Erziehung & Wissenschaft 07-08/2012 Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW Nach der Diagnose endlich die richtige Therapie! PIS gl 20 % L A U ss Ti I A u m erlierer ngsv Bildu Anna Lehmann Foto: privat 2 Gastkommentar GePIeSAckt und VERA-genervt Noch jemand ohne Testergebnis? Ausgeschlossen! TIMSS, PISA und IGLU heißen die internationalen Schülerolympiaden in Mathe, Lesen und Naturwissenschaften, von denen keine ausgelassen werden darf, ohne dass das nationale Ansehen leidet. 2008 kamen Ländervergleiche und bundesweite Vergleichsarbeiten, die VERA-Tests, hinzu. Allein für VERA werden jährlich Arbeitsblätter an rund eine Dreiviertelmillion Schülerinnen und Schüler ausgeteilt, bearbeitet, eingeschickt und ausgewertet – und dann? Keine Frage: Die Befunde liefern weiterhin wichtige Erkenntnisse. Seit über einem Jahrzehnt decken sie Schwächen des deutschen Bildungssystems auf und haben viele Debatten angestoßen. Doch über die Konsequenzen für die Praxis sind sich Bildungspolitiker und Pädagogen seit Jahren uneins. Es geht zu wie in einer Gemeinschaftspraxis, in der die Ärzte eine Diagnose nach der anderen stellen, doch keine konsistente Therapie verordnen. Zudem orientiert sich der Umgang mit den Rankings stark an den Bedürfnissen der Medienöffentlichkeit, die es gewohnt ist, stündlich mit saftigen News gefüttert zu werden. So werden die alle drei Jahre erscheinenden PISA-Resultate kommentiert wie eine Bundesligatabelle: Welches Land ist aufgestiegen, welches ab. Mit den Vergleichsarbeiten geht derzeit jedes Bundesland anders um: Es gibt Länder, in denen die Ergebnisse der Schulaufsicht gemeldet werden, in anderen bekommt nur die Schule eine Rückmeldung. Manche Schulen veröffentlichen sie als Ausweis ihrer Güte im Netz, andere halten sie streng geheim. Einen gemeinsamen Effekt scheinen VERA, PISA und Co. aber flächendeckend zu haben: Viele Lehrkräfte klagen darüber, dass sie sich genötigt sähen, ihren Unterricht auf gute Rankingergebnisse hin auszurichten. Einige Schulen boykottieren VERA deshalb mittlerweile sogar. Kritiker der „Testeritis“ können sich bestätigt fühlen – es geht vor allem um die Punkte, kaum aber um Lernprozesse und die Qualität des Unterrichts. Dabei steckt in den LeisErziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 tungsvergleichen viel mehr Potenzial. Die internationalen PISA-Tests sind in Deutschland sukzessive um weitere Untersuchungen ergänzt worden: In der Erhebung 2012 etwa werfen die Forscher nicht nur ein Schlaglicht auf Schülerkompetenzen, sondern fragen auch, wie sich der Unterricht weiterentwickelt hat. Die VERA-Ergebnisse sollen sogar in erster Linie dazu genutzt werden, den Unterricht zu verbessern. Welche Mathelehrerin, welcher Deutschlehrer fragt sich, was sie bzw. er eigentlich falsch macht, wenn der Test Mädchen nur mittelmäßige Mathekompetenzen bescheinigt oder vier von zehn Schülern „schwache Leser“ sind? Das zeigte sich, als Bildungsforscher verschiedener Institute im Juni erste Ergebnisse ihrer Untersuchungen zu Auswirkungen von Vergleichsarbeiten und Schulinspektionen* zusammen präsentierten. Konsens der Wissenschaftler: Es wird in den Schulen viel da­ rüber geredet, doch das hat kaum Konsequenzen für das eigene pädagogische und didaktische Handeln. Daher ist es dringend nötig, Pädagogen und Schulleiterinnen zu befähigen, die Testergebnisse sowohl für sich als auch für die Schulentwicklung zu nutzen und nicht, wie es häufig der Fall ist, als bloße Bestätigung ihres Unterrichts oder als Kritik von außen abzutun. Deshalb brauchen die Schulen eine echte „Feedbackkultur“, die die Politik flankieren muss. Es reicht nicht, wenn 16 Bundesländer gemeinsame Bildungsstandards entwickeln lassen und ein Institut beauftragen, sie anschließend zu messen. Sie müssen sich ebenso auf eine Strategie verständigen, wie die Schulen die Standards auch erreichen können. Also, danke für die Diagnosen, aber jetzt bitte zur Therapie. Anna Lehmann, taz-Redakteurin *www.stebis.de/forschungsprojekte/index.html Inhalt Erste Bundesjugendkonferenz: Besetzt die GEW! Seite 34 f Foto: Jürgen Bindrim Seite 22 f. Foto Markus Hanisch Sprachförderkonzepte in Kitas: Politischer Aktionismus ohne Effekt Seite 6 ff. Cartoon: Freimut Wössner Schwerpunkt: PISA, VERA & Co. Präm des M ie onats Seite Inhalt Gastkommentar Seite  2 Impressum Seite  3 Auf einen Blick Seite  4 1.  totternder Kita-Ausbau – S Betreuungsgeld erst mal ausgetrickst 2.  nterview mit Reiner Braun I über den griechischen Militärhaushalt: „Verträge über Waffenlieferungen kündigen“ Prämie des Monats Seite  5 Bildungspolitik 1.  ür die GEW eine Erfolgsstory, aber … F … keine für die Maßnahmen der Politik G 2.  EW-Online-Befragung zu PISA und VERA: „Falsche Schlussfolgerungen“ 3.  ie PISA-&-Co.-Tests den Berufsalltag W der Lehrkräfte verändert haben – sechs Statements: „In erster Linie nervig“ 4.  om PISA-Test zur VERA-Hitparade V 5.  st PISA ein Instrument pädagogischer und politischer I Aufklärung? Ein Pro & Kontra 6.  it PISA kam die „Risikogruppe“: M Sprengstoff für die Gesellschaft Seite 6 Seite 10 Seite 11 Seite 14 Seite 18 Seite 20 Jugendhilfe 1.  iele Diagnose- und Förderkonzepte in Kitas: V Politischer Aktionismus ohne Effekt 2.  EW-Umfrage zum Kita-Index für Inklusion: G Alltagsroutine durchbrechen Dialog Zeitschrift für Seniorinnen und Senioren in der GEW Seite 22 Seite 25 Tarifpolitik Tarifvertrag für angestellte Lehrkräfte: Arbeitgeber gesprächsbereit Seite 30 Seite 37 Länderserie: Bildungspolitik in Rheinland-Pfalz GEW-Intern Seite 32 1.  rste Bundesjugendkonferenz der GEW: Besetzt die GEW! E 2.  ewerkschaftstag der GEW 2013 G Seite 34 Seite 43 Hochschule Stipendiaten an Max-Planck-Instituten: Spitzenforschung zu Dumpinglöhnen Seite 36 Fair Childhood – Bildung statt Kinderarbeit 1.  eine Ausbeutung von Arbeitskräften: K Faire Rosen gegen Armut G 2.  EW-Kommentar zum „Welttag gegen Kinderarbeit“: „Keine Grabsteine aus Kinderhand!“ Seite 38 Seite 40 Schule Seite 29 Lehrergesundheit: „Arbeitssicherheitsexperten an die Schulen“ Seite 41 Recht und Rechtsschutz Seite 42 Leserforum Seite 44 Diesmal Seite 24 5 Gesellschaftspolitik GePIeSAckt und VERA-genervt Schwerpunkt: PISA, VERA & Co. Seite 48 Titel: Werbeagentur Zimmermann Impressum Erziehung und Wissenschaft Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 64. Jg. Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund Vorsitzender: Ulrich Thöne Redaktionsleiter: Ulf Rödde Redakteurin: Helga Haas-Rietschel Redaktionsassistentin: Renate Körner Postanschrift der Redaktion: Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt a. M., Telefon (069) 78973-0, Telefax (069) 78973-202, renate.koerner@gew.de Internet: www.gew.de Redaktionsschluss ist in der Regel der 7. eines jeden Monats. Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich. Gestaltung: Werbeagentur Zimmermann, Heddernheimer Landstraße 144, 60439 Frankfurt 3 Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der Bezugspreis jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30 Zustellgebühr inkl. MwSt. Für die Mitglieder der Landesverbände Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, MecklenburgVorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen werden die jeweiligen Landeszeitungen der E&W beigelegt. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Rezensionsexemplare wird keine Verantwortung übernommen. Die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichneten Beiträge stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers dar. Verlag mit Anzeigenabteilung: Stamm Verlag GmbH, Goldammerweg 16, 45134 Essen Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller, Tel. (0201) 84300-0, Telefax (0201) 472590, anzeigen@stamm.de www.erziehungundwissenschaft.de, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 38 vom 1. 5. 2012, Anzeigenschluss ca. am 5. des Vormonats E&W wird auf 100 Prozent chlorfrei gebleichtem Altpapier gedruckt. ISSN 0342-0671 Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 4 Auf einen Blick 20 Prozent Bildungsverlierer Zehn Jahre nach dem „PISA-Schock“ wird noch immer jeder fünfte Heranwachsende im deutschen Bildungssystem abgehängt. Das ist ein zentraler Befund des nationalen Bildungsberichts 2012, der am 22. Juni in Berlin von der Kultusministerkonferenz (KMK) und einer Gruppe Wissenschaftler unter Federführung des Deutschen Instituts für Internationale Pädagogische Forschung (DIPF) veröffentlicht worden ist. Die Ergebnisse zeigten, kritisiert GEW-Vorsitzender Ulrich Thöne, dass „die Schere zwischen Bildungsgewinnern und -verlierern immer weiter auseinandergeht“. Zwar steigt das Bildungsniveau in Deutschland: mehr mittlere Abschlüsse, weniger Schulabbrecher, mehr Abiturienten und Hochschulabsolventen. Doch das reiche nicht aus, erklärte Thöne: „Wir brauchen endlich wirksame Programme, um alle, insbesondere aber die finanziell Schwächeren, in dieser Gesellschaft gezielt und nachhaltig zu fördern.“ Dafür sei eine zwischen Bund, Ländern und Kommunen abgestimmte Strategie für ein inklusives Bildungswesen notwendig. Fakt ist: Gut 20 Prozent der 15-Jährigen können immer noch nicht richtig rechnen, lesen und Texte verstehen. Dem deutschen Schulsystem, folgern die Autoren der Untersuchung, sei es bisher nicht gelungen, die Bildungschancen der Schwächeren deutlich zu verbessern. Schwerpunktthema des aktuellen Bildungsberichts ist die kulturelle Bildung im Lebenslauf. E&W berichtet ausführlich in der September-Ausgabe. Lauf für „Bildung statt Kinderarbeit“ Die Erde ist eine Scheibe und die Niederlande sind flach wie ein Plattenteller. Wer eines Besseren belehrt werden will, sollte bei den alten Griechen nachschlagen – auf alle Fälle aber den „Child Learn Marathon“ in Schimmert nicht versäumen. Gut 700 Höhenmeter warten auf den 42,2 Streckenkilometern darauf, von den Athletinnen und Athleten bezwungen zu werden. Neben dem Erkenntnisgewinn dient die sportliche Betätigung jedoch in erster Linie einem guten Zweck: Der Erlös aus den Startgeldern fließt in den Kampf gegen Kinderarbeit in Asien. Er wird in die Bildung von Mädchen und Jungen investiert, die ohne diese Unterstützung arbeiten müssten, statt eine Schule zu besuchen. Organisator des politisch-sportlichen Ereignisses ist die „Child Learn Stiftung“, unterstützt von der Bau- und Holzarbeiterinternationale sowie niederländischen Gewerkschaften. Die GEW präsentierte sich mit ihrer Stiftung „Fair Childhood“ (s. S. 38 ff.) beim Lauf Mitte Juni 2012 zum ersten Mal vor den Toren Maastrichts. Sportlich vertraten Vera ­ erspohl, V Klemens Himpele, Ansgar Klinger und Ulf Rödde die Bildungsgewerkschaft beim Halbmarathon – mit achtbaren Ergebnissen. Alle weiteren Infos und ein Veranstaltungs­ video finden Sie auf der GEW-Website unter: www.gew.de/ Child_Learn_Marathon_gegen_Kinderarbeit.html. ur Foto: Bettina Ohnesorge Anlässlich des 40. Jahrestages des Radikalenerlasses, der zum Berufsverbot tausender Menschen – darunter viele Lehrkräfte – führte (s. E&W 2/2012 und 5/2012), veranstaltete das Komitee gegen Berufsverbote am 14. Juni einen Aktionstag in Berlin. Das Bündnis fordert von Politik und Justiz Rehabilitierung. Sprecher Klaus Lipps überreichte die Protestschreiben der Betroffenen Andreas Timmermann, dem stellvertretenden Leiter der schleswig-holsteinischen Landesvertretung, in der an diesem Tag ein Treffen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten stattfand. Timmermann sicherte zu, die Erklärung gegen Berufsverbote – bislang 250 Unterzeichnerinnen und Unterzeichner – an Kanzlerin und Länderchefs weiterzuleiten. Ein entsprechender Antrag an den Petitionsausschuss des Bundestages ist inzwischen gestellt worden. Protest der Berufsverbotsopfer vor dem Kanzleramt Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 Foto: Manfred Brinkmann Berufsverbotsopfer wollen rehabilitiert werden Auf die Plätze, fertig, los … Marathon gegen Kinderarbeit in Schimmert/Niederlande Globale Bildungskampagne: bessere Bildung für Vorschulkinder Kinder und Jugendliche aus mehr als 240 Bildungseinrichtungen haben sich während der Aktionswochen der Globalen Bildungskampagne „Weltklasse! An die Stifte, fertig, los!“ vom 22. April bis zum 10. Juni für eine bessere Bildung und Erziehung der Jüngsten auf der ganzen Welt engagiert. Die Globale Bildungskampagne Deutschland ist ein Bündnis aus zehn Nichtregierungsorganisationen, darunter die GEW, das Bildungsarmut in allen Ländern bekämpft. Fakt ist: Weltweit gibt es für 200 Millionen Kleinkinder weder angemessene Betreuung noch gute Bildungsangebote. Absicht der Initiative: mehr Engagement der Bundesregierung im Kampf gegen Bildungsarmut zu erreichen. Weitere Infos unter www.bildungskampagne.org/mitmachen. Mitmachen lohnt sich ... ... für jedes neu geworbene GEW-Mitglied erwartet Sie ein Radio. Prämie des Monats Juli: ein Radio mit MP3-Anschluss Neues Mitglied werben und Prämie online anfordern unter www.gew.de/Praemienwerbung.html *DiesesAngebotgiltnichtfürMitgliederderGEWLandesverbändeNiedersachsenundThüringen. Keine Lust auf unser Online-Formular? Fordern Sie den Prämienkatalog an! Per Mail: mitglied-werden@gew.de | Per Telefon: 0 69 / 7 89 73-211 Vorname/Name GEW-Landesverband Straße/Nr. Telefon PLZ/Ort E-Mail Fax Bitte den Coupon vollständig ausfüllen und an folgende Adresse senden: GewerkschaftErziehungundWissenschaft,ReifenbergerStraße21,60489Frankfurta.M.,Fax:0 69 / 7 89 73-102 E&W-PrämiedesMonats Juli12012/Radio # BitteinDruckschriftausfüllen. oder per Coupon: 6 PISA, VERA & Co. Cartoon: Freimut Wössner Für die GEW eine Er  Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 PISA, VERA & Co.  folgsstory, aber … // … keine für die Maßnahmen der Politik nach dem PISA-Schock. Ein Resümee nach gut zehn Jahren PISA, VERA & Co. // Haben PISA und die anderen Vergleichsstudien die Bildung in Deutschland vo­ rangebracht? Meine Antwort fällt ambivalent aus. Was PISA bewirkt hat, eignet sich nicht für Schwarz-Weiß-Malerei. Viele Ergebnisse der PISA-Studien bestärkten die GEW in ihren bildungspolitischen Positionen und Einschätzungen. Manche Schlussfolgerungen, die die Politik gezogen hat, stoßen allerdings auf unsere erbitterte Ablehnung, andere halten wir für unausgegoren und kontraproduktiv. So richtig gut und „pädagogisch wertvoll“ finden wir bislang nichts – obwohl einige Maßnahmen wie der Ausbau von Ganztagsschulen, die Anerkennung früher Kindheit als Bildungsphase oder die Überwindung des Schulstrukturtabus durchaus das Potenzial für hoch akzeptierte, notwendige und sinnvolle Entwicklungen haben. Auch die überfällige Einsicht, dass gute Bildung Geld kostet und auf qualifiziertes und gut bezahltes Personal angewiesen ist, gehört in diesen Katalog. Als es 2001 ein großes öffentliches Erschrecken darüber gab, dass das deutsche Schulsystem bei Weitem nicht so glanzvoll ist, wie jahrzehntelang gebetsmühlenartig behauptet („weltweit bestes Schulsystem“), war die GEW längst nicht so geschockt. Sie sah sich vielmehr bestätigt und befand, dies sei ein zwar betrüblicher, aber notwendiger Befund, um den jahrzehntelangen Reformstau im hiesigen Schulwesen endlich anzugehen. Ich bin davon überzeugt, dass die großen Makel des deutschen Bildungssystems, die seine Modernisierung hemmen – Selektivität der Schulen, Bildungsarmut, Bildungsbenachteiligung von Migranten, Chancenungleichheit sowie die zutiefst konservative und frauenfeindliche Familienideologie – ohne die internationalen PISA-Befunde so schnell nicht wieder auf die politische Agenda gekommen wären. Sie haben den Boden dafür bereitet, dass Inklusion zum ersten Mal und Integration, Gesamtschulen und Ganztagsschulen wieder gesellschafts- und diskursfähig wurden. Ich erinnere mich noch sehr genau an eine Situation, als nach der ersten PISAPressekonferenz ein Journalist zu mir kam und ganz verwundert feststellte, dass die OECD-Studie ja im Prinzip alle schulpolitischen Positionen der GEW bestätigt hätte. Falsches Pferd gesattelt Eigentlich – so könnte man angesichts dieser Entwicklung meinen – ist PISA für die GEW eine Erfolgsstory. Aber leider ist dies nur die eine Seite der Medaille. Zur anderen Seite gehören die Schlussfolgerungen, die die Politik aus PISA gezogen hat. Statt Chancengleichheit und Bildungsgerechtigkeit zu verbessern, das selektive System zu überwinden und diese Ziele zum Schwerpunkt ihrer Aktivitäten zu machen, konzentrierte sich die Bildungspolitik der Kultusminister auf Qualitätssicherung. Schnell hat man jedoch erkannt, dass mit outputorientierter Steuerung, Leistungsstandards und dem jährlichen VERA-Testzirkus das falsche Pferd gesattelt wurde. Die Leistungen der Schülerinnen und Schüler verbesserten sich in den vergangenen zehn Jahren nur geringfügig, die Gruppe der Leistungsschwachen ist mit mehr als einem Fünftel immer noch inakzeptabel groß (s. S. 20/21). Mit Blick auf die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft hat sich so gut wie nichts zum Positiven gewendet. Und die Stimmung unter den Lehrkräften ist in vielen Schulen schlecht. Auf die Problematik testbasierter outputorientierter Steuerung ist vielfach hingewiesen worden. Standards können zur Orientierung zwar durchaus nützlich sein, um jedoch die Leistungen von Kindern und Jugendlichen pädagogisch sinnvoll zu bewerten, sind sie ungeeig- PISA Im Rahmen des „Programme for International Student Assessment“ (PISA) untersucht die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) seit 2000 alle drei Jahre die Leistungen 15-jähriger Schülerinnen und Schüler aller Schulformen. Besonders in den Fokus genommen werden reihum die Kompetenzen in den Bereichen Lesen, Mathematik und Naturwissenschaften. So sind die 6250 Schüler, die im Frühjahr 2012 in Deutschland zwei Tage über den Aufgaben brüteten, die zweite Kohorte, die schwerpunktmäßig in Mathe getestet wird. Insgesamt nehmen an der Studie 2012, deren Ergebnisse 2013 erwartet werden, 68 Länder teil, darunter alle OECD- sowie einige Partnerstaaten. Das PISA-Konsortium in Deutschland leitete 2003 und 2006 sowie jetzt 2012 der Bildungsforscher Manfred Prenzel, inzwischen Chef des von Bund und Ländern 2010 gegründeten Zentrums für internationale Bildungsvergleichsstudien (ZIB) in München. Bis 2006 wurde PISA in Deutschland durch den Bundesländervergleich PISA-E ergänzt, für den man zehnmal so viele Schüler getestet hatte wie für den deutschen Beitrag zur internationalen Untersuchung. Seitdem vergleicht Deutschland unter der Verantwortung der Kultusministerien die Bundesländer in Eigenregie. Das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) – 2004 als Folge des PISA-Schocks gegründet – überprüft jährlich, zeitgleich mit dem internationalen Leistungsvergleich und teilweise mit diesem kompatibel, ob die Bildungsstandards eingehalten werden. 2012 nahmen zirka 50 000 Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe aus über 1300 Schulen an der Untersuchung teil. jago Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 7 Cartoon: Freimut Wössner 8 PISA, VERA & Co. net und schädlich. Wenn sie zu Kontrollzwecken durch die Schulaufsicht oder für Rankings eingesetzt werden, ist häufig „teaching to the test“ die Folge. Es leiden der Unterricht und das selbstständige Lernen, die Förderung sozialer und kreativer Kompetenzen kommt zu kurz. Wer nur noch auf die Leistungsergebnisse schaut, läuft Gefahr, den Blick fürs Wesentliche zu verlieren, nämlich für das, was Lern- und Bildungsprozesse für das Aufwachsen junger Menschen bedeutsam macht. Die GEW hat gemeinsam mit dem Grundschulverband auf deutliche Ver- TIMSS besserungen bei VERA (s. S. 16–19), den Vergleichsarbeiten, gedrungen. Dem ist die Kultusministerkonferenz (KMK) mit einem Beschluss vom März 2012 teilweise gefolgt, indem sie Rankings eine Absage erteilte. VERA solle ausschließlich für die Schul- und Unterrichtsentwicklung eingesetzt werden, betonte die KMK und versprach, die Schulen im Umgang mit den Ergebnissen zu unterstützen. Die Forderung der GEW, VERA nur noch als Instrument der Selbstevaluation zur Verfügung zu stellen, wurde bislang nicht erfüllt. Die GEWLandesverbände werden sehr genau Das Kürzel steht für „Trends in International Mathematics and Science Study“ – und zudem für die erste internationale Schulleistungsstudie, deren Erkenntnisse wegen des mäßigen Abschneidens Deutschlands 1997 die Öffentlichkeit aufrüttelten. Seither nimmt die Bundesrepublik weiterhin an der alle vier Jahre laufenden Studie teil. Die deutsche Federführung hat – wie bei der Grundschuluntersuchung IGLU (s. S. 9) – das Institut für Schulentwicklungsforschung (IfS) an der TU Dortmund mit Wilfried Bos an der Spitze. Für TIMSS 2011 wurden zeitgleich mit IGLU dieselben 4600 Viertklässler an 200 zufällig ausgewählten Grund- und Förderschulen getestet. Die Ergebnisse werden für Ende 2012 erwartet. Mehr als 50 Staaten nahmen an TIMSS 2011 teil. Die internationale Federführung hatte von Beginn an die internationale Forschungsorganisation IEA (International Association for the Evaluation of Educational Achievement). jago Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 beobachten, ob und wie die Länder den KMK-Beschluss umsetzen. 2013 wird die GEW Bilanz ziehen. In Bundesländern, in denen sich keine positiven Veränderungen feststellen lassen, wird die GEW den Druck erhöhen. Auch ein Boykott gehört dann zu den möglichen Maßnahmen. In der irrigen Annahme, mehr Druck und Kontrolle führten zu besseren Leistungsergebnissen, wurden unausgegorene Maßnahmen wie Sprachtests in den Kitas (s. S. 22/23), die Verkürzung der Schulzeit bis zum Abitur (G8) oder zentrale Abschlussprüfungen eingeführt; aber auch der notwendige, jedoch mancherorts überstürzte, konzeptionslose und unterfinanzierte Ausbau von Ganztagseinrichtungen sorgt für Frust in den Schulen und überlastet alle Beteiligten, insbesondere Lehrerinnen und Lehrer. Nun kann man dies nicht den PISA-Studien anlasten. Diese stellen Informationen zur Verfügung und zeigen Zusammenhänge auf. Sie sagen nichts über Ursachen aus und geben keine Empfehlungen für schulpolitische Maßnahmen. Alle heute mehr als 60 teilnehmenden Staaten an der PISA-Untersuchung sind frei, ihre je eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen. Eine vergleichbar heftige Reaktion wie in Deutschland mit dem PISA, VERA & Co. IGLU/PIRLS In Deutschland ist IGLU als „Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung“ ein Begriff; international heißt diese Studie PIRLS („Progress in International Reading Literacy Study“). Alle fünf Jahre wird seit 2001 die Lesefähigkeit von Grundschülern in damals 35, inzwischen 50 Staaten verglichen. International ist – wie auch für TIMSS (s. S. 8) – die Forschungsorganisation IEA (International Association for the Evaluation of Educational Achievement) verantwortlich; die deutsche IGLU-Projektgruppe leitet der Bildungsforscher Wilfried Bos am Institut für Schulentwicklungsforschung der Technischen Universität Dortmund. Bis 2006 wurde IGLU (wie PISA, s. S. 7) um eine nationale Ergänzungsstudie unter dem Titel IGLU-E erweitert, die einen Vergleich zwischen den Bundesländern ermöglichte. Seit 2011 ist IGLU-E durch einen Ländervergleich, den das Institut für Qualität im Bildungswesen (IQB) verantwortet, ersetzt. Am internationalen Vergleich nimmt Deutschland aufgrund eines Beschlusses von Kultusministerkonferenz (KMK) und Bundesbildungsministerium (BMBF) weiterhin teil. Die erste IGLU-Studie hatte für Aufsehen gesorgt, weil sie zeigte, dass die Leseleistungen der Primarschüler im internationalen Vergleich sehr viel besser waren als die der Sekundarschüler bei PISA. Zuletzt wurden 2011 in allen 16 Bundesländern rund 4600 Viertklässler an 200 Grund- und Förderschulen geprüft. Erstmals fand der Test zeitgleich mit TIMSS statt, dessen deutschen Teil ebenfalls die Dortmunder Forscher erarbeiten. Die Ergebnisse werden für Ende 2012 erwartet. jago petenzen zu fokussieren, die ökonomisch unmittelbar verwertbar seien. PISA – so folgern diese Kritiker – sei einer neoliberalen Ideologie verpflichtet. Es ist ja offenkundig: Die OECD ist eine Wirtschaftsorganisation und nicht die Bildungsinternationale (BI). Die Politik der OECD wird von 30 marktwirtschaftlich orientierten Mitgliedsländern bestimmt, die jedoch nicht homogen agieren. Gerade in den vergangenen Jahren thematisierte die internationale Organisation in verschiedenen Studien zunehmend die krass auseinanderklaffende Schere der Ungleichheit als Quelle aller Probleme der Marktwirtschaft. Und: Wir müssen auch anerkennen, dass die Volkswirtschaft ein fundamentales Element jeder Gesellschaft ist. Schulen wären vermutlich noch immer keine staatlichen Einrichtungen, wenn sie nicht auch durch Bildung Voraussetzungen für erfolgreiches Wirtschaften schüfen. Aber: Dieser Aspekt darf keine Dominanz beanspruchen, was die Wirtschaft leider seit einigen Jahren mit großer Penetranz versucht. Deshalb ist es Aufgabe von Staat und Zivilgesellschaft und vor allem auch der Schulen selbst, das Menschenrecht auf chancengleiche Bildung zu verteidigen und darauf zu achten, dass die anderen Funktio- nen von Schule und schulischer Bildung nicht verdrängt werden. Die junge Generation hat das Recht auf einen Ort, an dem ihre lebenspraktischen Kompetenzen und ihre Persönlichkeit gefördert, an dem ihre Kreativität und kulturellen Bedürfnisse unterstützt werden und sich ihre Fähigkeiten zu solidarischem und demokratischem Engagement entwickeln können (s. Schwerpunkt E&W 6/2012). Inwieweit internationale Vergleichsstudien wie PISA dabei hemmend oder unterstützend wirken, hängt davon ab, welchen Gebrauch die deutsche Politik davon macht und wie die internationale Entwicklung verläuft. Foto: Christian von Polentz, transit Paradigmenwechsel zur sogenannten „Ergebnisorientierten Steuerung“ hat es allerdings in keinem anderen Staat gegeben. In vielen Ländern veröffentlichten die Medien lediglich jene ärgerlichen, plumpen Ranking-Listen, bei denen oft statistisch völlig irrelevante Punktdifferenzen über einen Rangplatz entscheiden. In anderen Ländern wurden die PISA-Daten zum Spielmaterial für Auseinandersetzungen zwischen Regierung und Opposition. Kurzum: Die PISA-Informationen lassen sich vielfältig ge- und missbrauchen. Doch auch die Studie selbst steht in der Kritik. So werden beispielsweise methodische Annahmen und Verfahren hinterfragt. Mathematikdidaktiker wenden ein: Aufgrund der Sprachlastigkeit der Tests wüsste man bei falschen Lösungen nicht, ob ein Schüler die Aufgaben (mathematisch) nicht lösen oder ob er diese nicht lesen konnte. Die GEW sollte jedoch methodische Streitfragen den Wissenschaftlern überlassen und mit Parteinahmen zurückhaltend sein. Wir müssen auch anerkennen, dass an dem PISA-Projekt weltweit mehrere hundert renommierte Wissenschaftler, Expertinnen und Experten mitarbeiten. PISA gilt als die derzeit solideste internationale Vergleichsstudie mit der größten Transparenz. Alle internationalen Daten sind auf den InternetSeiten der OECD öffentlich zugänglich und nachprüfbar. Andere Kritiker hingegen hinterfragen, ob es sinnvoll und ethisch zu verantworten sei, wenn alle Schulsysteme dieser Welt nach einheitlichen Standards vermessen werden. Abgesehen davon, dass kein Land gezwungen wird, am Test teilzunehmen, stellt sich doch ernsthaft die Frage, wieviel Vergleichbarkeit in unserer globalen Welt notwendig und wieviel zu verantworten ist, will man die kulturelle Vielfalt nicht gefährden. Solange PISA sich auf basale Fähigkeiten beschränkt und mit den Testaufgaben allgemein akzeptierte Inhalte transportiert, scheinen mir diese vertretbar zu sein. Bedenklich ist allerdings die Dominanz des naturwissenschaftlich-technischen Bereichs, was der OECD-Studie – zu Recht – den Vorwurf eingebracht hat, auf einem engen Bildungsbegriff zu fußen und sich nur auf solche Kom- Marianne Demmer, Leiterin des GEW-Organisationsbereichs Schule Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 9 10 PISA, VERA & Co. „Falsche Schlussfolgerungen“ // Bei ihrer Online-Befragung Ende Mai zum Stand kulturell-musischästhetischer Bildung an allgemeinbildenden Schulen (Bericht in der September-Ausgabe der E&W) wollte die GEW auch wissen, wie sich PISA und VERA im Schulalltag ausgewirkt haben. E&W stellt erste Ergebnisse vor. // Danach steht fest: Die überwältigende Mehrheit repräsentativ ­ usgewählter a Lehrerinnen und Lehrer sowie der Schulleitungen ist überzeugt, dass die Fazit: Auf eine vorbehaltlose Zustimmung ihrer Maßnahmen nach dem PISA-Schock kann sich Politik nur bei einem verschwindend geringen Teil der in der GEW organisierten Lehrerschaft stützen. VERA gehört zum Alltag Noch viel deutlicher als die PISA-Tests wirken sich die flächendeckenden Vergleichsarbeiten (VERA) im Schulalltag aus. Diese werden mittlerweile in allen Bundesländern im dritten und achten Schuljahr verbindlich geschrieben. Falsche Schlussfolgerungen aus PISA „Die Politik hat aus den PISA-Ergebnissen die falschen Konsequenzen gezogen, indem der Schwerpunkt auf die Qualitätssicherung und nicht auf Fortbildung, individuelle Förderung und Schulentwicklung gelegt wurde.“ 6 1 42 50 Zustimmung in Prozent ganz eher eher nicht gar nicht Grafik 1 Politik falsche Schlussfolgerungen aus den PISA-Ergebnissen gezogen hat. „Die Politik hat aus den PISA-Ergebnissen die falschen Konsequenzen gezogen, indem der Schwerpunkt auf die Qualitätssicherung und nicht auf Fortbildung, individuelle Förderung und Schulentwicklung gelegt wurde.“ Dieser Aussage stimmen von 2476 P ­ ädagoginnen und Pädagogen die Hälfte „ganz“ und 42 Prozent „eher“ zu (s. Grafik 1). Die Befragung zeigt außerdem, dass die Hälfte der Pädagoginnen und Pädagogen mit der schulpolitischen Entwicklung der vergangenen Jahre höchst unzufrieden ist. „Viele Reformen der letzten Zeit sind ohne ausreichende Ressourcen, Schulentwicklung und Fortbildung der Lehrkräfte überstürzt eingeführt worden.“ 70 Prozent bejahen dies, 27 Prozent stimmen lediglich „eher zu“ (s. Grafik 2). Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 „Mit den Vergleichsarbeiten ist ‚teaching to the test‘ in den Alltag der Schulen eingezogen.“ Zwei Drittel der Lehrkräfte stimmen dem „ganz“ (26 Prozent) oder „eher“ (40 Prozent) zu. Ein Drittel teilt diese Auffassung „gar nicht“ (sieben Prozent) oder „eher nicht“ (27 Prozent). Aus integrierten Gesamtschulen und Förderschulen berichten sogar über 70 Prozent der Pädagogen, dass „teaching to the test“ Teil ihres Alltags sei. Befragte an integrierten Gesamtschulen stimmen zu gut einem Drittel (39 Prozent) „eher“ und zu knapp einem Drittel (32 Prozent) „ganz“ zu. An Förderschulen stimmen der Aussage knapp drei Viertel der Lehrerinnen und Lehrer zu: 45 Prozent „eher“ und 27 Prozent „ganz“. Dass sich als Folge von VERA die Schulen völlig darauf konzentrieren, die getesteten Kompetenzen ihrer Schülerschaft zu verbessern, bestätigt ungefähr ein Drittel der Befragten. „Als Folge von VERA wird in unserer Schule nur noch über die Verbesserung der getesteten Kompetenzen nachgedacht. Alles andere rückt in den Hintergrund.“ 21 Prozent pflichten diesem Statement „gar nicht“, 44 Prozent „eher nicht“ bei. Die Befragungsergebnisse machen klar: Eine von manchen Kritikern erwartete und befürchtete Konzentration schulischer Aktivitäten auf nur wenige Kernfächer ist generell nicht zu erkennen. Anders ist dies allerdings bei Schulen mit mehreren Bildungsgängen, integrierten Gesamtschulen und Förderschulen. Bei einem Großteil dieser Schulformen haben sich die pädagogischen Schwerpunkte zugunsten weniger Kernfächer verschoben. Marianne Demmer, Leiterin des GEW-Organisationsbereichs Schule Große Unzufriedenheit mit der schulpolitischen Entwicklung „Viele Reformen der letzten Zeit sind ohne ausreichende Ressourcen, Schulentwicklung und Fortbildung der Lehrkräfte überstürzt eingeführt worden.“ 3 27 70 Grafik 2 Zustimmung in Prozent ganz eher eher nicht/gar nicht PISA, VERA & Co. „In erster Linie nervig“ // Sechs Statements von Lehrkräften: Wie PISA- und Co.Tests ihren Berufs- und pädagogischen Alltag verändert haben. // meiner Arbeit weiterbringt, wenn ich weiß, dass meine Klasse stärker oder schwächer ist als eine in Leipzig oder Dresden. „Nicht sehr schülerfreundlich“ Conny Ramm unterrichtet an der Grundschule Kurort Hartha in Sachsen. TOSCA Ähnlich wie Hamburg nahm auch Baden-Württemberg Schülerleistungen in einer Längsschnittstudie in den Blick. Allerdings sollte mit Hilfe von TOSCA („Transformation des Sekundarschulsystems und akademische Karrieren“) unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung in Berlin vor allem untersucht werden, welche Auswirkungen Reformen wie die Neuordnung der gymnasialen Oberstufe auf die Schülerinnen und Schüler haben. Um sich dem anzunähern, wurden die Leistungen von 5000 repräsentativ ausgewählten Abiturienten der Jahrgänge 2002 (vor der G8-Reform) und 2006 (nach der Reform) an 60 beruflichen und 89 allgemeinbildenden Schulen über zehn Jahre in den Fächern Mathematik und Englisch verglichen. jago Conny Ramm Ich habe dieses Jahr zum zweiten Mal Kompetenztests schreiben lassen, die in Sachsen für die dritten Klassen verpflichtend sind. In erster Linie finde ich diese Arbeiten nervig. Sowohl die Auswertung als auch die Eingabe der Ergebnisse in das Computersystem sind sehr mühsam. Aufwand und Nutzen stehen da nicht im richtigen Verhältnis. Natürlich weiß ich dank der Tests, wo meine Klasse steht. Aber das bekomme ich auch durch den Unterricht und normale Arbeiten heraus. Nicht sehr schülerfreundlich ist die Bewertung des Kompetenztests. Man wertet die Aufgabe entweder richtig oder falsch. Bei komplexen Aufgaben mit mehreren Teilaufgaben halte ich das für problematisch und wenig motivierend für die Schülerinnen und Schüler. Allerdings entsprechen die Tests in Sachsen schon im Wesentlichen dem Lehrplan. Ich fühle mich durch die Arbeiten auch nicht unter Druck gesetzt. Ich glaube nur nicht, dass es mich in Ich habe mit meinen Klassen zweimal VERA und vor einigen Jahren auch schon einmal IGLU geschrieben. Ich bin eine entschiedene Gegnerin dieser Art von Tests. Die Sau wird auch nicht fetter, wenn man sie häufiger wiegt. Der Lesetest bei VERA mag noch einen gewissen Aufschluss über die Fähigkeiten der Schülerinnen und Schüler geben – vorausgesetzt, er wird richtig ausgewertet. Die Aufgaben der anderen Bereiche, besonders in Mathematik, passen oft gar nicht zu den Stoffverteilungsplänen der Stufe, in der sie gestellt werden. Dennoch müssen wir die Schülerinnen und Schüler natürlich darauf vorbereiten. Niemand möchte, dass die eigenen Schüler verloren vor einem leeren Blatt sitzen. Es möchte natürlich auch niemand, dass die eigene Klasse am schlechtesten abschneidet, auch wenn man ein deutlich distanziertes Verhältnis zu dieser Art von Tests hat. Am Ende schaut man doch auf die Ergebnisse. So übt man also die Inhalte der Tests zu einem Zeitpunkt, an dem sie eigentlich laut Stoffplan noch gar nicht vorgesehen sind. Der Aufwand von Zeit und Nutzen steht nach meiner und der Meinung vieler Kolleginnen und Kollegen nicht in der richtigen Relation. Sprich: viel Arbeit, viel Zeit, viel Energie und viele Kopien für wenig bis keinen Nutzen für den einzelnen Schüler und Lehrer. Die Eltern sind nach unseren Erfahrungen meistens wenig bis gar nicht an den Ergebnissen dieser Tests interessiert. Ich würde die Zeit, die ich für diese Tests und deren Auswertung verwende, lieber für meinen „normalen Unterricht“ nutzen und/oder mich intensiv dem einzelnen Kind und seinen Bedürfnissen widmen. Dagmar Manthey unterrichtet an der Grundschule Katzenelnbogen in Rheinland-Pfalz. Foto: privat Foto: privat „Viel Zeit, viel Energie, wenig Nutzen“ Dagmar Manthey Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 11 12 PISA, VERA & Co. „Man wird ständig mit den Ergebnissen konfrontiert“ Aber ob es an einer Schule eine Theater-AG gibt oder ob sich die Lehrkräfte stark für soziale Projektarbeit und eine demokratische Schulkultur engagieren, das misst PISA leider nicht. Lernvergleiche wie PISA haben eine gravierende Veränderung in meiner täglichen Arbeit mit sich gebracht. Ich habe vor 35 Jahren gelernt, Mathematik zu unterrichten. Damals ging es darum, einer fachimmanenten Systematik folgend Gesetzmäßigkeiten, Algorithmen und den reinen Umgang mit Zahlen zu beherrschen. Mit PISA kam ein Paradigmenwechsel. Seitdem geht es in der Schule darum, mathematische Alltagskompetenzen zur Lebensbewältigung zu entwickeln. Also haben wir angefangen, entsprechende authentische Sachaufgaben zu bilden, um die Schülerinnen und Schüler auf die Tests vorzubereiten. Das finde ich grundsätzlich gut. Nicht gut finde ich, dass PISA-Ergebnisse oder auch die Lernstandserhebung in der achten Klasse und die Zentralprüfungen am Ende der Sekundarstufe den Stellenwert einer päpstlichen Verordnung bekommen haben. Man wird als Lehrer ständig mit den Ergebnissen konfrontiert, dabei berücksichtigen diese kaum individuelle Merkmale von Schulen. Das soziale Umfeld einer Schule oder der Migrantenanteil spielen ben wie gehabt. Dann kam der Schock, und plötzlich hatten Lehrerinnen und Lehrer, die Reformen wollten, eine Grundlage, mit der sie argumentieren konnten. Plötzlich wurde regelmäßige Weiterbildung angeboten, plötzlich gab es effektive Workshops wie „Kompetenzorientiertes Unterrichten“. Fortbildung ist seit PISA nicht mehr die Privatsache der einzelnen Lehrkraft. Diese Entwicklung begrüße ich sehr. Gerd Rieke unterrichtet Mathematik und Physik an der Realschule Warburg in Nordrhein-Westfalen. „Fortbildung ist seit PISA nicht mehr Privatsache“ Gisela Twele unterrichtet Deutsch und Mathematik am Gymnasium Wöhlerschule in Frankfurt am Main in Hessen. Ich erinnere mich noch gut an den ersten PISA-Test. Seitdem hat eine regelrechte „Testeritis“ eingesetzt. Es gibt „Ein bisschen mitgeprüft wird man immer“ Foto: privat An unserem Gymnasium wird in den Hauptfächern Latein, Mathematik und Deutsch einmal im Jahr in allen Klassen einer Stufe die gleiche Arbeit geschrieben. Ich muss ehrlich sagen: Derartige Vergleichstests erhöhen schon den Druck – auch auf uns Lehrerinnen und Lehrer. Selbst wenn es Eltern nie so formulieren würden, spüre ich doch ihre Erwartung, dass ihre Kinder in diesen Tests gut abschneiden sollen. Mit solchen Arbeiten haben sie eben ein Ergebnis an der Hand, das sie mit den Ergebnissen anderer Klassen, die auf dem gleichen Stand sein sollten, vergleichen können. Dabei sind einzelne Gerd Rieke kaum eine Rolle. Die Persönlichkeitsentwicklung hängt von so viel mehr Faktoren ab, als in Tests zu messen ist. Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 immer mehr Vergleichsarbeiten – sei es landesweit oder an der eigenen Schule. Man erhofft sich immer neue Ergebnisse. Aber oft folgt daraus nichts. Man weiß dann vielleicht, dass eine bestimmte Klasse in einem bestimmten Fach Defizite hat. Es geht um zwei Dinge: Es fehlt eine Unterstützung des hessischen Kultusministeriums, um Defizite zu bearbeiten und diese Konzepte überhaupt zu entwickeln. Allerdings sehe ich Vergleichsarbeiten und Lernstandserhebungen nicht nur negativ. Vor dem ersten PISA-Test hatten sich alle irgendwie eingerichtet mit unserem Schulsystem. Alle dachten, wir seien in Deutschland schon auf dem richtigen Weg und es könne alles blei- Foto: privat Foto: privat Gisela Twele Ruth Niebergall PISA, VERA & Co. 13 Lesen lernen … mehrsprachig! Fibeln und Lesebücher aus Europa und Amerika Lesen und Schreiben lernen in mehr als einer Sprache? Beispiele von Unterrichtsmitteln aus fünf Jahrhunderten. Vom viersprachigen ABCBuch des 16. Jahrhunderts bis zu aktuellen zweisprachigen Arbeitsmaterialien für Schulanfänger mit Migrationshintergrund. Lerngruppen vielleicht gar nicht vergleichbar. Aber das ist schwer zu vermitteln. Bei groß angelegten Vergleichstests wie PISA wird das Ergebnis natürlich noch wichtiger genommen. Dabei sind diese Arbeiten oft kaum das Papier wert, auf dem sie geschrieben werden. Da vergleicht man Schulen, die sich nicht vergleichen lassen, weil sie von ganz unterschiedlichen Schülern besucht werden. Man vergleicht also Äpfel mit Birnen, weil man unbedingt einen Standard abfragen will. Aber diesen Standard gibt es nicht. Für mich als Lehrerin ist das keine einfache Situation. Denn eines ist klar: Ein bisschen mitgeprüft wird man immer. Sichtweise wird das Abschneiden einzelner Kinder mit der Qualität ganzer Schulen gleichgesetzt. Regelmäßig wundert man sich öffentlich über fehlende Differenzierung in der Berliner Unterrichtspraxis. Simultan werden aber Normtests zwangsverordnet, mit denen man das normierende, wenig individuelle, hyperaktive „teaching to the test“ in Schulen steuerungstechnisch anheizt. Das ist eine systemische „Quadratur des Kreises“. Es gibt aber anscheinend ein gesellschaftliches Bedürfnis nach dieser zweifelhaften Normierung trotz 84 Seiten 111 farbige Abbildungen Schutzgebühr 12,95 € zzgl. Versandkosten. Zu bestellen unter: www.schulbuch-gesellschaft.de/de/rp Habichtswald-Klinik • Wigandstr. 1 • 34131 Kassel • info@habichtswaldklinik.de ... wieder Atem schöpfen Ruth Niebergall unterrichtet Latein und Evangelische Religion am Heinrich-von-Gagern-Gymnasium in Frankfurt am Main in Hessen. In Mitten Deutschlands am Fuße des größten Bergparks Europas mit Herkules und Schloss Wilhelmshöhe sowie in direkter Nachbarschaft zu einer der schönsten Thermen liegt die Habichtswald-Klinik „Normtests werden zwangsverordnet“ Fachklinik für Psychosomatik, Onkologie und Innere Medizin, Kassel - Bad Wilhelmshöhe Foto: privat Ich habe VERA 3 zuletzt vor einigen Jahren schreiben müssen. Seit längerem engagiere ich mich in einer Gruppe von Lehrerinnen und Lehrern, die diese Tests ablehnt. VERA ist grundsätzlich kein geeignetes Mittel, um Schule besser zu machen. Darin sind sich viele Akteure im Bildungswesen seit Jahren einig. Leider verändert diese Erkenntnis bisher nur sehr wenig. Die Kritik unseres Protests wird immer nur als ein Nischenproblem definiert. Angeblich haben bürgerliche Bezirke keine Probleme. Dass aber „teaching to the test“, das viele Kolleginnen und Kollegen wegen VERA betreiben, die Schulqualität für kein Kind verbessert, wird dabei nicht berücksichtigt. Manchen erscheint VERA als ein Zaubermittel, um endlich mal zu sehen, welche Schule vermeintlich gut und welche angeblich schlecht ist. In dieser Katalog der Ausstellung in Brixen/Bressanone 2011 Sibylle Recke aller qualifizierten Stellungnahmen dagegen. In zwei Jahren werde ich den Test wieder schreiben lassen müssen. Ich werde dabei absolut kein gutes Gefühl haben. Sibylle Recke unterrichtet an der Lenau-Grundschule in Berlin-Kreuzberg. Aufgezeichnet von: Georg Leppert, Redakteur „Frankfurter Rundschau“ Mitdiskutieren www.gew.de/ EundW.html In ihrem Selbstverständnis als Klinik für Ganzheitsmedizin arbeitet die Habichtswald-Klinik auf der Ebene einer integrativen Betrachtung von Körper, Seele und Geist in einer Synthese aus Schulmedizin, Naturheilverfahren und komplementärer Therapien. Die Klinik hat einen Versorgungsvertrag nach §111 und ist nach §30 GWO als beihilfefähig anerkannt. Bei den Gesetzlichen Krankenkassen ist die Habichtswald-Klinik als Rehabilitationsklinik anerkannt, bei den privaten Krankenversicherungen als „Gemischte Einrichtung“, die auch Akutbehandlungen gemäß OPS 301 durchführt. Die Beihilfestellen rechnen mit der Klinik den allgemeinen niedrigsten mit den Sozialversicherungsträgern vereinbarten pauschalen Pflegesatz ab. • • • • • • Psychosomatik Burnout Tinnitus Onkologie Innere Medizin Ayurveda-Medizin Kostenloses Service-Telefon: 0800 / 8 90 11 00 Telefon Aufnahmebüro: 0561 / 3108 -186, -622 www.habichtswaldklinik.de Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 14 PISA, VERA & Co. Vom PISA-Test zur VERA-Hitparade // Nach dem „PISA-Schock“ vor gut zehn Jahren wird in den Schulen mehr getestet, aber nicht unbedingt besser gelernt. Und: Mit PISA kam VERA. // Cartoon: Freimut Wössner Zehn Jahre nach dem „PISA-Schock“ haben zahlreiche Reformen die Bildungslandschaft in Deutschland verändert: Die Hauptschule wurde in den meisten Bundesländern zum Auslaufmodell, zentrale Abschlussprüfungen dort eingeführt, wo es diese bislang nicht gab, Halbtagsschulen vielerorts auf Ganztagsbetrieb umgestellt. Zu einem radikalen Umbau des Schulsystems kam es allerdings nicht (s. S. 6 ff.). Trotzdem: „Die Debatte um das schlechte Abschneiden 15-Jähriger bei den internationalen PISA-Studien hat den Blick auf Lernkompetenzen der Schülerinnen und Schüler gelenkt, weg von Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 der Orientierung an Lehrplänen und Noten“, sagt Rixa Borns, Leiterin der Fachgruppe Grundschule der GEW in Nordrhein-Westfalen (NRW). Für Erhard Korn, Schulleiter aus Steinheim (BadenWürttemberg), hat sich vor allem die Sicht der Lehrkräfte auf den Einzelnen in der Klasse positiv entwickelt. „Im Unterricht, aber auch in den Klassenarbeiten, wird heute mehr Wert auf Aufgaben gelegt, die einem differenzierten Niveau entsprechen.“ Kontrollinstanz für Lernerfolg Als Kontrollinstanz für den Erfolg solcher Veränderungen hat sich die Kultusministerkonferenz (KMK) VERA (VERgleichsArbeiten) ausgedacht. Durch VERA, betont das Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin, das federführend bei deren Konzeption ist, „erhalten die Lehrkräf- te Erkenntnisse über die Stärken und Schwächen ihrer Klassen“. Elke C.* kann darüber nur schmunzeln. „Ein guter Pädagoge weiß auch ohne VERA, was seine Schüler können und was nicht.“ Bis Februar dieses Jahres unterrichtete die 60-Jährige an einer Gesamtschule in Herne (Nordrhein-Westfalen). Jetzt ist sie in Altersteilzeit. Mit VERA hat sie schlechte Erfahrungen gemacht. „In Mathe wurden Aufgaben gestellt, die im Unterricht noch gar nicht behandelt worden waren“, kritisiert sie. Bildungsforscher, Didaktiker und Unterrichtspraktiker bewerten VERA unterschiedlich. Die Daten von VERA eigneten sich „insbesondere zur Weiterentwicklung der Aufgabenkultur, zur individuellen Förderung und zur Veränderung der Unterrichtsmethoden“, sagt die Berliner Bildungsforscherin Felicitas Thiel. Das von ihr geleitete Projekt „Schulen als Steuerungsakteure im Bildungssystem“** kommt zu dem Schluss, dass die Schulen diesbezüglich Angebote z. B. zur Fortbildung von Lehrkräften nutzen. Martin Heusler ist skeptisch. Oft fehle mangels Personal und fachlicher Unterstützung von außen die Zeit zur kontinuierlichen Reflexion der VERAErgebnisse, meint der Leiter der Winterhuder Reformschule in Hamburg. Viele Lehrkräfte hätten deshalb einen auf das bloße Ergebnis fokussierten Blick entwickelt, berichtet Heusler aus der Schulpraxis. „Sie sagen sich: Meine Klasse ist im Schnitt – gut, dann können wir weitermachen wie bisher.“ Susanne Hoeth von der Fachgruppe Grundschulen der GEW Hessen äußert grundsätzliche Kritik an VERA: Als diagnostisches Instrument sei VERA schlecht geeignet. „Moderner Unterricht legt Wert auf eine differenzierte, individuelle Förderung, die Kinder lernen in ihrem eigenen Tempo und die Lernausgangslagen werden von den Pädagogen bei Klassenarbeiten berücksichtigt“, so Hoeth, „VERA ist das Gegenteil: Zum Zeitpunkt X müssen FERNE WELTEN entdecken! Stu dien- un d E rlebn is re is e n – zur H e r bst ( - fe r i e n ) ze it 2012 Marokko und seine Königsstädte 9-Tage-Erlebnisreise entlang der Straße der Kasbahs und malerischer Oasen zu den imposanten Königsstädten Marokkos Casablanca – Rabat – Meknes – Fes – Erfoud – Todra-Schlucht – Straße der Kasbahs – Ouarzazate – Marrakesch Leistungen: • Linienflug mit IBERIA ab/bis Frankfurt • Übernachtungen in ****Hotels mit Frühstück und Abendessen • Erlebnis- und Rundreisenprogramm inkl. Eintrittsgelder • ein Reisehandbuch nach Wahl • Reiseleitung örtl., deutschspr. Reisetermine und Preise je Pers. im DZ 213211-04* 06.10.12-14.10.12 213211-05* 27.10.12-04.11.12  1.090,–  1.090,– Einzelzimmer-Zuschlag: Innerdt. Bahnanreise (Rail&Fly): Flüge ab/bis Berlin, Düsseldorf, München Mindestteilnehmerzahl:  160,– +  90,– +  65,– 10 Pers. Israel – Jordanien 12-Tage-Studienreise auf den Spuren der Bibel und im Kontrast zur Gegenwart Tel Aviv – Haifa – Akko – See Genezareth – Jerusalem – Bethlehem – Totes Meer – Eilat – Aqaba – Petra – Amman Leistungen: • Linienflug mit LUFTHANSA ab/bis Frankfurt incl. Steuern und Gebühren • Übernachtungen in guten ***- und ****-Hotels mit Halbpension • Erlebnis- und Rundreisenprogramm im klimatisierten Reisebus incl. Eintrittsgelder • Reisehandbuch nach Wahl • Reiseleitung örtl. deutschspr. Reisetermine und Preise je Pers. im DZ 213105-05 19.09.12-30.09.12 213105-06* 10.10.12-21.10.12 € 1.980,– € 1.980,– Einzelzimmer-Zuschlag: Innerdt. Bahnanreise (Rail&Fly): Innerdt. Anschlussflüge: Mindestteilnehmerzahl:  390,– +  65,– +  50,– 15 Pers. Yünnan und Tibet mit der Eisenbahn 14-Tage-Erlebnisreise zu den herausragenden Landschaftsattraktionen im Süden Chinas bis auf´s Dach der Welt nach Tibet. Shanghai – Kunming – Lijiang – Zhongdian – Lhasa – Eisenbahnfahrt nach Xining – Xian – Shanghai Leistungen: • Linienflüge mit CHINA EASTERN AIRLINES ab/bis Frankfurt incl. Steuern und Gebühren • Inlandsflüge incl. Steuern und Gebühren • Übernachtungen in ***- oder ****Hotels mit Vollpension (teilw. Halbpension) • Erlebnis- und Rundreisenprogramm inkl. Eintrittsgelder • Zugfahrt mit der Tibet-Eisenbahn • Reiseleitung örtl. deutschspr./z.T. englischspr. in Tibet Reisetermine und Preise je Pers. im DZ 237519-05 15.09.12-28.09.12 237519-06* 13.10.12-26.10.12 € 2.890,– € 2.890,– Einzelzimmer-Zuschlag: Visum China und Tibet-Permit: Innerdt. Bahnanreise (Rail&Fly): Mindestteilnehmerzahl:  290,–  75,– +  40,– 15 Pers. Weitere spannende Reisen im Herbst 2012: (Preise je Person im Doppelzimmer, *-Termine in den Herbstferien) Istanbul – Troja – Pergamon 208651-06 22.09.12-29.09.12 208651-07* 06.10.12-13.10.12 208651-08* 20.10.12-27.10.12 208651-09 03.11.12-10.11.12 Faszinierendes Tunesien 213202-04* 29.09.12-09.10.12 213202-05 27.10.12-06.11.12 Indien: Garhwal – Kumaon-Rundreise 223103-03* 07.10.12-20.10.12 € 820,– € 820,– € 820,– € 790,– € 1.370,– € 1.370,– € 2.190,– Einzigartiges Madagaskar 213711-02 09.09.12-23.09.12 213711-03* 07.10.12-21.10.12 Höhepunkte Chiles 243727-05* 20.10.12-29.10.12 243727-06 03.11.12-12.11.12 243727-07 17.11.12-26.11.12 Galápagos aktiv 245508-05* 20.10.12-02.11.12 245508-06 10.11.12-23.11.12 Du r we chfüh ite stg rung ehe de nd r Tou € 3.190,– ges r € 3.190,– ich en ert € 2.390,– € 2.450,– € 2.450,– € 3.890,– € 3.890,– Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Veranstalters. Katalogbestellung sowie Beratung und Buchung zu diesen Reisen in Ihrem Reisebüro oder beim Veranstalter: IKARUS TOURS GmbH · Tel. 0800 - 46 36 452 (kostenfrei) · Fax: 06174 - 2 29 52 · E-Mail: gew@ikarus.com · www.ikarus.com 16 PISA, VERA & Co. alle Kinder die gleichen Aufgaben in der gleichen Zeit lösen. Das erzeugt bei vielen Schülern das Gefühl zu versagen.“ Auch der Mathematikdidaktiker Erich Christian Wittmann lässt kein gutes det und wachten mit Argusaugen über den Schulerfolg ihres Nachwuchses. Ein Druck, dem nicht jeder Pädagoge standhält. Elke C. kann davon ein Lied singen. „Um im Ranking einen guten Platz zu VERA VERA ist die Abkürzung für „VERgleichsArbeiten“ und startete 2004 als Gemeinschaftsprojekt der sieben sozialdemokratisch regierten Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, NordrheinWestfalen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Entwickelt wurde VERA im Auftrag der rheinland-pfälzischen Landesregierung an der Universität Koblenz-Landau zunächst für den Vergleich von Viertklässlern in Deutsch und Mathe. Inzwischen umfasst VERA Tests in den Klassen 3 und 8, in denen der Leistungsstand bezogen auf die Bildungsstandards in den Hauptfächern Deutsch und Mathematik sowie in der Jahrgangsstufe 8 auch in Englisch und Französisch festgestellt werden soll. Die Testhefte werden unter Federführung des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin von Didaktikern und Lehrkräften erarbeitet. Die Schulen bekommen das Ergebnis jedes Schülers, jeder Klasse sowie den Vergleich mit anderen Schulen – auch solchen mit ähnlicher sozialer Struktur – zurückgemeldet. Damit soll VERA nicht nur Kompetenzen der Schülerschaft spiegeln, sondern auch Anhaltspunkte zur Qualität des Unterrichts geben. Derzeit steht VERA besonders in der Kritik der GEW und der Lehrerverbände (s. S. 6 ff. und 14 ff.) jago Haar an VERA. Erfahrene Lehrerinnen und Lehrer würden derart „miserable Aufgaben“ nicht stellen, warf er 2010 jenen vor, die den Test entwickelt hatten. Wittmanns Kritik teilten mehr als tausend Berliner Grundschullehrkräfte, die in einem Brief an den damaligen Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) mit einem Boykott der Vergleichsarbeiten drohten. Die Pädagogen, die überwiegend an sogenannten Brennpunktschulen unterrichten, bemängelten die Textlastigkeit der Aufgaben. Hierdurch würden vor allem Migranten-Schüler bildungsferner Herkunft benachteiligt. Selbst dort, wo der Anteil der Mädchen und Jungen aus Migrantenfamilien eher gering ist, wird Kritik laut. „In meiner Klasse herrscht schon Wochen vor dem VERA-Test Aufregung unter den Kindern und bei den Eltern“, erzählt Jennifer L.*, Lehrerin an einer Grundschule im Ostteil Berlins. Hauptproblem in diesem Fall: Die Angst vor einem schlechten Abschneiden. Dabei fließen die Testergebnisse von VERA in Berlin anders als bislang in vielen anderen Bundesländern nicht in die Notengebung ein. Die Eltern an ihrer Schule seien allerdings überwiegend akademisch gebilErziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 erzielen, haben Kolleginnen und Kollegen die VERA-Aufgaben vorher mit den Schülern eingeübt“, erzählt sie. Und auch Erhard Korn bestätigt: „Von Elternseite ist der Wunsch nach einer VERAHitparade nach wie vor spürbar.“ Ziel konterkariert Dass damit das propagierte Ziel von VERA, Bildungskompetenzen zu ermitteln und nicht gepauktes Wissen abzufragen, konterkariert wird, dafür sind die Macher von VERA mitverantwortlich. So gibt die Info-Broschüre für Lehrkräfte und Eltern des Instituts für Schulqualität der Länder Berlin und Brandenburg DESI (ISQ) den Beteiligten den Tipp: „Im Vorfeld der Tests können Schülerinnen und Schüler mit typischen Aufgabenformaten und Bearbeitungsstrategien vertraut gemacht werden.“ Sowohl das ISQ wie das IQB stellen den Schulen dafür eine Datenbank mit Aufgaben nebst Lösungen zur Verfügung. ISQ-Geschäftsführer Wolfgang Wendt will dies allerdings nicht als Aufforderung zu „teaching to the test“ verstanden wissen. Die Aufgabendatenbank sei für die Lehrkräfte nur zur Nacharbeit gedacht. Dass sie auch als Vorbereitung auf VERA genutzt wird, will Wendt aber nicht ausschließen. Nicht ganz unschuldig an der „Testeritis“ ist die KMK selbst. Vor allem die unionsregierten Bundesländer haben in der nationalen Ergänzungsuntersuchung PISA-E Wert auf eine Rangfolge gelegt. Das hob Vergleichsstudien in der Folge in den Rang eines Wettbewerbs, der Sieger und Verlierer kennt. Im Sinne des Erfinders ist das nicht. So hat z. B. Andreas Schleicher, OECD-Leiter der internationalen PISA-Studie, immer wieder vor solchen Rankings gewarnt. Mittlerweile hat sich die KMK zumindest teilweise die Kritik, insbesondere vorgetragen von der GEW, zu Herzen genommen. Anfang März haben die Kultusminister vereinbart, dass die ­ ERA-Ergebnisse V nicht mehr bei der ­ otengebung beN rücksichtigt werden und nicht mehr als Übergangsprognose dienen sollen. Als Individualtest darf VERA jedoch weiterhin verwendet werden. Es sei „fachlich vertretbar, dass Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern eine individuelle Rückmeldung zu VERA erhalten“, heißt es im KMK-Beschluss. Die individuellen Rückmeldungen sollen allerdings allein „pädagogischen Zwecken“ dienen, z. B. DESI steht für „Deutsch Englisch Schülerleistungen International“. Der Vergleich von Neuntklässlern in den Fächern Deutsch und Englisch war die erste große rein deutsche Schulleistungsstudie 2001, in Auftrag gegeben von der Kultusministerkonferenz (KMK). Unter Federführung des Deutschen Instituts für internationale pädagogische Forschung (DIPF) in Frankfurt am Main wurden im Herbst 2003 und im Frühsommer 2004 jeweils dieselben 11 000 Schülerinnen und Schüler an 219 Schulen aller Formen getestet und im Anschluss ihre Leistungen zu beiden Zeitpunkten miteinander verglichen. Im Fokus der Auswertung standen die Lernfortschritte binnen eines Schuljahres. Außer Schülertests gehörten zu DESI Interviews mit Lehrkräften sowie Videoaufzeichnungen des Englischunterrichts. jago PISA, VERA & Co. 17 LAU LAU steht für „Untersuchung Aspekte der Lernausgangslage und der Lernentwicklung“. Auftraggeber ist die Hansestadt Hamburg. LAU gilt bis heute als größte Längsschnittstudie in einem Bundesland. Von 1996 bis 2005 haben Bildungsforscher der Berliner HumboldtUniversität unter Leitung des Erziehungswissenschaftlers Rainer Lehmann alle zwei Jahre das Wissen und die Lernzuwächse in Mathe und Englisch aller Hamburger Schülerinnen und Schüler gemessen, die 1996 in der fünften und 2005 in der 13. Klasse waren. Den Klassenstufen entsprechend hießen die Studien LAU 5, LAU 7, LAU 9, LAU 11 und LAU 13. Jede LAU-Untersuchung nahm ein bestimmtes Thema besonders in den Fokus: So betrachtete LAU 5 beispielsweise vor allem den Übergang von der Grundschule in die Sekundar­ tufe I, s LAU 7 schaute hin, welche Schüler gleicher Lernausgangslage an welcher Schulform welche Fortschritte machten. jago dazu, einzelne Schülerinnen und Schüler „durch eine Weiterentwicklung des Unterrichts besser fördern zu können“, erläutert die KMK auf Nachfrage. GEW-Schulexpertin Marianne Dem­ mer sieht in der neuen KMK-Vereinbarung einen ersten Teilerfolg der Bemühungen der Bildungs­ gewerkschaft um Korrekturen bei VERA, mahnt aber weitergehende Änderungen an (s. S. 6 ff.). Die KMK zeigt sich gesprächsbereit. Man nehme die Kritik ernst und werde GEW und Lehrerverbände „bei der Weiterentwicklung von VERA mit einbeziehen“. Noch in diesem Jahr wird nach Auskunft der Kultusministerkonferenz das IQB eine VERAArbeitstagung ausrichten, in deren Mittelpunkt u. a. der Austausch über Fortbildungskonzepte sowie bessere Unterstützungsangebote für die Schulen stehen werden. Dass der Blick von außen hilfreich ist, zeigt ein anderer internationaler Schulvergleich. Fünf Jahre nach der ersten PISA-Untersuchung erregte IGLU (Internationale GrundschulLese-Untersuchung [s. Kasten S. 9]) öffentlich Aufmerksamkeit. Der Deutschlandchef der Studie, der Dortmunder Bildungsforscher Wilfried Bos, gab den Grundschulen in der Bundesrepublik eine „Zwei plus“. Ein entscheidender Grund für das im Vergleich zu PISA gute Abschneiden sei, so Bos, dass an Grundschulen moderner unterrich- tet werde als an weiterführenden Schulen. Für Grundschullehrkräfte war das Balsam auf die geschundenen Pädagogenseelen und viele fragen sich seither, warum gerade ihre Schüler die ersten waren, die sich VERA unterziehen mussten. „Mir hat noch niemand schlüssig erklären können, warum die Grundschulen VERA brauchen“, meint Rixa Borns. Klar, IGLU habe auch gezeigt, dass in den Grundschulen „noch nicht alles rund laufe“. Borns: „Die größeren Probleme beginnen aber erst nach der Grundschulzeit und haben eine Menge mit der viel zu frühen Aufteilung der Schülerinnen und Schüler auf die unterschiedlichen Schulformen zu tun.“ Mit anderen Worten: Wer von PISA redet, darf nicht über das selektive Schulsystem schweigen. Jürgen Amendt, Redakteur „Neues Deutschland“ Besondere Ferien auf Texel Schon auf der Texeler Fähre vergessen Sie langsam den alltäglichen Trubel. Sobald Sie an Land gekommen sind, lässt Texel Sie nicht mehr gehen. Manche nennen es ein Inselerlebnis - ein Gefühl purer Entspannung, das sich durch den salzigen Seewind und das Wissen, dass Sie nichts müssen aber alles können, verstärkt. Auf einer Insel, wo unberührte Natur, lang gestreckte Sandstrände und gemütliche Dörfer das Bild bestimmen. In dieser Atmosphäre lassen wir Sie gerne Urlaub machen. Texelduinen vermietet besondere Unterkünfte an „geheimen“ Stellen: Appartements für zwei bis zwölf Personen in historischen Glockenbauernhöfen, gemütliche, frei stehende Ferienhäuser bei De Koog oder sehen Sie sich schon in einem großen Garten an einem abgegrenzten Bungalow? Über Texelduinen finden Sie Stellen, wo Familien, Freunde oder Kollegen eine herrliche Zeit auf Texel erleben können. Einen Bungalow mitten in einem Dorf oder einen Hof mit Aussicht auf Wald und Polder. Es ist ganz gleich, wie der ideale Inselurlaub aussieht, Texelduinen überrascht Sie mit einer beeindruckenden Umgebung und wundervollen Unterkünften. Für den Sommer haben wir noch einige Last-Minute-Angebote: (auch online-Buchung möglich) www.texelduinen.nl Wir wünschen Ihnen eine schöne Zeit auf Texel! Texel Duinen Verhuurbureau | Victor Lancee | Klif 24 | 1797 AL Den Hoorn Tel. 0031 / 6 / 538 358 60 | info@texelduinen.nl | www.texelduinen.nl Die Welt der alten Griechen und Römer, das Land des Lichtes und der Farben, der Düfte der Landschaft, der Wohlgerüche der Märkte. Unser schönes "Natur"-Grundstück liegt auf dem Kalkstein-Hochplateau von UZÈS, inmitten der Heidelandschaft teilweise im Naturschutzgebiet - umgeben von Zypressen, Wacholderbäumen, Steineichen und Pinien. Zahlreiche Sehenswürdigkeiten und Ausflugsziele liegen in der direkten Umgebung: Das Tal der Ardèche, Städte wie Orange, Avignon, Nîmes, Arles, Montpellier, der Lubéron, die Camargue, Le Crau du Roi und das Meer, die Cevennen u.v.a.m. Das MAISON D'AMIS bietet jeweils eine Doppelhaushälfte für je 2 Personen. Es gibt dazu einen Pool und einen großen Garrigue-Garten mit Kfz-Stellplatz. Sie können uns erreichen unter: Tel. 0033 - 4 - 66 22 77 25 info@provence-ferien.info * Namen geändert **www.ewi-psy.fu-berlin.de/ einrichtungen/arbeitsbereiche/ schulentwicklungsforschung/ forschung/professionelle_ organisationen.html Mitdiskutieren www.gew.de/ EundW.html Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 18 PISA, VERA & Co. Instrument pädagogischer und politischer Aufklärung? Hat PISA das Bildungssystem vorangebracht und die Bildung in Deutschland verbessert? Und wer profitiert davon? Ein Pro und ­Kontra, ob PISA mit Vorurteilen aufgeräumt oder eher ein Schubladendenken gefördert hat, zwischen dem Bildungsforscher und Leiter des deutschen PISA-2009-Konsortiums, Prof. Eckhard Klieme, und dem Erziehungswissenschaftler Prof. em. Hans Brügelmann. PRO Foto: privat Aufrüttelndes gelernt Eckhard Klieme PISA ist eine empirische Untersuchung, die Bildungssysteme, Lernchancen und Kompetenzen von Jugendlichen beschreibt – nicht mehr und nicht weniger. Nicht PISA verändert das Bildungssystem, sondern viele Beteiligte – die politische Öffentlichkeit, Lehrkräfte und Schulleitungen, Wissenschaft und Bildungsadministration, nicht zuletzt Eltern – tragen dazu bei, das öffentlich verantwortete Bildungswesen zu gestalten und zugleich ständig zu hinterfragen. Ihre Urteile und Vorschläge gründen in persönlichen Zielen und Erfahrungen, in professionellen Normen, in politischen Prioritäten und Werturteilen. Das macht Bildungsdebatten so schwierig, manchmal auch irrational. Bildungsforschung stellt Daten, Analysen und Wissen zur Verfügung. Das ersetzt Werturteile und professionelles Handeln nicht, ermöglicht es aber, aus der Realität zu lernen. Empirische Studien zwingen zu mehr Transparenz, Ehrlichkeit und Rationalität. Weiterführende Schulen sind offen für bildungsferne Schichten? An Privatschulen wird mehr gelernt? Jungen sind in der Schule bevorzugt? Leseförderung brauchen nach der Grundschule nur noch die Förderschüler? Die Stärke unserer Jugendlichen sind kritisches Reflektieren und Problemlösen? Das alles waren Vorurteile, mit denen die Schulleistungsstudien, allen voran PISA, aufgeräumt haben. Dazu gehören nicht nur politische Zöpfe, sondern auch allzu lieb gewordene Selbstbilder. Wer wissen wollte, wie häufig Unterricht in Deutschland eben nicht fördernd, sondern gleichförmig ist, wie selten z. B. anspruchsvoller Naturwissenschaftsunterricht betrieben wird, wie wenig Eltern am Schulleben partizipieren, wie schwach die Kooperation an vielen Schulen ist – der konnte aus den Befunden der PISA-Studien Aufrüttelndes lernen. Motor der Veränderungen Viele Professionelle haben sich aufrütteln lassen, neue päda­ gogische und politische Initiativen sind entstanden, und ge- Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 nau darin besteht die Wirkung von PISA. Ohne PISA hätten die Finanzpolitiker längst die Schulen geplündert. Wer profitiert hat, konnten wir nach einem Jahrzehnt bei PISA 2009 feststellen: Die Kompetenzen hatten sich im unteren Leistungsbereich – und nur dort – verbessert. Klassenwiederholungen kamen viel seltener vor. Kinder aus zugewanderten Familien schnitten 2009 deutlich besser ab als 2000. PISA selbst war nicht die Ursache, aber ein Motor dieser Veränderungen. PISA greift bildungspolitische Fragestellungen auf, zunehmend auch Fragen nach Unterrichtsgestaltung und Lerngelegenheiten sowie überfachlichen Zielen. Dabei spielt – zu Recht – der internationale Vergleich inzwischen eine geringere Rolle als die Veränderungen innerhalb unseres Landes. Die internationale Verankerung sichert die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit, aber auch die Qualität der Untersuchung: International führende Wissenschaftler werden einbezogen und die Teilnahmequote der OECD-Länder ist sehr hoch. Die Studie erforscht alle drei Jahre eine repräsentative Stichprobe. Das hält den Aufwand gering: Die Wahrscheinlichkeit, einen Vormittag im Leben für PISA opfern zu müssen, liegt für Schülerinnen und Schüler in Deutschland bei zwei Promille. Die Erhebung und Auswertung für Deutschland kostet weniger als eine Lehrerstelle pro Bundesland. Um ein Feedback an alle Schulen zu geben, braucht es andere Instrumente, und die Wirksamkeit gezielter pädagogischer Maßnahmen lässt sich eher in Längsschnittstudien testen. Für die fortlaufende repräsentative Beobachtung des Bildungssystems bleibt PISA, als Instrument pädagogischer und politischer Aufklärung, aber weiterhin unverzichtbar. Prof. Eckhard Klieme, Leiter des deutschen PISA-2009-Konsortiums, Vorsitzender der internationalen Expertengruppe für Kontextanalysen bei PISA 2012 und 2015 19 Cartoon: Freimut Wössner PISA, VERA & Co. KONTRA Großstudien wie PISA & Co. waren bildungspolitisch wichtig. Sie haben grundlegende Probleme unseres Bildungssystems ins öffentliche Bewusstsein gerückt: die hohe Zahl der Kinder, die in der Schule nicht erfolgreich sind. Und die Themen „Soziale Herkunft“ und „Migrationshintergrund“, die (vor allem in Deutschland) maßgeblich über den Erfolg der Kinder und Jugendlichen in der Schule entscheiden. Problematisch ist aber, dass diese Untersuchungen heute den Stil von Evaluation generell bestimmen. In Studien mit so vielen Probanden können nur wenige Merkmale erfasst werden. Damit wird das Schubladendenken gefördert. „Migrantenkinder“ etwa schneiden im Durchschnitt schwächer als ihre Mitschüler ab, aber ihr Schulerfolg variiert nach Nationalität, Schicht oder Einwanderungsalter. PISA & Co. erfassen nur wenige dieser Differenzierungen. In der pädagogischen Praxis kommt es jedoch darauf an, Schülerinnen und Schüler mit ihren individuellen Besonderheiten wahrzunehmen – nicht als Fall einer Gruppe. Förderprogramme in der Folge von PISA, z. B. für „Jungen“ oder „Migranten“, sind deshalb weniger effizient als vor Ort entwickelte Maßnahmen. Denn die Wirkungen von Interventionen sind in hohem Maße kontextabhängig. Durchschnittsaussagen verstellen den Blick darauf, dass der Erfolg von Maßnahmen davon abhängt, in welchem pädagogischen Konzeptrahmen und unter welchen konkreten Bedingungen sie umgesetzt werden. Nur bedingt hilfreich Für Problemlösungen vor Ort, für den Umgang mit einzelnen Schülerinnen und Schülern sind Wahrscheinlichkeitsaussagen nur bedingt hilfreich. Insofern sind nicht Fallstudien die Vorstufe „richtiger“ Forschung, sondern umgekehrt: Stichprobenerhebungen liefern Hypothesen für eine differenziertere Untersuchung des Einzelfalls. Häufigkeit bestimmt nicht Wichtigkeit oder gar Richtigkeit. Selbst wenn Methode A in 99 Prozent der Fälle erfolgreicher abschneidet als Methode B, ist jeweils zu prüfen, ob im konkreten Fall Methode B angemessener wäre. Deshalb müssen auch Lehrerinnen und Lehrer forschen. Diese Aufgabe verdient genauso viel Unterstützung wie die Großforschung. Zudem haben PISA & Co. mit einer doppelten Mehrdeutigkeit menschlichen Verhaltens zu kämpfen. Großstudien arbeiten mit standardisierten Instrumenten. So wollen sie subjektive Verzerrungen bei der Erhebung und Auswertung der Daten ausschalten. Aber dieselbe Antwort in einem Test oder Fragebogen kann aus unterschiedlichen Gründen angekreuzt werden. In eine „falsche“ Lösung können kluge Überlegungen eingegangen sein, die das Kreuzchen nicht erkennen lässt. Zu einer „richtigen“ Lösung wiederum kann jemand kommen, weil etwas auswendig gelernt, eine Einsicht transferiert oder geraten wurde. Insofern lässt sich die Test-„Performanz“ nicht sicher einer „Kompetenz“(-stufe) zuordnen. Diese, hinter konkreten Verhaltensweisen stehenden Motive, Einstellungen und Denkmuster sind es aber, die Pädagoginnen und Pädagogen interessiert. Außerdem ist die Interpretation der Testlösungen ebenfalls personenabhängig. Mit anderen Worten: Welche Brille haben die Forscher auf? Erkaufen sie die Präzision in einer Dimension mit der Blindheit in anderen? Pädagogisches Handeln kann aber nur erfolgreich sein, wenn man Kinder durch verschiedene Brillen betrachtet. Für Politik und Verwaltung sind diese Studien deshalb hilfreicher als für die Evaluation von Unterricht oder die individuelle Lernbegleitung der Schülerinnen und Schüler. Foto: Jürgen Naber Begrenzter Erkenntniswert Hans Brügelmann Hans Brügelmann, bis Anfang 2012 Professor für Grundschulpädagogik und -didaktik an der Universität Siegen, Autor des Buches „Schule verstehen und gestalten“ Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 20 PISA, VERA & Co. Cartoon: Freimut Wössner Sprengstoff für die   // Mit der Veröffentlichung der ersten PISA-Studie ist 2001 ein neuer Begriff in die bildungspolitische Debatte eingeführt worden: „Risikogruppe“. Damit bezeichneten die Forscher die 15-jährigen Schülerinnen und Schüler, deren Kompetenzen in den von PISA gemessenen Domänen, also im Lesen, in Mathematik und Naturwissenschaften, völlig ungenügend sind. // Die Kenntnisse dieser Jugendlichen sind so schwach entwickelt, dass ihnen nach Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 dem Urteil der deutschen und der internationalen PISA-Autoren die Möglichkeit, „eigene Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial weiterzuentwickeln und am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben, weitgehend verschlossen“ bleibt (so z. B. in der deutschen Veröffentlichung zu PISA 2003). Auch wenn dieser Begriff in den späteren PISA-Untersuchungen seltener und 2009 überhaupt nicht mehr benutzt wurde, bleibt doch die Feststellung: Die Zahl 15-jähriger Schülerinnen und Schüler, die bis zum Ende der Schulpflichtzeit in den allgemeinbildenden Schulen nicht die Kompetenzen erwerwerben, die sie für ein selbstgestaltetes Leben brauchen, ist besorgniserregend hoch. Aufschreckend an dem Befund war und ist weniger die Tatsache, dass es diese Gruppe Heranwachsender gibt, sondern deren Größe. Die erste PISA-Studie zählte 2000 im Bereich Leseverständnis 23 Prozent, in Mathematik 24 Prozent und in Naturwissenschaften 26 Prozent aller 15-Jährigen zur Risikogruppe. Die Brisanz dieser Daten wird deutlich, wenn man sich erinnert, dass damals „nur“ neun Prozent eines Altersjahrgangs die PISA, VERA & Co.  Gesellschaft allgemeinbildenden Schulen ohne einen Hauptschulabschluss verließen. Der Vergleich der Zahl der Risikoschüler mit der nicht einmal halb so großen Gruppe derer, die den Hauptschulabschluss nicht erreichten, stellt den Wert schulischer Zertifikate grundsätzlich in Frage. Zudem nutzt der Verweis auf dieses „Schulversagen“ all denen, die das Ausbildungsplatzproblem junger Menschen weniger mit einem Mangel an Lehrstellen als vielmehr mit der nicht ausreichenden Ausbildungsfähigkeit vieler Schulabsolventen zu erklären suchen. Keine Entwarnung Bis zur PISA-Studie 2009 hat sich die Risikogruppe zwar erkennbar verkleinert, nicht aber so stark, dass Entwarnung ­ egeben werden könnte: Zu den g „schwachen“ Schülerinnen und Schülern, also denen, die in der PISA-Terminologie nicht über die Kompetenzstufe I hinaus gelangen, zählten im Bereich Lesen immer noch 19 Prozent. Der Anteil derer, die den Hauptschulabschluss verfehlten, lag bei sieben Prozent. Angesichts dieser nach wie vor viel zu hohen Quote lohnt sich ein differenzierender Blick auf diese Gruppe. Das Ergebnis: 2009 stammen Risikoschüler aus finanziell schwachen Familien, haben häufig einen Migrationshintergrund, sind männlich und lernen an der Hauptschule bzw. in Hauptschulbildungsgängen: •  den PISA-Vergleichsstudien wird In für den sozioökonomischen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler eine Klassifikation genutzt, die sieben Klassen unterscheidet. Die unterste umfasst mit Blick auf die sozioökonomische Lage der Bezugspersonen der Jugendlichen „un- und angelernte Arbeiter, Landarbeiter“, die oberste wird schlicht „obere Dienstklasse“ genannt. Während zehn Prozent der Kinder aus der „oberen Dienstklasse“ zur Gruppe schwacher Schülerinnen und Schüler zählen, gilt dies für 29 Prozent der Kinder „un- und angelernter (Land) Arbeiter“. •  Bereits die erste PISA-Studie nutzte mit der Erfassung des Migrationshintergrundes Jugendlicher eine Sichtweise auf die ethnische Herkunft der Schülerinnen und Schüler, die gegenüber der Unterteilung in Deutsche und Ausländer einen erheblichen analytischen Zugewinn brachte. Wenn man die Gruppe schwacher Schüler ausdifferenziert in die, die keinen Migrationshintergrund haben, die, die ebenso wie ihre Eltern nicht in Deutschland geboren wurden, und die, deren Eltern im Ausland, sie selbst aber in Deutschland geboren wurden, ergibt sich eine unverkennbare Hierarchie: Von den Jugendlichen ohne Migrationsgeschichte zählen 14 Prozent zu den Schwachen, von denen der zweiten Generation 30 Prozent und von denen der ersten Generation 35 Prozent. •  Bereich Lesen zählen 18,5 ProIm zent der 15-Jährigen zu den Schwachen: 13 Prozent der Mädchen, aber 24 Prozent der Jungen. Ein Viertel aller Jungen ist im Lesen (wie auch in den anderen Kompetenzbereichen) so schwach, dass – folgt man den PISA-Autoren – der Beginn einer beruflichen Ausbildung und deren erfolgreicher Abschluss im hohen Maße in Frage steht. •  Angesichts dieser Befunde kann es nicht überraschen, dass 49 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Hauptschulen (oder entsprechender Bildungsgänge), 18 Prozent der Jugendlichen der Gesamtschulen, neun Prozent der Realschülerinnen und -schüler sowie 0,5 Prozent der in Gymnasien Lernenden zur Gruppe der Schwachen zählen. Diese Zahlen belegen ein weiteres Mal, dass die strukturelle Gliederung der weiterführenden Schulen in Deutschland ihren tradierten „Auftrag“, Kinder auszusondern, erfüllt. Wendet man sich der weiteren Perspektive der „schwachen Schülerinnen und Schüler“ zu, so bleibt nur, das längst vertraute Bild nachzuzeichnen: Die Chancen dieser Jugendlichen, keinen Ausbildungsplatz zu erhalten und im „Übergangssystem“ so lange ruhig gestellt zu werden, bis sie sich damit abgefunden haben, sind hoch. Wenig Zukunftschancen Über ihren weiteren Lebensweg stellt der Bildungsbericht 2010 fest: Von den 25- bis unter 65-Jährigen, die keine a ­ bgeschlossene berufliche Ausbildung hatten, waren 55 Prozent erwerbstätig, 35 Prozent Nichterwerbspersonen und zehn Prozent arbeitslos. Bei den Angehörigen der gleichen Altersgruppe, die eine Lehr- oder Anlernausbildung hatten, lagen die Vergleichszahlen bei 76, 18 und sechs Prozent. Erwerbstätige, die weder über einen Hauptschul- noch über einen beruflichen Abschluss verfügten, erzielten einen Bruttostundenlohn, der bei 86 Prozent des Median* lag – Arbeitnehmer mit Hauptschul- und Berufsbildungsabschluss kamen auf 113 Prozent. Von den 30- bis unter 60-Jährigen bekundeten in der Gruppe „ohne Hauptschulabschluss und ohne beruflichen Abschluss“ zwölf Prozent politisches Interesse. In der Gruppe „Hauptschulabschluss und beruflicher Abschluss“ äußerten dies 20 Prozent. Diese Befunde zeigen: Mit einem Ausbildungsabschluss wächst die Wahrscheinlichkeit, dauerhaft erwerbstätig zu sein, erhöht sich das Arbeitseinkommen und steigt das politische Interesse. Das Gegenteil gilt für die schwachen Schülerinnen und Schüler. Dieser Ausblick macht auf das entscheidende Risiko für die Gesellschaft aufmerksam. Prof. em. Klaus Klemm, Bildungsforscher *Der Median ist der Wert innerhalb einer Verteilung, der zwischen der oberen und der unteren Hälfte der Werte liegt. Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 21 22 Jugendhilfe Politischer Aktionismus ohne Effekt // Seit PISA ruhen auf den Kitas große Hoffnungen, denn dort sollen Deutsch-Defizite erkannt und behoben werden. Jedes Bundesland hat eigene Diagnose- und Förderkonzepte, doch nur wenige zeigen Wirkung. // Auf dem Grasdach wächst Schnittlauch. Man könnte mit einer kurzen Leiter h ­ inaufklettern und ein paar Halme für die Mittagssuppe abschneiden. Aber das ist gar nicht nötig, denn die vor 20 Jahren als Öko-Kita gebaute Einrichtung hat auch noch einen Kräutergarten. So üppig und schnell wie hier draußen das Grün sprießt, so nachhaltig wächst drinnen der Wortschatz der Kinder – sogar bei den größten Schweigern. „Ein Junge sprach auf einmal ohne Punkt und Komma“, erinnert sich Erzieherin Ifigenia Eleftheriadou. Der Vierjährige mit türkischen Wurzeln erlebte etwas völlig Neues: Er bekam Sicherheit in der Zweitsprache und bemerkte erstaunt, dass andere ihm aufmerksam zuhörten. Die Kita „Brühler Landstraße“ liegt im Süden Kölns. Vor der Bushaltestelle am Ortsausgang wartet eine sorgfältig frisierte alte Dame im beigen Kostüm. Aus den Hochhäusern gegenüber wirft gerade jemand eine leere Safttüte aus dem Fenster. Meschenich ist einer jener Großstadtbezirke, die zwischen Brennpunktsiedlung und schmuckem Einfamilienhaus alles zu bieten haben. machten es drei der sechs untersuchten Kölner Kindergärten genau andersherum. Sie förderten alle Mädchen und Jungen nach der Methode der sogenannten Language Route, die das Sprachtraining in den Alltag der Kinder integriert. Diese in den Niederlanden sehr erfolgreiche und verbreitete inklusive Förderung unterscheidet nicht zwischen Kindern mit Sprachdefiziten und ohne Sprachdefizite. Das Ergebnis der Studie spricht nach Ansicht des Projektleiters Professor Hans-Joachim Motsch für sich und gegen den Trend: Während an anderen Kitas die Schere zwischen sprachlich starken und schwachen Kindern trotz Förderung immer weiter aufgeht, belegt die Kölner Untersuchung das Gegenteil. Kinder aus Zuwandererfamilien profitierten laut dem Forscher ganz besonders von der inklusiven Sprachförderung. Die Kindergärten, die nach dem Prinzip der Language Route arbeiteten, erzielten bessere Ergebnisse als Einrichtungen mit einem sogenannten PullOut-Verfahren. Norbert Hocke, GEW-Experte für frühkindliche Bildung, wundert das nicht: „Es bestätigt das, was wir aus der Forschung längst wissen: Am erfolgreichsten ist eine Förderung, die nicht aussondert und die in den Alltag der Kinder integriert ist.“ Seiner Ansicht nach werden bei der her- kömmlichen Sprachförderung und -diagnostik nach wie vor drei Kardinalfehler begangen: „Erstens sind die meisten Sprachtests nicht für Kindergartenkinder, sondern für Schüler konzipiert“, moniert Hocke. Zweitens gebe es bislang keine Messverfahren, die den kulturellen Hintergrund von Migrantenkindern berücksichtigten: „Grundlage der Sprachtests ist nach wie vor die deutsche Mittelschichtsfamilie.“ Dem Alltag vieler Kindertagesstätten entspricht das aber längst nicht mehr – vor allem in den Großstädten. Als drittes Manko sieht Hocke die Erzieherinnenausbildung, die noch zu wenig über kindliche Sprachentwicklung vermittle. Dabei gelten die Fachkräfte als Dreh- und Angelpunkt für eine gelungene Sprachförderung. „Ich halte nichts davon, externe Experten für die Sprachförderung zu holen, denn die haben keinen Bezug zu den Kindern“, warnt Hocke. Sprachförderung als Beziehungsarbeit – so sehen das auch die Erzieherinnen in der Kita an der Brühler Landstraße. „Wir reflektieren immer wieder, wie wir mit den Kindern sprechen“, sagt Leiterin Lisa Hartwig. Das bedeutet: ganze Sätze, jede Bewegung und Handlung verbal begleiten, Ja-Nein-Antworten der Kinder vermeiden und sich Zeit nehmen, auf Antworten zu warten. Mehr als 63 Prozent der Jungen und Mädchen in der Kita kommen aus Migrantenfamilien. Im vergangenen Jahr hat die Einrichtung gemeinsam mit fünf anderen städtischen Kitas an einer Studie der Universität Köln teilgenommen, die für die Sprachförderung in Deutschland überraschende Ergebnisse brachte: Während viele Programme darauf setzten, Kinder aus ihren Kitagruppen he­ rausnehmen, um sie einzeln zu fördern, Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 Fotos: Jürgen Bindrim Sprachtraining integriert So üppig wie auf dem Grasdach der Kölner Kita Brühlerstraße der Schnittlauch wächst, so nachhaltig wächst drinnen der Wortschatz der Kinder. Jugendhilfe Mehr als 63 Prozent der Jungen und Mädchen in der Kita Brühlerstraße kommen aus Migrantenfamilien. Während viele Programme zur Sprachförderung darauf setzen, Kinder einzeln zu fördern, macht es die Kita in Köln genau andersherum: Sie integriert das Sprachtraining in den Alltag der Kinder. Hartwig hat das mittlerweile schon so verinnerlicht, dass sie die Methode gelegentlich zu Hause anwendet – sehr zur Verwunderung ihrer Gäste. „Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich Freunde beim Essen mit übertrieben klarer Aussprache frage: Möchtest Du ein Roggenbrot oder lieber ein Körnerbrötchen oder vielleicht eines mit Sesamkörnern darauf?“ Überzogene Erwartungen Was auf Erwachsene seltsam wirken mag, ist bei den Kindern der Schlüssel zum Spracherfolg. Alle Erzieherinnen der Kölner Kita wurden geschult und bei ihrer täglichen Arbeit von Logopäden und Sprachtherapeuten begleitet. Wer wollte, konnte sich auch filmen lassen, um Gesprächssituationen später mit Experten zu analysieren. Im Mittelpunkt des Konzepts der Language Route stehen Bilderbücher und andere Materialien, mit denen die Kinder neue Wörter lernen. Diese zehn bis 15 Kernwörter werden dann über Wochen hinweg immer wieder verwendet – eingebettet in den Alltag der Kinder. Die Gruppen richten außerdem einen „Erzähltisch“ ein, auf dem sich die Wörter in Form von Gegenständen wiederfinden, so dass die Kinder spielerisch und mit allen Sinnen das Gelernte wiederholen können. Und dennoch ist auch die Langua- ge Route kein Wundermittel, das alle Stummen zum Sprechen bringt. Experten warnen mittlerweile vor überzogenen Erwartungen an das Sprachniveau von Kindern aus Migrantenfamilien. „Wenn deutschsprachige Kinder in der Schule eine Fremdsprache lernen, dann erwarten wir doch auch nicht, dass sie nach zwei Jahren parlieren wie Engländer oder Franzosen“, sagt die Sprachwissenschaftlerin Rosemarie Tracy von der Uni Mannheim, die gerade in einer Pilotstudie die Sprach- und Förderkompetenz von Fachkräften in den Kitas untersucht. Ihr Vorwurf an die Politik lautet, dass die Rahmenbedingungen für die Sprachförderung in Deutschland nicht stimmen: „Deutsch als Zweitsprache ist nicht zum Nulltarif zu haben.“ Auch Tracys Frankfurter Kollegin Petra Schulz, Professorin für Deutsch als Zweitsprache an der Goethe-Universität, kritisiert die Sprachtests bei Vorschulkindern. „Die gegenwärtigen Screenings sind ein Produkt, das aus bildungspolitischer Not heraus entstanden ist“, sagt sie. Das sei politisch nachvollziehbar, aber wissenschaftlich nicht zielführend. Schulz hält Programme wie „Delfin“ in Nordrhein-Westfalen oder „KISS“ in Hessen für Schnellschüsse: zu wenig Zeit, zu wenig durchdacht, zu sehr auf den Wortschatz und zu wenig auf die tatsächliche Sprachkompetenz konzentriert. „Wenn ich einem Kind das Bild eines Pfaus zeige, aber es kennt das Tier gar nicht, dann sagt das vielleicht etwas über seinen Alltag, aber nichts über sein Sprachvermögen aus“, kritisiert die Forscherin. Zu ernüchternden Ergebnissen war Anfang des Jahres auch das BerlinInstitut für Bevölkerung und Entwicklung gekommen, das die zahlreichen Sprachtest- und Förderprogramme in Deutschland unter die Lupe genommen hatte. Zwar förderten die Bundesländer mit einer Fülle von Programmen das Deutschlernen in den Kindertagesstätten. Doch gemessen an Investitionen und Aufwand sei das Ergebnis enttäuschend gering, so die Wissenschaftler: politischer Aktionismus ohne Effekt. Katja Irle, freie Journalistin Sprache testen und fördern Frühe Sprachförderung gilt seit dem PISA-Schock vor mehr als zehn Jahren als Allheilmittel für Bildungsprobleme. Deshalb investieren Bund und Länder viel Geld und Engagement in diesen Bereich. Der Bildungsföderalismus hat jedoch dazu geführt, dass es mittlerweile mehr Förderprogramme als Bundesländer gibt. Anstatt sich auf gemeinsame Standards zu einigen, kocht jedes Land seine eigene Buchstabensuppe. Ähnlich ist es bei den Sprachstandserhebungen (Screenings). Auch hier verwenden die Bundesländer sehr unterschiedliche Testverfahren. Kritik gibt es an allen: So kam das Deutsche Jugendinstitut (DJI) bei einer Expertise vor einigen Jahren zu dem Schluss, dass Deutschland sich bislang mit „suboptimalen Lösungen“ begnüge. Die Experten mahnten schon damals, dass die Tests viel zu viele Aspekte vernachlässigten: „Wir benötigen dringend Verfahren, mit denen auch kommunikative, narrative und semantische Fähigkeiten näher charakterisiert werden können.“  K.I. Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 23 24 Jugendhilfe Alltagsroutine durchbrechen // Kita-Index für Inklusion: Eine Umfrage der GEW belegt den praktischen Nutzen eines Bestsellers – und wie er die Praxis verändert hat. // leginnen und Kollegen. Weitere Gründe sind unter anderem, dass die Einrichtung gerade mit anderen Veränderungsprozessen befasst oder Inklusion nicht das Thema sei. Foto: David Ausserhofer Veränderungen Inklusion verändert auch die Kitas: Der Blick auf das Kind r ­ ichtet sich auf Vielfalt und Unterschiedlichkeit. Seit 2006 gibt die GEW den Kita-Index für Inklusion in deutscher Sprache heraus – mittlerweile in der 5. Auflage mit insgesamt 14 000 Exemplaren. Die Bildungsgewerkschaft hat 800 Kindertageseinrichtungen und Einzelpersonen befragt, wie sie den Index nutzen. Hohe Erwartungen Knapp 98 Prozent der Kitas haben die Erwartung, dass sie mit dem Index die gemeinsame Erziehung von Kindern mit und ohne Behinderung verbessern können. Knapp 80 Prozent versprechen sich Unterstützung bei der Arbeit mit benachteiligten Kindern mit und ohne Migrationshintergrund. 75 Prozent wollen das pädagogische Konzept überarbeiten. Nutzung In knapp der Hälfte der Einrichtungen steht der Index allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zur Verfügung. In 24,6 Prozent der Kitas wird er regelmäßig ein- bis mehrmals im Monat genutzt. 8,7 Prozent gaben an, dass er zum ständigen Repertoire gehört. In 21,7 Prozent der Kitas dient er der regelmäßigen Reflexion und Diskussion im Team, in 22,4 Prozent hilft er bei der Umstrukturierung der Einrichtung. Des Weiteren wird er für die Evaluation der Arbeit, Fortbildungen oder Facharbeiten genutzt. 45,2 Prozent erklärten, dass der Index nur selten eingesetzt werde, 19 Prozent arbeiteten bisher nicht mit ihm. Mehr als die Hälfte derer, die den Index nicht nutzen, gaben dafür zeitliche und personelle Gründe an. Etwas mehr als ein Fünftel (22,5 Prozent) der Kitas bräuchten noch weitere Unterstützung. Bei 21,3 Prozent gibt es Widerstand bei den KolErziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 Mehr als 100 Angaben zeigen, dass sich vor allem die Haltung pädagogischer Fachkräfte verändert. Die pädagogische Arbeit wird intensiver reflektiert und diskutiert. Der Blick auf das Kind richtet sich auf Vielfalt und Unterschiedlichkeit. In den Einrichtungen werden „Barrieren“ erkannt und verändert. Außerdem verbessert sich die Zusammenarbeit mit den Eltern. Aus der Befragung lassen sich fünf Schlüsse ziehen: 1.  Träger und Politik müssen es endlich angehen, die Arbeitsbedingungen in den Einrichtungen zu verbessern: mehr Personal, mehr Vor- und Nachbereitungszeit, Freistellungen für Leitungskräfte. 2.  Finanzierungsregelungen in den Landesgesetzen müsDie sen institutionell garantieren, dass Inklusion möglich ist. Eine individuell abzurechnende, am einzelnen Kind orientierte Finanzzuweisung ist dafür ungeeignet. Kindertageseinrichtungen brauchen verlässliche Mittel. Nur so lässt sich eine langfristige Personalentwicklung sichern. 3.  Fachberatung und Fortbildung sollten vermitteln, dass I ­nklusion keine zusätzliche Aufgabe ist, sondern zu den allgemeinen Grundlagen jedes pädagogischen Konzepts gehört. Also: Inklusion nicht auf alles andere „oben drauf“, sondern in die anderen Aufgaben „hinein“. Was bedeutet Inklusion etwa in der Sprachförderung, der Elternarbeit, bei Kindern, die jünger als drei Jahre sind? 4.  Alle Erzieherinnen und Erzieher müssen sich fragen, inwieweit sie bereit sind, ihre Alltagsroutine zu durchbrechen. Die Teams müssen sich für neue Impulse und Wege öffnen. Anders zu denken ist kein Angriff auf das Hergebrachte, sondern Ansporn für eine kreative, zwar herausfordernde, aber lebendige Weiterentwicklung. 5.  Herausgeber des Index‘ müssen diesen so verändern, Die dass er leichter zu nutzen ist. Dazu gibt die GEW eine Broschürenreihe heraus, die in die Grundlagen von Inklusion einführt und Beispiele aus der Praxis zeigt*. Bernhard Eibeck, Referent für Jugendhilfe und Sozialarbeit beim GEW-Hauptvorstand, Jennifer Kronz, BA-Kindheitspädagogin und MA-Studentin „Erziehungs- und Bildungswissenschaft“ an der Universität Bamberg *www.gew.de/Inklusion_kita.html GEW (Hrsg.): Index für Inklusion – Tageseinrichtungen für ­Kinder, Frankfurt am Main, 5. Auflage 2012 – 16 Euro (inkl. Porto). Die Broschüre kann per Mail an broschueren@gew.de bestellt werden. Dialog 2/2012 Inhalt: Titel Cartoon: Karl-Heinz Brecheis Nachteile im Alter Kommentar: Eignung entscheidend Jeder fünfte Mensch in Deutschland ist schon einmal wegen seines Alters benachteiligt worden. Wie eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes belegt, beschwerten sich vor allem die Jüngeren. Von den 18- bis 29-Jährigen gaben 29 Prozent an, Nachteile wegen ihres Alters erlebt zu haben. In der Gruppe der über 60-Jährigen berichteten 18 Prozent über negative Erfahrungen. Ein 38-jähriger Rechtsanwalt wurde vor Seite 2 Interview „Diskriminierung nicht gefallen lassen“ einem Münchner Club abgewiesen, weil er zu alt für die „Unter-30-Party“ sei. Er verklagt nun den Clubbetreiber auf 5000 Euro Schadenersatz und verlangt eine Erklärung, die altersbedingte Einschränkungen ausschließt. Beschwerden, die bei Hanne Schweitzers Büro gegen Altersdiskriminierung eingehen, betreffen meist das Arbeitsleben. Danach folgt der Finanzbereich. Zwischen 200 und 500 Meldungen zählt die Kölnerin jährlich, einen Teil veröffentlicht sie auf ihrer Website. Zum Beispiel verwehrten Banken Menschen, die älter als 70 Jahre sind, eine Kreditkarte – oder die Laufzeit für die Finanzierung eines Hauskaufs war bis zum Alter von 70 Jahren begrenzt. Banken befürchten, dass Kredite aufgrund von Krankheit oder Tod nicht vollständig zurück- Seite 3 In Kürze Nachteile im Alter // Ob bei der Vergabe von Bankkrediten oder der medizinischen Behandlung – das Lebensalter spielt eine Rolle. Insbesondere Menschen, die jünger als 30 Jahre sind, beschweren sich über Diskriminierungen. // Seiten 1-2 Seite 4 gezahlt werden. Der Bundesverband deutscher Banken erklärte gegenüber der Bundesarbeitsgemeinschaft der Senioren-Organisationen: „Bei Berücksichtigung der statistischen Lebenserwartung ist das Ausfallrisiko bei einem älteren Menschen naturgemäß höher als zum Beispiel bei einem 40-jährigen Kunden.“ Ein hohes Alter könne daher „die Kreditvergabe in Frage stellen“. Teurer für Senioren Auch in einigen Versicherungspolicen spielt das Alter eine Rolle. Die Höhe der Beiträge ist nach Altersgruppen unterschiedlich. Kraftfahrzeugversicherungen sind laut Vergleichsanalysen aktuell für Seniorinnen und Senioren fast durchweg teurer geworden. Für die Haftpflicht zahlen Versicherte, die älter Dialog | 2/2012 2 Dialog – Kommentar als 60 Jahre sind, bis zu 50 Prozent mehr als 40-Jährige, wie die Unternehmensberatung Nafi ermittelte. Begründung für die Tarifunterschiede: Menschen im Alter ab 60 Jahren hätten „einen überdurchschnittlichen Schadenbedarf“, so Stephan Schweda vom Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft. Da das Risiko von Schadensfällen in dieser Gruppe größer ist, verlangt die Versicherung höhere Prämien. Unterschiede zwischen Jung und Alt gibt es auch beim Einkommen. In Hamburg müssen Pensionärinnen und Pensionäre seit 2011 auf ihr Weihnachtsgeld ganz oder teilweise verzichten. Bis zur Besoldungsgruppe A 12 erhalten sie noch 500 Euro. Bei den aktiven Beamtinnen und Beamten wurde die Sonderzahlung auf 1000 Euro gekürzt. „Die eigentlich bedenkliche, altersdiskriminierende Wendung kommt aber erst noch“, erklärt Hein Hocker vom GEW-Seniorenausschuss: „Ab 2012 ist das Weihnachtsgeld in die Besoldungs­ tabelle eingearbeitet worden – aber nur für die aktiven Beamtinnen und Beamten.“ Die Folge: Das Ruhegehalt wird jetzt mit dem Prozentsatz aus einer Besoldungstabelle berechnet, die niedrigere Grundgehaltssätze ausweist. Somit geht den Pensionärinnen und Pensionären Geld verloren. Die Gerichte beschäftigt die Frage, ob es diskriminierend ist, Beamtinnen und Beamte, die jünger als 31 Jahre sind, bei der Einstellung nach Alter in eine Besoldungsstufe einzugruppieren. Das Verwaltungsgericht Halle sah in der Festsetzung des Besoldungsdienstalters eine Diskriminierung wegen des Alters. Das Alter führt auch zu unterschiedlicher medizinischer Versorgung. Bei einem Herzinfarkt erhalten 65-Jährige im Vergleich zu jüngeren Patientinnen oder Patienten „eine weniger kostenintensive Behandlung“, stellt der Altenbericht der Bundesregierung fest. Die Sachverständigen machen große Defizite bei der psychotherapeutischen Behandlung alter Menschen aus. Bei psychischen Leiden wie Demenz oder Depression unterbleibe Hilfe, weil Möglichkeiten der Diagnostik, Therapie und Aktivierung nicht genutzt würden. Untersuchungen legten nahe, dass zehn Prozent der über 60-Jährigen die erforderliche Psychotherapie nicht erhalten. Ein Grund dafür sei, dass mit höherem Lebensalter oft die Erfolgsaussichten der Methoden als geringer erachtet werden. Barbara Haas, freie Journalistin Das Allgemeine Gleichbehandlungs­ gesetz verbietet Diskriminierung wegen des Alters. Das Gesetz spricht von Benachteiligung, weil nicht jede unterschiedliche Behandlung, die einen Nachteil zur Folge hat, diskriminierend sein muss. Benachteiligt ist ein Mensch, wenn er schlechter behandelt wird als eine Vergleichsperson. Jüngere Beschäftigte sind beispielsweise bei Regelungen im Nachteil, nach denen der berufliche Aufstieg mit höherem Alter automatisch erfolgt. Eignung entscheidend Foto: DGB Martina Perreng // DGB-Kommentar zur Alters­diskriminierung // In der Arbeitswelt leiden vor allem ältere Menschen unter Benachteiligung. Tarifliche Vereinbarungen können sie schützen. Der DGB und seine Mitglieds- Dialog | 2/2012 gewerkschaften lehnen jede Form von Diskriminierung ab – dazu gehört selbstverständlich auch die Diskriminierung wegen des Alters. Es ist nicht hinzunehmen, dass Menschen nur deshalb keine Chance in einem Einstellungsgespräch haben, weil sie zu alt oder zu jung sind. Entscheidendes Kriterium muss immer die Eignung des oder der Einzelnen sein, die vorgesehenen Anforderungen am konkreten Arbeitsplatz zu erfüllen. Notwendig ist aber zusätzlich, dass in den Unternehmen und Betrieben sichergestellt wird, dass die Beschäftigungsfähigkeit aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gefördert wird und erhalten bleibt – unabhängig von deren Alter. Dazu gehört, jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ordentlich auszubilden und einzuarbeiten sowie älteren Beschäftigten zu ermöglichen, ihr Wissen und Können zu erhalten und bestmöglich einzusetzen. Auch wenn jüngere Beschäftigte wegen ihres Alters diskriminiert werden können, leiden in der betrieblichen Realität vor allem Ältere unter Benachteiligung. Deshalb ist es richtig, dass die Tarifvertragsparteien Vereinbarungen getroffen haben, die altersbedingte Probleme ausgleichen können. Den Tarifvertragsparteien steht bei solchen Regelungen ein erheblicher Gestaltungsspielraum zu. Solange sich an den schlechten Arbeitsmarktchancen Älterer aufgrund des vorurteilsbehafteten Einstellungsverhaltens der Unternehmen nichts Grundlegendes ändert, ist es deshalb zum Beispiel gerechtfertigt, für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen besonderen Bestandsschutz durch tarifvertragliche Regelungen vorzusehen. Martina Perreng, Leiterin des Referats A ­ rbeitsrecht beim DGB-Bundesvorstand Dialog – Interview // Meistens wenden sich Menschen an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS), weil sie im Arbeitsleben wegen ihres Alters benachteiligt wurden. ADS-Leiterin Christine Lüders berichtet über unsinnige Altersgrenzen und Unkenntnis über Rechte. // Dialog: Gesellschaft und Rechtsprechung setzen bewusst Altersgrenzen. Wann erwächst daraus ein Nachteil? Christine Lüders: Es gibt eine ganze Reihe von Altersgrenzen, die unsinnig sind. Ein Beispiel: Wer nach dem Berliner Bezirksamts-Mitglieder-Gesetz bis vor Kurzem zur Stadträtin oder zum Stadtrat gewählt werden wollte, musste mindestens 27 oder durfte höchstens 57 Jahre alt sein. Das sind doch völlig willkürliche Setzungen! Außerdem ist das Altersdiskriminierung – gegenüber Menschen über 57 und gegenüber Menschen unter 27 Jahren. Wir haben deshalb eine Kommission unter Vorsitz des ehemaligen Bremer Bürgermeisters Henning Scherf beauftragt, bis zum Herbst konkrete Handlungsvorschläge zu erarbeiten, um Altersgrenzen zu überprüfen. Dialog: Das Alter spielt eine Rolle bei der Jobsuche oder auch beim Abschluss von Versicherungen. In welchen Bereichen stellen Sie am häufigsten eine Diskriminierung fest? Lüders: An uns wenden sich sowohl Menschen, die wegen ihres Alters im Arbeitsleben benachteiligt werden, als auch beim Abschluss zivilrechtlicher Verträge. Das Verhältnis der Anfragen in diesen Bereichen liegt etwa bei vier zu eins. Das liegt sicher auch daran, dass eine Benachteiligung am Arbeitsplatz schwerwiegendere Folgen hat als im Zivilrecht. Dialog: Erkennen Sie eine systematische Diskriminierung? Lüders: Nein. Wir sehen, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmen sich an das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hält. Doch es gibt auch unbewusste Diskriminierung, etwa im Bewerbungsverfahren. Deshalb haben wir das Pilotprojekt „Anonymisierte Bewerbungsverfahren“ auf den Weg gebracht. Dialog: Ist es erfolgreich gegen Diskriminierung? Lüders: Das Pilotprojekt hat gezeigt, dass Frauen und Menschen mit Migrationshintergrund besonders von anonymisierten Bewerbungsverfahren profitieren können. Bei älteren Menschen konnten die Wissenschaftler keine messbaren Ergebnisse nachweisen. Das lag aber schlicht daran, dass mehrere unserer Partner das Verfahren im Ausbildungsbereich getestet haben. Grundsätzlich sind wir ganz sicher, dass ältere Menschen profitieren können. Denn hier zählt allein die Qualifikation, das Verfahren bietet gleiche Chancen für alle. Das zeigen auch die Erfahrungen mit derartigen Verfahren im Ausland. Dialog: Das AGG verbietet Diskriminierung wegen des Alters. Warum ist es jedoch gerade bei diesem Merkmal schwer umzusetzen? Lüders: Das AGG gibt es erst seit 2006, und nicht alle Betroffenen kennen ihre Rechte. Das liegt sicher auch daran, dass Diskriminierungen etwa wegen des Geschlechts oder der ethnischen Herkunft gesellschaftlich geächtet und als verboten wahrgenommen werden, wegen des Alters jedoch nicht. Einer Forsa-Umfrage zufolge weiß knapp ein Drittel der Bundesbürger nicht, dass Altersdiskriminierung verboten ist. Deshalb haben wir gemeinsam mit prominenten Botschaftern das Jahr 2012 zum Jahr gegen Altersdiskriminierung erklärt. Wir wollen deutlich machen: Es gibt ein Gesetz, das vor Diskriminierung schützt. Und es gibt Beratungsstellen. Dialog: Wenden sich mehr alte oder mehr junge Menschen an die Antidiskriminierungsstelle? Lüders: Tendenziell sind das eher ältere. Wir haben aber auch immer wieder Anfragen von jüngeren Menschen. Foto: dpa „Diskriminierung nicht  gefallen lassen“ Christine Lüders ist Leiterin der Anlaufstelle für Menschen, die diskriminiert worden sind. Dialog: Wie können sich Betroffene wehren? Lüders: Ich kann jedem nur raten: Lassen Sie sich Diskriminierung nicht gefallen, wenden Sie sich an eine Beratungsstelle oder direkt an die ADS. Viele Betroffene wehren sich auch deshalb nicht, weil sie Angst haben, die erfahrene Ungleichbehandlung nicht im vollen Umfang nachweisen zu können. Das AGG sieht hier aber eine Beweiserleichterung vor. Es reicht zunächst aus, Anhaltspunkte vorzutragen, die auf eine Ungleichbehandlung hinweisen. Die andere Partei trägt dann die Beweislast dafür, dass keine Benachteiligung stattgefunden hat. Interview: Barbara Haas, freie Journalistin Christine Lüders (59) leitet seit 2010 die Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS). Die studierte Pädagogin will das Diskriminierungsverbot im 2006 eingeführten Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz bekannt machen und erarbeitet Vorschläge, wie der Schutz ausgeweitet werden könnte. Dialog | 2/2012 3 4 Dialog – In Kürze Bildungstag mit Scherf Foto: imago Einen Bildungstag für Seniorinnen und Senioren veranstaltet die GEW Schleswig-Holstein am 1. November. Thema im „Convent Garden“ in Rendsburg sind die Bedürfnisse älterer Menschen. Angeboten werden Workshops zu Gesundheitsvorsorge, Stimmtraining, Entspannung und ein Vortrag des früheren Bremer Bürgermeisters Henning Scherf (SPD). Henning Scherf Anmeldung bei der GEW SchleswigHolstein, Ilse-Marie Bielefeld, Telefon 0431/51951550, info@gew-sh.de Hilfe gegen ­ Diskriminierung Für Menschen, die sich benachteiligt behandelt oder herabgesetzt fühlen, hat der Bund eine Anlaufstelle eingerichtet. In der Antidiskriminierungsstelle (ADS) können diese sich informieren und beraten lassen. Ein Team von sechs Juristinnen und Juristen bietet eine rechtliche Einschätzung des Falles an und beantwortet Fragen zum Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz. Über ein Beratungsformular, das im Internet zur Verfügung steht, können Betroffene auch Vorfälle nur zur Kenntnis geben. Fünf praktische Vorschläge, um sich gegen Altersdiskriminierung zu wehren, gibt das Kuratorium Deutsche Altershilfe: 1.  eflektieren Sie Ihr eigenes AltersR bild und trainieren Sie Ihr Selbstbewusstsein im Alter. 2.  reten Sie Altersdiskriminierungen – T wenn möglich – direkt entgegen. 3.  achen Sie Altersdiskriminierung M sichtbar. 4.  okumentieren Sie AltersdiskrimiD nierung. 5.  rganisieren Sie sich gegen Alters­ O diskriminierung. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes ist über die Hotline 03018/555 1865 erreichbar. Das elektronische Kontaktformular ist auf der Internetseite www.antidiskriminierungsstelle.de zu finden. Armut trifft Senioren Immer mehr Alte und Alleinerziehende kommen zu den Lebensmittelausgabe­ stellen der Tafeln. Angesichts dieser Tendenz hat der Bundesverband Deutsche Tafeln erneut vor einer steigenden Armut älterer Menschen gewarnt. Nach Angaben des Vorsitzenden Gerd Häuser sind bundesweit rund acht Millionen Menschen von Armut bedroht. An den 4500 Ausgabestellen der Tafeln erhalten 1,5 Millionen Bedürftige Nahrungsmittel. Impressum Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Hauptvorstand Postfach 90 04 09 60444 Frankfurt/M. Tel.: (069) 7 89 73-0 Fax: (069) 7 89 73-201 E-Mail: info@gew.de Internet: www.gew.de Redaktion: Ulf Rödde (verantwortlich), Anne Jenter, Helga Haas-Rietschel, Barbara Haas, Frauke Gützkow, Hildegard Klenk, Hedda Lungwitz Gestaltung: Werbeagentur Zimmermann GmbH, Frankfurt/M. Juli 2012 Universität stellt ­ ensionäre an P An der Goethe-Universität in Frankfurt am Main engagieren sich zunehmend Seniorinnen und Senioren in der Lehre. Seit 2010 hat die Hochschule elf Stellen mit pensionierten Professorinnen und Professoren besetzt. Die Seniorprofessuren sind als zusätzliches Angebot gedacht, Dialog | 2/2012 um die Betreuungsrelation zu verbessern. Die Stellen werden emeritierten Professoren angeboten, um weiter in der Lehre tätig zu bleiben. Eine Ernennung muss beim Präsidium der Uni beantragt werden, die Fachschaft kann eine Stellungnahme abgeben. Das Modell gibt es seit 2009. Im laufenden Sommersemester nahmen vier Seniorprofessoren ihre Tätigkeit auf. Sie unterrichten zwischen vier und acht Stunden pro Woche und arbeiten auf Honorarbasis: Für vier Wochenstunden erhalten sie 5000 Euro pro Semester, für acht Stunden das Doppelte. Tarifpolitik Arbeitgeber gesprächsbereit // Die Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) will mit der GEW unverbindlich ausloten, ob sie über eine per Tarifvertrag geregelte Bezahlung angestellter Lehrerinnen und Lehrer weiterverhandelt. // In die Auseinandersetzung um eine tarifliche Eingruppierung von Lehrkräften an Schulen und Hochschulen kommt möglicherweise wieder Bewegung. Die TdL hat der GEW nach ihrer Mitgliederversammlung ein Gespräch über m die Wiederaufnah­ e der Tarifverhandlungen für eine Entgeltordnung für angestellte Lehrkräfte (L-ego) angeboten. Noch in der Mitgliederversammlung hatten die meisten Länder, wesentlich getragen von großen Ländern wie NRW und Baden-Württemberg, jede Form von Verhandlungen abgelehnt. Vor einer abschließenden Entscheidung wollen die Arbeitgeber erörtern, „ob die gegenseitigen Positionen sich in einer Weise angenähert haben, die eine Wiederaufnahme der Verhandlungen gerechtfertigt erscheinen lässt“. Das teilte der Geschäftsführer der TdL, Knut Bredendiek, dem GEW-Hauptvorstand in einem Schreiben mit. Die GEW hatte die Arbeitgeber im Januar aufgefordert, über die tarifliche Eingruppierung von Lehrerinnen und Lehrern weiterzuverhandeln. Für die anderen Landesbeschäftigten gilt seit dem 1. Januar eine neue Entgeltordnung, die für viele Neueingestellte eine bessere Eingruppierung vorsieht. Für die gut 200 000 angestellten Lehrerinnen und Lehrer gilt die Vereinbarung nicht. Die GEW fordert, endlich auch die Eingruppierung der angestellten Lehrerinnen und Lehrer durch eine L-ego tariflich zu regeln. Die 2009 aufgenommenen Verhandlungen sind seit mehr als einem Jahr unterbrochen. Lohnunterschiede von bis zu 1000 Euro Die Länder-Bundestarifkommission der GEW hat bereits Ziele für neue Verhandlungen über eine Lehrkräfte-Entgeltordnung beschlossen. Sie will Regelungen erreichen, die sich „am allgemeinen Bewertungsgefüge des öffentlichen Dienstes der Länder orientieren sowie Verantwortung, Qualifikation und Beanspruchung berücksichtigen“. Die Benachteiligung von Lehrerinnen und Lehrern mit ausländischen Abschlüssen und von Beschäftigten im Tarifgebiet Ost gegenüber dem Westen soll beendet werden. Ein ausländischer Lehrer, der ausländische Kinder unterrichtet, wird nach Informationen der GEW- Tarifexpertin Ilse Schaad zwei bis drei Entgeltstufen niedriger eingestuft als eine Lehrkraft mit deutschem Pass für vergleichbare Tätigkeiten. Je nach Bundesland und Schulform betragen die Lohnunterschiede für Beschäftigte mit gleicher Ausbildung zwischen 500 und 1000 Euro monatlich, wie Betroffene berichten. „Das ist ein Skandal“, sagt Vorstandsmitglied Schaad. „Die meisten Länder wollen Lehrerinnen und Lehrer weiter nach Gutsherrenart bezahlen und sich dabei nicht reinreden lassen.“ Streik in Ost und West ermöglichen Die TdL stuft Lehrkräfte per Richtlinie in Entgeltgruppen ein. Jedes Bundesland orientiert sich dabei an eigenen Kriterien. In Westdeutschland legt der Arbeitgeber die Bezahlung durch einseitig verordnete Richtlinien fest. Im Osten gibt es eine Klausel im Tarifvertrag, die dieser Arbeitgeberwillkür den Segen erteilt. Den Paragrafen im Tarifvertrag, der dies festlegt, will die GEW kündigen. Das haben die zuständigen Gremien inzwischen beschlossen. Nun muss dies noch mit ver.di abgestimmt werden. Dieses Teilkündigungsrecht musste die TdL der GEW in der Tarifrunde 2011 zugestehen, nachdem keine Einigung über einen Tarifvertrag für die Eingruppierung von Lehrkräften zustande gekommen war. Mit der Kündigung würde auch im Osten gelten, was bisher nur im Westen der Fall ist: Die Lehrerinnen und Lehrer dürften für einen Tarifvertrag zur Eingruppierung streiken. Barbara Haas, freie Journalistin Hintergründe zur Diskussion um die Länder-Entgeltordnung für Lehrkräfte: www.gew-tarifrunde.de/Entgeltordnung_TV-L.html Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 29 30 Gesellschaftspolitik Stotternder Kita-Ausbau – Betreuungsgeld erst mal aus  // Der Streit um das Betreuungsgeld geht weiter. Dabei wird immer klarer: Den Rechtsanspruch auf ein Betreuungsangebot für Kinder, die jünger als drei Jahre sind, ab 1. August 2013 kann die schwarz-gelbe Regierungskoalition nicht einlösen. Zugleich droht ein Verlust an Qualität. Den bedarfsgerechten Kita-Ausbau hat die Politik jahrelang verschlafen. // In den Verwaltungen vieler Kommunen und Landkreise geht die Angst um: Die Angst vor einer Klagelawine der Eltern, die keinen staatlich geförderten Betreuungsplatz für ihr Kleinkind finden. „Die Kommunen werden alle diese Klagen verlieren – und Schadenersatz leis- ten müssen“, prophezeit sorgenvoll der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg. Die Politik wird nervös: Ein Scheitern des Rechtsanspruchs, begleitet von einer Klagewelle abgewiesener ­ ltern E im Wahljahr 2013? Das wäre eine S ­ teilvorlage für die Opposition  – zumindest auf Bundesebene. Denn dass der bereits 2008 zusammen mit dem Rechtsanspruch von Bund und Ländern b ­ eschlossene Betreuungsplatzausbau ins Stocken geraten ist, ist nicht allein der Bundespolitik anzulasten. Viele Kommunal- wie Landesparlamente haben den Ausbau immer wieder auf die lange Bank geschoben  – und dies nicht nur unter schwarz-gelben Mehrheiten. Prognose: Geschätzt wird, dass künftig im Westen 37 Prozent der Eltern Betreuungsangebote für unter Dreijährige beanspruchen, im Osten 51 Prozent. Bundesweit entspricht dies einer Quote von 39 Prozent. In Großstädten dürfte der Bedarf bei über 60 Prozent liegen, auf dem Lande hingegen deutlich niedriger. Platzbedarf: Laut dem neuen Bericht „Bildung in Deutschland 2012“ von Bund und Ländern gab es im März 2011 insgesamt 517 000 Betreuungsplätze in Einrichtungen und in der Tagespflege. Um die 39-Prozent-Quote bis zum 1. August 2013 bundesweit zu erreichen, müsste die Politik bis dahin weitere 262 000 Angebote schaffen, fast ausschließlich im Westen. Gut 100 000 davon sind laut Familienministerium im vergangenen Jahr entstanden – sodass immer noch 160 000 Plätze fehlen. Qualifikation: Im Osten verfügen 86 Prozent des Kita-Personals über die fachliche Qualifikation, im Westen 67 Prozent. Hier haben mit 17 Prozent auch Kinderpflegerinnen eine große Bedeutung, vor allem in Bayern (39 Prozent). Mit bundesweit drei Prozent ist der Anteil akademisch ausgebildeter Fachkräfte weiter verschwindend gering. Ein Viertel aller Beschäftigten ist älter als 50 Jahre. Tagespflege: „Die Qualifikation der Tagespflegepersonen entspricht häufig nicht den fachlichen Anforderungen an ihre Tätigkeit“, heißt es im Bildungsbericht. Dies gilt besonders im Westen, wo nur 32 Prozent der Tagesmütter über eine pädagogische Ausbildung verfügen. In den alten Ländern nimmt zwar über die Hälfte nur bis zu zwei Kinder auf. Der Anteil derer, die mehr als vier Kinder betreuen, ist jedoch seit 2006 deutlich von elf Prozent auf 28 Prozent gestiegen. Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 Und während der Rechtsanspruch absehbar zum Stichtag 1. August 2013 kaum zu realisieren sein wird, Kommunen und Länder einmütig nach mehr Geld vom Bund für den Kita-Ausbau rufen, streitet die konservative Regierungskoalition weiter über das Betreuungsgeld für daheim erziehende Mütter und Väter – nachdem es ihr nicht gelungen ist, das umstrittene Gesetz wie geplant vor der Sommerpause zu verabschieden. Falsche Anreize Die Ablehnung des Betreuungsgeldes eint Arbeitgeber, Gewerkschaften, fast alle Sozialverbände und die Opposition. Auch aus den Kirchen kommen kritische und warnende Stimmen. Und alle Meinungsumfragen signalisieren: Die Mehrheit der Bevölkerung will das B ­ etreuungsgeld nicht. SPD und Grüne drohen mit Verfassungsklagen. Unklar ist, ob der Gesetzentwurf, auf den sich die Koalitionsfraktionen nach langem Zaudern und mit vielen Gegenstimmen aus den eigenen Reihen verständigten, nicht doch der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Dann könnte es im Herbst von der L ­ änderkammer wieder einkassiert – oder zumindestens verfahrenstechnisch durch das Anrufen des Vermittlungsausschusses noch monatelang blockiert werden. Einhellig fürchten die Kritiker: Das Betreuungsgeld für Eltern, die keinen Kita-Platz oder die Hilfe einer staatlich geförderten Tagesmutter in Anspruch nehmen, setzt besonders bei armen Familien oder Familien mit Migrationshintergrund materielle Fehlanreize. Benachteiligt werden so gerade die Kinder, die besonders auf Sprachförderung, Kontakte und Sozialisation mit Gleichaltrigen angewiesen sind. Ärgerlich: In der Auseinandersetzung werden immer wieder alte Klischees und längst überholte Rollenbilder her- Gesellschaftspolitik  getrickst Viel „heiße Luft“ Doch schon bei der öffentlichen Präsentation des Programmes durch Schröder und die kommunalen Spitzenverbände ließ der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus, seine Skepsis durchblicken: „Es wird nicht überall gelingen, wohnortnah um die Ecke das ideale Betreuungsangebot anzubieten. Es wird Lücken geben.“ In der Tat findet man in Schröders Papier viel heiße Luft, Appelle und Ankündigungen. Über das meiste müssten ohnehin Länder und Kommunen allein entscheiden, etwa darüber, Baustandards abzusenken oder die FreiflächenPlanung beim Kita-Neubau in Innenstädten flexibler zu handhaben. Konkret übrig bleibt nur das Angebot des Bundes an die Kommunen, für den weiteren KitaAusbau zinsverbilligte Darlehen der staatlichen KfWFörderbank mit einem Volumen von 350 Millionen Euro zur Ver­ fügung zu stellen. Zudem ist der Bund bereit, zehn Millionen Euro lockerzumachen – überwiegend aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF) –, um Tagesmütter fest anzustellen. Vor letzterem Foto: imago vorgekramt: berufstätige „Rabenmutter” versus „Heimchen am Herd“. Die Medien seien schuld, sagt etwa Dorothee Bär (CSU), familienpolitische Sprecherin der Unionsfraktion, die verbittert für das Betreuungsgeld kämpft. Aus der Bundesregierung ist bekannt, dass das Betreuungsgeld weder für Familienministerin Kristina Schröder (CDU), noch für die beiden anderen CDU-Ministerinnen, Annette Schavan (Bildung) und Ursula von der Leyen (Arbeit), eine „Herzenssache“ ist. Sie hätten allesamt das Thema am liebsten längst zu den Akten gelegt. Das Betreuungsgeld ist damit allein Sache der CSU und dient dazu, einen seltsamen Koalitionsfrieden zu wahren. Eilig hatte die Familienministerin inm ­ itten der koalitionsinternen Auseinandersetzungen ein „Zehn-PunkteProgramm“ für ein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot zusammengeschustert. Es sollte vor allem die Betreuungsgeld-Gegner in ihrer eigenen Partei be­ sänftigen, die wie die Opposition die dafür erwarteten Bundesausgaben von 1,2 bis zwei Milliarden Euro pro Jahr sinnvoller in Ausbau und Qualität der Kitas investieren möchten. Ange­ ot b schrecken allerdings viele Kommunen zurück, weil sie die Folgekosten nach 2014 allein tragen müssen. Beim Ausbau weiterer notwendiger Betreuungskapazitäten flüchten sich viele Kommunen und Länder unter dem Druck drohender Elternklagen jetzt in „Masse statt Klasse“, fürchtet GEW-Vorstandsmitglied Norbert Hocke. Das war auch Anfang der 1990er-Jahre zunächst nicht anders, als mit der Neuregelung des Abtreibungsparagrafen 218 der Rechtsanspruch auf einen Betreuungs- Während Kommunen und Länder vom Bund mehr Geld für den KitaAusbau fordern, macht der Streit um das Betreuungsgeld jetzt erst mal Sommerpause. platz für Kinder, die ­ lter als drei ä Jahre sind, eingeführt wurde – und es Jahre dauerte, bis ausreichend Plätze zur Verfügung standen. Max Loewe, Bildungsjournalist Internet-Hinweise: Zehn-Punkte-Programm von Familien­ ministerin Kristina Schröder (CDU): http://www.bmfsfj.de/BMFSFJ/ kinder-und-jugend,did=186700.html Gesetzentwurf Betreuungsgeld: http://dipbt.bundestag.de/dip21/ btd/17/099/1709917.pdf Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 31 32 Bildungspolitik Pfälzer Sturheit E&W-Länderserie zur aktuellen Bildungspolitik Rheinland-Pfalz // Alles, nur kein Aktionismus charakterisiert die Bildungspolitik des rot-grün regierten RheinlandPfalz. Denn: Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) „macht nur das, was geht“. // Foto: imago Der Rheinland-Pfälzer mag’s verlässlich. Seit 18 Jahren regiert Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) das strukturkonservative Land. „König Kurt“ wird er hier genannt – respektvoll von seinen Anhängern, mit ironischem Unterton von der Opposition. Und so kommt es, dass der Adelstitel mal nach dynastischdynamischem Regieren klingt und mal nach „Mehltau“-Politik, wie sie die CDU überall im Land erblickt. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Und was für die Politik des Ministerpräsidenten gilt, über dessen Rückzug gerade spekuliert wird, passt im Groben auch zur Bildungspolitik der landwirtschaftlich geprägten Region zwischen Loreley, Weinreben und BASF: Alles, nur kein Aktionismus. Doris Ahnen verantwortet seit mehr als zehn Jahren die Bildungspolitik – deutlich länger als die meisten ihrer Amtskollegen. Ihr Pragmatismus mag seinen Teil dazu beigetragen haben, dass der Ministersessel kein Schleudersitz wurde – wie etwa im benachbarten Hessen. Ahnen „macht nur das, was geht“, beschrieb „Die Zeit“ die in Trier geborene Sozialdemokratin kurz vor der letzten Landtagswahl im vergangenen Jahr. Da wusste man noch nicht, dass Beck und seine Bildungsministerin diese nur mit einem blauen Auge überstehen würden – die SPDAlleinherrschaft war dahin. Doch auch mit den Grünen als Koalitionspartner gab es anschließend keinen In der landwirtschaftlich geprägten Region zwischen Loreley, Weinreben und BASF im Südwesten der Republik, eingebettet zwischen Rhein und Mosel, geht es bildungs­ olitisch sehr pragmatisch zu. Die Pfälzer sind verlässlich, auch seitdem p die SPD-Alleinherrschaft vorbei ist. Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 nennenswerten Kurswechsel bei der Bildung. Während in anderen Bundesländern die Wegweiser bei Kitas, Schulen und Hochschulen ständig neu ausgerichtet werden, blieben die Pfälzer verlässlich. „Wir versuchen hier, nicht jeden Tag ein neues Tier durchs Dorf zu treiben“, sagt die Ministerin, der das Wort „Sau“ im Zusammenhang mit Schulreformen nicht über die Lippen kommen will. Etliche Baustellen Dabei gab und gibt es auch in RheinlandPfalz etliche Baustellen, die das Zeug für handfeste ideologische Konflikte hätten: Die Hauptschule ist abgeschafft und durch die sogenannte „Realschule plus“ ersetzt worden. Und während die anderen Bildungsminister mit dem verkürzten Gymnasium (G8) tatsächlich eine ganz neue Reform durch ihre Länder hetzten, ging Rheinland-Pfalz einen anderen Weg: Die Landesregierung erlaubte G8 nur an Modellschulen mit Ganztagsbetrieb. Im Nachhinein hat sich Ahnen bei Parteifreunden wie politischen Gegnern, vor allem aber bei den Eltern Respekt erworben, indem sie gegen den Strom geschwommen ist. Doch damals, als alle anderen im G8-Fieber übereilt die Reform durchdrückten, stand die Bildungsministerin bisweilen recht allein da. „Es gab erheblichen politischen Druck, dabei mitzumachen“, erinnert sich Ahnen. Vor allem die CDU warnte, Rheinland-Pfalz werde bildungspolitisch abgehängt. Angesichts des G8-Desasters in vielen anderen Bundesländern lacht heute niemand mehr über die Pfälzer Sturheit, selbst die Opposition hat das Turbo-Abi zu den Akten gelegt. „Wenn es ein Thema gibt, das man heute nicht mehr mit mir diskutieren möchte, dann ist es G8“, sagt Ahnen. Bei der rheinland-pfälzischen GEW hat die SPD-Politikerin sowohl durch ihre G8-Politik als auch ihr „Nein“ zum Zentralabitur einen Stein im Brett, auch wenn sich die Gewerkschaft eine beherztere Schulstrukturreform gewünscht hätte. „Die Geradlinigkeit bei G8 rechnen wir ihr hoch an. Sie war da wie ein Fels in der Brandung“, sagt der rheinlandpfälzische Vorsitzende KlausPeter Hammer. Weitere ­ ympathiepunkte S hat die Landesregierung beim Ausbau der Kinderbetreuung gesammelt, mit ihrem Vorstoß für einen g ­ ebührenfreien Kindergarten ab dem zweiten Lebensjahr sowie mit kleineren Schulklassen. Lob gab es auch dafür, dass sich die Landesregierung bereits vor dem PISA-Schock an den Ausbau von Ganztagsschulen gemacht hatte. Nicht nur Lobhudelei Zwischen den Themen „Realschule plus“ und Unterrichtsversorgung hört es dann aber doch auf mit der Lobhu­ delei. GEW-Landesvorsitzender Hammer besinnt sich auf das, was von einer Gewerkschaft erwartet wird: Kritik und Angriff. Seit Neuestem prangt eine Postkarte auf der Homepage der Rheinland-Pfälzer, die GEW-Mitglieder als E-Card an Ministerpräsident Beck schicken können. „Über Geld redet man nicht“, steht da. Doch genau dazu will Hammer die Landesregierung bringen – bislang vergeblich. Es geht um die Gehälter der verbeamteten Lehrerinnen und Lehrer: „Es ist eine Frechheit, Beamte mit einem Prozent Gehaltszuwachs in den nächsten vier Jahren abzuspeisen“, schimpft Hammer und aus seiner Stimme ist auch der letzte Rest von Freundlichkeit verschwunden. Er will, dass die Regierung Tarifergebnisse auch auf die verbeamteten Lehrkräfte in Rheinland-Pfalz überträgt, nachdem GEW und ver.di in der Tarifrunde 2011 für die Angestellten im öffentlichen Dienst der Länder erfolgreich für Gehaltserhöhungen gestritten hatten. Doch Ahnen wehrt mit Blick auf die Schuldenbremse ab: „30 Prozent des Landeshaushalts und rund 60 Prozent Grafik: zplusz Bildungspolitik der Personalausgaben fließen in die Bildung. Wir können hier nicht den Bildungsbereich völlig ausklammern, sonst schaffen wir die Sparvorgaben nicht.“ Beim Thema Lehrerversorgung liegt Ahnen ebenfalls mit Pädagogen und Eltern über Kreuz. „Wir sind enttäuscht, dass nicht – wie versprochen – alles Geld im System bleibt, wenn die Schülerzahlen zurückgehen“, sagt Hammer. Elternvertretungen protestieren gegen Unterrichtsausfall und mahnen, dass gerade in den naturwissenschaftlichen Fächern Lehrerinnen und Lehrer fehlten. Ahnen, die beim Bildungsforscher Klaus Klemm ein Gutachten über den künftigen Lehrerbedarf in Auftrag gegeben hatte, verteidigt hingegen die geplanten Kürzungen. Das Land ist hoch verschuldet: Bis 2020 werde sich in RheinlandPfalz die Schülerzahl um 100 000 verringern, sagt sie: „Das sind 20 Prozent Schüler weniger als heute, da kann man doch den Lehrerbestand nicht völlig unangetastet lassen – vor allem, wenn auch künftig ein Einstellungskorridor erhalten bleiben soll.“ Neue Füllhörner sind auch für die Hochschulen in Rheinland-Pfalz nicht in Sicht. Die Hoffnung der Uni Mainz auf den „Elite“-Status hat sich am 15. Juni zer- schlagen. Sie ist bei der Exzellenzinitiative zwar nicht ganz leer ausgegangen – es gibt Geld für eine Graduiertenschule sowie für ein Exzellenzcluster –, aber der große Geldsegen und die Reputation bleiben aus. Es ist nur noch ein großes Rätsel offen: Was kommt nach Beck? „Auf jeden Fall keine Kehrtwende in der Wissenschafts- und Bildungspolitik“, prognostiziert Hammer. Dass Doris Ahnen neben anderen Favoriten für das Ministerpräsidentenamt gehandelt wird, freut ihn: „Sie wäre auf jeden Fall qualifiziert“, sagt er: „Aber egal wer es wird: Über die Schuldenbremse sollte der Beck-Nachfolger noch mal neu nachdenken.“ Katja Irle, freie Journalistin Daten und Fakten Kitas: Rheinland-Pfalz führte 2009 als erstes Bundesland die gebührenfreie Kita ab dem zweiten Lebensjahr ein. Bei den Kindern, die jünger als drei Jahre sind, gibt es derzeit eine Betreuungsquote von fast 32 Prozent. Nach den Vorgaben des Bundes müssten es ab 2013 jedoch 35 Prozent sein. Schulen: Als einziges Bundesland hat Rheinland-Pfalz kein Zen­ tralabitur eingeführt. Haupt- und Realschulen sind zur „Realschule plus“ zusammengefasst worden. Den verkürzten Weg zum Abitur (G8) dürfen nur Ganztagsschulen gehen (zurzeit 19 Gymnasien). Laut Landesregierung gibt es an rund 42 Prozent der allgemeinbildenden Schulen ein Ganztagsangebot. Hochschulen: Rheinland-Pfalz hat fünf Universitäten und zehn Fachhochschulen sowie einige private Hochschulen. Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 33 34 GEW-Intern Besetzt die GEW! // Erste Bundesjugendkonferenz der GEW // Ist die Jugend in Deutschland unpolitisch? Von wegen. Die Piraten sind aus dem Stand zur festen Größe im deutschen Parteiensystem avanciert. Und die deutsche Occupy-Bewegung hat in den sieben Monaten ihres Bestehens Kapitalismuskritik wieder hoffähig gemacht. Getragen werden beide Bewegungen maßgeblich von der jungen Generation, die sich immer stärker dort engagiert, wo sie das Gefühl hat, mitreden zu können. Verständlicherweise. Auch in der GEW fordern die jungen Mitglieder mehr Mitsprache. Auf ihrer Bundesjugendkonferenz, der ersten überhaupt, haben die Junge GEW und der Bundesausschuss der Studentinnen und Studenten (BASS) eine Diskussion über neue Formen des gewerkschaftlichen Engagements angestoßen. „Wie soll die GEW sein, damit Du dort aktiv sein kannst?“, diese Frage stand im Mittelpunkt der über Pfingsten stattfindenden Konferenz im hessischen Rotenburg. Oder anders: Wie viel Occupy braucht die Gewerkschaft? „Occupy Union“ – das Motto der Konferenz ist allerdings mehr als eine Reminiszenz an die Occupy-Bewegung. Es sei in erster Linie als ein Aufruf an die Jungen in der GEW zu verstehen, die Gewerkschaft mit eigenen Themen zu besetzen, erklärt Burkhard Naumann, einer der Organisatoren und Sprecher der Jungen GEW. Auch der GEW-Vorsitzende Ulrich Thöne versteht die Konferenz als Angebot an den Nachwuchs. „Ich bin hundertprozentig auf der Seite derjenigen, die sagen, wir brauchen andere Organisationsstrukturen“, betont der GEW-Chef. An seine jüngeren Kolleginnen und Kollegen hat Thöne jedoch auch Erwartungen: „Ich erhoffe mir, dass die Jugend neue Wege erarbeitet, wie sie ihre Ideen und Forderungen besser einbringen kann. Ich wünsche mir, dass die Jungen selbstbewusster versuchen, die Gewerkschaft zu ihrer Gewerkschaft zu machen.“ In der Praxis schlägt den Ambitionen der Jugend jedoch nicht immer so viel Wohlwollen entgegen. So erwartet BASS-Sprecher Sven Lehmann, dass die GEW die Arbeit der Studierenden stärker als bisher unterstützt: „Wer dem Engagement der jungen Leute einen hohen Stellenwert beimisst, muss dafür auch die entsprechenden materiellen und personellen Ressourcen bereitstellen.“ Doris Wittek, Sprecherin der Jungen GEW, kündigt an: Um die Themen der Jugend zu stärken, will die Junge GEW bis zum Gewerkschaftstag im kommenden Jahr eigene Anträge „Wie soll die GEW sein, damit Du dort aktiv sein kannst?“ Diese Frage ist lebhaft im hessischen Rotenburg auf der ersten Bundesjugendkonferenz der Bildungsgewerkschaft diskutiert worden. Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 Foto: Markus Hanisch GEW-Intern erarbeiten. Der Bundesjugendkongress dient als wichtiger Schritt auf dem Weg dorthin. Für Wittek wie Lehmann zeigt der Kongress auch sehr deutlich, was in der alltäglichen Gewerkschaftsarbeit fehlt. Die mangelnde Erfahrung der Jungen mit den üblichen Tagungsformaten bringt aus Sicht von BASS-Sprecher Lehmann die notwendige Lebendigkeit in die Konferenz. „Es war klar, dass man Euch hier nicht einfach etwas Fertiges servieren kann“, sagte er den Teilnehmern auf der Tagung. Ähnlich sieht es Wittek: „Die GEW unterschätzt bisher total, wie wichtig es ist, die Themen der Jungen auch von den Jungen machen zu lassen“, findet sie. Das führt nach Ansicht der Sprecherin dazu, dass die Interessen der Jüngeren zu oft unter den Tisch fallen. Die GEW habe etwa die Ausbildung von Lehrkräften und Erziehern sowie die Situation von Referendaren und Studierenden viel zu wenig im Blick. Grundsätzlich sind es allerdings weniger die Themen als die Strukturen, die die Jugend kritisiert. Viele der jüngeren Gewerkschafter fühlen sich durch die etablierten Organisationsformen und Hierarchien in ihrem Engagement gebremst. Vorherrschend ist der Eindruck, dass nur mitreden kann, wer bereits seit vielen Jahren dabei ist und den Gang durch die gewerkschaftlichen Institutionen beherrscht. Besonders deutlich zeigen sich die daraus entstehenden Barrieren in der Abwesenheit der Erzieherinnen und Erzieher im gewerkschaftlichen Diskurs. „Wir haben nicht das Gefühl, uns innerhalb der Gewerkschaft einbringen zu können, gehört und gebraucht zu werden“, bestätigt Sidney Borgert, einer der wenigen Erzieher auf der Konferenz. Viele hätten Angst, sich lächerlich zu machen und fühlten sich nicht richtig ernst genommen. Grund ist nach Ansicht Borgerts der unterschiedliche Bildungsund Arbeitshintergrund der meisten Erzieher gegenüber der akademisch geprägten Mehrheit in der GEW. Da- bei ist Borgert überzeugt, dass die Gewerkschaft enorm von den praktischen Erfahrungen der Erzieher profitieren könnte. „Die Tatsache, dass wir näher am Kind sind als alle anderen, wird oft übersehen“, findet er. Auch den Erziehern fehle es an diesem Selbstbewusstsein. Schuld daran, und hier schließt sich der Kreis, ist unter anderem der geringe Organisationsgrad der Erzieher. Sie arbeiten in kleinen Kollegien und für verschiedene Trägerorganisationen. „Unter den Erziehern fehlt das Gemeinschaftsgefühl. Die meisten sind Einzelgänger“, stellt auch Borgert immer wieder fest. Ein Austausch unter Kollegen fände da nur selten statt. Um etwas gegen den geringen Organisationsgrad zu unternehmen, hat sich Borgert während der Konferenz mit seinen Kollegen zusammengesetzt. Der Austausch hat ihnen Mut gemacht. Die kleine Gruppe will sich ab sofort bundesweit über das Internet vernetzen und auch die Kollegen zum Mitmachen motivieren. Internet wichtig Das Beispiel zeigt, wie es funktionieren kann. Eine wichtige Rolle müsste nach Ansicht der Jüngeren das Internet einnehmen. Online ließen sich nicht nur die Vernetzung intensivieren, sondern Organisationsprozesse vereinfachen und Partizipationsmöglichkeiten ausweiten. Doris Wittek will Veränderungen jedoch nicht nur auf der virtuellen Ebene. Sie würde die Gewerkschaft insgesamt gern flexibler organisieren und an die Erfordernisse der Gegenwart anpassen. Stärken will die Gymnasiallehrerin besonders das projektbezogene Arbeiten in der Gewerkschaft. „Mitglieder sollten nicht über Jahre in einem Gremium sitzen müssen, um mitmachen zu können“, findet Wittek. Die Offenheit des Occupy-Konzepts sieht die Gewerkschafterin dabei als Vorbild für die GEW. So versteht sich Occupy vor allem als Plattform für den Austausch von Mei- nungen und Ideen. „Bei uns kann sich jeder direkt einbringen und für seine Überzeugungen werben“, versichert Costantino Gianfrancesco, einer der Initiatoren von Occupy Germany. Der kritische Diskurs ist das einzig verbindende Ziel innerhalb der Bewegung. Gemeinsame politische Forderungen gibt es indes keine. Und auch eine Hie­ archie r sucht man vergebens. Mit dieser strukturellen und inhaltlichen Offenheit in alle Richtungen punktet Occupy vor allem bei der Jugend und den eher Unpolitischen. Nicht aber bei den 120 jungen Gewerkschaftern in Rotenburg. Deren Reaktion auf die inhaltliche Beliebigkeit der Bewegung fiel äußerst kritisch aus. Ein offener und basisdemokratischer Diskurs darf aus ihrer Sicht nicht auf Kosten der gemeinsamen politischen Ziele gehen, das zeigte die Diskussion mit den Aktivisten deutlich. Den kritischen Diskurs zum obersten Ziel zu erheben, reicht den meisten Gewerkschaftern nicht. Occupy – so ein Einwurf während der kontroversen Diskussion – sei nicht viel mehr als ein „Zurschaustellen von Vereinzelungen“ und die „Reindividualisierung des politischen Widerstandes“. Die Bewegung rücke das Individuum in den Vordergrund und die gemeinsamen Interessen in den Hintergrund, so die Kritik. Auf diese Weise ließen sich politische Ziele nicht verwirklichen. Und die Solidarität bleibe ebenfalls auf der Strecke. Für die Junge GEW und den BASS ist das nicht der richtige Weg. Markus Hanisch, Redakteur „Zweiwochendienst“ Infos zur Veranstaltung auf der GEW-Website unter: www.gew.de/Erste_Bundeskonferenz_ junger_GEWerkschafter_innen.html Den Videoclip über die Konferenz finden Interessierte hier: www.vimeo.com/occupyunion/clip Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 35 Spitzenforschung zu ­ umpinglöhnen D // Seit vier Jahren forscht G. an einem Berliner Max-Planck-Institut. Ein tolles Sprungbrett in eine wissenschaftliche Karriere? Er habe in dieser Zeit keinen Cent in die gesetzliche Renten- oder Krankenversicherung eingezahlt, erzählt er. Wenn er nach seiner Promotion eine Stelle erhält, gilt er als Berufsanfänger. // Denn offiziell ist G. kein Mitarbeiter des Max-Planck-Institutes. Er erhält ein Stipendium als Zuschuss zum Lebensunterhalt. Der Vorteil: Er ist nicht weisungsgebunden und kann sich, den Richtlinien der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) entsprechend, ganz seiner Doktorarbeit widmen. Theoretisch. Praktisch übernimmt G. auch Aufgaben für das Institut. So wie viele der über 2260 Doktoranden in der MPG, die durch ein Stipendium finanziert werden. Eine Umfrage des Doktorandennetzwerks, Phdnet, unter den Promovierenden aller 80 Max-Planck-Institute ergab 2009, dass Stipendiaten, ähnlich wie Doktoranden mit einem Arbeitsvertrag, im Schnitt acht bis 14 Prozent ihrer Arbeitszeit Tätigkeiten widmen, die nichts mit ihrer Doktorarbeit zu tun haben. „Praktisch Schwarzarbeit“ Für die Institute, die als autonome Arbeitgeber fungieren, lohnt sich das. Im Vergleich zu angestellten Mitarbeitern seien Stipendiaten gut 40 Prozent billiger, schreibt ein Max-Planck-Angestellter 2011 im Mitteilungsblatt der Hamburger GEW. Fallen für die stipendiatischen „Mitarbeiter“ doch weder Steuern noch Sozialabgaben an. Das sei praktisch Schwarzarbeit, heißt es aus dem Gesamtbetriebsrat der Gesellschaft. Eine Rechnung auf Basis der Umfrageergebnisse zeige, dass die unentgeltlich geleisteten Arbeitsstunden der Stipendiaten mehr als 220 vollen wissenschaftlichen Stellen entsprächen. Dass Stipendiaten weisungsfrei an ihrer Doktorarbeit schrieben, sei absolut illusorisch, meint ein Doktorand. „Weisungsungebunden“ Die MPG sieht hingegen kein Problem: „Grundsätzlich gilt, dass Stipendiaten weisungsungebunden sind“, sagt Sprecherin Christina Beck. Aber sie müssten, genauso wie angestellte Nachwuchsforscher, Verantwortung für das Labor und den gemeinsam genutzten Gerätepark übernehmen. Die Max-Planck-Institute haben die Zahl ihrer wissenschaftlichen Nachwuchskräfte in den vergangenen Jahren kräftig erhöht – vor allem auf Stipendienbasis, wie eine im Mai veröffentlichte Antwort der Bundesregierung Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 Stipendium statt regulärer Beschäftigung? auf eine Anfrage der Fraktion „Die Linke“ zeigt. Der Anteil der Stipendiaten unter den Doktoranden hat sich von 2004 bis 2011 fast verdoppelt – auf derzeit 60 Prozent. Betroffen sind auch immer mehr promovierte Wissenschaftler. „Werden Stipendien missbraucht, um reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu verdrängen und Sozialversicherungsabgaben einzusparen?“, fragte der Leiter des GEW-Vorstandsbereichs Hochschule und Forschung Andreas Keller im März die Bundestagsabgeordneten. Sein Eindruck: „Genau das passiert, um Geld zu sparen.“ Dabei erhält die MPG knapp 1,46 Milliarden Euro aus öffentlichen Mitteln, hinzu kommen Drittmittel. „Umso unverständlicher ist, dass gerade so gut ausgestattete Einrichtungen Mitarbeiter zu Dumpinglöhnen einstellen“, meint Keller. Petition für Fair Pay Nun regt sich Widerstand gegen diese Praxis. Im Juni hat der Gesamtbetriebsrat der MPG einen Vertreter des Bundesforschungsministeriums eingeladen, das die Gesellschaft zusammen mit den Ländern überwiegend finanziert. MPG-Doktoranden starteten im März eine Petition für Fair Pay und fordern, dass Doktoranden entscheiden sollten, ob sie Verträge oder Stipendien bevorzugen. Die MPG hat teilweise eingelenkt. Der Verwaltungsrat beschloss im Juni, dass künftig an allen Instituten der monatliche Stipendien-Höchstsatz von 1365 Euro plus 100 Euro Krankenkassenzuschuss auszuzahlen sei. „Das ist ein klares Bekenntnis zur Werthaltigkeit des Max-Planck-Stipendiums“, erklärt Sprecherin Beck. Grundsätzlich wolle die MPG am derzeitigen System mit Stipendien einerseits und Förderverträgen andererseits festhalten. Unterdessen hat die GEW Stipendiaten an Hochschulen und Forschungseinrichtungen empfohlen, durch die Deutsche Rentenversicherung prüfen zu lassen, ob eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliege. Das wäre der Fall, wenn sie etwa feste Arbeitszeiten hätten und an Weisungen gebunden wären. Für G. zum Beispiel wäre ein solches Statusfeststellungsverfahren interessant. Hätte er Erfolg, müsste das Institut nämlich die Sozialversicherungsbeiträge für bis zu vier Jahre rückwirkend für ihn entrichten. Anna Lehmann, taz-Redakteurin www.gew.de/Ratgeber_Sozialversicherung_fuer_ Promovierende.html Foto: imago 36 Hochschule Gesellschaftspolitik „Verträge über  Waffenlieferungen kündigen“ E&W: Griechenland soll drastisch sparen und kappt auch den Verteidigungshaushalt. Ist der Vorwurf, dass das Militär verschont wird, noch berechtigt? Reiner Braun: Ja. Von den Kürzungen betroffen sind Pensionen und die Einkommen der Soldaten. Bei Waffenkäufen wird dagegen überhaupt nicht gespart. Sie machen aber den Großteil des griechischen Militäretats aus. E&W: Wie groß ist der Militäretat? Braun: Er betrug zuletzt weit über zwei Prozent vom Bruttoinlandsprodukt (BIP) und lag damit deutlich über dem Schnitt anderer europäischer NATO-Staaten. Mit rund 130 000 Soldaten auf elf Millionen Einwohner ist der Anteil der griechischen Militärs an der aktiven Bevölkerung fast dreimal so hoch wie im Schnitt der übrigen europäischen NATO-Staaten**. E&W: Warum legt Athen so viel Wert auf ein starkes Militär? Braun: In diesem Zusammenhang wird immer wieder der Konflikt mit der Türkei genannt. Das Verhältnis zum NATO-Partner Türkei hat sich aber in den vergangenen Jahren deutlich entspannt. Das bedeutet: Da wird ein altes, verkrustetes System weiter hochgerüstet. Hinzu kommt, dass das Militär einer der größten Korruptionsfaktoren in Griechenland ist. E&W: Zahlen auch deutsche Unternehmen Schmiergeld? Braun: So sieht es aus. Aktuell steht der ehemalige griechische Verteidigungsminister Akis Tsochatzopoulos unter Verdacht, beim Kauf deutscher U-Boote von der Firma Ferrostaal Bestechungsgelder in Millionenhöhe kassiert zu haben. Deutschland ist ohnehin der größte Waffenlieferant Griechenlands. Unter anderem hat Krauss-Maffei für rund 1,7 Milliarden Euro Leopard-Panzer an Athen verkauft. Neben Panzern liefert die Bundesrepublik vor allem Flugzeuge und U-Boote ***. E&W: Die Bundesregierung verlangt, dass Griechenland endlich das Kampfflugzeug Eurofighter kauft. Ist das Drängen Foto: privat // Interview mit Reiner Braun, Geschäftsführer der deutschen Juristenvereinigung IALANA*, über den griechischen Militärhaushalt. // angesichts der drohenden Staatspleite noch nachzuvollziehen? Braun: Es gibt eine Art Vorvertrag über den Kauf von 60 Maschinen im Gesamtvolumen von mehr als einer Milliarde Euro. Die deutsche Seite übt ungeheuren Druck aus, dass das Geschäft endlich abgewickelt wird. Aber glücklicherweise liegt noch kein endgültiger Reiner Braun Vertrag vor. E&W: Warum drängt die Troika aus Internationalem Währungsfonds (IWF), EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) bei ihrem Spardiktat die griechische Regierung nicht, auch die Militärausgaben stärker zu kürzen? Braun: Das frage ich mich auch. Ich kann es mir nur so erklären, dass sie nicht in profitable private Geschäfte eingreifen will. Möglicherweise scheut sie ein Präjudiz und will verhindern, dass die Griechen dann auch bei anderen zivilen Geschäften auf einer Reduzierung bestehen. Aber die wesentlichen Waffenverträge, um die es heute geht, sind unter mafiosen und kriminellen Bedingungen zustande gekommen. Sie ließen sich also leicht kündigen. E&W: Aber es fließt ja zunächst kein Geld, da die deutschen Lieferanten die Geschäfte mit Krediten vorfinanzieren. Schauen deutsche Firmen in die Röhre, falls Griechenland pleitegehen sollte? Braun: Nein, denn die Geschäfte sind über Bundesbürgschaften abgesichert. Die Rechnung landet letztendlich beim deutschen Steuerzahler. Für die großen Rüstungskonzerne sind das hundertprozentig sichere Transaktionen. E&W: Was muss getan werden, um die skandalöse Entwicklung zu stoppen? Braun: Die Verträge über die Waffenlieferungen müssen gekündigt werden. Und das Thema braucht eine größere Öffentlichkeit. Wir merken ja, wie sehr Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wegen der Lieferung von 270 LeopardPanzern an Saudi-Arabien unter Druck gerät. Wenn ähnlicher Druck in den Fällen Griechenland und auch Portugal aufgebaut würde, könnten diese Länder ein bis zwei Milliarden Euro sparen. Das ist angesichts dessen, was dort den Armen abgepresst wird, ein nicht unerheblicher Betrag. Foto: dpa Interview: Mario Müller, freier Journalist Der größte Waffenlieferant Griechenlands ist Deutschland. Unter anderem hat der Rüstungskonzern Krauss-Maffei für rund 1,7 Milliarden Euro Leopard-Panzer an Athen verkauft. * uristinnen und Juristen gegen atomare, biologische und J chemische Waffen: www.ialana.de; **Quelle: NATO-Statistik 2011 *** uelle: sipri 2009, Stockholm International Peace Research Q Institute: www.sipri.org Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 37 38 Fair Childhood – Bildung statt Kinderarbeit Faire Rosen gegen Armut  Das Bildungs- und  Förderungswerk  der GEW unterstützt  die Stiftung „Fair Childhood“. // Rosen stehen für Luxus und Gefühle. Doch die meisten Blüten im Supermarkt oder beim Floristen stammen von Plantagen in armen Ländern, auf denen Arbeitskräfte ausgebeutet werden. Ausnahme: Blumen mit Fairtrade-Siegel. // Schwer liegt der betörende Duft über der riesigen Packhalle. Doch Ann Chapkirui sieht nicht das Meer voller Rosen, rot, gelb und rosé blühend, das die Besucherin aus Deutschland fasziniert. Ann hat nur Augen für ihren Job, der ihr und ihrer Familie das Brot sichert und den Kindern eine Zukunft verspricht. Die junge Frau zieht konzentriert eine Rose aus dem frisch geschnittenen und entdornten Haufen vor ihr auf dem Pult. Legt den Stiel neben das Lineal. Kappt ihn bei 40 Zentimetern – der Kunde in Europa will es so. Prüft die Blätter der empfindlichen Köpfe. Legt die Rose neben elf weiteren Stielen auf ein Stück Karton, klebt das blau-grüne Fairtrade-Etikett drauf und legt den Strauß auf das Förderband neben ihr. Es muss schnell gehen, Schnittblumen verderben rasch. In wenigen Stunden werden die Rosen per Lkw von der Finlays Plantage nach Nairobi, der Hauptstadt Kenias, transportiert. Nachts gen Norden fliegen. Und 48 Stunden später zu einem Preis zwischen 2,99 und 3,99 Euro irgendwo in Europa in einem Eimer neben der Supermarktkasse oder bei einem Floristen stehen. Über drei Milliarden Euro geben die Bundesbürger jährlich für Blumen aus; jeder vierte verkaufte Stiel ist eine Rose. Was die meisten Verbraucher nicht wissen: Die Pflanzen kommen schon lange nicht mehr nur aus der Heimat oder den Niederlanden, sondern immer öfter aus armen Ländern. Die meisten Exportblumen wachsen heute in Kenia und Kolumbien, Ecuador oder Tansania. Auch China und Indien drängen auf den lukrativen Markt. Schmutziges Geschäft Doch das Produkt, das wie kaum ein anderes für Gefühle und Wohlstand steht, hat eine Schattenseite: Das blühende Geschäft ist häufig auch ein schmutziges: Miserable Löhne für die Pflücker, im Pestizidnebel stehende Arbeiter mit kaputten Schutzmasken oder unbezahlte Überstunden vor dem Mutter- oder Valentinstag sind auf vielen konventionell arbeitenden Blumenplantagen in Afrika und Lateinamerika eher die Regel denn Packhalle der Fairtrade-Rosenplantage: Die Blumenpflückerin Ann Chapkirui hat nur Augen für ihren Job, der ihr und ihrer Familie das Brot sichert. Denn das blau-grüne Siegel zeigt, es werden höhere Löhne als in konventionellen Plantagen gezahlt. In den Produkten steckt keine Kinderarbeit. Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 Fair Childhood – Bildung statt Kinderarbeit die Ausnahme. Auch überdüngte Gewässer, ein zu hoher Wasserverbrauch und kaputte Böden rund um die Blumenfarmen kratzen am Image der Rosen. Von Ausbeutung und Vergiftung der Arbeiter, gar von „Blutrosen“ für die Discounter, 1,80 Euro der Bund, sprechen Menschenrechtsorganisationen wie FIAN. Einen anderen, sozial und auch ökologisch saubereren Weg versuchen die Plantagen zu gehen, die für den Fairen Handel produzieren. Die meisten liegen in Kenia. Eine davon ist Finlays, der Arbeitgeber von Ann. Seit 2007 arbeitet der britische Konzern, der mit 4500 Arbeitern auf drei Farmen in Kenia jährlich an die 120 Millionen Rosen produziert, nach den strengen Richtlinien von Fairtrade International. Das heißt: Finlays darf keine Kinder beschäftigen. Der Konzern muss angemessene Löhne zahlen. Das Wasser filtern. Den Einsatz von Pestiziden reduzieren. Dafür dürfen seine Fairtrade-zertifizierten Plantagen an jedem Stengel, der als faire Rose in den Export geht, das blau-grüne Siegel anbringen. Es zeigt dem Verbraucher: Diese Blume wurde fair erzeugt. Und es finden sich immer mehr solcher Blüten im Handel: Allein 2011 wurden nach Angaben von TransFair, der Siegelorganisation in Deutschland, bundesweit 81 Millionen faire Schnittblumen gekauft – zwölf Prozent mehr als im Vorjahr. Blumen sind inzwischen das zweitwichtigste Fairtrade-Produkt – gleich nach Kaffee. Foto: Martina Hahn Fairtrade-Plantage zahlt besser Für Ann bedeutet das Siegel auf den Rosen, die sie prüft und verpackt, dass sie mit 8730 Schilling im Monat, umgerechnet 80 Euro, fast doppelt so viel Lohn erhält wie Arbeiter, die auf einer nicht zertifizierten Farm arbeiten. Dass sie und ihre Kinder krankenversichert sind, Ann eine Rente bekommen wird. Dafür kontrolliert die Kenianerin acht Stiele pro Minute, acht Stunden am Tag, sechs Tage die Woche – auf einer konventionellen Farm läge ihr Soll bei zehn bis zwölf Rosen pro Minute. Finlays stellt ihr auch mietfrei ein kleines Häuschen auf der Plantage. Als Arbeiterin auf einer Fairtrade-Plantage bekommt Ann nicht nur einen höheren Lohn und ihr Kollege, der im Gewächshaus Pestizide versprüht, einen 39 sicheren Schutzanzug. Ann profitiert auch von der Fairtrade-Prämie – fast einen Cent pro verkaufter Rose. Allein durch die fairen Rosen der Finlays-Farmen kamen in den vergangenen fünf Jahren an die 836 000 Euro Prämien für die Finlays-Arbeiter zusammen. Nimmt man nur die Verkäufe fairer Blumen in Deutschland in 2011, liegt die erzielte Prämie bei 766 000 Euro. Wie das Geld verwendet wird, darüber entscheidet ein von den Arbeitern gewählter Joint Body, eine Art Betriebsrat. Es gibt nur eine Vorgabe: Das Projekt muss der Gemeinschaft dienen. Die Arbeiter auf Anns Farm haben mit der Prämie Geräte fürs Hospital und Schulbücher gekauft sowie hunderte Kinder geimpft. Mit der Prämie finanzieren sie auch Stipendien, Fahr- oder Nähkurse, „damit die Arbeiter ein Einkommen haben, falls sie die Farm einmal verlassen“, sagt John Ongori von Fairtrade International. Er berät die Plantagen bei der Umstellung auf das faire System und weiß: „Bildung ist der Schlüssel zu einer besseren Zukunft.“ „Die ersten jungen Menschen“, sagt Ongori, „sind schon auf der Uni.“ Ihren Kindern dies ermöglichen zu können, mache die Arbeiterinnen stolz: „Sie haben sich die Prämie ja selbst erwirtschaftet.“ Vielleicht ist dieses neue Selbstbewusstsein, mitentscheiden zu können, erstmals eine Chance zu bekommen, für die Blumenpflückerinnen sogar noch wichtiger als der höhere Lohn, den sie mit nach Hause nehmen. Martina Hahn, Journalistin und Autorin des Buchs „Fair einkaufen – aber wie?“ (Verlag Brandes & Apsel, Frankfurt am Main – dritte aktualisierte Auflage ab Juli 2012) fair childh d GEW-Stiftung Bildung statt Kinderarbeit Kindern eine Kindheit geben Kinderarbeit ist ein Armutszeugnis – in doppelter Hinsicht. Sie ist Zeugnis von Armut. Vor allem aber ist sie ein Armutszeugnis für die internationale Gemeinschaft. Machen Sie mit. Unterstützen Sie Fair Childhood – GEW-Stiftung Bildung statt Kinderarbeit Spendenkonto: Bank für Sozialwirtschaft, Konto-Nr. 375 188 0 188, BLZ 700 20 500 www.fair-childhood.eu Ja, E&W 07/2012 ich unterstütze den Kampf gegen Kinderarbeit und spende __________ Euro  einmalig  monatlich Zahlungsweise  monatlich  vierteljährlich  jährlich  jährlich ___________________________________________________________________________ Kontoinhaber Bank ___________________________________________________________________________ BLZ Konto-Nr. Einkaufs-Tipp: Blumen mit dem Fairtrade-Siegel gibt es bei Rewe, Penny, Kaufland, Kaiser’s, Tengelmann, Edeka, tegut, Blumen Risse, Kölle Pflanzencenter, Blume 2000 sowie in toom- und Hit-Märkten. Floristen finden sich unter www.fairtrade-deutschland. de/produkte/gastro-und-blumenfinder. ___________________________________________________________________________ Name Vorname ___________________________________________________________________________ Straße, Nr. PLZ, Ort ___________________________________________________________________________ E-Mail Ich ermächtige hiermit die GEW-Stiftung, den oben angegebenen Betrag zulasten meines Kontos einzuziehen. ___________________________________________________________________________ Datum Unterschrift Bitte senden Sie diesen Coupon in einem ausreichend frankierten Umschlag an folgende Adresse: fair childh d GEW-Stiftung Bildung statt Kinderarbeit Fair Childhood GEW-Stiftung · Bildung statt Kinderarbeit · Kontakt: Sabine Niestroj Reifenberger Straße 21 · 60489 Frankfurt am Main Ulrich Thöne Foto: Kay Herschelmann 40 Fair Childhood – Bildung statt Kinderarbeit „Keine Grabsteine aus Kinderhand!“ // GEW-Kommentar zum „Welttag gegen Kinderarbeit“ // In Deutschland sollen künftig keine Grabsteine mehr verkauft werden. die aus Kinderhand stammen. Dafür trete ich, dafür tritt die GEW ein. Aktueller Anlass, warum die Bildungsgewerkschaft dies erneut vehement fordert, ist der „Welttag gegen Kinderarbeit“, der am 12. Juni stattfand. Ermutigt fühlen wir uns in unserer Forderung zum Beispiel durch den Gesetzesentwurf der baden-württembergischen Landesregierung, der wegweisend ist: Grüne und SPD wollen den Kommunen ermöglichen, Grabsteine, die mit Hilfe von Kinderarbeit hergestellt werden, auf den Friedhöfen zu verbieten. Dieser wichtige Schritt sollte für die anderen Bundesländer Vorbild sein. Ziel ist: Wenn die Abnehmer Händler und Produzenten massiv unter Druck setzen, lässt sich die menschenverachtende Praxis, Kinder zur Arbeit in Steinbrüchen zu zwingen, weil ihre Eltern nicht ausreichend verdienen, um die Familien zu ernähren, mittel- bis langfristig stoppen. Denn dies muss in das Bewusstsein aller eindringen: Jungen und Mädchen arbeiten hier unter lebensgefährlichen Bedingungen und bezahlen mit ihrer Gesundheit. Dass in Deutschland durch Bürgerprotest politische Entscheidungen beeinflusst werden können und der Kinderausbeutung der Kampf angesagt werden kann, zeigt jetzt Baden-Württemberg. Hier haben mehrere Kommunen die grün-rote Landesregierung zu diesem Schritt gedrängt. Andere Kommunen können und sollten diesem Beispiel folgen und Druck auf ihre Landesregierungen ausüben. Denn wer Kindern das Recht auf Bildung und Ausbildung verweigert, nimmt ihnen die Chance, den Armutskreislauf zu durchbrechen, raubt ihnen Lebensperspektiven. Auch wenn es gebetsmühlenhaft klingt: Die GEW und ihre Stiftung Fair Childhood weisen mit Fug und Recht unermüdlich darauf hin, dass nach neuesten Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 215 Millionen Kinder arbeiten müssen, davon allein 115 Millionen unter besonders gefährlichen, ausbeuterischen Arbeitsbedingungen. Hierzu zählt auch die Ar- Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 beit in Steinbrüchen mit Hammer und Meißel (s. E&W 6/2011, 10/2011, 4/2012). Sie schädigt die Gesundheit der Heranwachsenden durch schwerste körperliche Anforderungen. Bereits seit mehreren Jahren macht die Gewerkschaft Bauen, Agrar, Umwelt (IG BAU) auf diese Missstände aufmerksam. Gemeinsam mit Personen des öffentlichen Lebens hat die IG BAU den Verein XertifiX gegründet, der ein Siegel für Natursteine vergibt, die ohne Kinderarbeit erzeugt werden (s. E&W 2/2011). Die GEW ist seit 2011 Mitglied bei XertifiX. Gemeinsam mit dieser Organisation und ihrer Stiftung Fair Childhood setzt sich die Bildungsgewerkschaft aktiv mit einem Projekt im indischen R ­ ajasthan dafür ein, Kinder von Wanderarbeitern aus Steinbrüchen von ihrer Sklavenarbeit zu befreien. Wir unterstützen sie dabei, ihr Recht auf Schul- und Berufsbildung durchzusetzen. Viele Grabsteine in Deutschland werden aus Ländern wie Indien geliefert. In Indien ist Kinderarbeit zwar offiziell verboten und es herrscht allgemeine Schulpflicht. Doch die Realität sieht für viele Jungen und Mädchen anders aus. Mit der Kampagne „Kinderarbeitsfreie Zonen schaffen“ will die GEW ab Herbst in Bildungseinrichtungen und der Öffentlichkeit stärker für das Thema Kinderarbeit und für ein konsumkritisches Verhalten sensibilisieren. Dadurch soll der Kampf vor Ort gestärkt werden. Denn: Ohne unsere Bereitschaft als Verbraucher, unser Konsumverhalten radikal zu verändern und solidarisch mit den betroffenen Menschen vor Ort zu sein, besteht kaum eine Chance, die Produzenten und Händler zu bewegen, ausbeuterische Kinderarbeit zu beenden und die Eltern besser zu entlohnen. Ulrich Thöne, GEW-Vorsitzender Weitere Infos zu den Steinbruchprojekten finden Sie auf der GEW-Website unter www.gew.de/Fair_Childhood_Schule_statt_Steinbruch.html. Weitere Infos zu XertifiX e.V. finden Sie unter www.xertifix.de. Schule „Arbeitssicherheitsexperten an die Schulen“ 59 Prozent der Befragten sind gesundheitlich Risikokandidaten, und zwar aus folgenden Gründen: Die einen sind so überengagiert, dass sie an jedem Schultag ihre Widerstandsfähigkeit strapazieren und ihre Krankheiten in die Ferien legen; die anderen stehen kurz vor oder sind schon mitten im Burnout. Als Schaarschmidt das vortrug, klingelte es den Teilnehmenden ­ iner gemeinsamen Tagung von GEW und Hans-Böcklere Stiftung zum Thema „Psychische Belastungen am Arbeitsplatz Schule – Wege zur Gesunderhaltung und zu gesundheitsförderlichen Arbeitsbedingungen“ Mitte Mai in Berlin in den Ohren. Die gute Nachricht, die der Psychologe vor Gewerkschaftern, Personalräten, anderen Gesundheitsexperten und dem meck­ lenburg-vorpommerschen Kultusminister Mathias Brodkorb (SPD) verbreitete, lautete: Jede Schule, jedes Kollegium kann etwas tun! So bietet der inzwischen emeritierte Psychologe mit seinem Institut Coping Schulen ein Programm namens „Denkanstöße“ an, das im Prinzip aus zwei Teilen besteht: Erst wird mit Hilfe eines Fragebogens (IEGL – Inventar zur Erfassung von Gesundheitsressourcen im Lehrerberuf) festgestellt, welche Belastungen die Lehrkräfte an ihrer Schule erleben. In einem zweiten Schritt analysieren Kollegium und Schulleitung mit einem Moderator die drängendsten Probleme sowie Wege, diese zu beheben. Als zentral, erklärte Schaarschmidt, erwiesen sich vier Punkte: 1.  ehr Ruhe und Kontinuität in den Schulalltag zu bringen. M Dazu gehöre auch, dass die Schulleitung nicht jede Reform und jede Kampagne „ungefiltert“ weiterreicht. 2.  itsprache und Eigenverantwortung zu fördern. M 3.  rivat- und Berufsleben zu trennen, möglichst durch LehP rerarbeitsplätze. 4.  oziale Unterstützung – idealerweise durch die GesellS schaft, aber auch eine bessere Zusammenarbeit vor Ort. Insgesamt, so Schaarschmidt, steckten in den sozialen Beziehungen an den Schulen „gewaltige Ressourcen“. Sein Appell, sich selbst auf den Weg zu machen, ging vielen nicht weit genug. „Nicht nur ich muss meine Arbeit lieben, meine Arbeit muss auch mich lieben“, konstatierte der Experte für Lehrergesundheit der GEW Berlin, Manfred Triebe. Unabdingbar seien andere Arbeitsbedingungen, verantwortlich dafür: der Dienstherr. GEW-Vorstandsmitglied Anne Jenter, Mitveranstalterin der Tagung, ergänzte: „In der Privatwirt- schaft gibt es eine Gewerbeaufsicht. In der Schule werden Arbeits- und Gesundheitsschutz sträflich vernachlässigt.“ Tatsächlich wurden auf Drängen der GEW in den vergangenen Jahren wesentliche Schritte gemacht: So gab es in BadenWürttembergs Schulen flächendeckende Gefährdungsbeurteilungen. Nach zwei Prozessen, die der Hauptpersonalrat geführt hat, ist es zudem gelungen, die Kostenübernahme für Fachkräfte für Arbeitssicherheit durch den Arbeitgeber zu erstreiten. Arbeitsrechtlich, erklärte Rechtsanwalt Ulrich Faber, sei die Lage eindeutig: Die Unfallverhütungsvorschrift DGUVV2 konkretisiert seit 2011 das Arbeitssicherungsgesetz (ASiG) – abgesehen von Bayern und Sachsen, hier gilt die Vorschrift jedoch mittelbar durch das ASiG. „Jeder Betrieb hat ein Recht, dass dort Fachkräfte und Betriebsärzte agieren“, so Faber. „Das gilt auch für die Schulen.“ Er appellierte an die Hauptpersonalräte, den Kampf um die Ausbildung und den Einsatz von Arbeitssicherheitsexperten aufzunehmen: „Baden-Württemberg hat gezeigt: Es geht!“ Analyse des Ist-Zustands reicht nicht Allerdings wurde auch deutlich: Um Nachhaltigkeit herzustellen, ist es mit einer Analyse des Ist-Zustands kaum getan. Stefanie Kaempf, Schulpsychologin in Freiburg, stellte eine Reihe zusätzlicher Maßnahmen vor, mit denen die Gefährdungsanalysen in Baden-Württemberg flankiert werden: Von der Begleitung von Lehrerteams zur gesundheitsförderlichen Schule bis hin zu Fortbildungen für Schulleitungen im „Salutogenen Leitungshandeln“. All das wiederum ist mitnichten – dringend benötigte – Hilfe für alle: Es sind Modellprojekte, für die sich die Schulen selbst auf den Weg machen müssen. Jeannette Goddar, freie Journalistin Foto: dpa // Uwe Schaarschmidt ist einer dieser Experten, deren Name sofort eine Assoziation wachruft: Lehrergesundheit! Seit Jahrzehnten widmet sich der Psychologie-Professor diesem Thema. Was er bei der Auswertung der Interviews mit 30 000 Pädagogen herausgefunden hat, könnte beunruhigender kaum sein. // Für die Lehrergesundheit kann jede Schule, jedes Kollegium etwas tun! So lautet zumindest die Botschaft des Arbeitsschutzexperten Uwe Schaarschmidt. Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 41 42 Recht und Rechtsschutz Informationen der GEW-Bundesstelle für Rechtsschutz. Verantwortlich: Katrin Löber, Volker Busch, Gerhard Jens 64. Jahrgang Foto: zplusz Recht und Rechtsschutz 7-8/2012 Vertretung muss gesichert sein Eine Teilzeitbeschäftigung kann Mitgliedern der Schulleitung verwehrt werden, wenn für sie keine Vertretung organisiert werden kann. Das OVG Nordrhein-Westfalen hielt es für rechtens, aus diesem Grund sowohl den Antrag einer Schulleiterin als auch den eines Konrektors auf Teilzeitarbeit in Form eines Freistellungsjahres abzulehnen. Beide Kläger wollten ein Modell wählen, das ihnen ein Sabbatjahr ermöglicht hätte. Die Bezirksregierung als Schulaufsichtsbehörde hatte beide Anträge abgelehnt. Der Dienstherr begründete das damit, dass wegen der he­ rausgehobenen Leitungs- und Führungsposition der beiden Beamten eine adäquate Vertretung während des Freistellungsjahres nicht möglich sei. Die übrigen Mitglieder der Schulleitung würden überlastet, wenn sie für ein Jahr die Funktion des Konrektors mitübernehmen sollten, erklärte die Schulaufsicht. Außerdem befürchtete sie, dass dies die Entwicklung schulischer Arbeit einschränken und einen reibungslosen Schulbetrieb stören könnte. Auch der Einwand des Klägers, dass seine Schule von einem Team aus einer Rektorin und zwei Konrektoren geleitet werde und die Schulleiterin seinem Antrag zugestimmt habe, ändert laut OVG nichts an dieser Bewertung. Das Verwaltungsgericht Köln als vorhergehende Instanz habe zutreffend angenommen, dass die zweite Konrektorenstelle nicht eingerichtet worden sei, weil ein Mitglied des Teams ausfallen könnte, Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 sondern wegen des hohen Arbeitsaufwands an Schulen mit mehr als 540 Schülerinnen und Schülern. Das OVG betonte, es liege im Ermessen des Dienstherrn, Mitgliedern der Schulleitung eine Teilzeitbeschäftigung in Form eines Sabbatjahrs grundsätzlich nicht zu bewilligen. „Es ist in erster Linie Sache des Dienstherrn, zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele die Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Priorität zu bestimmen und ihre Erfüllung durch Bereitstellung personeller und sachlicher Mittel zu sichern“, heißt es im Beschluss des OVG. Das Gericht betonte, dass ein Freistellungsjahr für Schulleitungen sowie ihre Stellvertreter nicht gänzlich ausgeschlossen, „sondern bei Vorliegen besonderer Umstände im Einzelfall möglich“ sei. Die Ablehnung des Teilzeitanspruchs aufgrund dienstlicher Belange gelte nicht uneingeschränkt für alle Beamtinnen und Beamten. Weder im Gesetz noch in einem dazugehörigen Erlass seien Schulleiterinnen und -leiter vom Anspruch auf ein Sabbatjahr ausgeschlossen. Somit bestehe kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz, den die Kläger anführten. OVG Nordrhein-Westfalen vom 16. Juni 2011 – 6A 1185/10 und 6A 698/10 Foto: zplusz // Ob Lehrerinnen und Lehrer in leitender Funktion ein Freistellungsjahr antreten dürfen, entscheidet die Schulbehörde. Sie muss den Antrag nicht bewilligen, wenn kein Stellvertreter die Aufgaben übernehmen kann. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen bestätigt. // GEW-INTERN Gewerkschaftstag der GEW 2013 // Nordrhein-Westfalens Städte waren bisher drei Mal Standort für Gewerkschaftstage der GEW auf Bundesebene, letztmalig Essen 1993. 20 Jahre später – genauer: vom 12. bis 16. Juni 2013 – findet der nächste ordentliche Gewerkschaftstag in Nordrhein-Westfalen, diesmal in der Landeshauptstadt Düsseldorf, statt. // Wenige Monate vor den Bundestagswahlen treffen 432 ordentliche GEW-Delegierte und 100 GEW-Gastdelegierte im Congress Center Düsseldorf (CCD) zusammen, um über die bis dahin eingegangenen Anträge zu beraten, zu beschließen und den Geschäftsführenden Vorstand sowie die Bundesschiedskommission zu wählen. Vorschlag des GEW-Hauptvorstandes für die Besetzung des Präsidiums ­ des Gewerkschaftstages: Rixa Borns (Landesverband [LV] Nordrhein-Westfalen), Rosemarie Pomian (LV Berlin), Sabine Kiel (LV Niedersachsen), Jürgen Ebert (LV Baden-Württemberg), Marco Unger (LV Sachsen). Zusammensetzung der Antragskommission des Gewerkschaftstages: Uschi Kruse (LV Sachsen), Doreen Siebernik (LV Berlin), Maike Finnern (LV Nordrhein-Westfalen), Gerhard Jens (LV Schleswig-Holstein), Prof. Dr. Hans-Dieter Klein (LV Sachsen-Anhalt), Walter Otto-Holthey (LV Hessen), Rüdiger Heitefaut (LV Niedersachsen). Der GEW-Hauptvorstand hat bereits erste Weichenstellungen zur Vorbereitung des Gewerkschaftstages mit Beschlüssen zur Tagesordnung, Besetzung der Antragskommission und des Präsidiums getroffen. Der Wahlausschuss wird demnächst in „E&W“ über seine Konstituierung berichten. Antragsschluss für das Einbringen von Satzungsanträgen zum Gewerkschaftstag 2013 ist der 11. Dezember 2012, für sonstige Anträge der 1. Februar 2013. Antragsberechtigt sind die GEW-Landesverbände, die Bundesausschüsse der GEW sowie der Hauptvorstand. Ulrich Hinz, Geschäftsführer des GEW-Hauptvorstandes Vorschlag zur Tagesordnung des Gewerkschaftstages vom 12. bis 16. Juni 2013:  1. Eröffnung;  2.  insetzung der MandatsprüfungsE und Zählkommission;  3.  ericht der MandatsprüfungsB und Zählkommission;  4. Wahl des Präsidiums;  5. Beschluss über die Tagesordnung;  6. Mündliche Ergänzung des Geschäftsberichts;  7. Aussprache zum Geschäftsbericht;  8. Bericht der Revisionsgruppe/Entlastung;  9. Anträge zur Satzung; 10. Wahlen; 11. Anträge; 12.  insetzung des Wahlausschusses E für die nächste Wahlperiode; 13. Schlusswort. Deutsche ­Auslandsschulen GEW-Beiträge Rund 140 deutsche Auslandsschulen für Rentner werden gibt es weltweit. Wohin entwickeln sich diese im Spannungsfeld zwischen angepasst Marktwirtschaft und Gemeinnützigkeit? Sind Auslandsschulen in privatwirtschaftlicher Trägerschaft ein Zukunftsmodell oder eine Sackgasse? Diese Fragen will die GEW auf einer Fachtagung „Bildung als Privatsache?“ vom 23. bis 27. November 2012 mit ehemaligen Auslandslehrkräften und Experten aus P ­ olitik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaft diskutieren. Rückkehrer aus dem Auslandsschuldienst können für die Teilnahme an der Veranstaltung Dienstbefreiung beantragen. Mehr dazu unter: www.gew.de/Bildung_als_Privatsache.html Am 1. Juli werden die Renten für Senioren im Westen um 2,18 Prozent, im Osten um 2,26 Prozent erhöht. Die GEW passt analog die Mitgliedsbeiträge an. Die neuen Beiträge werden erstmals im Juli per Lastschrifteinzug abgebucht. Damit die Bildungsgewerkschaft weiterhin streik- und kampffähig bleibt und dabei noch stärker wird, braucht sie die ­ inanzielle Unterstützung ihrer Mitglieder. Das f schließt die ­ orrekte Beitragszahlung ein. k Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 43 44 Leserforum Berichtigung (E&W 6/2012), Seite 9 Bei dem Interview mit der Frankfurter Kindheitsforscherin Sabine Andresen „Individuelle Förderung kontra Gemeinsinn“ im E&W-JuniSchwerpunkt „Lernziel Solidarität“ ist uns leider ein Missgeschick mit dem Foto der Interviewpartnerin passiert. Statt des Fotos von Sabine Andresen haben wir das ihrer Namensvetterin Ute Andresen veröffentlicht. Wir bitten Sabine und Ute Andresen sowie unsere Leserschaft um Entschuldigung. Foto: dpa E&W-Redaktion Sabine Andresen „Sehr lesenswert“ (E&W 4/2012) Für mich war diese Ausgabe sehr lesenswert. Johannes Dahl, Medelby „Aus der Seele gesprochen“ (E&W 4/2012, Seite 2: Gastkommentar „Lehrkräfte – Eltern – Kinder“) Noch kein Gastkommentar hat mir derart aus der Seele gesprochen wie dieser und ich wünsche mir, dass jeder „Bildungspolitiker“ diesen Artikel mindestens zehnmal täglich lesen und das Gelesene sinngemäß wiedergeben muss! Vielleicht wird es dann auch d ­ iesen ewig phrasendreschenden, hohlköpfigen „Fachmännern und -frauen“ irgendwann einmal klar, dass es nicht immer nur um „Leistung“ ge­ hen kann, sondern auch soziale Kompetenzen wichtig sind. Und Mehr Zeit für Kommunikation dazu braucht es Lösungsweg: Erziehung und Wissenschaft | 7-8/2012 All e un Info GE d Ko s zu W m rT w -We mu arif w b ne r u w sit n n .g e a de ew u uf B .d nte de un e r: r d Erziehung & Wissenschaft 04/2012 Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW nicht nur guten Willlen, sondern vor allem finanzielle Mittel, damit die Schule endlich zum akzeptierten Lebensraum wird! Sonja Schuchmann (per E-Mail) „Schatten-Dasein“ (E&W 4/2012, Seite 12: „Begegnung auf Augenhöhe notwendig“) Da ich selbst als Erzieherin sowohl schon in Kitas als auch in der Offenen Ganztagsschule (OGGS) gearbeitet habe, musste ich feststellen, dass beide Einrichtungen sehr unterschiedlich sind. Während in der Kita ein pädagogisches Konzept besteht, das von vielen getragen wird, gibt es das in der OGGS nicht. Die Beteiligten haben kaum Berührungspunkte außer den Kindern, die den ganzen Tag da sind. Die Lehrerinnen sind vormittags da, die Erzieherinnen (soweit vorhanden) nachmittags und a ­ rbeiten meistens auf 400-Euro-Basis. Eltern sehe ich kaum. Ein pädagogisches Konzept für den Nachmittags­ bereich, das gemeinsam mit allen entwickelt wird: Fehlanzeige. Das liegt sicher auch daran, dass es keine Vor- und Nachbereitungszeit gibt, geschweige denn Teambesprechungen oder die Möglichkeit zur Teilnahme an Lehrerkonferenzen. Der ganze Tag ist durchstrukturiert im ¾-Takt und bietet kaum Freiraum und Entwicklungspotenzial für Kinder. Wichtigste Punkte scheinen das Mittagessen und die Hausaufgabenbetreuung. Ist das alles, was Eltern wollen? Nach eineinhalb Jahren ziehe ich das F ­ azit, dass für das System OGGS nichts getan wird, von keiner Stadt, keiner Partei und keiner Gewerkschaft. Wir führen ein Schatten-Dasein mitten u ­ nter euch. Katrin Disselhoff, Arnsberg „Nicht in dieselbe Kerbe“ Es geht doch nicht an, dass in der GEWZeitung in dieselbe Kerbe geschlagen wird, wie es von der Politik und von den Medien propagiert wird. „Hartz-IV-Familien tun sich schwer mit dem System Schule …“ Solche Statements dürfen nicht in einer Gewerkschafts-Zeitung vorkommen. Die E&WRedaktion sollte doch wissen, wie viele Menschen es mit Abitur, Fachabitur und Mittlerer Reife gibt, die länger als ein Jahr arbeitslos sind und in dieses u ­ nsägliche Teil „Hartz IV“ reinfallen. Arm sein – heißt nicht gleich dumm sein! Ursula Josefine Belitz-Überschär (per E-Mail) „Ärgerlich“ Wieder einmal wird wissenschaftlich bewiesen, dass unser dreiteiliges Schulsystem nicht in der Lage ist, Chancengleichheit herzustellen. Was mich ärgert ist die Tatsache, dass auch die GEW den Begriff „Inklusion“ vorwiegend als Integration gehandicapter, sprich behinderter, Kinder und Jugendlicher interpretiert. Inklusion bedeutet aber den Einbezug aller benachteiligten Menschen, also auch jener aus bildungsarmen Elternhäusern. Es wird Zeit, dass gerade die Bildungsgewerkschaft in diesem Sinne den Begriff auch interpretiert und von der Politik eine entsprechende Realisierung einfordert. Carlo Schulz (per E-Mail) „Studiengänge regelhaft a ­ usgelaufen“ (E&W 5/2012, Seite 26: E&W-Länderserie: Bremen) Alle Lehramtsund Diplomstudiengänge an der Universität Bremen sind im Zuetz? im N t ab geh Was ge des BolognaProzesses regelhaft ausgelaufen, es wurden neue Studiengänge im Bachelor-Master-Format entwickelt. Verantwortet von der Lehreinheit Inklusive Pädagogik (derzeit zwölf hauptamtlich Lehrende) an der Universität Bremen wird u. a. der Abschluss angeboten: „Master of Education: Lehramt Sonderpädagogik in Kombination mit dem Lehramt Grundschule (bzw. Erziehung & Wissenschaft 05/2012 Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW Soci „Schlussfolgerung“ (E&W 4/2012, Seite 16: „Schule traut armen Kindern wenig zu“) Bei sozialer Ungleichheit müsste doch die Schlussfolgerung für Lehrkräfte und Erziehende sein: alle Eltern regelmäßig zu Hause zu besuchen und vor Ort konkret die Entwicklung der Kinder zu besprechen und Fördermöglichkeiten zu vereinbaren. Carsten Kruse, Gera al M edia Leserforum Sekundarschule)“. Nähere Informationen unter http://www.fb12.uni-bremen.de/ de/inklusive-paedagogik.html. Prof. Simone Seitz, Universität Bremen, Arbeitsgebiet Inklusive Pädagogik Knirschende Zähne und rote Faust (E&W 5/2012, Seite 28: „Ineffizienter Gesetzesmurks“, und Seite 32: „Strukturfehler der Bundesrepublik“) Ursula von der Leyen zerknirscht? Da knirschen bei mir die Zähne! Und beim Denken an Kristina Schröder ballt sich bei mir mindestens eine Faust, wird marxrot und reckt sich in die Höhe. Wolfgang Stapp, Höchst „Ostdeutsche Erfahrungen nutzen“ (E&W-Berichterstattung zur Schulund Erziehungsdiskussion) Als ehemalige Lehrerin im Osten Deutschlands möchte ich mich zur Schul- und pädagogischen Diskussion in Ihrer Zeitschrift zu Wort melden. Ich bin der Meinung, dass man inzwischen auch einen Blick auf die Erfahrungen der DDR-Pädagogen werfen sollte. Ein interessantes, ehrliches Buch, geschrieben offensichtlich von einer Lehrerin, kann ich dazu sehr empfehlen: Edith R. Heller: „Bekenntnisse einer Roten Socke/Seele.“ Die DDR ist Vergangenheit. Es ist allerdings an der Zeit, 45 auch die pädagogischen Erfahrungen der Ostdeutschen kennen zu lernen und sie kritisch und kreativ zu nutzen. Gunhild Hoffmeister, Lehrerin, Gewinnerin dreier Olympischer Medaillen (München und Montreal), Berlin E&W-Briefkasten Postanschrift der Redaktion: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Postfach 900409, 60444 Frankfurt a. M., E-Mail: renate.koerner@gew.de Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zu kürzen. ANZEIGEN ...den Kopf wieder frei kriegen! · · · Selbstheilungskräfte anregen Burnout vorbeugen Gesundheit erLEBEN Die richtige Behandlung bei akuten und chronischen Schmerzen, bei vegetativen Störungen wie Erschöpfung, Schlafstörungen, Verdauungsproblemen uvm finden Sie im staatlich konzess. Sanatorium, beihilfefähig nach §23 und §40. 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