diese Feststellung ist zwar eindrucksvoll, aber sie hilft nicht, zu verstehen, wodurch die geschlechterspezifischen Leistungsdifferenzen entstehen und wie man ihnen begegnen kann. Man muss sich aber über die Gründe im Klaren sein, wenn man ernsthaft daran interessiert ist, für Jungen und Mädchen eine geschlechtergerechte Bildung zu gestalten. Geschlechtergerecht – das heißt zunächst, dass Jungen und Mädchen gemäß ihrer Population mit vergleichbaren Leistungen in den Bildungsinstitutionen vertreten sein sollten. Die Ansprüche einer geschlechtergerechten Bildung sind jedoch wesentlich umfassender: Sie zielen auf die Befähigung zur Selbstbestimmung in sozialer Verantwortung, aber auch auf das Recht, sich frei entfalten und nach eigenen Vorstellungen glücklich werden zu können. Dazu gehört selbstverständlich auch, dass niemand aufgrund des Geschlechts benachteiligt, also in seinen Rechten eingeschränkt werden darf. Eine geschlechtergerechte Bildung verfolgt daher zwei grundsätzliche Anliegen: Auf der einen Seite formuliert sie ein Erziehungsund Bildungsprogramm, das auf die individuelle Förderung und Persönlichkeitsstärkung der einzelnen Jungen und Mädchen zielt. Auf der anderen Seite nimmt sie politisch institutionelle Rahmenbedingungen 8 in den Blick. Die geschlechtergerechte Bildung setzt somit ein Bewusstsein für Geschlechterfragen (im Sinne von „geschlechterbewusster“ oder „geschlechtersensibler“ Pädagogik) notwendig voraus. Von Schulleistung und Berufschancen Oft sind geschlechterbedingte Einschränkungen im Bildungsbereich auf den ersten Blick nicht zu sehen. Trotzdem hat der GEW-Gender-Report (2004, S. 4) geschlechtstypische Bildungsverläufe in allen Bildungsbereichen festgestellt. Wenn diese Typik dann mit geschlechtsspezifischen Einschränkungen verbunden ist, spricht man von ‚unsichtbaren Hürden’, die erst auf den zweiten Blick erkennen lassen, dass die Chancen nicht geschlechterparitätisch vergeben sind. Die Verteilung von Bildungsabschlüssen und Führungspositionen macht solche Ungleichgewichte besonders deutlich: Seit 1992 schließen mehr Mädchen als Jungen ihre Schulbildung mit einem Abitur ab. An den Realschulen herrscht in etwa Geschlechterparität, während an den Hauptschulen die Jungen überwiegen. Überrepräsentiert sind sie an den Förderschulen: Hier halten die Jungen einen Anteil von über 60 Prozent. Während des Studiums hingegen scheint Geschlechtergerechtigkeit zunächst erreicht: Es gab im Jahr 2004 fast so viele Hochschulabsolventinnen wie -absolventen, allerdings verändert sich das Geschlechterverhältnis an den Hochschulen anschließend (bei den Promotionen und Habilitationen) stark zu Gunsten der Männer. Ein differenzierterer Blick auf die Studierenden zeigt darüber hinaus, dass es im Hochschulbereich nach wie vor deutliche Geschlechter- Bei den Berufswahlen offenbaren sich noch deutlicher geschlechterspezifische Unterschiede: So stellten die Männer im Jahr 2005 über 95 Prozent der Ausbildungsanfänger in den Metall- und Elektroberufen. Auch in den Bauund Verkehrsberufen liegt der Anteil der Männer bei mehr als 90 Prozent. Überproportional viele Frauen in Verwaltungs- und Büroberufen (72,7 Prozent), Körperpflege-, Hauswirtschaftsund Reinigungsberufen (79,3 Prozent) sowie bekanntermaßen im Dienstleistungssektor (vgl. Berufsbildungsbericht 2006, S. 56f.). Der Blick auf unser Handlungsfeld Schule zeigt, dass es seit einiger Zeit mehr Lehrerinnen als Lehrer gibt: Rechnet man alle Vollzeit-, Teilzeit- und Stundenkräfte zusammen, beträgt der Frauenanteil 67 Prozent, der aber aufgeschlüsselt nach Schularten stark differiert (vgl. Tabelle). Nur bei den Abendrealschulen und -gymnasien finden sich mehr Männer als Frauen. Bei den Gymnasien ist das Geschlechterverhältnis der Lehrkräfte in etwa gleich. Besonders hoch ist der Frauenanteil in den Förderschulen (drei Viertel) und in den Grundschulen (mehr als vier Fünftel). Frauenanteil der Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen in Prozent Grundschulen 85 Schulartunabhängige Orientierungsstufe 77 Hauptschulen 57 Realschulen 62 Gymnasien 52 Integrierte Gesamtschulen 59 Freie Waldorfschulen 59 Sonderschulen/Förderschulen 75 Abendhauptschulen 58 Abendrealschulen 43 Abendgymnasien 47 Kollegs 55 Insgesamt 67 Quelle: Statistisches Bundesamt: Allgemeinbildende Schulen – Schuljahr 2004/05 (Fachserie 11 Reihe 1 – 2004/05. Im Internet unter: http://www-ec.destatis.de). Eigene Berechnungen, Zahlen gerundet Diese Daten aus den Schul-, Hochschul- und Berufsfeldern weisen darauf hin, dass die alte Rechnung „bessere Bildungsabschlüsse gleich bessere berufliche Chancen“ seit einiger Zeit für Jungen und Mädchen nicht in derselben Weise stimmt. Wenn man nämlich das Geschlecht berücksichtigt, zeigt sich ein differenzierteres Bild bei den Schulabschlüssen und mit umgekehrtem Vorzeichen bei den Berufsund Studienwahlen: Statistisch gesehen haben Mädchen Vorteile in den Schulen und Nachteile in der Berufswelt, während es sich für die Jungen anders herum darstellt. Zwischen Schule und Beruf tritt so ein Bruch auf, der offensichtlich etwas damit zu tun hat, wie die Jugendlichen ihre persönliche Lebensplanung 1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung 1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung unterschiede bei den Studienfachwahlen gibt: Die Studentinnen dominieren mit über 70 Prozent die Sprach- und Kulturwissenschaften sowie mit mehr als 60 Prozent die Bereiche Kunst und Medizin, während die Studenten in den Ingenieurwissenschaften mit knapp 80 Prozent sowie in Mathematik und den Naturwissenschaften mit über 62 Prozent vorherrschen (vgl. GEW-Gender-Report 2004, S. 9). 9 mit der Übernahme geschlechtsspezifischer Rollenerwartungen vereinbaren (vgl. Crotti 2006). Ein Blick in die 15. Shell Jugendstudie zeigt, dass sich dabei die jungen Frauen mehr Spielraum für die Vereinbarung von Karriere und Familie wünschen und eine traditionelle Hausfrauenrolle zunehmend ablehnen. Die jungen Männer allerdings befürworten „nach wie vor insbesondere bei der Kindererziehung die traditionelle Arbeitsteilung der Geschlechter“ (Albert et al. 2006, S. 37), was darauf zurückgeführt wird, dass „die ehrgeizige Generation junger Frauen von einem Teil der jungen Männer als ernsthafte Gefährdung ihres Erfolgs auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen“ (ebd.) wird. Diese Abwehrstrategie der jungen Männer in Bezug auf neue Rollenerwartungen werde verstärkt durch tradierte Männerbilder, die es den Jungen weitgehend verbieten, ihre Ängste oder Unsicherheit auszudrücken. Die viel zitierten internationalen Schulleistungsvergleichsstudien der letzten Jahre erbrachten darüber hinaus einen alarmierenden Befund: In Deutschland haben TIMSS, PISA und IGLU den allgemeinbildenden Schulen bescheinigt, dass sie Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen eher verstärken statt abzubauen. So ist als erstes festzuhalten: Geschlechterspezifische Schulleistungsunterschiede sowie die Frage nach den beruflichen Chancen und der individuellen Lebensplanung von Schülerinnen und Schülern machen es notwendig, die inhaltliche und organisatorische Gestaltung von Unterricht und Schule sowie die Aus- und Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer mit dem Ziel einer geschlechtergerechten Schule weiterzuentwickeln. 10 Schulleistung und Geschlecht Warum ist es eigentlich so schwierig, eine Schule zu gestalten, in der Jungen und Mädchen vergleichbar gute Leistungen erreichen? Um zu verstehen, welche verzwickte Rolle das Geschlecht für die schulischen Leistungen spielt, müssen wir uns zunächst ansehen, wie das Lernen als Grundlage für Schulleistung überhaupt funktioniert: In der pädagogischen Lehr-/Lernforschung gilt dabei die grundsätzliche Annahme, dass Wissen nicht übertragen und schon gar nicht eingetrichtert werden kann, sondern von den Lernenden immer selbst geschaffen werden muss. Lernprozesse sind abhängig von vielen Faktoren: Lernabsichten, Selbstwirksamkeit, Arbeitsgewohnheiten, Aufmerksamkeit, Anstrengung, Handlungsstrategien, Vorwissen, Selbstkontrollfähigkeiten, Familie, Freundeskreis etc. (vgl. Helmke/Weinert 1997, S. 105). Ähnlich wie der eigene Name gehört das Geschlecht dabei zu den Dingen, die für den Lernenden immer anwesend, d.h. „omnipräsent“ sind. Kreienbaum und Urbaniak beschreiben diese Omnipräsenz des eigenen Geschlechts sehr anschaulich als eine Art „Hut“, der aufgesetzt und vorgezeigt wird (Kreienbaum/Urbaniak 2006, S. 48): Egal, was man macht – man tut es immer entweder als Junge oder Mädchen, Mann oder Frau. Die Wahrnehmung der Menschen in der Gesellschaft ist also generell geschlechtlich gefärbt. Durch diese Omnipräsenz mischt sich die Geschlechterkategorie in vielfacher Weise unter die Determinanten, die das Lernen beeinflussen: q Die von den Eltern tradierten Vorstellungen prägen die Werte und Normen der Kinder in der Regel sehr stark und legen früh fest, was für Mädchen und Jungen wünschenswert ist. dabei vielfältig und teilweise auch sehr umstritten. Grundsätzlich können alle diese Studien aber auf zwei unterschiedliche Erklärungsansätze zurückgeführt werden: q Der biologische Ansatz Die Ursachen für die geschlechterspezifischen Leistungen werden in biologischen Unterschieden gesucht, vor allem in der Funktionsweise des Gehirns oder dem Einfluss von Geschlechtshormonen. Beispielsweise wurde lange Zeit angenommen, dass Jungen ein besseres räumliches Vorstellungsvermögen entwickeln könnten als Mädchen, was auf genetische Unterschiede zurückgeführt wurde. Dieser Erklärungsansatz konnte empirisch allerdings bislang nicht belegt werden (vgl. Friedmann 1995). So unterschiedlich, wie die Erfahrungen mit der eigenen Geschlechtlichkeit und der damit verbundenen Sozialisation sind, so verschieden wird davon auch das Lernen beeinflusst. Allerdings prägen sich schon früh bestimmte geschlechtsspezifische Muster aus. Aus dem Unterricht in den Grundschulen wissen wir beispielsweise, dass die Kinder sich sehr oft vom anderen Geschlecht abgrenzen möchten (vgl. Heinzel/Prengel 2001, S. 149). Mit zahlreichen Studien wurde versucht, die Relevanz des Geschlechts für die Schulleistung genauer zu bestimmen. (Übersichten über die wichtigsten Studien geben u.a. Kreienbaum/Urbaniak 2006.) Die Forschungsfragen und Befunde sind Der sozialisationstheoretische Ansatz In dieser Theorie werden Geschlechterunterschiede auf unterschiedliche Rollenerwartungen an Mädchen und Jungen im Verlauf ihrer Sozialisation zurückgeführt. Zum Beispiel wurde die These aufgestellt, dass zwischen den Schulleistungen der Jungen und dem Anteil der männlichen Grundschullehrer sowie der Arbeitslosenquote in den Bundesländern eine Abhängigkeit bestehe (vgl. Diefenbach/Klein 2002): Da den Jungen in den Schulen die männlichen Vorbilder und Bezugspersonen fehlten, würden sie öfter als faul oder störend wahrgenommen und in Folge dessen eine Tendenz zum Schulversagen entwickeln, was wiederum den Bezug zur Arbeitslosenquote erklären soll. Indessen sind die Ergebnisse dieser Studie nach wissenschaftlichen Standards fraglich, da nicht die q Aus der psychologischen Schulforschung ist auch bekannt, welche wichtige Rolle die Lehrperson als Frau oder Mann für die Schülerinnen und Schüler spielt (vgl. Roth 2004, S. 501). Die Lehrerinnen und Lehrer brauchen einen Zugang, der den einzelnen Schüler und die einzelne Schülerin sieht und wertschätzt, so dass ein Vertrauensverhältnis aufgebaut werden kann. Wenn das Interesse eines Kindes schon früh für ein bestimmtes Thema geweckt wurde, kann es später an mehr Vorwissen anknüpfen und so leichter lernen. Die frühesten Lernerfahrungen sind aber oft schon geschlechterspezifisch geprägt, z.B. durch das Spielzeug. 1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung Auch die Freunde und Freundinnen werden mit zunehmender Bewusstheit des eigenen Geschlechts geschlechtsspezifisch stereotypisiert: Malen gilt schnell mal als ‚Mädchenkram’ und Experimentieren ist ‚Jungensache’. Wen wundert es dann, dass sich diese geschlechterstereotype Einteilung der Welt in den Unterrichtsfächern wiederfindet? 11 Entwicklung der Kinder und Jugendlichen über einen längeren Zeitraum qualitativ untersucht, sondern nur quantitativ verschiedene Durchschnittswerte miteinander verglichen wurden. Diese Beispiele für jeweils eine biologisch- und eine soziologisch-orientierte Studie zeigen vor allem eines: Einfache Antworten und einseitige Schlussfolgerungen scheinen nicht angemessen erklären zu können, wie es zu den geschlechtsspezifischen Leistungsunterschieden kommt (vgl. Helmke/Weinert 1997, S. 105). Das Geschlecht kann weder als eine angeborene und daher unwandelbare Eigenschaft des Lernenden noch als rein gesellschaftliches Konstrukt verstanden werden, sondern man braucht eine differenziertere Betrachtungsweise. Besonders vielversprechend könnte somit ein Erklärungsmodell sein, das sowohl biologische als auch sozialisationstheoretische Faktoren berücksichtigt. Die Leistungsvergleichsstudie PISA geht von einem solchen Modell aus. Im Folgenden wird dieser Ansatz und seine Ergebnisse insbesondere hinsichtlich der Lesekompetenz der 15-jährigen deutschen Schülerinnen und Schüler vorgestellt. PISA (Programme for International Student Assessment) Die PISA-Autorinnen Stanat und Kunter gehen davon aus, dass „Geschlechterunterschiede in kognitiven Leistungen sowohl durch biologische Faktoren als auch durch Umwelteinflüsse“ (Stanat/Kunter 2003, S. 218) zustande kommen. Bei den biologischen Unterschieden der kognitiven Leistungsfähigkeit von Jungen und Mädchen handele es sich um bestimmte 12 Neigungen oder Tendenzen, die z.B. auf hormonelle Prädispositionen zurückgeführt werden könnten. Da diese Unterschiede sehr gering seien, könnten sie durch entsprechende Übungen leicht ausgeglichen werden. Laut Stanat und Kunter besteht allerdings in der Umwelt „eher eine Tendenz, die biologisch verankerten Lernneigungen von Mädchen und Jungen zu verstärken“ (ebd.), indem entsprechende Erwartungen ausgebildet werden, die die Lernerfahrungen geschlechtsspezifisch prägen: Hat z.B. ein Mädchen Probleme mit ihren Mathematikaufgaben, wird dies immer noch viel zu oft auf ihr Geschlecht geschoben, anstatt zu überlegen, wie dieses Mädchen beim Lernen unterstützt werden könnte. Stichwort: Lesekompetenz PISA 2000 hat gezeigt, dass nicht nur in Deutschland, sondern in allen Teilnehmerstaaten die Mädchen über eine durchschnittlich größere Lesekompetenz verfügen als die Jungen. Vor allem das Analysieren literarischer Texte macht vielen Jungen Probleme, während die Leistungsunterschiede im Bereich der Sachtexte nicht so groß sind. Auch das Interesse am Lesen variiert enorm: In Deutschland berichteten über die Hälfte aller Jungen, aber nur gut ein Viertel der Mädchen, dass sie ungern freiwillig lesen würden. Jungen sind also viel weniger zum Lesen motiviert als Mädchen. Die Motivation scheint allerdings sehr entscheidend für die Lesekompetenz zu sein, denn die PISA-Daten zeigen auch, dass die Leistungsunterschiede zwischen Jungen und Mädchen vor allem bei Sachtexten verschwinden, wenn man Schüler und Schülerinnen mit ähnlich ausgeprägtem Leseinteresse vergleicht. Außerdem betonen Stanat und Kunter, dass der Überlappungsbereich (d.h. die Streuung) Die PISA-Autorinnen führen die unterschiedlichen Muster in der Bildungsbeteiligung von Jungen und Mädchen auch auf die durchschnittlichen Leistungsvorteile der Mädchen im sprachlichen Bereich zurück, denn die Lesekompetenz scheint eine besondere Bedeutung für die Zuweisung zu den weiterführenden Schulen zu haben. Damit schließt ihre Interpretation an eine Studie von Lehmann, Peek und Gänsfuß (1997) an, die beobachteten, dass die Deutschnote für die Gymnasialempfehlung ausschlaggebender ist als z.B. die Mathematiknote. Auch die Zuweisung auf Förderschulen werde oft mit besonderen Problemen im Leseund Rechtschreibbereich begründet (vgl. Brügelmann 1994). Hinzu kommt das Ergebnis von PISA, dass nur ein Viertel der 15-jährigen, deren Lesekompetenz unterhalb des Niveaus der ersten Kompetenzstufe gemessen wurde, in Deutschland ihre Schullaufbahn ohne Verzögerungen durchlaufen. Für diejenigen, die diese Lesekompetenzstufe erreichen, ist die Chance auf ein Absolvieren ohne Zurückstellung und ohne Sitzenbleiben doppelt so groß. (Artelt u.a. 2001, S. 118f.) Da vor allem die Jungen die erste PISA-Lesekompetenzstufe nicht erreichen, sind sie beim Sitzenbleiben folglich besonders stark betroffen. Stichwort: Mathematische Kompetenz PISA 2003 (Prenzel et al. 2005) hat schwerpunktmäßig die mathematische Kompetenz der Jungen und Mädchen untersucht. Dabei haben sich die erwarteten Geschlechterunterschiede im Großen und Ganzen bestätigt, allerdings sind die Differenzen nicht so gravierend wie bei der Lesekompetenz. Auch hat sich erneut gezeigt, dass das Selbstkonzept der Mädchen in Bezug auf die Einschätzung ihrer eigenen Leistungen nicht so stark ausgeprägt ist wie bei den Jungen. Das heißt, dass die Mädchen in den Naturwissenschaften und Mathematik ihre eigenen Leistungen viel niedriger einschätzen als die Jungen, selbst wenn die getesteten Leistungen gleichgut oder sogar besser waren (vgl. Tiedemann/Faber 1995). Diese Befunde sehen bei Schülerinnen und Schülern am Ende der Grundschulzeit noch anders aus – das hat die internationale Grundschulleseuntersuchung IGLU belegt. IGLU (Internationale Grundschulleseuntersuchung) 1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung bei den PISA-Tests sehr groß war: Kurz gesagt bedeutet das, dass mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede zwischen den Schulleistungen der Jungen und Mädchen in den gemessenen Kompetenzbereichen bestehen. Also scheint es auch aussichtsreich, durch gezielte Förderung einen entsprechenden Abbau der Leistungsunterschiede zu erreichen. Zwar ist die Freude an Mathematik in der vierten Klasse bei den Jungen größer als bei den Mädchen, aber das Selbstkonzept unterscheidet sich nicht signifikant. Jungen und Mädchen vertrauen gleichermaßen gut auf ihre eigenen mathematischen Fähigkeiten, was für den tatsächlichen Lernerfolg ein wichtiger Faktor ist. Auch im Sachunterricht zeigen sich nach IGLU keine signifikanten geschlechtsspezifischen Motivationsunterschiede, allerdings sind die gemessenen Testleistungen der Jungen in beiden Bereichen etwas besser als bei den Mädchen. 13 Besonders interessant sind die Leseergebnisse: Wie erwartet liegen hier die Mädchen bei den Leistungen vorn und ein größerer Anteil verfügt auch über ein positives Selbstkonzept. Aber der internationale Vergleich zeigt, dass in Deutschland die Differenz zwischen den ungefähr zehnjährigen Jungen und Mädchen beim Lesen viel geringer ausgeprägt ist als in den meisten anderen untersuchten Ländern. Bei den von PISA getesteten etwa fünf Jahre älteren Jungen und Mädchen hingegen ist der geschlechtsspezifische Unterschied im Lesen deutlich größer als im internationalen Durchschnitt. Die IGLU-Forschergruppe berichtet ferner von geschlechtsspezifisch variierenden Wahrnehmungen und Einschätzungen des Grundschulalltags aus Sicht der Kinder: Jungen fühlen sich in der Schule durchschnittlich weniger wohl als Mädchen und erfahren häufiger Gewalt. Sie langweilen sich auch mehr und schweifen nach eigenen Angaben mit den Gedanken öfter ab. Dem entgegen ist das schulische Engagement von Mädchen höher und sie scheinen sich besser konzentrieren zu können. Mädchen lesen bereits in der Grundschule öfter in Büchern, während Jungen lieber fernsehen, ein Video schauen oder den Computer nutzen (vgl. Valtin et al. S. 232). Die Eltern beschreiben im Übrigen das Lernverhalten ihrer Töchter durchschnittlich positiver als das ihrer Söhne. (vgl. ebd.) Wo genau die Ursachen für diese Unterschiede liegen, kann die IGLU-Forschergruppe nicht beantworten, da nur ein Querschnitt untersucht, aber keine Kausalzusammenhänge erforscht wurden. Deshalb drängen die Ergebnisse von IGLU und auch PISA die Frage auf, warum in den Schulen nach wie vor so vielfäl- 14 tige und teilweise sehr große geschlechterspezifische Verschiedenheiten be- oder entstehen. Eine fundierte wissenschaftliche Antwort steht noch weitgehend aus. Handlungsmöglichkeiten hingegen werden breit diskutiert: Sollen mehr Männer als Lehrkräfte in die Grundschulen? Können spezielle Trainings das Selbstkonzept der Mädchen steigern? Müssen die Literaturvorlieben von Jungen stärker berücksichtigt werden? Brauchen Mädchen spezielle Förderung im naturwissenschaftlichen Bereich, insbesondere in Physik? Diese Vorschläge sind letztlich alle nicht neu: Seit der Einführung der Koedukation in Deutschland wird kontrovers darüber diskutiert, wie Jungen und Mädchen unterrichtet werden sollten, ohne sie aufgrund ihres Geschlechts zu benachteiligen. Koedukation in Deutschland – geschlechtergerecht? In der Deutschen Demokratischen Republik war die Koedukation schon früh Standard, da sie mit dem Aufbau des sozialistischen Schulsystems eingeführt wurde (vgl. Hempel 1994). In den alten Ländern der Bundesrepublik Deutschland wurden Mädchen und Jungen erst seit den 1960er Jahren flächendeckend bis zum Schulabschluss zusammen unterrichtet – vor allem auf ökonomische Gründe (vgl. Picht 1964) und einen stärkeren Demokratisierungswillens (vgl. Dahrendorf 1968) zurückzuführen ist. Dies bedeutete zunächst einen erheblichen Fortschritt für die Mädchen in beiden deutschen Staaten, waren doch die Mädchenschulen traditionell schlechter angesehen als die Jungenschulen, da sie meist weniger qualifizierend ausgerichtet waren. In den 1980er Jahren bildete sich jedoch ausgerechnet von Seiten der zeitgenössischen Frauenbewegung in West- Was war passiert? Verschiedene Studien hatten herausgefunden, dass es trotz scheinbarer Gleichberechtigung der Geschlechter in koedukativen Schulen einen „heimlichen Lehrplan“ gab, der zur Benachteiligung der Mädchen führte. Genannt sei hier z.B. Marianne Horstkempers Längsschnittbefragung zum Selbstvertrauen von Jungen und Mädchen während der Schulzeit (Horstkemper 1987), bei der sie feststellte, dass trotz besserer schulischer Leistungen das Selbstbewusstsein der Mädchen niedriger war, sogar während der Schulkarriere noch abnahm. Im mathematischen Bereich wurden diese Ergebnisse mehrfach bestätigt (u.a. auch durch TIMSS, vgl. Baumert 2000, S. 83 ff.; Stürzer 2003, S. 114 f. mit einer Übersicht über verschiedene Studien). Dazu kamen Befunde von nationalen und internationalen Studien (z.B. Spender 1985), die belegten, dass Jungen im Schnitt doppelt so viel Aufmerksamkeit der Lehrkraft zuteil wurde wie Mädchen. Obwohl diese im Allgemeinen die besseren Schulleistungen als Jungen aufwiesen, weniger sitzenblieben und seit Ende der 1980er Jahre die Hälfte der Absolventinnen höherer Schulen stellten, führte ihr Schulerfolg weder zu dem entsprechenden Erfolg im Beruf, noch zu besserem Selbstwertgefühl (Horstkemper 1987). Diese Ergebnisse brachten die Einsicht, dass mit der Koedukation eben nicht sofort die Gleichberechtigung von Schülerinnen und Schülern erreicht werden konnte. Aus der Argumentation, dass gemischte Schulen sich nach wie vor an ‚männlichen’ Normen orientierten und damit die Bedürfnisse der Mäd- chen ignorierten, ergab sich für einige daher die erneute Forderung nach getrennten Schulen. Auch wenn für einzelne ausschließlich monoedukativer Unterricht bis heute attraktiv erscheint, bleibt die pädagogische Aufgabe unbestritten, das Schulsystem prinzipiell koedukativ zu gestalten: Das Miteinander von Jungen und Mädchen in der Schule (das auch von ihnen selbst vornehmlich gewünscht wird, vgl. FaulstichWieland/Horstkemper 1995) soll auf ein gleichberechtigtes Zusammenleben von Männern und Frauen in der Gesellschaft vorbereiten. Die Weiterentwicklung: Reflexive Koedukation Hannelore Faulstich-Wieland schlug 1991 ein Konzept vor, das sie reflexive Koedukation nennt: „Reflektiert werden müssen das Geschlechterverhältnis und seine Konstitutionsbedingungen, und zwar sowohl in getrennten Gruppen wie im gemeinsamen Unterricht.“ (Faulstich-Wieland 1991, S. 165). Die in der reflexiven Koedukation vorgesehenen „positiven Strategien zur Änderung des Geschlechterverhältnisses in der Schule“ (ebd. S. 168) beinhalten Modifizierungen auf verschiedenen Ebenen: Nicht nur im curricularen Bereich und bei der Bildung von Lerngruppen, sondern gerade auch in der Lehrer/innenaus- und -fortbildung: Das eigene Bild von Weiblichkeit und Männlichkeit wird reflektiert, um sensibel für geschlechtsspezifische Unterschiede und deren Ursachen, Bedeutungen und Konsequenzen zu werden. 1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung deutschland zunehmend Kritik am koedukativen Schulsystem heraus: So fragte etwa Ingrid Strobl (1981) in der EMMA: „Macht Koedukation dumm?“ 15 Faulstich-Wieland befürwortet, bestimmte Unterrichtsinhalte dabei zeitweise in geschlechtergetrennten Gruppen aufzubereiten. Dies gründet sich auf Erfahrungen, nach denen getrennter Unterricht durchaus zu guten Resultaten in Bezug auf Leistungen und fachliches Selbstbewusstsein führen kann, wenn die Unterrichtsinhalte angepasst werden und auch im Nachhinein (nach der Wiederzusammenführung der Gruppen) eine angemessene Reflexion stattfindet (vgl. Faulstich-Wieland 1991, S. 165; auch Nyssen 1996; Kraul/Horstkemper 1999). Die Trennung nach Geschlecht beinhaltet trotzdem paradoxerweise zugleich immer die Gefahr, bestimmte Rollenerwartungen hervorzurufen und somit auf lange Sicht die Stereotype zu bestätigen, die eigentlich mit der Maßname verhindert werden sollten. „Männer sind anders, Frauen auch“ (John Gray) – Die differenzfeministische Sichtweise Hinter der Forderung nach Mädchenschulen stand die Annahme, dass bestehende Unterschiede zwischen Frauen und Männern nicht an Hierarchien gekoppelt werden dürfen. Gefordert wurde Gleichheit als herzustellender gesellschaftlicher Zustand mit dem Ziel der Aufhebung von Geschlechterhierarchie. Auf der Ebene der Praxis führte die differenztheoretische Sichtweise zu Ansätzen einer kompensatorischen Erziehung. Kompensatorisch bedeutet, dass ein Ausgleich für ein (subjektiv) wahrgenommenes Defizit angestrebt wurde, z.B. für „die schüchternen Mädchen“ Selbstbehauptungskurse oder für „die hibbeligen Jungen“ Konzentrationsübungen. Mit einer differenztheoretischen Argumentation wurde die Bedeutung von Unterschieden bewusst hervor- 16 gehoben; jedoch beschränkt ein solcher Ansatz die individuellen Bedürfnisse von Frauen und Männern gleichermaßen, denn er geht davon aus, dass jeder Mensch zwischen zwei festgelegten Identitäten wählen muss: entweder Frau oder Mann. Zwar wurde wissenschaftlich nie belegt, dass vom biologischen Geschlecht auf typische Verhaltensweisen geschlossen werden könne, aber trotzdem erfreuen sich bestimmte differenztheoretische Thesen einer steten Popularität. Dazu gehören auch pseudo-wissenschaftlich ausstaffierte Tiraden über die angebliche Unfähigkeit von Frauen einparken zu können oder die Inkompetenz der Männer beim Zuhören. Um diesem Problem der unterschwelligen Einengung auf spezifische Männer- und Frauenrollen zu begegnen, entwickelte Annedore Prengel eine produktive Variation der Differenztheorie: Statt nur zwei (meist gegensätzliche) Möglichkeiten zuzulassen, forderte sie einen demokratischen Umgang mit Verschiedenheit („egalitäre Differenz“, Prengel 2006, 1. Aufl. 1993) und konzipierte eine „Pädagogik der Vielfalt“, bei der das Anders-Sein zu den Eigenschaften jeder einzelnen Person gehört und individuell immer etwas anderes bedeutet kann. Durch diese wahrgenommene Vervielfältigung der Unterschiede wird der Geschlechterunterschied relativiert, da er nur noch einer unter vielen anderen ist. Berechtigte Zweifel an der „Zweigeschlechtlichkeit der Welt“ (Koch-Priewe 2002, S. 19) führten vor allem in den 1990er Jahren auch zu konstruktivistisch orientierten Theorieansätzen. Die Fragestellung des Konstruktivismus ist nicht mehr: Wie soll in der Gesellschaft mit der Verschiedenheit der Geschlechter umgegangen werden? Sondern eher: Auf welche Art und Weise wird Geschlecht überhaupt zugewiesen? Einengende Verhaltenszuweisungen sollten als solche entlarvt und vermieden werden. Dabei wurde zunächst die englische Unterscheidung von „Sex“ und „Gender“ in den deutschen Sprachgebrauch übernommen, um deutlich zu machen, dass das biologische Geschlecht („Sex“) nicht mit den ihm zugewiesenen sozialen Merkmalen identisch ist. Ein radikal verstandener Konstruktivismus lehnt sogar die Vorstellung eines biologischen Geschlechts überhaupt ab und vertritt die Position, dass jede Form von Geschlecht konstruiert sei, also unter den Begriff „Gender“ gefasst werden könnte (vgl. Butler 1991). Für konkrete Situationen innerhalb des Schulkontexts scheint es jedoch nicht praktikabel, grundsätzlich an der Negierung eines biologischen Geschlechts anzusetzen. Wichtiger erscheint die Tatsache, dass durch die Betonung von Geschlechterunterschieden diese (z.T. immer noch hierarchisch konnotierten) Unterschiede geradezu verfestigt werden können. Betont also beispielsweise eine Lehrerin mit besten Absichten das besonders gute Sozialverhalten der Mädchen, so wird damit eine ganz bestimmte Rolle eben der Mädchen bestärkt, die auch Nachteile für diese Gruppe mit einschließt (z.B. Mädchen als ‚Sozialschmiere’ in der Klasse). In diesem Fall hat das vermeintlich geschlechtersensible Verhalten eine Verstärkung von Geschlechterstereotypen zur Folge. Allerdings hat sich schon nach der Einführung der Koedukation in den 1960er Jahren gezeigt, dass durch unreflektiertes NebeneinanderUnterrichten keine Geschlechtergerechtigkeit hergestellt werden kann. Wichtig bleibt, sich bewusst zu machen, dass Geschlechterverhalten nicht angeboren und unveränderlich, sondern vom Umfeld der Beteiligten zugewiesen und daher wandelbar ist. Doing Gender – Doing Student Der Begriff „Gender“ ist daher in der Diskussion um geschlechterabhängige Unterschiede in der Schule sinnvoll. Wie können wir uns „Gendering“ genauer vorstellen? Hannelore Faulstich-Wieland zeichnet diesen Vorgang aus sozialisationstheoretischer Sicht nach (vgl. Faulstich-Wieland 2003, S. 116-123): Kindern wird mit der Geburt eines von zwei Geschlechtern zugewiesen, dass schon im Krankenhaus oft zum Beispiel durch ein rosa oder hellblaues Armband gekennzeichnet wird. Im folgenden Sozialisationsprozess muss sich nun das Mädchen bzw. der Junge aneignen, was diese Zuordnung bedeutet. Der Geschlechtszugehörigkeit wird Kontinuität verliehen, indem sich z.B. der Junge gegenüber anderen wieder als Junge inszeniert und gleichzeitig seinem Gegenüber Gleichgeschlechtlichkeit zuschreibt. Damit hat der Junge nicht einfach ein Geschlecht, sondern er weist es sich und anderen immer wieder zu. Diese ständige Zuweisung ist 1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung „Man wird nicht als Frau geboren, zur Frau wird man gemacht.“ (Simone de Beauvoir) – Die konstruktivistische Sichtweise 17 mit dem „Doing Gender“ gemeint. Junge Kinder sind sich ihrer Geschlechtsidentität oft noch nicht sehr sicher und versuchen eben deshalb, sich ‚richtig’ zu verhalten, also nur Dinge zu tun, die dem eigenen Geschlecht zugeschrieben werden. Gerade aus ihrer Geschlechterunsicherheit heraus tun Kinder folglich oft Dinge, die besonders engen Vorstellungen von Geschlecht entsprechen und deshalb als Beweis für ‚natürliche’ Differenz missverstanden werden. Geschlecht wird somit durch Verhaltensweisen dramatisiert. Gleichzeitig ist der Mensch ja nicht nur weiblich oder männlich; es gibt also nicht nur ein „Doing Gender“, sondern gleichzeitig auch immer ein „Doing Student“, „Doing Adult“, etc. Jeder Mensch kann in verschiedenen sozialen Zusammenhängen gesehen werden (z.B. ethnische Zugehörigkeit, Alter, soziale Lage, usw.). Die Dramatisierung von Geschlecht kann hinderlich sein, wenn sich beispielsweise ein Schüler im Textilunterricht hauptsächlich als Junge wahrnimmt (also nicht etwa hauptsächlich als Schüler im Sinne des „Doing Student“), solange dem Fach Textilgestaltung die Klassifikation ‚weiblich’ anhaftet. Diese Tatsache hat Ursula Kessels (Kessels 2002) veranlasst zu prüfen, ob monoedukativer Physikunterricht Mädchen helfen würde, sich weniger von diesem Fach zu distanzieren, weil sie „geschlechtsbezogenes Selbstwissen“ eher in gemischten Gruppen vermutete. In ihrer Studie fand Kessels tatsächlich heraus, dass getrennte Gruppen sozusagen eine Entdramatisierung von Geschlecht erleichterten. Sicherlich muss eine solche zeitweise Trennung aber mindestens in eine Nachbereitung eingebettet werden, um zu vermeiden, dass auf lange Sicht Stereotypen bestärkt werden – wie z.B. die Auffassung, die Mädchen würden eine Art Nachhilfe oder ‚vereinfachten’ Physikunterricht bekommen. 18 Geschlechtergerechte Bildung anbahnen Fazit ist also: Es gibt nicht „die Mädchen“ und „die Jungen“. Gerade wer daran interessiert ist geschlechterspezifische Ungerechtigkeiten abzubauen, muss sich darum bemühen, eine „Entdramatisierung“ von Geschlecht zu erreichen, damit nicht eine einengende Geschlechterrolle, sondern die individuelle Person in den Mittelpunkt rückt. Für die einzelne Lehrperson, aber auch für das ganze schulische Umfeld heißt das, dass ein Bewusstsein für Geschlechterfragen geschaffen werden muss, um nicht ungewollt Rollenklischees zu verstärken. Damit ist die Reflexion der geschlechterrelevanten Aspekte als Teil von Lehrprofessionalität zu verstehen, die dann im Schulalltag durch entsprechend geschlechtergerechtes Handeln ihre Anwendung finden kann. Dieser Anspruch an professionelles Lehrer/innenhandeln richtet sich selbstverständlich gleichermaßen an weibliche und männliche Lehrkräfte. Unser Anliegen ist es im Folgenden, mit dem Fokus auf allgemeinbildende Schulen zu fragen, wie eine geschlechtergerechte Bildung realisiert werden kann und welche verschiedenen Dimensionen dabei zu berücksichtigen sind. An Beispielen aus dem Schulalltag und der unterrichtlichen Praxis möchten wir dann zeigen, wie qualitativ anspruchsvoller Unterricht aussehen kann, der die Kategorie Geschlecht konzeptionell, curricular und, sofern möglich, unterstützt durch entsprechende Rahmenbedingungen zur Förderung aller Mädchen und Jungen aufnimmt. Die geschlechtergerechte Bildung kann nur dann ein solider Erfolg werden, wenn auch die nötigen Strukturen in der Schule und 1. Jungen und Mädchen in der Schule – Eine kleine Einführung im weiteren Umfeld vorhanden sind oder entwickelt werden, was vor allem die Einbindung von Eltern und den Schulverantwortlichen voraussetzt. Daher wird abschließend ein Ausblick gegeben, der diese Rahmenbedingungen für eine geschlechtergerechte Bildung noch einmal aufnimmt, Handlungsfelder aufzeigt und Ansprüche formuliert, um eine geschlechtergerechte Bildung zu stärken. 19 2. Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung Es ist eine große Herausforderung, die komplexen Erkenntnisse der Geschlechterforschung, die Entwicklung der unterschiedlichen gesellschaftlichen Positionen sowie Werte und Ziele für die schulische Praxis zu ‚übersetzen’. Manchmal scheint es fast so, als gäbe es überhaupt kein richtiges Tun, da letztlich jede Haltung oder Handlung zu einer Verstärkung der Geschlechterstereotype führen kann. Die Schwierigkeit besteht ferner darin, dass sich die Ziele, um die es in einer geschlechtergerechten Bildung geht, nicht durch ‚Rezepte’ vermitteln lassen. Um Demokratie zu leben, Gleichberechtigung zu realisieren und plurale Lebensentwürfe zu unterstützen, braucht die Schule mehr als ein optimales Verhältnis von monound koedukativem Unterricht oder von männlichen und weiblichen Lehrkräften – obwohl diese Aspekte selbstverständlich auch ihre Berechtigung haben. In der schulischen Praxis sind das Handeln und das Verhalten der Lehrerinnen und Lehrer Dreh- und Angelpunkte für guten Unterricht. Oft ist dieses Handeln partiell instinktiv, aber meist mit einem feinen Gespür für die heterogenen Bedürfnisse der Schülerinnen und Schüler. Zur professionellen Lehrtätigkeit gehört es jedoch auch, die eigenen Diagnosefähigkeiten fortlaufend zu schulen und Handlungsmuster reflektieren zu können. Pädagogische Professionalität zielt also auf die Entwicklung eines Selbst, „das sich der Unvollkommenheit und Vorläufigkeit aller gefundenen Lösungen bewusst ist und an sich selbst arbeitet, um wirkungsvoller handeln zu können.“ (Bauer 2000, S. 63) Folglich haben wir (in ausdrücklicher 20 Abgrenzung zu ‚Rezeptwissen’) statt Antworten einen Fragenkatalog für die Schulpraxis entwickelt. Die Form der Fragen soll auf die Verantwortlichkeit der Lehrerinnen und Lehrer (ferner auf die der Eltern und der Bildungsinstitutionen) aufmerksam machen. Diese Fragen sind nicht mit „Ja oder Nein“ und schon gar nicht abschließend zu beantworten, sondern sie erfordern eine stete Auseinandersetzung und Aktualisierung. Gleichzeitig geht es so auch immer darum, Orientierungs- und Zielperspektiven für eine geschlechtergerechte Bildung in einer sich fortlaufend wandelnden Gesellschaft zu erarbeiten und transparent zu machen. Insgesamt stellen diese zehn Fragen ein Set von Kriterien dar, mit dem man die Qualität von Unterricht und Schule in Bezug auf eine geschlechtergerechte Bildung reflektieren kann. Dabei werden drei Ebenen berücksichtigt, nämlich die persönliche Haltung der Lehrkraft, der Unterricht und die Schule als Institution. Dies heißt nichts anderes, als A) an der eigenen geschlechtlich-geprägten Lehrer/innenrolle zu arbeiten (Fragen 1-3), B) den Unterricht geschlechtergerecht zu gestalten (Fragen 4-7) und C) die Schule als demokratische Institution weiterzuentwickeln (Fragen 8-10). Für eine vertiefende Beschäftigung mit der jeweiligen Thematik wurden Literatur- und Internettipps eingefügt. 1. Selbstbild – Wie sehe ich mich selbst als Frau oder Mann? Wie nehme ich mich als Identifikationsfigur wahr, die ich als Lehrer bzw. Lehrerin für meine Schülerinnen und Schüler bin? Wie erlebe ich in meinem Unterricht Jungen und Mädchen? Neben allen Fähigkeiten und Eigenschaften, die eine gute Lehrkraft ausmachen, ist die Persönlichkeit besonders wichtig. Daher sollte sich die Lehrerin bzw. der Lehrer zunächst darüber klar werden, welches Bild sie oder er selbst eigentlich von sich als Frau oder Mann hat und vermittelt. Diese Selbstwahrnehmung hat mit der eigenen Biographie zu tun. Eine gezielte Selbstreflexion in Bezug auf die eigene Wahrnehmung von Geschlechterrollen hilft Lehrerinnen und Lehrern, sich und ihren Schülerinnen und Schülern mehr Handlungsspielraum zu eröffnen. Aber, wie Faulstich-Wieland bemerkt: „Solche Selbstreflexionen sind ohne Genderkompetenz – also ein Wissen um die Geschlechterstereotype, um die symbolischen Repräsentationen, die sich immer wieder selbst bestätigen – nicht zu leisten.“ (Faulstich-Wieland 2006, S. 272) Literatur- und Surftipps: Thies, Wiltrud & Charlotte Röhner (2000): Erziehungsziel Geschlechterdemokratie. Weinheim. S. 57-60. Drogand-Strud, Michael (2005): Train the trainer – Gendersensible Didaktik. In: Schule im Gender Mainstream, Denkanstöße – Erfahrungen – Perspektiven. Hg. v. Ministerium für Schule, Jugend und Kin- 21 der des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, und dem Landesinstitut für Schule. Soest. S. 228-232. Im Internet unter: http://www.learn-line. nrw.de/angebote/gendermainstreaming/ reader/ 2. Professionelles Selbst – Wie verhalte ich mich als Lehrerin bzw. Lehrer? Wie positioniere ich mich zwischen meinem persönlichen Lehrer/innenbild (subjektive Theorie) und professionellem Lehrer/innenhandeln? Was genau die einzelne Lehrkraft in ihrem Unterricht wahrnimmt, ist nicht nur davon abhängig, was sie in ihrer beruflichen und privaten Biographie erlebt oder nicht erlebt hat, sondern auch davon, welche Deutungsmuster ihr zur Bewertung der Unterrichtssituationen zur Verfügung stehen. Aus der pädagogischen Professionsforschung wissen wir, dass für diese Aufgabe selbstbezügliche biographische Arbeit unverzichtbar ist, um, wie Johannes Bastian und Werner Helsper konstatieren, „die Möglichkeit einer Auseinandersetzung mit dem eigenen Handeln, den eigenen Handlungs- und Deutungsmustern, der eigenen Person in den pädagogischen Interaktionen und Prozessen mit den Schülerinnen und Schülern reflektieren zu können.“ (Bastian/Helsper 2000, S. 182) Ein professionelles Selbst zu entfalten meint daher in diesem Zusammenhang, die persönlichen Erfahrungen mit den Ergebnissen der Forschung in Beziehung zu setzen, um sodann das eigene Handlungsrepertoire in Bezug auf das Ziel einer geschlechtergerechten Bildung weiterzuentwickeln. Dabei können Lehrerinnen und Lehrer natürlich auch auf externe Beratung zurückgreifen, um die verschiedenen Deutungs- und Handlungsmuster zu reflektie- 2. Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung A) An der eigenen Lehrer/innenrolle arbeiten 21 ren und mehr Sicherheit für das eigene pädagogische Handeln zu gewinnen. Das Wissen über Ergebnisse der Koedukationsforschung und Fachdidaktik einerseits sowie Supervision und Reflexion über die eigenen Verhaltensweisen andererseits helfen, die Interaktionen im Unterricht bewusst zu gestalten und Fehler sowie Missverständnisse zu erkennen (vgl. KronTraudt 1999, S. 146). Das professionelle Selbst wird so zunehmend in die Lage versetzt, Unterrichtssituationen besser einzuschätzen und Lösungen für auftretende Probleme zu entwickeln, statt diese gewollt oder ungewollt zu verstärken. nächst einmal notwendig, den eigenen Lebensentwurf in Bezug auf den kulturellen Hintergrund, Familienvorstellungen, sexuelle Orientierung etc. in den Blick zu nehmen. Als heterosexueller Lehrer muss ich mich zum Beispiel fragen, ob ich meinen Lebensentwurf als ‚Norm’ (also als ‚norm’-al) ansehe, während andere Lebenskonzepte für mich ‚anders’ sind. Dasselbe gilt für meine Vorstellung von Familie: Ist für mich ein Familienmodell mit allein erziehendem Vater gleichwertig zu einem mit verheirateten Eltern? Respektiere ich andere Modelle wirklich oder denke ich vielleicht doch, mein Lebensentwurf sei auch der bessere für meine Schülerinnen und Schüler? Literaturtipp: Bastian, Johannes & Werner Helsper, Sabine Reh, Carla Schelle (Hg.) (2000): Professionalisierung im Lehrberuf. Von der Kritik der Lehrerrolle zur pädagogischen Professionalität. Opladen. Um bei Intoleranz und Diffamierung einschreiten zu können, muss man von deren Unredlichkeit und Unrechtmäßigkeit überzeugt sein. Mache ich immer deutlich, dass solche Diskriminierungen in meinem Unterricht nicht erwünscht sind? Literatur- und Surftipps: 3. In welcher Weise unterstütze ich vielfältige Lebensentwürfe von Kindern und Jugendlichen? Wie kann ich das Verständnis für vielfältige Lebensentwürfe fördern sowie die Schülerinnen und Schüler dabei unterstützen und motivieren, ihre eigenen Lebensentwürfe bewusst zu gestalten? Faulstich-Wieland hat darauf eine klare Antwort: „Wenn man Mädchen und Frauen ebenso wie Jungen und Männer als Subjekt ihrer Handlungen akzeptiert, dann geht dies nur durch ein Ernstnehmen ihrer Einstellungen und Wünsche und durch eine Auseinandersetzung damit.“ (Faulstich-Wieland 2006, S. 272f.) Um die Einstellungen der Schülerinnen und Schüler ernst nehmen zu können, ist es zu- 22 Mit Vielfalt umgehen: Sexuelle Orientierung und Diversity in Erziehung und Beratung. Handbuch vom europäischen Projekt TRIANGLE (Transfer of Information to Combat Discrimination Against Gays and Lesbians in Europe). Im Internet unter: http://www.diversity-in-europe.org/ Kinderwelten – Projekt zur Verbreitung vorurteilsbewusster Bildung und Erziehung an Kindertageseinrichtungen (getragen vom Institut für den Situationsansatz an der Freien Universität Berlin): http://www.kinderwelten.net B) Den Unterricht geschlechtergerecht gestalten 4. Wie erkenne ich in meinem Schulalltag Rollenzuweisungen? Was fällt mir bei der Unterrichtsbeteiligung von Jungen und Mädchen auf? Wie nehme ich das Miteinander der Schülerinnen und Schüler wahr? In welchen Situationen neige ich selbst zu geschlechterstereotypen Zuweisungen? Wie überall, so finden auch in der Schule laufend Eigenschaftszuweisungen statt, die als selbstverständlich wahrgenommen werden und uns so meist nicht weiter auffallen. Als Beispiel eine Unterrichtsbeobachtung: Fünfte Stunde. In der siebten Klasse ist es mal wieder sehr unruhig. „Es sind v.a. vier Schüler in der letzten Reihe, die überhaupt nicht bei der Sache sind und stattdessen einander wechselseitig die Hefte wegnehmen und sich spaßhaft schlagen. Die Lehrerin denkt bei sich: ‚Typisch Jungen! Jungen in diesem Alter schaffen es einfach nicht, still zu sitzen und aufzupassen.’“ (Nach Breidenstein/Heinzel 2001, S. 16.) selbstverständlich immer subjektiv ist, sondern auch, dass das eigene Erleben durch gesellschaftlich verbreitete und so verinnerlichte Stereotype gelenkt wird. Ein Stereotyp gibt letztlich nichts anderes als einfache Erklärungsmuster vor, die genau dann angewendet werden, so Breidenstein und Heinzel, „wenn es gerade ‚passt’, d.h. wenn es bestimmte Ausschnitte des sozialen Geschehens zu erklären vermag. Im Zuge dieser situativen Aktualisierung bestätigt sich die Zuschreibung dann selbst.“ (Breidenstein/Heinzel 2001, S. 16) Was kann ich also tun? Weitgehend unsichtbare stereotype Einstellungen und Verhaltenszuschreibungen unterlaufen uns allen im Alltag, so Horstkemper (2002). Dennoch gilt es, die eigene Diagnosefähigkeit zu schulen, z.B. an Beschreibungen und Analysen von Unterricht. Denn nur, wenn ich weiß, worauf ich schauen soll, kann ich auch etwas sehen. Literatur- und Surftipp: 2. Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung KomBi (Kommunikation und Bildung) – Berliner Bildungseinrichtung zu Diversity, Gender und Sexueller Identität, die auf die Förderung von Akzeptanz und Respekt für unterschiedliche Lebensweisen zielt: http://www.kombi-berlin.de Breidenstein, Georg & Helga Kelle (1998): Geschlechteralltag in der Schulklasse. Ethnographische Studien zur Gleichaltrigenkultur. Weinheim, München. „Online Fallarchiv Schulpädagogik“ mit Fällen, Fallanalysen und Handlungsmöglichkeiten aus dem Bereich der Schulpädagogik sowie mit Literaturhinweisen zur pädagogischen Fallarbeit: http://www.unikassel.de/fb1/heinzel/fallarchiv/ Breidenstein und Heinzel machen darauf aufmerksam, dass die Lehrerin in dieser Situation die Mehrzahl der nicht störenden Jungen übersieht. Stattdessen bestätigt sich für die Lehrerin ein Stereotyp: Jungen stören den Unterricht. Dieses Beispiel zeigt nicht nur, dass die Wahrnehmung des Miteinanders im Schulunterricht 23 23 5. Die Situation in der Klasse – was kann ich tun? Wie kann ich dazu beitragen, dass meine Schülerinnen und Schüler die Schule als gemeinsamen Lebensraum positiv erleben? Welchen Stellenwert haben demokratische Werte (z.B. Toleranz, gegenseitige Rücksichtnahme etc.) in meinem Unterricht? Die Schule stellt einen gemeinsamen Lebensraum für Schülerinnen und Schüler sowie das gesamte Schulpersonal dar, in den alle Beteiligten ihre Erfahrungen, Wünsche, Ängste etc. einbringen. Dieser Ort (insbesondere die eigene Klasse) ist für die Kinder ein erster (halb-)öffentlicher Raum, in dem sie ihre Vorstellungen von dem ausprobieren können, was und wie sie sein wollen. Die Suche nach der geschlechtlichen Identität ist dabei eine wichtige biographische Aufgabe, die sich an gesellschaftlichen Vorbildern von Weiblichkeit bzw. Männlichkeit orientiert. Im Spannungsfeld zwischen eigenen Vorstellungen und den unumgänglichen Eigenschaftszuweisungen der anderen entwickelt sich die Persönlichkeit: Was will ich und was sehen die anderen in mir? Diese Prozesse können vom pädagogischen Personal einer Schule begleitet und unterstützt werden, indem darauf geachtet wird, dass a) für die individuelle Entwicklung des Kindes genug Raum bleibt. Es sollten Möglichkeiten geschaffen werden, die Wahrnehmungen des Selbst und der anderen zu reflektieren, ggf. zu korrigieren oder zu bestärken. Auch das Spiel mit anderen Rollen gibt den Jungen und Mädchen Gelegenheit, neue Verhaltensweisen und Gefühle zu inszenieren und ggf. alte Vorbehalte zu revidieren. b) die Kinder einen Ort finden, an dem sie die anderen respektieren lernen und selbst als Person Akzeptanz finden. Das heißt, der schuli- 24 sche Alltag muss sich an demokratischen Werten orientieren. So fordert auch Horstkemper: „Ziel ist die Sensibilisierung für Abwertung und Ausgrenzung, ihre Überwindung durch gemeinsame Aktivitäten, aber auch die Toleranz gegenüber Wünschen, auch Rückzug in eigene Räume.“ (Horstkemper 2002, S. 58) Insgesamt geht es aus pädagogischer Sicht darum, wie Lemmermöhle (1997, S. 425) ausführt, „dass die Jugendlichen lernen, sich selbst als Akteure/innen der eigenen Biographie zu begreifen und gesellschaftliche Bedingungen – und dazu gehören auch die Geschlechterverhältnisse – als historisch gewordenen und deshalb veränderbaren Kontext des eigenen Handelns zu erkennen.“ Literatur- und Surftipp: Horstkemper, Marianne (2002): Eine Schule für Jungen und Mädchen. In: Pädagogische Führung 2/2002. S. 58-59. Unterrichtsmaterialien zur Arbeit an der eigenen Geschlechterrolle und sozialen Kompetenzen finden sich – teilweise für beide Geschlechter, teilweise mit einem Schwerpunkt auf der Jungenarbeit – beim Projekt „Neue Wege für Jungs“ in einer Online-Datenbank: http://www.neue-wegefuer-jungs.de/gute_beispiele/ Kommen in meinen Unterrichtsinhalten Männer und Frauen zu gleichen Teilen vor? Sind meine Unterrichtsmaterialien so konzipiert, dass sie vielfältige Identifikationsmöglichkeiten für Jungen und Mädchen beinhalten? Zunächst ein Beispiel: Eine engagierte Geschichtslehrerin versucht, ihre Schülerinnen mit mühevoll aufbereiteten, frauenspezifischen Themen anzusprechen wie z.B. „Die Frau im alten Ägypten“. Von vornherein entscheiden sich die Jungen der Klasse für andere wählbare Themen. Nach anfänglicher Begeisterung wählen die Schülerinnen bei den nächsten Angeboten wieder ‚richtige’ Themen und wollen nicht ‚für immer’ auf das Thema ‚Frauen’ festgelegt sein. Die Lehrerin begreift nach einigen Auseinandersetzungen mit ihren Schülerinnen, dass ihre persönliche Auffassung, geschlechterbewussten Unterricht anzubieten, so nicht mit der Sicht der Schülerinnen übereinstimmt. Dass ihre frauenspezifischen Unterrichtsangebote nicht langfristig wahrgenommen werden, liegt nicht etwa daran, dass die Schülerinnen einfach nicht für geschlechterbewusste Bildung empfänglich wären, sondern daran, dass die (in diesem Fall einseitige) Dramatisierung von Geschlecht auf Dauer kontraproduktiv wirkt. Die Lehrerin resümiert: „In meinen Auseinandersetzungen mit ihnen stellten die Mädchen die Frage, die inzwischen als die ‚wirklich wichtige’ und ‚richtige’ erscheint: ‚Warum gibt es unter allen Themen, die du uns anbietest, das Thema ‚Frauen’, aber nicht das Thema ‚Männer’? Wer sind wir, dass wir das Besondere brauchen, uns aber im allgemeinen nicht wieder finden?’“ (Susanne Thurn zit. in Faulstich-Wieland 1998, S. 53) 25 Dieses Beispiel zeigt, dass eine einseitige Thematisierung des Weiblichen kontraproduktiv sein kann, weil die Mädchen diese als Spezialfall erleben und die Jungen sich durch den Inhalt gar nicht angesprochen fühlen. Aus diesem Grund ist auch zu befürchten, dass die derzeit lautstark artikulierten Forderungen nach mehr ‚Männlichkeit’ in der Schule letztlich wenig dazu beitragen werden, eine adäquate Bearbeitung des Geschlechterthemas zu erreichen. Denn dieses Thema gehört als Unterrichtsinhalt Jungen und Mädchen, Lehrern und Lehrerinnen. Sehr viele Interessen der Kinder sind geschlechterspezifisch gefärbt. Daher muss didaktisch weiter gefragt werden: Wie sieht es aus mit Physik, Tanz, der Deutschlektüre oder chemischen Experimenten? Finde ich Möglichkeiten, die vielfältigen Vorlieben und Interessen der Schülerinnen und Schüler ausreichend zu berücksichtigen (subjektive Seite) und ihnen die Relevanz der Unterrichtsinhalte (objektive Seite) zu verdeutlichen? 2. Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung 6. Werden durch die Inhalte in meinem Unterricht Geschlechterstereotype abgebaut? Bislang scheint es keine fundierte Didaktik des geschlechtergerechten Unterrichts zu geben. Anstatt eines Literaturtipps können wir daher nur ein Fragezeichen auf diese Fehlstelle setzen. 25 7. Sind die Methoden in meinem Unterricht für eine heterogene Schülerschaft angemessen? Nutze ich vielfältige Methoden, um meinen Schülerinnen und Schülern unterschiedliche Zugänge zu den Unterrichtsinhalten zu ermöglichen? Auch methodisch gilt es, genau auf den Unterricht zu schauen: Es gehört zum Schulalltag von der Geschlechterunterscheidung Gebrauch zu machen; ganz pragmatisch und besonders schnell können so meist zwei etwa gleichgroße Gruppen gebildet werden. Aber ist diese Art der Gruppenbildung genauso unproblematisch wie jede andere? Hier muss genau bedacht werden: Wo und wie mache ich mir die Geschlechterdifferenz in der Strukturierung des schulischen Alltags zunutze? In welchen Situationen spreche ich Kinder als „Mädchen“ oder als „Jungen“ an? Denn eine rein organisatorische Trennung in Jungen- und Mädchengruppen ist noch lange keine pädagogische Maßnahme (vgl. Horstkemper 2002, S. 59), sondern kann auch zur Verstärkung von Geschlechterstereotypen oder zur Ablehnung der Maßnahme durch die Kinder führen. Aber auch eine positive Wirkung monoedukativer Gruppenarbeit ist denkbar, wenn so dem Bedürfnis der Kinder Rechnung getragen wird, sich als Mädchen oder Junge zu inszenieren, d.h. auch die eigene Geschlechteridentität entwickeln zu können. (Vgl. Heinzel/Prengel 1998, S. 84) Auf der Basis pädagogischer Verantwortung gegenüber den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schüler sollte monoedukativer Unterricht daher explizit didaktisch begründet werden ohne von defizitären, konträren, pauschalisierten, protektionistischen, kurz: stereotypen Männerund Frauenbildern auszugehen. 26 Eine gute Möglichkeit, den Unterricht methodisch geschlechtergerecht zu gestalten, ist der Einsatz von Formen offenen Unterrichts, in dem selbstständiges Lernen möglich wird, z.B. handlungs- oder projektorientiertes Lernen, Gruppenarbeit etc. Denn diese berücksichtigen die Heterogenität der Schülerschaft gleich doppelt besser als Frontalunterricht: Die Schülerinnen und Schüler können ihre jeweiligen Interessen stärker mit einbringen und vielfach soziale Beziehungen knüpfen. So erfahren sie auch eine Anerkennung ihrer individuellen Persönlichkeit (vgl. Prengel 2006). Literaturtipp: Prengel, Annedore (1999): Vielfalt durch gute Ordnung im Anfangsunterricht. Opladen. C) Die Schule als demokratische Institution weiterentwickeln 8. Inwiefern können die Eltern miteinbezogen werden? Teilen die Eltern den Anspruch einer geschlechtergerechten Erziehung für ihre Kinder? Welche Hindernisse gilt es zu überwinden, um gemeinsam mit den Eltern für die Chancen und Rechte der Jungen und Mädchen einzustehen? Eine Lehrkraft ist kein Einzelkämpfer. Durch die Einbindung der Eltern können die Bemühungen für eine geschlechtergerechte Schule bedeutend unterstützt werden. Elternabende (auch „Väterabende“ oder „Mütterabende“) oder Elternseminare bieten dafür gute Gelegenheiten. Denn es ist kaum möglich, eine nachhaltig geschlechtergerechte Bildung zu verwirklichen, wenn das Umfeld der Kinder Literatur- und Surftipps: Jansen-Schulz, Bettina (2005): Genderorientierte Elternarbeit am Beispiel der Berufsorientierung und Lebensplanung. In: Schule im Gender Mainstream, Denkanstöße – Erfahrungen – Perspektiven. Hg. v. Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, und dem Landesinstitut für Schule, Soest, 1. S. 185-189. Im Internet unter: http://www.learn-line.nrw.de/angebote/ gendermainstreaming/reader/ „Gender und Schule“ ist eine Website für Lehrerinnen und Lehrer, Schülerinnen und Schüler sowie interessierte Eltern der Vernetzungsstelle für Gleichberechtigung, Frauenbeauftragte und Gleichstellungsbeauftragte des Landes Niedersachsen. Hilfreiches zur Elternarbeit unter dem gleichen Stichwort. http://www.genderundschule.de 27 9. Inwiefern sind die Unterrichtsprojekte in ein Gesamtkonzept eingebunden? Kann ich auf den Rückhalt meiner Kollegen und Kolleginnen vertrauen? Gibt es für Schulprojekte zur geschlechtergerechten Bildung Unterstützung von der Schulleitung? Einzelne Maßnahmen sensibilisieren und inspirieren, aber sie reichen nicht aus, um eine geschlechtergerechte Bildung zu erreichen. Denn die Entwicklung der Geschlechteridentität der Jungen und Mädchen findet während der gesamten Schulzeit statt. Aber Grundschulkinder suchen etwas anderes als Jugendliche in Berufsfindungsphasen. Natürlich geht es nicht darum, die Schule nur noch durch eine ‚Geschlechterbrille’ zu sehen, aber wichtig ist, dass die ganze Schule die Beschäftigung mit der Geschlechterthematik als gemeinsame und fortwährende Aufgabe akzeptiert, um die Jungen und Mädchen optimal zu fördern. Tragen alle Lehrerinnen und Lehrer dieses Ziel mit? Wer kümmert sich darum, dass das Thema präsent bleibt? Im Interesse der Jungen und Mädchen gilt es, eine Art Geschlechtercurriculum zu entwickeln, das auf die Kinder gemäß ihrem Entwicklungsstand und ihren Bedürfnissen zugeschnitten ist. Ein solches Curriculum kann demgemäß sehr vielfältig sein: Welche Rollenbilder haben Jungen und Mädchen heute? Welche gesellschaftlichen Entwicklungen gibt es auf dem Weg zur Gleichberechtigung? Besondere Relevanz werden für die Jungen und Mädchen solche Projekte haben, in denen sie – außerhalb der Schule – neue Erfahrungen sammeln können, z.B. in außerschulischen Bildungseinrichtungen, durch soziale Projekte, in der Wirtschaft, aber natürlich auch im Haushalt oder in Werkstätten. 2. Zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung und Jugendlichen dies nicht zulässt. Wenn zum Beispiel ein Schüler von der Schule dazu angehalten wird, einen Haushaltspass zu erwerben, er aber von seiner Familie den Eindruck vermittelt bekommt, das sei ‚Mädchenkram’, statt für seine Leistungen gelobt zu werden, dann werden diese Leistungen in seinen Augen abgewertet. Folglich wird der geschlechtergerechte Ansatz der Schule unterlaufen. Werden Eltern dagegen in geschlechterbewusste Projekte einbezogen, können sie ihren Kindern wie auch deren Lehrerinnen und Lehrern wertvolle Unterstützung bieten, z.B. bei Projekten zur Berufsorientierung. 27 Ein erster Schritt für die Entwicklung eines eigenen Geschlechtercurriculums ist die Analyse der gegenwärtigen Situation: Werden in der Schule unterschiedliche Interessen von Jungen und Mädchen berücksichtigt? Ist diese Arbeit im Schulprogramm oder Schulprofil verankert? Wo sind Widerstände zu erwarten? Wo kann eine Schule ein spezifisches Profil entwickeln, z.B. durch eine Öffnung zur Umgebung? Wie können Möglichkeiten implementiert werden, die geschlechterbewusste Arbeit zu evaluieren und so zu verbessern? Literaturtipp: Koch-Priewe, Barbara (Hg.) (2002): Schulprogramme zur Mädchen und Jungenförderung. Die geschlechterbewusste Schule. Weinheim. 10. Ist meine/unsere Institution Schule geschlechterdemokratisch geprägt? Wo können meine Schülerinnen und Schüler Geschlechterdemokratie im Schulalltag erfahren? Wird es problematisiert, wenn Ungleichheiten erkannt werden? Die institutionellen Strukturen der Schule sind ein politischer Bezugsrahmen für die Kinder und Jugendlichen. Hier sollten sie nicht nur von Geschlechtergerechtigkeit hören, sondern sie müssen sie auch sehen und leben: in der Schulleitung, bei den Lehrerinnen und Lehrern, in der eigenen Klasse – und natürlich überall dort, wo Ämter oder Gelder vergeben werden. Nichts anderes bedeutet letztlich der Begriff des Gender Mainstreaming, der als Strategie mittlerweile in vielen Politikbereichen verankert ist. Es gilt, jede Maßnahme dahingehend zu hinterfragen, ob sie die Interessen von 28 Männern und Frauen berücksichtigt. In erster Linie zielt das Gender Mainstreaming auf eine Veränderung der Geschlechterstrukturen z.B. hinsichtlich der Verteilung von Führungspositionen: „Ziel der Entwicklung ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an der Gestaltung der Institution.“ (Kraul/Horstkemper 1999, S. 308) Durch den Abbau von Geschlechterungleichheiten wird die Schulqualität und damit auch die Chance für eine „Realisierung zeitgemäßer Bildung“ verbessert, konstatiert Faulstich-Wieland (2006, S. 261). Also ist zu fragen: Inwiefern zielen die institutionellen Strukturen meiner Schule (Schulprofil, Verwaltungsvorschriften, Haushalt etc.) auf eine Gleichberechtigung der Geschlechter? Welche Möglichkeiten hat meine bzw. unsere Institution, um Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten zu implementieren, die den Schülerinnen und Schülern echte Gelegenheiten geben, an demokratischen Entscheidungsprozessen zu lernen und diese als Grundlage des gesellschaftlichen Miteinanders zu begreifen? (Vgl. Lemmermöhle 1997, S. 426) Surftipp: Ein informatives Portal zum Gender Mainstreaming bietet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Internet unter: http://www.gendermainstreaming.net/ Aus der Praxis … in die Praxis! Die Dokumentation der größeren Projekte soll deutlich machen, wie von der Einzelmaßnahme ausgehend eine Entwicklungslinie hin zu einer geschlechtergerechten Schule gezogen werden kann. Für die Auswahl der Praxisbeispiele haben wir drei Kriterien zu Grunde gelegt, nämlich Vielfalt, Aktualität und das Prinzip der Koedukation: 3. Im Folgenden stellen wir Ihnen ein Dutzend Beispiele für geschlechtergerechte Konzepte an allgemeinbildenden Schulen vor. Diese Beispiele beinhalten die Darstellung einzelner Unterrichtsentwürfe und auch größer angelegte Projekte. rung ergänzen sinnvoll die vorhandenen Möglichkeiten in den allgemeinbildenden Schulen. q Zunächst haben wir alle Schulstufen berücksichtigt. Bei der bundesweiten Recherche fällt auf, dass in der Primarstufe und vor allem in der Sekundarstufe I fast in jedem Bundesland Projekte zur Förderung von Jungen und Mädchen in der Schule oder in Kooperation mit außerschulischen Bildungseinrichtungen laufen. Für die Sekundarstufe II lassen sich solche Projekte jedoch nur selten finden. Vielleicht gibt diese Handreichung ja der einen oder dem anderen von Ihnen einen Anstoß, hier aktiv und kreativ zu werden. q Die Beispiele sollen möglichst aktuell sein, daher wurde auf manche Klassiker (wie den von der Bielefelder Laborschule entwickelten Haushaltspass) verzichtet. Dafür finden sich viele Projekte, die im Internet dokumentiert und mit umfangreichem Material zum komfortablen Download ausgestattet sind. Zur übersichtlichen Darstellung wurde eine tabellarische Form gewählt. Die Angaben über die didaktische Ziele sowie die Zielgruppe, den Verlauf und das benötigte Material sind den jeweils ausgewiesenen Quellen entnommen. Wir haben jedes Beispiel durch einen kurzen Kommentar ergänzt, der die jeweiligen Besonderheiten herausstellt. So werden Bezüge zu den zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung (Kapitel 2) hergestellt. Anzumerken ist jedoch, dass die Beispiele selbstverständlich nicht alle Ansprüche an eine geschlechtergerechte Bildung gleichzeitig erfüllen können oder auch nur sollten. Vielmehr geht es uns darum, gute Ideen aus der Schulpraxis vorzustellen, damit Sie sie dann in der Praxis für die eigene Arbeit umsetzen können. q Da die allgemeinbildenden Schulen vorwiegend koedukativ organisiert sind, haben wir nur solche Unterrichtskonzepte ausgesucht, die sich gleichermaßen an Jungen und Mädchen wenden. Das heißt selbstverständlich nicht, dass Projekte abgewertet werden, die ausschließlich für ein Geschlecht konzipiert sind. Im Gegenteil: Diese (meist außerschulischen) Programme zur Jungen- oder Mädchenförde- 29 29 Quiz: Was kann ein Junge nicht? Was kann ein Mädchen nicht? Autorin Konzept Unterrichtsentwurf, ca. eine Stunde Schulform & -stufe Primarstufe, ab Klasse 3 Ziele Die Kinder werden motiviert, Geschlechterstereotype bewusst zu machen und sie gemeinsam in der Klasse zu hinterfragen. Ein Entwicklungsprozess zur Reflexion des Sinns bzw. Unsinns von geschlechtsspezifischen Vorurteilen wird initiiert, der gleichwertige Umgang zwischen Mädchen und Jungen gefördert. Verlauf Zunächst wird die Gruppe in zwei Kleingruppen unterteilt. Die Aufgabe ist es, so viele Antworten wie möglich auf die Fragen zu finden: „Was kann ein Junge nicht?“ Was kann ein Mädchen nicht?“ Für jede Antwort gibt es einen Punkt. Im zweiten Schritt werden die Antworten zusammengetragen. Dabei werden die einzelnen Aussagen noch nicht bewertet. Anschließend haben die beiden Kleingruppen die Aufgabe, sich gegenseitig ihre Aussagen zu widerlegen. Für jede Widerlegung gibt es zwei Punkte. Gewonnen hat die Gruppe mit den meisten Punkten. In einem gemeinsamen Abschlussgespräch wird die Möglichkeit gegeben zu reflektieren, wie und warum solche Stereotype entstehen. Material Wandzeitung, Papier, Stifte Quelle 30 Jamie Walker Welz, Eberhard & Ulla Dussa (1998) (Hg.): Mädchen sind besser – Jungen auch. Konfliktbewältigung für Mädchen und Jungen – ein Beitrag zur Förderung sozialer Kompetenzen in der Grundschule. Band 2: Curriculum und Spiele. Berlin. S. 202. 31 Vorurteile durch die Diskussionen“ selber passiert. Die Kinder können so auf spielerische Weise lernen, was geschlechterspezifische Stereotype sind und mehr noch: dass diese keine Allgemeingültigkeit beanspruchen können. Durch die unterschiedliche Punktvergabepraxis in den beiden Spielrunden wird ferner suggeriert, dass das Demontieren von Stereotypen besonders wichtig ist (vgl. Frage 6 im 2. Kapitel dieser Broschüre). Mit diesem Unterrichtskonzept kann das Verständnis für vielfältige Lebensentwürfe (vgl. Frage 3) gefördert werden. 3. Aus der Praxis … in die Praxis! Kommentar: Die Grundschule ist für die Identitätsentwicklung der Jungen und Mädchen besondere relevant, da die Kinder beim Schulstart meistens bereits die erste „fundamentale Selbstkategorisierung als Mädchen oder Junge“ (Roth 2002, S. 340) hinter sich haben. Während der Grundschulzeit stellt die Geschlechtsidentität einen wichtigen Faktor der Selbstwahrnehmung der Kinder dar, ihre Rollenvorstellungen sind noch besonders eng. Genau an diesem Punkt setzt das vorliegende geschlechterbewusste Unterrichtsbeispiel an: „Die Idee dabei ist“, schreibt Jamie Walker, „dass die Dekonstruktion der 31 Barbie, Ken und der Versandhaus-Katalog Autorin Konzept Gruppenpuzzle Mathematik, zwei Doppelstunden Schulform & -stufe Sekundarstufe I, Klasse 6 Ziele Spielerisches Entdecken und Diskutieren von Rollenstereotypen Umgang mit Tabellen. Messen und Vergleichen. Multiplikation und Division von Dezimalzahlen Selbstständiges Lernen im Team und Präsentieren der Ergebnisse vor der Klasse Verlauf Es werden kleine Jungen- und Mädchengruppen gebildet und jede Gruppe bekommt eine andere Puppe, z.B. Barbie, Ken und weitere Spielfiguren. Die Puppen werden vermessen und auf eine menschliche Person hochgerechnet, die dann im Versandkatalog Kleider bestellen soll. Dabei ergibt sich eine Diskussion über Rollenstereotype, die mit Leitfragen zur Selbstwahrnehmung ergänzt wird: Warum spielen viele Mädchen mit Barbie-Puppen, aber kaum ein Junge? Warum spielt die Mehrzahl aller Jungen mit „Action-Figuren“, aber kaum ein Mädchen? Die abschließende gemeinsame Diskussion soll „einen Beitrag zur Entlastung von Rollenzwängen“ (Kaiser 2001, S. 195) leisten. Material Barbie, Ken und weitere Figuren (Action-Puppen), Maßband oder Schnur, Maßtabellen für Kinder, Frauen und Männer aus einem Versandhauskatalog Quelle 32 Elisabeth Frank Dokumentiert von: Kaiser, Astrid (Hg.) (2001): Praxisbuch Mädchen- und Jungenstunden. Hohengehren. S. 193-196. Man sieht, dass Kaiser hier von einem differenzfeministischen Ansatz ausgeht. Dabei suggeriert sie, dass Mädchen vor überzogenen Erwartungen zu schützen, Jungen hingegen ei- 33 gentlich nur „schwache Kerlchen“ seien – getrieben von ihrer Sexualität. Daher empfiehlt Kaiser weiter, eine Barbie nicht an Jungengruppen zu verteilen, „um das Vermessen des ‚Superbusens’ in der Jungengruppe zu vermeiden.“ (ebd.) Passender wäre es jedoch, wenn diese Deutungsmuster von der Lehrkraft erst einmal selbst kritisch hinterfragt würden (vgl. Frage 2 im 2. Kapitel). Dadurch kann der Lehrer bzw. die Lehrerin sich besser darauf vorbereiten, adäquat auf Probleme reagieren zu können. Auf der Grundlage gegenseitiger Akzeptanz von Schülerinnen, Schülern und der Lehrkraft können diese dann besprochen und hoffentlich auch gelöst werden, statt sie vermeintlich wohlmeinend im Vorfeld aus dem Weg zuräumen. 3. Aus der Praxis … in die Praxis! Kommentar: In der Dokumentation dieses Unterrichtsbeispiels beschreibt Kaiser die unterschiedlichen Rollenzwänge, denen Jungen und Mädchen ihrer Meinung nach ausgesetzt sind: „bei Mädchen den Zwang von Nettsein, Schönsein und Schlanksein (Magersucht), bei Jungen den Zwang zum coolen Superhelden, der – selbst wenn er eigentlich ein schwaches Kerlchen ist – dank phallusähnlicher Wunderwaffen die Erde vor dem Untergang rettet (Gewaltproblem, Kopplung: Technik-Macht-Männlichkeit).“ (Kaiser 2001, S. 194). 33 Grundrechte: Mädchen und Jungen sind gleichberechtigt Autor Horst-Dieter Gerold Konzept Heimat- oder Sachkundeunterricht Schulfstufe Primarstufe Ziele Die Mädchen und Jungen sollen sich mit Geschlechterrollen auseinandersetzen. Teilwissen über Geschlechterrollen wird strukturiert und Rollenklischees sollen aufgebrochen werden, so dass die Kinder ihre individuellen Qualitäten stärker wahrnehmen. Verlauf Als Stundeneinstieg schauen sich die Schülerinnen und Schüler zwei Bilder an, auf denen unterschiedlich handelnde Kinder und Erwachsene in einer Küche dargestellt sind. Alternativ gibt es auch zwei Bilder eines Spielplatzszenarios nur mit Kindern. Sind die Szenen erfasst und etwaige Fragen geklärt, findet eine Gruppenarbeit statt: Als Arbeitsauftrag wird vorgeschlagen, zunächst die beiden Bilder detaillierter zu beschreiben. Was fällt bei diesen Szenen auf, wo sind die Unterschiede? Welche Personen sind ungewöhnlich? Wie gehen die Personen miteinander um und wie fühlen sie sich? Was könnten die dargestellten Personen sagen oder denken? Wenn die Kinder schon schreiben können, werden sie angeregt, Texte für Sprechblasen zu verfassen. Diese werden ausgeschnitten und an verschiedene Personen im Bild angelegt. Mit Bezug auf das Grundgesetz wird dann in der Auswertungsphase der Gruppenarbeit gefragt, ob Jungen und Mädchen bzw. Frauen und Männer das gleiche Recht haben, sich so zu benehmen, wie es ihnen passt. Die Kinder sollen diskutieren, was passieren würde, wenn sich Jungen wie Mädchen benehmen bzw. umgekehrt. Daran kann sich ein Rollenspiel anschließen, in dem die Schülerinnen und Schüler einzelne Szenen nachspielen und eine Fortsetzung dazu erfinden. Der Autor regt an, das Thema durch eine weitere Auseinandersetzung zu vertiefen und macht verschiedene Vorschläge, z.B.: Die Kinder bringen ihr Lieblingsspielzeug mit und es wird sortiert in Spielsachen, mit denen Mädchen bzw. Jungen bevorzugt spielen. 34 Material Eine Doppelseite mit zwei Spielplatzszenen und eine weitere mit zwei Küchenszenarien, auf denen geschlechtstypische, vor allem aber auch -untypische Verhaltensweisen von Kindern und Erwachsenen dargestellt sind. Die Bilder und eine ausführliche Dokumentation gibt es zum kostenfreien Download unter der u.g. Internetadresse. Quelle Themenblätter für die Grundschule. (2002) Hg. von der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) Redaktion: Iris Möckel (verantw.); Pamela Brandt. Bonn. Im Internet unter: http://www.bpb.de/files/9J2IFT.pdf Kommentar: Die Kinder bringen geprägt durch die Familie unterschiedliche Vorstellungen von ‚richtigem’ Geschlechterverhalten in die Schule mit. Im Praxisbeispiel werden diese heterogenen Erfahrungen für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema konstruktiv genutzt (vgl. Frage 3 im 2. Kapitel). Horst-Dieter Gerold betont, dass die Komplexität des Themas es erforderlich macht, einzelne Inhalte immer wieder aufzugreifen und methodisch fächerverbindend zu arbeiten, um „offene Handlungssituationen“ zu schaffen, die es den Kindern „als Teilnehmende am Kommunikations- und Interaktionsprozess ermöglichen, flexibel zu reagieren.“ Diese Vorgehensweise sollte, so Gerold weiter, als „durchgängiges Prinzip eines Erziehungs- und Bildungsprozesses“ in der 35 3. Aus der Praxis … in die Praxis! Oder: Typische Verhaltensweisen (auch Interessen und Hobbys) von Jungen und Mädchen werden aufgeschrieben und geprüft, wo es Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt. Schule etabliert werden, „mit dem Ziel, Geschlechtsrollenkonflikte abzubauen und zu bewältigen.“ So deutet sich an, dass Geschlechtergerechtigkeit als feste Struktur in der Schule verankert werden kann (vgl. Frage 10). In einigen Klassen stelle sich „das Problem ‚Jungen contra Mädchen’ überhaupt nicht, während in anderen Klassen die Thematisierung geschlechtsrollenspezifischer Verhaltensweisen zu Konflikten und Polarisierungen in der Klasse oder in der Schule führen kann“, bemerkt der Autor weiter. Dies führt er hauptsächlich darauf zurück, dass die Lehrpersonen geschlechtsrollentypisches Verhalten sehr unterschiedlich wahrnehmen. Daher empfiehlt er eine sorgfältige Selbstreflexion (vgl. Frage 1). 35 Väterabend: „Was erlebe ich mit meinen Kindern?“ Autoren Uli Boldt, Michael Herschelmann, Christoph Grote Konzept Väterarbeit als Variante der Elternarbeit Zielgruppe/Schulstufe Primarstufe, Väter von Söhnen und Töchtern Ziele Die Väter können sich mit anderen Männern über Erziehungsfragen und die eigene Männer- bzw. Vaterrolle austauschen. Die Diskussion unterschiedlicher Erfahrungen kann zur Entwicklung neuer Handlungsperspektiven führen. Die Väter werden für die Lebenswelten ihrer Kinder (Söhne und Töchter gleichermaßen) sensibilisiert. Ziel ist es, den Vätern „Ideen und Anregungen für die Beschäftigung mit ihren Kindern zu geben“ (Boldt, Heuschelmann, Grothe (2006),S. 17), ohne dabei in Geschlechterstereotype zu verfallen. Verlauf Zu Beginn des Abends wird das Thema „Was erlebe ich mit meinen Kindern?“ vorgestellt. Dabei soll deutlich werden, dass die Aktivitäten der Väter mit ihren Kindern sehr unterschiedlich sein können: Vorlesen, ins Bett bringen, gemeinsames Kochen, Besichtigungen, Hausarbeit etc. Daran schließt sich eine offene Diskussion an. Durch eine Kleingruppenarbeit kann der gegenseitige Austausch noch intensiviert werden. Anschließend wird ein Fragebogen ausgeteilt, bei dem die Männer sich in Bezug auf ihren Beruf und ihre Familie selbst einschätzen sollen (vgl. Material). Anschließend wird ein Mann gebeten, seinen Fragebogen vorzustellen. Dies dient als Impuls für eine Diskussion, in der Möglichkeiten entwickelt werden, wie Väter ihre „Anwesenheitszeit in der Familie“ (S. 16) erhöhen, bzw. welche Aktivitäten sie mit ihren Kindern machen können. Während der Diskussion sollte die Gesprächsleitung darauf achten, dass „das Gespräch nicht dogmatisch verläuft und moralische Zurechtweisungen vermieden werden.“ (ebd.) Fragebogen Beruf/Familie und Haushalt (kann individuell entwickelt werden, ein Beispiel findet sich in der angegebenen Literatur). Auszug: 36 Fragebogen Beruf/Familie und Haushalt (kann individuell entwickelt werden, ein Beispiel findet sich in der angegebenen Literatur). Auszug: 1 = trifft nicht zu; 6 trifft vollkommen zu Ich arbeite zu viel. 1 2 3 4 5 6 Ich würde beruflich gern mit meiner Frau tauschen. 1 2 3 4 5 6 Ich bin zufrieden mit meiner Arbeit. 1 2 3 4 5 3. Aus der Praxis … in die Praxis! Material 6 Beim Putzen arbeitet die ganze Familie zusammen. 1 2 3 4 5 6 Bohren, Schrauben und Nageln fallen in meine Verantwortung. 1 2 3 4 5 6 Quelle Boldt, Uli & Michael Herschelmann, Christoph Grote (2006): Väterarbeit in der Grundschule. In: Die Grundschulzeitschrift 194/2006, S. 15-17. Kommentar: Dieser Väterabend soll Elternabende nicht ersetzen, sondern das Angebot der Elternarbeit erweitern, da diese in der Regel hauptsächlich von Müttern besucht werden. Es gibt verschiedene Gründe, warum die Väter bei Elternabenden wenig präsent sind, z.B. die Arbeitszeiten, Betreuungsnotwendigkeiten oder „zu wenig reizvolle Veranstaltungsankündigungen, genauso wie Desinteresse und Verantwortungsdelegation an die Mütter.“ (Boldt et al. 2006, S. 15) Ein eigener Väterabend soll den Männer 37 zeigen, dass ihre Meinung gefragt und ihr Einsatz gewünscht ist. Denn, wie die Autoren schreiben: „Wenn die Lehrkräfte die Väter in ihren Anliegen und Fragen ernst nehmen, dann werden die Väter es mit Aufmerksamkeit für ihre Kinder zurückzahlen.“ (ebd. S. 17) Weitere Elternabende von Müttern und Vätern können der Vertiefung des Geschlechterthemas dienen, z.B. die Organisation von Eltern-Tochter- bzw. Eltern-Sohn-Gruppen (vgl. Frage 8 im 2. Kapitel). 37 Die Rolle des ‚Lehr-Körpers’ in der Sexualerziehung Autorin Konzept Schulinterne Lehrer/innenfortbildung: psychosozialer Arbeitskreis Schulstufe/ Zielgruppe Lehrkräfte einer Grundschule Ziele Gespräche über die Erfahrungen mit sexualpädagogischem Unterricht sollen die Kommunikation zwischen den Lehrkräften bereichern, kollegiales Verhalten fördern und dazu inspirieren, mit gemeinsamen innovativen Projekten das Schulklima zu verbessern. Verlauf 38 Christa Wanzeck-Sielert Mit einem kollegialen Arbeitskreis sollen sich die Lehrkräfte darauf vorbereiten, eine vertrauensvolle und angstfreie Lernatmosphäre für dieses ‚besondere’ Thema Sexualerziehung zu schaffen. Der Arbeitskreis wird als ein erster Schritt gesehen, sich gemeinsam mit anderen für das Thema zu sensibilisieren, d.h. im Gespräch mit den Kollegen und Kolleginnen wird das Thema „kommunizierbar“ gemacht, Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Bewertung und im Umgang mit kindlicher Sexualität können besprochen werden. So wird durch den Kreis ein Ort geschaffen, „wo eigene Hemmungen und Barrieren zur Sprache kommen können und es möglich ist, sich gegenseitig den Blick für soziale und emotionale Entwicklungen zu schärfen. Das wiederum kann sich positiv auf Kooperationen bei sexualpädagogischen Projekten und Themen sowie der Erarbeitung einer gemeinsamen sexualpädagogischen Haltung auswirken.“ (WanzeckSielert 2004, S. 13). Mit Fragen zur Wahrnehmung der geschlechtlichen Rolle als Lehrkraft und zur eigenen Biographie werden Impulse für das kollegiale Miteinander gegeben. Auch die Elternarbeit kann so verbessert werden, da es mit dem Rückhalt des Kollegiums leichter ist, offen mit den Eltern über die Ziele einer umfassenden Sexualerziehung zu sprechen (inkl. Aspekten wie Drogen, Gewalt, AIDS etc.). Auszug aus den Fragen zur Anregungen für die Arbeit im kollegialen Kreis (mehr Beispiele finden sich in der angegebenen Literatur): q Können Sie über das Thema ‚Sexualität’ offen sprechen? q Worüber möchten Sie mit den Kindern in der Klasse nicht reden? q Wann sollen, dürfen, müssen Lehrer/innen in sexuelle Interaktionen zwischen Mädchen und Jungen eingreifen? Fragen zur Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie: q Wie haben Ihre Eltern an Ihrer sexuellen Entwicklung teilgenommen? q Was haben Sie von Gleichaltrigen über Sexualität gehört? q In welcher Situation haben Sie sich schon einmal sprachlos erlebt? Quelle Wanzeck-Sielert, Christa (2004): „Eigentlich ist es der schönste Unterricht überhaupt!“ Die Rolle des ‚Lehr-Körpers’ in der Sexualerziehung. In: Die Grundschulzeitschrift 178/2004. S. 12-15. Kommentar: Der kollegiale Arbeitskreis stellt einen wichtigen Baustein für die Planung von Sexualerziehung dar. Denn die Lehrkräfte benötigen, wie Christia Wanzeck-Sielert (2004, S. 13) schreibt, ein „Mindestmaß an Selbstreflexion und persönliches Lernen. Gemeint ist die angeleitete Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie, gesellschaftlichen Normen und Werten, sexuellen Verhaltensweisen und Einstellungen“ (vgl. Frage 1 und 2 im 2. Kapitel). Gerade bei diesem sensiblen Thema ist es wichtig, dass die 39 3. Aus der Praxis … in die Praxis! Material Lehrkraft für ihre Schülerinnen und Schüler eine Vertrauensperson sein kann, die für die Fragen der Kinder zur Verfügung steht, ohne ihnen ein Gefühl von Scham oder Schuld zu vermitteln (vgl. Frage 3). Dazu gehört aber auch, „einen eigenen Standpunkt zu finden und zu formulieren, schwierige Themen anzusprechen, Handlungsalternativen aufzuzeigen und im sexualpädagogischen Kontext sprachfähig zu sein.“ (ebd.) 39 Die 24-Stunden-Uhr Autorinnen Konzept Unterrichtsbaustein, ca. zwei Unterrichtsstunden Schulstufe Sekundarstufe I, ab ca. elf Jahren Ziele Die Schüler und Schülerinnen sollen für Geschlechterunterschiede im Berufsfindungsprozess sensibilisiert und angeregt werden, über eigene Rollenvorbilder und Zukunftsvorstellungen nachzudenken. Verlauf Alle Schülerinnen und Schüler bekommen ein Blatt mit einer 24Stunden-Uhr (s. Material). Auf der Uhr wird nun eingezeichnet, wie ein typischer Arbeitstag aussehen könnte, wenn die Schülerinnen und Schüler 30 Jahre alt sind. Anschließend werden geschlechtshomogene Gruppen (mit je vier bis sechs Personen) gebildet. In den Gruppen sollen die Schülerinnen und Schüler eine „Gruppenuhr“ (auf Flipchart-Papier) aufzeichnen. Dabei werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede der individuellen Uhren diskutiert. Sodann präsentiert jede Gruppe ihre Uhr. Im gemeinsamen Abschlussgespräch werden die „Mädchen-“ und „Jungenuhren“ miteinander verglichen und die Unterschiede diskutiert. Material Arbeitsblatt 24-Stunden-Uhr (im Internet unter der u.g. Seite zum Download verfügbar), Flipchartpapier, Stifte Quelle 40 Sybille Reidl, Nicole Schaffer und Birgit Woitech Dieser Unterrichtsbaustein ist Teil des „virtuellen geseBo-Koffers“. GeseBo (geschlechtssensible Berufsorientierung) ist ein Pilotprojekt der Koordinationsstelle für Gender Mainstreaming in Niederösterreich. Der „virtuelle Koffer“ ist eine Internetplattform, auf der sich abgesehen von der 24-Stunden-Uhr noch weitere Unterrichtsbausteine, Erfahrungsberichte und Hintergrundinformationen zum Gender Mainstreaming finden. Neben Lehrerinnen und Lehrern der Sekundarstufe I richtet sich dieses Projekt an alle, die im Bereich Berufsorientierung von Jugendlichen arbeiten (z.B. Berufsberater und -beraterinnen). http://www.gendernow.at/gesebo 41 ihre persönlichen Vorstellungen mit den anderen zu diskutieren, Problematisches selbst auszumachen und scheinbar Selbstverständliches zu hinterfragen. So werden Möglichkeiten geschaffen, die Selbst- und Fremdwahrnehmungen zu reflektieren (vgl. Frage 5). Die Methode fördert die Kooperationsfähigkeit. 3. Aus der Praxis … in die Praxis! Kommentar: Mit diesem Unterrichtsbaustein kann gut ein Einstieg in das Thema „Geschlechterrollen“ erfolgen: Zunächst beschreiben die Jugendlichen selbst, wo sie stehen. Gleichzeitig werden so ihre eigenen Lebensentwürfe wertgeschätzt, da sie die Grundlage für die weitere Arbeit darstellen (vgl. Frage 3 in Kapitel 2). Anschließend haben die Jungen und Mädchen Gelegenheit, 41 Freiarbeit im Mathematikunterricht Autorin Lisa Glagow-Schicha Konzept Freiarbeit Schulstufe Sekundarstufe I, Erprobungsstufe Ziele Förderung der Ich-Identität und Verbesserung des sozialkompetenten Verhaltens. Verlauf Material Quelle 42 Etwa einmal im Monat erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Arbeitsplan mit unterschiedlich anspruchsvollen Aufgaben, Spielen und Übungen, die in speziell ausgewiesenen Freiarbeitsstunden (während des regulären Mathematikunterrichts) zu absolvieren sind. Auch die Kontrolle der Lösungen wird durch die Kinder zunächst selbst durchgeführt, eine weitere Kontrolle kann durch eine anschließende Klassenarbeit erfolgen. Der Arbeitsplan ist in der Regel für etwa vier-sechs Stunden zu konzipieren. Reicht die Zeit nicht, können einzelne Aufgaben als Hausaufgabe erledigt werden. Die Aufgaben sind so zu gestalten, dass sie verschiedene Interessensfelder abdecken (Lebensweltbezug) und Fähigkeiten schulen (z.B. Wiederholen, Üben, Anwenden). Je nach Konzeption: Arbeitspläne und entsprechende Materialien (z.B. Computer, Ausmalbilder, Würfel etc.) Glagow-Schicha, Lisa (1997): Freiarbeit im Mathematikunterricht in der Erprobungsstufe. In: Glagow-Schicha, Lisa & Sonja Meyer, Petra Ridlhammer (Hg.): Für Ada, Marie und andere Mädchen. IKÖ-Diskussionsforum Band 1. Veröffentlichung des Institutes für Informations- und Kommunikationsökologie. Duisburg. S. 26-31. 43 figuren im Mathematikunterricht zu berücksichtigen, was in traditionellen Mathematiklehrbüchern oft nicht der Fall ist (vgl. Frage 6). Durch die Selbstkontrolle wird „das hierarchische Kontrollsystem durch die Lehrperson, das normalerweise in der Schule vorherrscht, zurückgenommen“ (Glagow-Schicha 1997, S. 29). In diesem Sinne wäre weiter zu überlegen, wie die Leistungen der Kinder in offenen Unterrichtsformen auch ohne Klassenarbeiten bewertet und dokumentiert werden können. Denn nicht die Überprüfung und Benotung, sondern die Aufgabe und die Leistung selbst sollten (nicht nur) in offenen Unterrichtsformen stets im Mittelpunkt stehen. 3. Aus der Praxis … in die Praxis! Kommentar: Durch die Wahl der Reihenfolge der Arbeitsaufgaben, teilweise auch durch die Wahl der Sozialform und des Lernortes wird das selbstständige Lernen der Kinder gefördert (vgl. Frage 7 in Kapitel 2). „Freiarbeit“, so schreibt die Autorin, „gibt Mädchen und Jungen gleichermaßen Raum, geschlechtsspezifische Wirklichkeitskonzeptionen herauszufinden und auszudrücken. Geschlechterdifferenzen können dann als produktives Moment von Lehren und Lernen genutzt werden.“ (Glagow-Schicha 1997, S. 27). Zudem kann die Lehrkraft bei der Auswahl der Aufgaben verstärkt darauf achten, zu gleichen Teilen weibliche wie männliche Identifikations- 43 Mädchen und Jungen lesen anders und anderes Autorin Andrea Bertschi-Kaufmann Konzept Offener Leseunterricht Schulstufe Primarstufe Ziele Der Leseunterricht trainiert nicht nur Fertigkeiten, sondern versteht das Lesen als Erfahrungsraum für persönlich bedeutsame Informationen und Geschichten. Es geht auch darum, die Literaturvorlieben anderer nicht pauschal abzuwerten, sondern sich selbst eine Meinung zu bilden und nach „verschiedenen Spielregeln“ mit anderen zu diskutieren. Verlauf Im Leseunterricht haben die Kinder die Möglichkeit, eigenständig zu bestimmen, wie und was sie lesen möchten. Dazu steht eine Bibliothek bereit: In „freien Lesestunden“ können die Kinder unterschiedliche Lektüren und Leseorte wählen. Gezielte Fragen und verschiedene Spiele motivieren, das bereits Gelesene zu reflektieren, mit anderen zu besprechen und ggf. weiterzuempfehlen: Die Kinder malen z.B. ihre literarischen Lieblingsfiguren, sie überlegen den Anfang einer neuen Geschichte, sie variieren stereotype Handlungsverläufe oder prämieren „besondere“ Buchhelden und -heldinnen: Zunächst werden die Eigenschaften stereotyper Figuren aufgelistet. So wird ein Raster gebildet, mit dem man bestimmen kann, welche Figuren „ganz anders und weniger normgerecht“ sind. Alle Kinder entscheiden dann als Jury zusammen, welches „Buchmädchen“ oder welcher „Buchjunge“ beson-ders spannend ist. Wichtig ist, dass die Lehrerin bzw. der Lehrer sich selbst auch für unterschiedliche Lesestoffe interessiert und diese (auch wenn sie aus literarischer Sicht eher stereotyp sind) integrieren und als gleichwertig nebeneinander gelten lassen kann. Material 44 Klassenzimmerbibliothek Bertschi-Kaufmann, Andrea (1997): Mädchen und Jungen lesen anders und anderes. In: Grundschulzeitschrift 103 (1997), S. 4044. Aufsatz über das fachdidaktische Projekt „Leseförderung und Leseentwicklung“, an dem die Lehrerinnen- und Lehrerbildung des Kantons Aargau (Schweiz) und die Schulpraxis kooperieren. 25 Grundschullehrkräfte erproben verschiedene Förderanlagen und Materialien. Kommentar: Indem die Lehrerin bzw. der Lehrer die Lektürevorlieben der Kinder respektiert, drückt sie bzw. er auch eine persönliche Wertschätzung für die Jungen und Mädchen aus (vgl. Frage 1 in Kapitel 2). Zwar seien die „trivialen Erzählmuster und die einfachen Rollenbilder […] aus pädagogischer und aus literarischer Sicht ärgerlich“, räumt Andrea Bertschi-Kaufmann (1997, S. 41) ein, aber für viele Kinder gelinge damit der Einstieg in das Lesen von Büchern. Die Lust am Lesen zu wecken hat somit Priorität, was – wie die PISA-Ergebnisse gezeigt haben – insbesondere für Jungen keine triviale Aufgabe ist. Dementsprechend geht es Bertschi-Kaufmann nicht darum, durch den spielerischen Austausch der Lektüreerfahrungen das Lesever- 45 halten der Kinder in eine bestimmte Richtung zu lenken, sondern den Mädchen und Jungen Gelegenheiten zu geben, „Muster, Wiederholungen und Stereotype wahrzunehmen“ und „die Neugierde für weniger vertraute Lesestoffe“ (ebd. S. 44) zu wecken. 3. Aus der Praxis … in die Praxis! Quelle Durch die Etablierung von offenem Leseunterricht mit einer gemeinsamen Bibliothek und Leseecken zum Wohlfühlen und Entspannen, wird die Schule als angenehmer Lebensraum für die Kinder gestaltet (vgl. Frage 5), in der sowohl ein gleichberechtigtes Miteinander gefördert, daneben aber auch Möglichkeiten für partiellen Rückzug und Ruhephasen eingeräumt werden. 45 Kinderalltag in Deutschland – heute und früher Autorin Konzept Fächerübergreifende Unterrichtseinheit (Politik/SoWi, Geographie, Religion/Ethik, Deutsch). Mindestens 4 Stunden werden veranschlagt. Das Konzept kann aber auch als Thema für eine Projektwoche ausgebaut werden. Schulstufe Sekundarstufe I, Klasse 5-7 Ziele Es geht darum, den eigenen Alltag bewusst wahrzunehmen und die Lebensbedingungen von anderen Kindern (an anderen Orten und zu anderen Zeiten), insbesondere unterschiedliche „Jungenund Mädchenwelten“ zu betrachten. Durch die Auseinandersetzung mit Selbstverständlichkeiten aus anderen Zeiten oder fremden Orten wird der Horizont der Schülerinnen und Schüler in historischer bzw. geographischer (globaler) Dimension erweitert. Als weiteres Ziel ist der Aufbau von Medienkompetenz (insbesondere Umgang mit dem Internet) zu nennen. Verlauf Das Projekt enthält unterschiedliche Zugänge zum Thema Kindheit: Wie wird im Internet über den Alltag von Kindern berichtet? (Möglichkeiten der Internetrecherche ausprobieren und bewerten lernen.) Wie lebten Jungen und Mädchen früher? (Leitfrageninterviews mit Erwachsenen führen, z.B. den Großeltern.) Was ist typisch für mich als Mädchen oder mich als Junge? Wie sieht mein Alltag aus? (Einen Brief nach Westafrika schreiben.) Wie leben Kinder in Afrika? (Film- und Bildmaterial auswerten.) Material Umfangreiches Material (inkl. Aufgabenstellungen zu den einzelnen Zugängen) findet sich im Internet auf den Seiten von „Schulen ans Netz“ unter der u.g. Internetadresse. Quelle 46 Regina Riepe Projekt von „Schulen ans Netz“ e.V. © 2006 http://www.lehrer-online.de/url/kinderalltag-deutschland werden für die Kinder individuelle Zugänge zum Thema geschaffen (vgl. Frage 7 in Kapitel 2). Das Verständnis für vielfältige Lebensentwürfe (vgl. Frage 3) wird gefördert. Gleichzeitig wird der Blick auch auf die Klasse selbst gelenkt, da die Jungen und Mädchen die Lebensbedingungen von anderen mit ihrer eigenen Situation kontrastieren (vgl. Frage 5). 3. Aus der Praxis … in die Praxis! Kommentar: „Die Auseinandersetzung mit dem Alltag von Kindern“, schreibt Regina Riepe, „schließt den Blick auf den Genderaspekt als Querschnittsthema mit ein: Was ist anders, wenn ich ein Junge beziehungsweise ein Mädchen bin? Welche Spiele haben Jungen und Mädchen früher gespielt? Gab es unterschiedliche Geschlechterrollen? Wie ist das Rollenverhältnis heute?“ Durch die abwechslungsreichen Methoden 47 Berufswahlorientierung: Elternarbeit – Konzept einer Seminarreihe Autor/innen Arbeitsgruppe „Reflexive Koedukation“ des Landesinstituts für Schule/Qualitätsagentur NRW Konzept Elternarbeit zur Berufswahlorientierung als Seminarreihe (pro Termin ca. 2– bis 3 Stunden) Zielgruppe/Schulstufe Eltern der Jahrgänge 7-10 Ziele Die Eltern sollen stärker und früher in den Prozess der Berufsfindung ihrer Kinder einbezogen werden. Dazu ist eine Sensibilisierung der Eltern für geschlechtsspezifische Frage- und Problemstellungen nötig. Verlauf Material Quelle 48 Die Eltern werden eingeladen, ihre eigene pädagogische Einflussnahme und ihre Erfahrungen als Mütter und Väter zu reflektieren. Sie sollen ferner unterschiedliche Informationsquellen kennen lernen und Strategien zur Unterstützung der eigenen Kinder erarbeiten. Die Elternarbeit ist über mehrere Jahre konzipiert. Pro Jahr finden ein- oder zweimal gemeinsame Abende statt. Das Konzept beinhaltet folgende Einheiten: q Grenzenloses Vertrauen oder Überforderung? Aufgaben der Eltern im Berufsfindungsprozess q Was kann mein Kind? Individuelle Stärken und objektive Möglichkeiten von Jugendlichen im Berufsfindungsprozess. q Typisch männlich – typisch weiblich? Geschlechterstereotype in der Berufswahlorientierung q Manipulation oder Hilfestellung? Eltern können helfen! q Was tun die anderen? Angebote von Schule und Berufsberatung q Versteckte Botschaften? Bearbeitung von unterschiedlichen Verhaltensweisen q Angst vor dem Vorstellungsgespräch? Eltern können helfen! Die Einheiten sind methodisch vielfältig gestaltet. Aussagen über die jeweiligen Zielsetzungen, Vorschläge zur Organisation und Materialien für die Durchführung sind zum kostenlosen Download zur Verfügung gestellt. Learn:line © (Bildungsserver NRW), hg. vom Landesinstitut für Schule/Qualitätsagentur (LfS/QA): http://www.learn-line.nrw.de Konzeption der Seminarreihe: http://www.learnline.de/angebote/koedukation/downloads/sekundarstufen_pdf/berufswahl_elternarbeit.PDF Ansprechpartnerin: Margret Kratz-Dreisbach Kommentar: Diese Seminarreihe ist beispielhaft für das Unterfangen, eine Kooperation zwischen Eltern und Schule anzubahnen (vgl. Frage 8 in Kapitel 2). Beide Seiten können ihre Vorstellungen von „richtiger“ Erziehung transparent machen und zum Wohl der Kinder zusammen arbeiten. Auf der Grundlage gegenseitiger Akzeptanz und Vertrauen kann so ein Dialog stattfinden, der die öffentlichen bzw. privaten Dimensionen der Erziehung für die jeweils andere Seite verständlich macht. Die Kinder erfahren so, dass man sich für sie und ihr Schülerinnen- bzw. Schülersein interessiert und bereit ist, sie bei ihrer persönlichen Lebens- und Berufsplanung zu unterstützen (vgl. Frage 3). 3. Aus der Praxis … in die Praxis! Quelle 49 Das Rollenbild in der Schöpfungsgeschichte Autor Konzept Unterrichtsreihe für etwa 14 Stunden. Projektorientierter Religionsunterricht. Schulstufe Sekundarstufe II Ziele Die Schülerinnen und Schüler sollen erkennen, dass sich aus der zweiten Schöpfungserzählung (Erschaffung des Menschen als Mann und Frau, Genesis 2,7.18-24) keine Geschlechterhierarchie ableiten lässt. Sie lernen verschiedene Methoden der Bibelexegese kennen.Wissenschaftspropädeutisch fördert der Unterricht die Arbeit mit Primär- und Sekundärtexten, die Literatur- und Internetrecherche sowie Präsentationstechniken (auch mit neuen Medien). Durch längerfristiges selbstständiges Arbeiten in Kleingruppen können die Schülerinnen und Schüler Sozial- und Planungskompetenzen aufbauen. Verlauf 50 Boris Meltzow Zu Beginn erfolgt eine detaillierte Einführung (ca. eine Doppelstunde) in das Projekt: Die Schülerinnen und Schüler erarbeiten durch die Lektüre des Primärtextes die traditionelle Auslegung und erörtern anschließend die theologische und gesellschaftliche Relevanz (auch mit Sekundärtexten). Dabei sollen sie erkennen, dass eine fundierte Auseinandersetzung mit dem Text einer eingehenden Exegese bedarf. So ergibt sich die Aufgabe für das Projekt, dessen Ergebnisse auf einer Website der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden sollen. Anschließend erarbeiten die Schülerinnen und Schüler einen gemeinsamen Arbeitsplan, der die verschiedenen Dimensionen des Projekts umfasst und den Fahrplan für die folgende Gruppenarbeitsphase darstellt. In den selbstständig arbeitenden Lerngruppen können sich die Schülerinnen und Schüler interessegeleitet mit Recherchemöglichkeiten im Internet, Medienkritik, Möglichkeiten der Präsentation, wichtigen Exegeseverfahren usw. auseinandersetzen. Zum Abschluss der Unterrichtsreihe präsentieren die Gruppen ihre Arbeitsergebnisse. Auch die aufgetretenen Probleme, das methodische Vorgehen etc. sollten diskutiert werden. PC mit Internetzugang für die einzelnen Gruppen Quelle Projekt von „Schulen ans Netz“ e.V. © 2003 http://www.lehrer-online.de/dyn/9.asp?url=323649.htm Die Ergebnisse dieses Projekts kann man sich im Internet anschauen unter: http://genesisprojekt.meltzow.de Kommentar: Der biblische Stoff gehört zu den Grundpfeilern des christlichen Menschenbildes. Die Rolle des Mannes und die Rolle der Frau werden gleichermaßen zum Unterrichtsthema (vgl. Frage 6 in Kapitel 2). Durch eine wissenschaftlich orientierte Bearbeitung wird erfahrbar, welche Ausmaße die Rollentypisierung und Hierarchisierung der Geschlechter historisch angenommen hat. Dabei ist die Spannung zwischen Glauben und Wissen für die Schülerin- nen und Schüler bedeutsam, die insbesondere bei der Vorbereitung auf ein Studium, aber auch für ein reflektiertes Selbstverständnis eine wichtige Rolle spielt. Die Projektarbeit berücksichtigt die heterogenen Interessen der Schülerinnen und Schüler, da ihnen die Wahl der Arbeitsmittel, der spezifischen Fragestellung sowie der Lernpartner und -partnerinnen überlassen wird (vgl. Frage 7). 3. Aus der Praxis … in die Praxis! Material 51 Schulprogramm Stieghorst Autor/innen Schulkonferenz der Gesamtschule Stieghorst Konzept Schulprogramm der städtischen Ganztagsschule Stieghorst (Gesamtschule) Schulstufe Sekundarstufen I und II Ziele „Wir begreifen die geschlechterbewusste Bildung als Chance und Möglichkeit, die Sozialfähigkeit, den Handlungsspielraum zu erweitern und die Entwicklung von Mädchen und Jungen in allen Bereichen zu fördern.“ (Gembus 2002, S. 132) Verlauf Im Unterschied zu den anderen Beispielen wird der Verlauf nicht detailliert dargestellt, sondern wegen des großen Umfangs nur skizziert. Die Gesamtschule Stieghorst hat das Thema einer geschlechtergerechten Bildung in ihr Schulprogramm aufgenommen. Jede Klasse wird von einer Lehrerin und einem Lehrer begeleitet. Dementsprechend sind auch geschlechterparitätisch besetzte Klassensprecherteams selbstverständlich. Das Thema der Geschlechtergerechtigkeit wird in vielen Schulfächern implementiert: q Deutsch: Auswahl der Lektüren und des Sprachgebrauchs q Gesellschaftslehre: Nicht nur Männergeschichte, sondern Alltagsgeschichte, Leben von Frauen und Männern q Sprachenunterricht: Jungen- und mädchenspezifische Förderung q Naturwissenschaften & Mathematik: Beispiele aus dem Alltagsleben der Schülerinnen und Schüler q Sexualkundeunterricht: Ohne Festlegung auf eine heterosexuelle Orientierung. Projekt zu AIDS in der 9. Jahrgangsstufe q Informatikgrundkurse werden monoedukativ angeboten q Sportunterricht: Nicht nur Wettkampfsport, sondern auch neue Körperarbeit u.a. mit Yoga und Massage q Im 5. Jahrgang wird ein Projekt zur Selbstbehauptung sowie Selbst- und Fremdwahrnehmung durchgeführt 52 Insgesamt finden solche Unterrichtsprinzipien Anwendung, die Mädchen und Jungen stärken, insbesondere durch Formen des selbstständigen Lernens. Quelle Gembus, Christian (2002): Schulprogramm Stieghorst. In: KochPriewe, Barbara (Hg.): Schulprogramme zur Mädchen- und Jungenförderung. Die geschlechterbewusste Schule. Weinheim. S. 131-141. Das Schulprogramm findet sich auf der Homepage der Gesamtschule: http://www.gesti.de/ Kommentar: Das Schulprogramm der Gesamtschule Stieghorst zeigt, wie das Thema Geschlechtergerechtigkeit in ein Gesamtkonzept für eine geschlechtergerechte Bildung eingebunden werden kann (vgl. Frage 9 in Kapitel 2). Die thematisch abwechslungsreichen Projekte und die Methodenvielfalt stellen sicher, dass die Schülerinnen und Schüler Geschlechtergerechtigkeit nicht als ein Thema unter anderen, sondern als ein Grundprinzip des demokratischen 3. Aus der Praxis … in die Praxis! q Haushalts- und Werkstattpass für Jungen und Mädchen (in Anlehnung an das Konzept der Laborschule Bielefeld) Zusammenlebens begreifen können. Das ganze Kollegium und die Schulleitung haben sich mit dem Schulprogramm auf die Ansprüche einer geschlechtergerechten Schule verpflichtet. Sicherlich trägt auch das dazu bei, ein kooperatives Klima zu schaffen, in dem Demokratie mehr als eine leere Phrase ist. Selbstverständlich sind in Stieghorst auch die Gremien geschlechterparitätisch besetzt (vgl. Frage 10). 53 4. Ergebnisse und Perspektiven Die Tatsache, dass das Geschlecht der Kinder und Jugendlichen viele Elemente von Schule beeinflusst (z.B. Leistung, Fächerwahl und Schullaufbahn), führt zu dem pädagogischen und demokratischen Anspruch, dass in der Schule und vor allem im Unterricht verstärkt darauf geachtet werden muss, eine geschlechtergerechte Bildung zu gestalten. Die Wichtigkeit dieser Aufgabe zeigt sich besonders deutlich bei der Gruppe von Kindern, die wenig positive Schul- und Lernerfahrungen machen können, dies gilt vor allem für Jungen. Woran liegt es denn, dass die Mädchen heute (im Gegensatz zur Zeit der Anfänge der Koedukation) ihre schulischen Chancen so erfolgreich nutzen können? Einige Antworten auf diese Frage wurden bereits angedeutet, andere werden weiter diskutiert und untersucht; eine weitere soll an dieser Stelle explizit herausgehoben werden: Dass die Mädchen heute nicht mehr das schulisch „benachteiligte Geschlecht“ darstellen, ist sicherlich der konsequenten Arbeit der Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, den Lehrern und Lehrerinnen sowie den politischen Vertretern und Vertreterinnen zu verdanken, die sich für die Gleichberechtigung in der Schule engagiert haben. Auf gesellschaftlicher Ebene beweist ihr Einsatz, dass auch starr scheinende gesellschaftliche Verhältnisse verändert werden können. Der Erfolg der politischen Maßnahmen und Praktiken widerlegt die Annahme, dass die schulischen Geschlechterdifferenzen ausschließlich als Folgen unterschiedlicher Interessen oder Lernstile und schon gar nicht auf vermeintlich angeborene Begabungen von Jungen und Mädchen zu- 54 rückgeführt werden können (vgl. auch OECD 2004, S. 110). Diese Befunde gehören auch zur Geschichte und Entwicklung der Koedukation in Deutschland, die man zur Kenntnis nehmen sollte, wenn man nicht hinter bereits erreichte Ziele zurückfallen will. Um solche Kurzsichtigkeit auszuschließen, haben wir im zweiten Kapitel Fragen entwickelt, die die verschiedenen Dimensionen einer geschlechtergerechten Bildung aufnehmen. Sodann wurden ein Dutzend Beispiele aus der Schulpraxis vorgestellt, die variantenreich aufzeigen, dass man Mädchen und Jungen (und auch die Lehrkräfte und Eltern) für das Thema Geschlechtergerechtigkeit sensibilisieren kann, indem man ihre individuellen Vorstellungen von Leben und Beruf ernst nimmt und ihnen einen Raum schafft, miteinander zu diskutieren und sich auszuprobieren. Obwohl es viele interessante Beispiele (sowohl koedukativer als auch monoedukativer Art) für eine geschlechtergerechte Bildung gibt, bleibt anzumerken, dass eine fundierte Didaktik für einen geschlechtergerechten Unterricht noch aussteht, mit der man die einzelnen Unterrichtsziele und -entwürfe systematisch begründen und bewerten könnte. Nach diesem kurzen Resümee möchten wir – ausgehend von der gegenwärtigen Diskussion über die Notwendigkeit einer neuen Jungenförderung – mit einigen Überlegungen abschließen, wie weitere Schritte für eine Verankerung geschlechtergerechter Bildung in der Schule aussehen könnten. Nachdem innerhalb der Koedukationsdebatte Jahrzehnte lang die Mädchen als das benachteiligte Geschlecht galten, werden derzeit die Jungen als die eigentlichen Verlierer des Bildungssystems bezeichnet (vgl. Crotti 2006, S. 363 ff.). Diese erst durch PISA breit rezipierte Beobachtung, dass von den weiterführenden Schulen die Mädchen stärker profitieren können als die Jungen, hat die öffentliche Diskussion ordentlich durcheinander gewirbelt: Die „Jungenkatastrophe“ (Beuster 2006) wurde ausgerufen, die Grundschullehrerinnen als Ursache allen Übels angeklagt (Diefenbach/Klein 2002), ein neuer „Krieg der Geschlechter“ (Gaserow 2006) beschworen. Preuss-Lausitz (2005, S. 222) resümiert, dass das „Reden über leistungsschwache, gewalttätige und verhaltensgestörte Jungen […] in den letzten Jahren in Deutschland Konjunktur“ hat. Statt des katholischen Arbeitermädchens vom Lande wird nun der männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund aus der Vorstadt als Inbegriff aller möglichen Benachteiligungen angesehen. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass auch Mädchen mit ähnlichem sozialen Hintergrund benachteiligt werden, so stellt Allemann-Ghionda (2006, S. 360) zu Recht heraus, „wenn Lehrpersonen eine bestimmte ethnische oder religiöse Zugehörigkeit (in der Regel: die Zugehörigkeit zum Islam) gekoppelt mit einem in ihren Augen defizitären familiären Hintergrund als Bildungshindernis betrachten und aktiv zum Hindernis machen.“ Deshalb hat es auch wenig Sinn, pauschal eines der beiden Geschlechter als Verlierer der allgemeinbildenden Schulen auszumachen, für das besondere pädagogische Maßnahmen zu ergreifen sind. Denn, wie Boldt/Schütte (2006, S. 5) zu Recht anmerken: „Eine bloße Korrektur von Defiziten greift in der pädagogischen Arbeit zu kurz. Durch eine reine Thematisierung ihrer Defizite lernen Menschen nichts hinzu.“ Vielmehr kommt es darauf an die Schule so auszugestalten, dass sie ihrer Aufgabe adäquat nachkommen kann, Jungen und Mädchen zu fördern sowie soziale Nachteile auszugleichen statt Ungleichheiten weiter zu verstärken. Darüber hinaus sind auch die Befunde der internationalen Leistungsvergleichsstudien nicht so umfassend, wie es manchmal proklamiert wird. Dementsprechend sollten diese Ergebnisse als Anlass verstanden werden, die geschlechtliche Prägung (Vor- bzw. Nachteile für Jungen oder Mädchen) in jedem schulischen Fach, aber auch für alle Schularten weiter zu untersuchen und zu prüfen, ob nicht schon Möglichkeiten existieren, die beiden Geschlechtern gerecht werden (vgl. Stürzer 2003, S. 113). 4. Ergebnisse und Perspektiven Koedukationsdebatte mit umgekehrten Vorzeichen? Unverzichtbar bleibt, dass weder Jungen unter eine Art Generalverdacht gestellt werden, noch Mädchen besondere Obhut benötigen – oder umgekehrt. Denn diese Annahmen würden nicht mehr als eine „pauschale Dichotomisierung“ (vgl. FaulstichWieland 2006, S. 265) darstellen, die den vielfältigen Lebenswirklichkeiten der Kinder nicht gerecht wird. Ausbildung und Weiterbildung von Lehrerinnen und Lehrern Die Lehrerinnen und Lehrer gehören für ihre Schülerinnen und Schüler zu den wichtigsten Bezugspersonen außerhalb der eigenen Familie, da sie nicht nur Wissen vermitteln sondern 55 eine Vorbildfunktion übernehmen und spezifische Werte und Normen der Institution Schule verkörpern (vgl. Nyssen 1994, S. 174). Daher ist für eine geschlechtergerechte Bildung eine entsprechende Schulung der Lehrkräfte notwendig, denn diese „müssen zunächst einmal ein Bewusstsein davon entwickeln, dass sie als mögliche Identifikationspersonen für Mädchen bzw. Jungen entscheidende Bedeutung in gewinnen.“ deren Sozialisationsprozess (Kraul/Horstkemper 1999, S. 311) Eine Ausbzw. Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer sollte die folgenden geschlechterspezifischen Kompetenzen berücksichtigen, die auch durch die zehn Fragen an eine geschlechtergerechte Bildung gespiegelt werden: q Historisch: Lehrerinnen und Lehrer sollten Kenntnisse von der historischen Bedeutung von Geschlechterhierarchien und dem langen Weg zur Gleichberechtigung haben. Dazu gehören zumindest Kenntnisse über die Frauen- und Männerbewegung, Zahlen und Fakten zur Situation der Männer und Frauen in der Gesellschaft sowie schulspezifisch die Entwicklung der Koedukation in Deutschland. q Diagnostisch: Um auf die heterogenen Bedürfnisse der Kinder eingehen zu können, brauchen die Lehrerinnen und Lehrer fundierte diagnostische Kompetenzen. Dazu zählen auch die Fähigkeiten, die eigene Geschlechterrolle zu reflektieren und das Unterrichtsgeschehen geschlechtersensibel einschätzen zu können, über vielfältige Deutungsmuster zu verfügen und sich der symbolischen Repräsentationen von Ungleichheit bewusst zu sein. q Didaktisch und methodisch: Um den Interessen und unterschiedlichen Fähigkeiten der Jungen und Mädchen gerecht zu werden, brauchen die Lehrer/innen die Kompetenz, ihren Unterricht methodisch vielfältig zu gestalten. Es gilt, die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen integrieren zu können. Dies spricht für eine Öffnung des Unterrichts nach innen und außen. Darüber sollten sich Lehrkräfte über die Dramatisierung der Geschlechter (z.B. bei monoedukativen Unterrichtsphasen) im Klaren sein sowie Strategien zur Entdramatisierung entwickeln können. Schließlich ist bei der Auswahl von Unterrichtsinhalten auf eine angemessene Präsenz von Frauen und Männern zu achten. q Politisch: Die Gleichberechtigung der Geschlechter ist innerhalb unserer Demokratie ein Grundrecht, das aber bedeutungslos bleibt, wenn es nicht von den Bürgerinnen und Bürgern wahrgenommen wird. Daher muss sich die Lehrerin/der Lehrer nicht nur in ihrer Rolle als Vorbild und als Vermittler/in demokratischer Prinzipien unserer Gesellschaft begreifen lernen, sondern sollte darüber hinaus von der grundsätzlichen Veränderbarkeit gesellschaftlicher (Geschlechter-)Verhältnisse überzeugt sein. 56 Diese Fähigkeiten und Haltungen bilden einen spezifischen Begriff der Genderkompetenz für Lehrerinnen und Lehrer, der die pädagogische Aufgabe in den Mittelpunkt stellt, den Schülerinnen und Schülern neue und vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen, um die eigene Geschlechteridentität in einer demokratisch geprägten Gesellschaft verwirklichen zu können. Zur Konzeption und für die Realisierung solcher Studienangebote sind als erstes die Hoch- Der Übergang von der Schule in die Arbeitswelt Dem Übergang von der Schule in die Arbeitswelt kommt für eine geschlechtergerechte Bildung besondere Bedeutung zu. Hier zeigt sich, dass gute schulische Leistungen oft nicht ausreichen, um entsprechende Berufschancen zu bekommen. Deshalb sind spezielle Maßnah- men von den Regierungsverantwortlichen, der Wirtschaft und auch von den Gewerkschaften gefragt: Sowohl durch entsprechende Gesetze und Strategien (z.B. Gender Mainstreaming) als auch durch innovative Projekte (z.B. den „Girls’ Day“ und „Neue Wege für Jungs“) können neue Berufsfelder für die Jugendlichen geöffnet werden. In der Schule sollten die Jugendlichen analog lernen, „die Zusammenhänge zu durchschauen und die Mechanismen zu verstehen, nach denen soziale Ungleichheiten nicht nur zwischen den Geschlechtern hergestellt werden,“ (Lemmermöhle 1997, S. 423), denn gesellschaftlich produzierte Ungleichheit gehört nach wie vor zu den Schlüsselproblemen unserer Gegenwart. Um Ungewissheit, Ungerechtigkeit und Frustration gewachsen zu sein, brauchen die Kinder und Jugendlichen ein stabiles Selbstbild und die Gewissheit, dass die in der Schule gelebten Werte trotzdem bzw. erst recht weiter Geltung haben. In diesem Sinne zählt die Stärkung der Schülerinnen und Schüler zu den wichtigsten Aufgaben der Schule als demokratische Institution. 4. Ergebnisse und Perspektiven schulen und Studienseminare gefragt: Gerade bei der Umstellung der traditionellen Staatsexamensstudiengänge auf Bachelor- und Masterstrukturen im Zuge des Bologna-Prozesses ergibt sich die Chance, Genderkompetenz als Lernziel stärker in der ersten und zweiten Phase der Lehrer/innenbildung zu verankern. Durch die Entwicklung spezieller Module könnte auch für die dritte Phase ein attraktives Fortbildungsangebot geschaffen werden. Besonders interessant wäre eine Kooperation aller Phasen: Studentinnen und Studenten sowie Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst könnten so von erfahrenen Lehrkräften einen guten Einblick in den Unterrichtsalltag bekommen und diese wiederum hätten Gelegenheit, ihren Wissensstand zu aktualisieren sowie die eigenen Handlungsmuster zu reflektieren und zu erweitern. Solch ein Modell setzt allerdings voraus, dass auch alle an der Ausbildung beteiligten Personen kooperieren wollen und Geschlechtergerechtigkeit als gemeinsames Ziel akzeptiert wird. So könnten Reflexionen angestoßen werden, die zu Innovationen in der Schulpraxis führen (vgl. Kraul/Horstkemper 1999, S. 311), wobei die Lehrer/innenbildung als Motor für gesellschaftliche Veränderungen fungierte. Dies ist ein Weg, das Ziel der Geschlechtergerechtigkeit immer wieder neu zu beleben und zu aktualisieren. Mit zeitgemäßer Bildung Schule verändern! Ebenso wie sich die Gesellschaft wandelt, braucht auch die Schule eine stete Weiterentwicklung, die die Erfordernisse und Bedürfnisse der Zeit berücksichtigt. Selbstverständlich heißt das nicht, dass deshalb jeder neue Trend in der Schule Einzug halten sollte; aber es zeigt sich die Notwendigkeit einer fortgesetzten Diskussion über eine zeitgemäße Bildung, die – so Faulstich-Wieland (2006, S. 267) – die „komplexen Zusammenhänge von individuellem Verhalten, sozialen Interaktionen und institutionell-organisatorischen Maßnahmen berück- 57 sichtigen [muss], wenn Geschlechtergerechtigkeit erreicht werden soll“. Die Schule ist für die Realisierung von Gleichberechtigung deshalb so wichtig, weil sie von allen Kindern und Jugendlichen durchlaufen wird. Dabei darf aber auch die Familie als „Sozialisationsinstanz“ (Nyssen 1994, S. 172) nicht vergessen werden: Besonders die Eltern spielen bei der Entwicklung der geschlechtlichen Identität ihrer Kinder eine maßgebliche Rolle. Daher sollte die Beteiligung von Eltern an der Schulentwicklungsarbeit verstärkt werden, um gemeinsam Konzepte entwickeln zu können, die die Kinder und Jugendlichen optimal fördern. Es ist klar, dass dieser Vorschlag in vielen Fällen eher eine Wunschvorstellung bleiben wird. Aber gerade dann, wenn die Kinder nicht das Glück haben, sorgende und bildungsinteressierte Eltern zu haben, muss die Schule es leisten, dass aus diesen Startbedingungen keine langfristigen schulischen Nachteile werden. (Vgl. Alleman-Ghionda 2006, S. 354) Eine dringende Maßnahme zur Verbesserung des deutschen Schulwesens ist die Verringerung 58 der hohen Rückstellungs-, Wiederholungs- und Förderschulüberweisungsquoten – insbesondere der Jungen. Andere Länder zeigen, wie man ein Lernumfeld schaffen kann, von dem Mädchen und Jungen auch ohne Sitzenbleiben gleichermaßen profitieren können. Die hohe Selektivität in unserem Schulsystem wird vor allem von konservativer Seite immer noch mit der Annahme begründet, dass vermeintlich leistungshomogene Gruppen die besseren Lernergebnisse erzielen könnten. Die vielfältigen Fähigkeiten und Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen machen aber deutlich, dass diese These an der schulischen Realität schlicht vorbeigeht. Deshalb mahnt Röhner (2003, S. 11) zu Recht an, dass das deutsche Bildungssystem „insgesamt von der Fiktion der Homogenität Abschied“ nehmen muss. Was engagierte Lehrerinnen und Lehrer mit ihrem Unterricht schon längst gezeigt haben, sollte sich künftig auch in den Strukturen des Bildungssystems wiederfinden: Es gilt, die Heterogenität der Schülerinnen und Schüler konstruktiv als Chance für gemeinsames Lernen miteinander und voneinander zu nutzen. Literatur Allemann-Ghionda, Cristina (2006): Klasse, Gender oder Ethnie? Zum Bildungserfolg von Schüler/innen mit Migrationshintergrund. 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In: Bos, Wilfried & Eva-Maria Lankes, Manfred Prenzel, Knut Schippert, Renate Valtin, Gerd Günther (Hg.): IGLU. Vertiefende Analysen zu Leseverständnis, Rahmenbedingungen und Zusatzstudien. Münster, New York, München. S. 187-238. Wanzeck-Sielert, Christa (2004): „Eigentlich ist es der schönste Unterricht überhaupt!“ Die Rolle des ‚Lehr-Körpers’ in der Sexualerziehung. In: Die Grundschulzeitschrift 178/2004. S. 12-15. Welz, Eberhard & Ulla Dussa (Hg.): Mädchen sind besser – Jungen auch. Konfliktbewältigung für Mädchen und Jungen – ein Beitrag zur Förderung sozialer Kompetenzen in der Grundschule. Band 2: Curriculum und Spiele. Berlin 1998. 62 Lesetipps Für diejenigen, die sich diese Frage stellen, haben wir einige Lesetipps vorbereitet. Die Auswahl der hier vorgestellten Bücher bildet ein Spektrum von der Praxis zur Theorie sowie von der Beschreibung schulischen Alltags bis zur Sammlung einschlägiger Hilfen für Lehrkräfte und schulische Leitungspersonen. Böttger, Gudrun & Renate Hein, Helena Kügele,Angelika Reich, Margot Wichniarz (2005): Erziehen heißt bilden. Eine Handreichung für Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer, hg. vom Landesinstitut für Schule und Medien (LISUM). Berlin. Zu bestellen bei Margot Wichniarz: m.wichniarz@gmx.de Mit der Handreichung legen Erzieherinnen und Lehrerinnen das Ergebnis einer langjährigen konzeptionellen Arbeit an Berliner Schulen vor. Dabei gehen die Autorinnen von einem erweiterten Erziehungsauftrag aus, der es sich zum Ziel macht, die Handlungskompetenz der Mädchen und Jungen in der Grundschule in fachlicher und methodischer sowie in personaler und sozialer Hinsicht zu entfalten. Nach einer Einleitung mit klaren Hinweisen zur Umsetzung finden sich in der Handreichung, geordnet nach sieben Handlungsfeldern, gut 100 Praxisbeispiele für die Klassenstufen 1-6. Dabei werden Kooperationsmöglichkeiten zwischen Erzieher/innen und Lehrer/innen aufgezeigt, ohne die ein Ganztagsan- gebot an der Schule undenkbar wäre. Die gedruckte Version ist übersichtlich und ansprechend gestaltet (Ordner im DinA4-Format). Die CD-Version ermöglicht ebenfalls eine problemlose Handhabung. (Rezension: Christin Grohn-Menard) Lesetipps Ein Literaturverzeichnis, das über 80 Einträge umfasst, wirkt erst einmal abschreckend. Welches Buch wäre denn ein guter erster Zugang zum Thema, das meinem Interesse besonders entspricht? Breidenstein, Georg & Helga Kelle (1998): Geschlechteralltag in der Schulklasse. Ethnographische Studien zur Gleichaltrigenkultur. Weinheim, München. ISBN: 3779902036 Welchen Gebrauch machen Kinder zwischen neun und zwölf Jahren von der Geschlechterunterscheidung? Diese Frage haben Breidenstein und Kelle mit ethnographischen Methoden – in teilnehmenden Beobachtungen und in Interviews – in den Klassen der Jahrgänge vier bis sechs untersucht. Ergebnis der Auseinandersetzung mit alltäglichen Praktiken wie Ärgern, Lästern, Erzählen, Kommentieren oder Spielen ist eine kulturanalytische Beschreibung geschlechtsspezifischer Situationen des Schulalltags. Zunächst beschreiben Breidenstein und Kelle, wie Mädchen und Jungen die soziale Sortierung nach Beliebtheit, Freundschaften und Cliquen erleben. Sodann arbeiten sie heraus, welche Bedeutungen die Kinder der Inszenierung von Geschlechtlichkeit, Verliebtheit und Sexualität zuschreiben. Schließlich zeigt sich in den Konzepten und Alltagstheorien der Kinder, dass das andere Geschlecht die „Konstruktion eines grundlegend Anderen inmitten des allzu Bekannten“ (S. 269) ermöglicht, was sowohl Fremdheits- und Verunsicherungsgefühle als auch den besonderen Reiz der Geschlechterdifferenz erklären kann. (Rezension: Frauke Gützkow) 63 Faulstich-Wieland, Hannelore & Martina Weber, Katharina Willems (2004): Doing Gender im heutigen Schulalltag. Empirische Studien zur sozialen Konstruktion von Geschlecht in schulischen Interaktionen. Weinheim. ISBN: 3779916673 Die Autorinnen untersuchen empirisch den Schulalltag in Bezug auf die Geschlechterkategorie, allerdings auf hohem wissenschaftlichem Niveau. Die Kapitel „Spielräume“ bieten mit ihren sehr genau wiedergegebenen Beobachtungen von Outfits, Positionskämpfen und verschiedenen anderen Verhaltensrepertoires von Mädchen und Jungen sehr gute Möglichkeiten, die eigene schulische Realität geschlechterbewusst zu reflektieren: Ein hoher Wiedererkennungswert ist garantiert. Lehrerinnen und Lehrer können Gewinn für ihre Schulpraxis ziehen, wenn sie bereit sind, sich mit differenzierten Untersuchungen über Strukturbedingungen von Schulklassen (Fluktuation, Stabilität, Integration) und von Orten und Räumen in der Schule zu beschäftigen. Anregungen für die Unterrichtspraxis bietet dieses Buch im letzten, sehr kurzen Kapitel „Pädagogische Reflexionen“, allerdings nicht fächerbezogen, sondern für die Selbstreflexion und die Interaktionsweise. (Rezension: Hilke Emig) Koch-Priewe, Barbara (Hg.): Schulprogramme zur Mädchen- und Jungenförderung. Die geschlechterbewusste Schule. Weinheim. ISBN: 3407252587 Der Band vereinigt mehrere gute Beispiele aus der Praxis der Implementierung von geschlechterbewussten Projekten und Vorhaben an Schulen. Im Blick sind vor allem Beispiele, wie geschlechterbewusstes Handeln in Schulprogramme umgesetzt werden kann. Die meisten Beiträge thematisieren Mädchenund Jungenförderung an Schulen, wobei der theoretische Zusammenhang im Rahmen der Reflexiven Koedukation und der genderorientierten Pädagogik in einem einleitenden Kapitel aufgearbeitet wird. Die Beiträge, die aus allen Schularten stammen, gehen auch auf Hürden und Widerstände bei den Vorhaben ein, sei es bei Lehrkräften, der Schulleitung oder bei den Eltern. Durch diese Erfahrungsberichte ist der Band sehr hilfreich bei dem Vorhaben, Ähnliches an der eigenen Schule umzusetzen. (Rezension: Dorothee Wetzel) Kreienbaum, Maria Anna & Tamina Urbaniak (2006): Jungen und Mädchen in der Schule. Konzepte der Koedukation. Berlin. ISBN: 3589221410 Zunächst wird mit einer kurzen historischen Einordnung das eigene Erleben in Beziehung zu den – durchaus nicht selbstverständlichen – Grundannahmen gesetzt. Dabei wird auch gesellschaftliche Realität als veränderbar erkannt. Die Geschlechterkonstruktionen, also die Vor- 64 Ministerium für Schule, Jugend und Kinder des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.) (2005): Schule im Gender Mainstream. Denkanstöße – Erfahrungen – Perspektiven. Soest. ISBN: 3816545254 Im Internet zum Download verfügbar unter: http://www.learn-line.nrw.de/angebote/gendermainstreaming/reader/ Der Reader enthält eine Sammlung von 48 Aufsätzen mit Anregungen, Grundlagen- und Diskussionsbeiträgen sowie Praxisbeispielen unterschiedlicher Autorinnen und Autoren aus Wissenschaft und Schulpraxis. Hier finden sich u.a. Beispiele zur Reflexiven Koedukation, zur Gewaltprävention und zur Jungenarbeit, ferner auch Möglichkeiten für eine genderbewusste Lehramtsaus- und -weiterbildung. In den Artikeln werden neben systemischen Handlungsfeldern (wie Organisations- und Personalentwicklung unter der Geschlechterperspektive) auch Themen wie geschlechtsbewusste Kommunikation oder Ressourcenbewirtschaftung im Schulalltag behandelt. Ein Schwerpunkt des Readers liegt auf der Umsetzung des Gender Mainstreaming im Unterricht und Schulprogramm. Der Reader richtet sich sowohl an Leitungsmitglieder in der Schule als auch an Lehrerinnen und Lehrer. (Rezension: Lisa GlagowSchicha) Lesetipps stellungen von Frauen- und Männerrollen werden im zweiten Teil gespiegelt an praktischen pädagogischen Ansätzen. Der dritte Teil referiert ausgewählte Studien aus der Koedukationsforschung und ihre Bedeutung für die Schulpraxis. Im letzten Teil schließlich stellen die Autorinnen pädagogische Ansätze (auch Inhalte und Methoden) vor und geben gut nachvollziehbare Anregungen für die konkrete Umsetzung in der Schule. Das Buch besticht durch die Klarheit des Aufbaus und die gut lesbare Sprache. Es eignet sich besonders gut als Einführung. (Rezension: Hilke Emig) Prengel, Annedore (2006): Pädagogik der Vielfalt. Verschiedenheit und Gleichberechtigung in Interkultureller, Feministischer und Integrativer Pädagogik. Wiesbaden. 3. Aufl., (1. Aufl. 1993). ISBN: 353114622X Die Lebenswelten der Kinder sind geprägt von Gleichheit und Vielfalt – in der Familie und der Schule, bei den persönlichen Vorlieben, Stärken und Schwächen, Traditionen und Werten. Die Grundschulpädagogin Annedore Prengel konzipiert in diesem Grundlagenwerk der inklusiven Pädagogik ein Modell zur Wertschätzung der Verschiedenheit. Dieses Modell ist eine demokratische Antwort auf die Frage nach einem angemessenen Umgang mit den heterogenen Voraussetzungen und Bedürfnissen der Kinder, das sie (ausgehend von einer Analyse der Theorie und Geschichte von Gleichheit und Verschiedenheit) für die drei Bereiche Interkulturelle Pädagogik, Feministische Pädagogik und Integrationspädagogik entfaltet. (Rezension: Frauke Gützkow) 65 Ihr Kontakt zur GEW Unsere Adressen GEW Baden-Württemberg Silcherstraße 7 70176 Stuttgart Telefon: 0711/21030-0 Telefax: 0711/21030-45 www.gew-bw.de info@gew-bw.de GEW Bayern Schwanthalerstraße 64 80336 München Telefon: 089/544081-0 Telefax: 089/5389487 www.bayern.gew.de info@bayern.gew.de GEW Berlin Ahornstraße 5 10787 Berlin Telefon: 030/219993-0 Telefax: 030/219993-50 www.gew-berlin.de info@gew-berlin.de GEW Brandenburg Alleestraße 6a 14469 Potsdam Telefon: 0331/27184-0 Telefax: 0331/27184-30 www.gew-brandenburg.de info@gew-brandenburg.de GEW Bremen Löningstraße 35 28195 Bremen Telefon: 0421/33764-0 Telefax: 0421/33764-30 www.gew-bremen.de info@gew-hb.de GEW Hamburg Rothenbaumchaussee 15 20148 Hamburg Telefon: 040/414633-0 Telefax: 040/440877 www.gew-hamburg.de info@gew-hamburg.de GEW Hessen Zimmerweg 12 60325 Frankfurt am Main Telefon: 069/971293-0 Telefax: 069/971293-93 www.gew-hessen.de info@gew-hessen.de GEW MecklenburgVorpommern Lübecker Straße 265a 19059 Schwerin Telefon: 0385/4852711 Telefax: 0385/4852724 www.gew-mv.de Landesverband@mvp.gew.de GEW Niedersachsen Berliner Allee 16 30175 Hannover Telefon: 0511/33804-0 Telefax: 0511/33804-46 www.gew-nds.de email@gew-nds.de GEW Schleswig-Holstein Legienstraße 22–24 24103 Kiel Telefon: 0431/554220 Telefax: 0431/554948 www.gew-sh.de info@gew-sh.de GEW Thüringen Heinrich-Mann-Straße 22 99096 Erfurt Telefon: 0361/59095-0 Telefax: 0361/59095-60 www.gew-thueringen.de info@gew-thueringen.de GEW Nordrhein-Westfalen Nünningstraße 11 45141 Essen Telefon: 0201/294030-1 Telefax: 0201/29403-51 www.gew-nrw.de info@gew-nrw.de GEW-Hauptvorstand Reifenberger Straße 21 60489 Frankfurt am Main Telefon: 069/78973-0 Telefax: 069/78973-201 www.gew.de info@gew.de GEW Rheinland-Pfalz Neubrunnenstraße 8 55116 Mainz Telefon: 06131/28988-0 Telefax: 06131/28988-80 www.gew-rheinland-pfalz.de gew@gew-rheinland-pfalz.de GEW-Hauptvorstand Parlamentarisches Verbindungsbüro Berlin Wallstraße 65 10179 Berlin Telefon: 030/235014-0 Telefax: 030/235014-10 info@buero-berlin.gew.de GEW Saarland Mainzer Straße 84 66121 Saarbrücken Telefon: 0681/66830-0 Telefax: 0681/66830-17 www.gew-saarland.de info@gew-saarland.de GEW Sachsen Nonnenstraße 58 04229 Leipzig Telefon: 0341/4947404 Telefax: 0341/4947406 www.gew-sachsen.de gew-sachsen@t-online.de GEW Sachsen-Anhalt Markgrafenstraße 6 39114 Magdeburg Telefon: 0391/73554-0 Telefax: 0391/7313405 www.gew-lsa.de info@gew-lsa.de Die GEW im Internet: www.gew.de Beitrittserklärung Berufliches Persönliches Frau/Herr Zuname (Titel) Berufsbezeichnung für Studierende: Berufsziel Vorname Diensteintritt/Berufsanfang Straße/Nr. 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Überzahlte Beiträge werden nur für das laufende und das diesem vorausgehende Quartal auf Antrag verrechnet. Die Mitgliedschaft beginnt zum nächstmöglichen Termin. Der Austritt ist mit einer Frist von drei Monaten schriftlich dem Landesverband zu erklären und nur zum Ende eines Kalendervier- teljahres möglich.. Mit meiner Unterschrift auf diesem Antrag ermächtige ich die GEW zugleich widerruflich, den von mir zu leistenden Mitgliedsbeitrag vierteljährlich von meinem Konto abzubuchen. Die Zustimmung zum Lastschrifteinzug ist Voraussetzung für die Mitgliedschaft.Wenn mein Konto die erforderliche Deckung nicht aufweist, besteht seitens des kontoführenden Geldinstituts keine Verpflichtung zur Einlösung. Ort, Datum Unterschrift GEW-KV/-OV Dienststelle Fachgruppe Kassiererstelle Tarifbereich Beschäftigungsverhältnis MItgliedsbeitrag Euro Startmonat Bitte senden Sie den ausgefüllten Antrag an den GEW Hauptvorstand Postfach 90 04 09 60444 Frankfurt am Main ¢ Vielen Dank! 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