.. Erziehung & Wissenschaft 01/2013 Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW PrAvention Sexuelle Gewalt ist der beste Opferschutz Eva-Maria Nicolai Foto: privat 2 Gastkommentar Wachsam bleiben! Als zu Beginn des Jahres 2010 sexuelle Übergriffe in Schulen, Heimen und Internaten bekannt werden, ist die Öffentlichkeit in Deutschland schockiert. Nach fast drei Jahren intensiver Debatte in politischen Gremien und in den Medien ist ein ernüchterndes Resümee zu ziehen. Bereits seit vielen Jahren sind Expertinnen der Fachberatungsstellen bei der Analyse struktureller und arbeitsfeldspezifischer Risiken in Kitas, Schulen und Heimen hinzugezogen worden  – sowohl wenn es galt, Präventions- und Interventionsmaßnahmen im pädagogischen Alltag zu verankern, als auch, um Fälle von Kindesmissbrauch aufzuarbeiten. Die seit 2010 diskutierten Maßnahmen des Runden Tisches „Sexueller Kindesmissbrauch“ (s. Seite 6 ff.) messen in diesem Kontext der Arbeit der Fachberatungsstellen eine besondere Bedeutung bei, weil sie Institutionen helfen, trägerspezifische Schutzkonzepte für Mädchen und Jungen zu entwerfen, zu implementieren und weiterzuentwickeln. Als Dachverband spezialisierter Beratungsstellen können wir allerdings nicht erkennen, wie der Anspruch des Runden Tisches, präventive Maßnahmen flächendeckend in der Praxis zu initiieren, realisiert werden soll, sofern Bund und Länder dafür keine zusätzlichen Mittel bereitstellen. Unbefriedigend ist weiterhin, dass es noch immer keine Lösungen gibt, bedarfsgerechte, spezialisierte Beratungsangebote vor Ort zu sichern und weiter auszubauen. Auch für die Qualifizierung der Haupt- und Ehrenamtlichen im pädagogischen Bereich, die die Fachberatungsstellen auf lokaler Ebene übernehmen sollen, reichen die personellen Ressourcen nicht aus. Zwar rücken die Handlungsempfehlungen der Kultusministerkonferenz (KMK) vom 20. April 2010 den Bedarf an Fortund Weiterbildung ins Zentrum. Darin heißt es ausdrücklich, dass die Kooperation mit außerschulischen Partnern notwendig sei. Aber: Wer finanziert das? Wir können auch nicht verstehen, dass es rechtspolitisch trotz intensiver Debatten bisher nur wenige greifbare Ergebnisse gibt (s. Seite 16 f.). So liegt dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages seit Juni 2011 das Gesetz zur „Stärkung Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 der Rechte von Opfern sexuellen Missbrauchs“ (StORMG) vor. Doch getan hat sich bisher nichts. Ratsuchende, die im Zuge von Strafverfahren mehr Schutz und Beistand brauchen, fühlen sich mit Recht im Stich gelassen. Enttäuschend ist ebenfalls, dass die Möglichkeiten, Verjährungsfristen bzw. Ruhensregelungen* zu verlängern, nach wie vor ungeklärt sind. Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die am Runden Tisch vereinbarten Hilfen von grundsätzlich 10 000 Euro pro Antragsteller nicht direkt an die Betroffenen ausgezahlt werden. Eine unverbindliche Willenserklärung der politischen Entscheidungsträger nützt von sexueller Gewalt betroffenen Menschen nichts. Schließlich: In den vergangenen Jahren hat die Forschung zum Thema sexueller Missbrauch zwar deutlich zugenommen. Leider mangelt es aber noch immer daran, Theorie und Praxis besser zu verzahnen. Während Praktikerinnen und Praktiker vor Ort als wichtige Quellen für die Wissenschaft unverzichtbar sind, können diese kaum daran mitwirken, Ergebnisse umzusetzen. Fest steht: Um Mädchen und Jungen besonders auch im sozialen Nahraum zu schützen, sichere Orte für Kinder zu schaffen und Gewalterfahrungen aufzuarbeiten, brauchen wir die Bündelung aller gesellschaftlichen Kräfte sowie eine bessere finanzielle Ausstattung der Fachberatungsstellen. Die Öffentlichkeit ist zwar seit 2010 stärker gegen sexuellen Missbrauch sensibilisiert, doch muss dieser Prozess vor Ort und in den Institutionen konkretisiert werden. Denn Macht, Manipulation und Missbrauch von Vertrauen sind nach wie vor eng miteinander verwoben und verstellen zuweilen unseren Blick. Deshalb: Bleiben wir wachsam, sorgsam und hartnäckig! Eva-Maria Nicolai, Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft Feministischer Organisatio­ en n gegen sexuelle Gewalt an Mädchen und Frauen e. V. (BAG FORSA e. V.) *  er Lauf der Verjährungsfrist kann unterbrochen werden. D Dann ruht die Verjährung. Inhalt Schwerpunkt: Sexuelle Gewalt: Prävention ist der beste Opferschutz Seite 6 ff. Föderalismusdebatte: Bund und Länder pokern ums Geld  Headline Seite 26 Tarifrunde 2013: Mitgliederwerbekampagne: Beihefter in der Mitte der E&W Präm des M ie onats Foto: zplusz // Autor Einleitung. // Fließtext Seite Autor_klein Inhalt 5 Summary Gastkommentar Hochschule Wachsam bleiben! Seite  2 Impressum Seite  3 Auf einen Blick Seite  4 GEW-Herbstakademie: Tendenz: „Bildungsvermarktung“ Prämie des Monats Seite  5 Jugendhilfe Schwerpunkt: Sexuelle Gewalt 1.  nterview mit Johannes-Wilhelm Rörig: I „Alle profitieren von Schutzkonzepten“ 2. Wenn Männer Kinder begehren 3.  nterview mit Prof. Klaus Beier: I „Kein Täter werden“ 4.  ur Umfrage Prävention in Bildungseinrichtungen: Z Optimierungsbedarf! 5.  ilanz der Empfehlungen des Runden Tisches: B Zu wenig Geld und noch viel zu tun 6. Fortbildungsangebot reicht nicht aus Weiterbildung Kongress Schulsozialarbeit: „Bildung ist mehr als Schule“ Seite 34 1. Personalräte-Preis 2012: Gold, Silber, Bronze für GEWler 2.  arifrunde 2013: T Mehr Geld und Tarifvertrag für angestellte Lehrkräfte Seite 12 Gesellschaftspolitik Seite 16 Seite 18 Kinderarmut in den Metropolen: Brücken schlagen Gedenktag 27. Januar Seite 30 Seite 32 Seite 33 Seite  6 Seite  9 Bildungspolitik 1.  EW-Kommentar zu IGLU und TIMSS: G Der ignorierte Skandal 2.  rundschulleistungsvergleich: G Stillstand als Erfolg verkauft 3. Unterrichtsmaterialien: Gütesiegel für Propaganda 4.  EW-Kommentar zur Föderalismusdebatte: G Mehr Kooperation wagen! 5.  ankapfel Kooperationsverbot: Milliarden-Poker Z 6.  &W-Länderserie zur aktuellen Bildungspolitik: E Berlin: Vorsicht Baustelle! 1. Sonderburschentag: Weiter und heftiger rechtsrum 2. Herrschinger Kodex: „Debatte in die Hochschulen tragen“ Tarif- und Beamtenpolitik Seite 14 Seite 36 Seite 37 Seite 38 Opfer des NS-Rassismus Seite 40 Leserforum Seite 41 GEW-Intern 1.  GAL-Tagung: A Deutsche Auslandsschulen: teuer und exklusiv? 2.  7. Gewerkschaftstag der GEW: 2 Der Wahlausschuss informiert 3. MaiMeeting der GEW Seite 43 Seite 45 Seite 25 Seite 26 Diesmal Seite 48 Seite 28 Titel: Werbeagentur Zimmermann Seite 21 Seite 22 Seite 24 Seite 42 Impressum Erziehung und Wissenschaft Allgemeine Deutsche Lehrerzeitung · 65. Jg. Herausgeber: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft im Deutschen Gewerkschaftsbund Vorsitzender: Ulrich Thöne Redaktionsleiter: Ulf Rödde Redakteurin: Helga Haas-Rietschel Redaktionsassistentin: Renate Körner Postanschrift der Redaktion: Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt a. M., Telefon (069) 78973-0, Telefax (069) 78973-202, renate.koerner@gew.de Internet: www.gew.de Redaktionsschluss ist in der Regel der 7. eines jeden Monats. Erziehung und Wissenschaft erscheint elfmal jährlich. Gestaltung: Werbeagentur Zimmermann, Heddernheimer Landstraße 144, 60439 Frankfurt 3 Für die Mitglieder ist der Bezugspreis im Mitgliedsbeitrag enthalten. Für Nichtmitglieder beträgt der Bezugspreis jährlich Euro 7,20 zuzüglich Euro 11,30 Zustellgebühr inkl. MwSt. Für die Mitglieder der Landesverbände Bayern, Berlin, Brandenburg, Hessen, MecklenburgVorpommern, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen werden die jeweiligen Landeszeitungen der E&W beigelegt. Für unverlangt eingesandte Manuskripte und Rezensionsexemplare wird keine Verantwortung übernommen. Die mit dem Namen des Verfassers gekennzeichneten Beiträge stellen nicht unbedingt die Meinung der Redaktion oder des Herausgebers dar. Verlag mit Anzeigenabteilung: Stamm Verlag GmbH, Goldammerweg 16, 45134 Essen Verantwortlich für Anzeigen: Mathias Müller, Tel. (0201) 84300-0, Telefax (0201) 472590, anzeigen@stamm.de www.erziehungundwissenschaft.de, gültige Anzeigenpreisliste Nr. 38 vom 1. 5. 2012, Anzeigenschluss ca. am 5. des Vormonats E&W wird auf 100 Prozent chlorfrei gebleichtem Altpapier gedruckt. ISSN 0342-0671 Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 4 Auf einen Blick GEW-Ideenwettbewerb: Kinderarbeitsfreie Zonen Foto: Ulrike Bär 1300 GEW-Mitglieder und Eltern haben am Rande der zweiten Beratung des baden-württembergischen Doppelhaushaltes 2013/14 Ende vergangenen Jahres in Stuttgart gegen die Kürzungspolitik der grün-roten Landesregierung in der Bildung protestiert – vor allem gegen den geplanten Abbau von 2200 Lehrerstellen. Die Landesvorsitzende der GEW Baden-Württemberg, Doro Moritz, kündigte an, dass der neuen Regierung das gleiche Schicksal drohe wie CDU und FDP 2011: die Abwahl. Keller zum EGBW-Vizepräsidenten gewählt Beitragsanpassung für GEW-Mitglieder Der Abschluss in der Tarifrunde 2012 bringt für Angestellte des öffentlichen Dienstes bei Bund und Kommunen einen stufenweisen Gehaltszuwachs. Dieser wird im Januar und August 2013 fällig. Höheres Einkommen bedeutet allerdings auch, dass die Mitgliederbeiträge angepasst werden: im Osten wie im Westen seit Januar um 1,4 Prozent. Die Altersteilzeitbeiträge werden entsprechend angehoben. Auch die auf den Mindestbeitrag bezogenen Beiträge (Elternzeiten, ohne Gehalt beurlaubt, Anschlussmitglieder und Arbeitslose) erhöhen sich analog. Die Beitragsanpassung wird mit dem nächsten Lastschriftlauf ab Januar 2013 wirksam. Die GEW bittet alle Mitglieder, ihre Beiträge korrekt zu zahlen, nur so bleibt sie als Gewerkschaft kampfstark. Petra Grundmann, Schatzmeisterin der GEW Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 Foto: privat Jürgens-Pieper zurückgetreten Nach dem Streit um die Kürzungen im Schulbereich der rotgrünen Koalition in Bremen hat Bildungs- und Gesundheitssenatorin Renate Jürgens-Pieper (SPD) Ende 2012 ihr Ämter zur Verfügung gestellt. Anlass war der Umgang mit dem Defizit im Bildungshaushalt. Sie sei bereit gewesen, so Jürgens-Pieper, durch „Sparanstrengungen im Ressort einen erheblichen Teil der fehlenden Mittel selbst zu erwirtschaften“, berichtet die Deutsche Presse-Agentur (dpa). Die aus ihrer Sicht notwendigen zusätzlichen Mittel seien ihr jedoch nicht zugestanden worden. Die Konsequenz der Sparpolitik: Für einen Großteil der durch Pensionierung oder Altersteilzeit ausscheidenden Lehrkräfte werden keine neuen eingestellt. Der Rücktritt der Bildungssenatorin zeige, so die Bremer GEW, wie dramatisch die Situation der Lehrerversorgung selbst in der Bildungsbehörde gesehen werde. ✶ ✶ Wie können wir mehr Men✶ schen für das Thema Kinderarbeit sensibilisieren, fragt die GEW-Stiftung „Fair Childhood  – Bildung statt Kinderarbeit“. Deshalb hat die GEW einen Ideenwettbewerb ins Leben g ­ erufen, der das Thema in Schulen, Kitas und Hochschulen bekannt machen soll. Gesucht werden Ideen und Projekte, die zeigen, was jede Klasse, jeder einzelne Schüler, jede Lehrkraft und jeder Studierende dazu beitragen kann, Kinderarbeit zu unterbinden und ein bewusstes Konsumverhalten der Menschen in Deutschland zu entwickeln: Macht mit und bewerbt Euch mit Eurer Schulklasse, Eurem Verein, Eurem ­ eminar: S www.gew-ideenwettbewerb.de Andreas Keller, 46 Jahre, seit 2007 GEW-Vorstandsmitglied, ist zum Vizepräsidenten des Europäischen Gewerkschaftskomitees für Bildung und Wissenschaft (EGBW) gewählt worden. Keller erhielt als einer von sechs Vizepräsidenten die zweithöchste Stimmenzahl auf der Konferenz des EGBW in Budapest. „Nicht trotz, sondern gerade wegen der Finanz- und WirtAndreas Keller schaftskrise muss mehr Geld in Bildung investiert werden. Ausgaben für Bildung sind Investitionen in die Zukunft“, betonte Keller bei seiner Wahl. Rund 260 Vertreterinnen und Vertreter europäischer Bildungsgewerkschaften trafen sich in Budapest, um über öffentliche Bildung in Zeiten der Finanzkrise zu beraten und ein Arbeitsprogramm für die nächsten vier Jahre zu beschließen. Der EGBW vertritt 135 Lehrer- und Bildungsgewerkschaften mit rund 13 Millionen Mitgliedern in 45 Ländern Europas. Auf zur didacta nach Köln Vom 19. bis 23. Februar findet die Bildungsmesse d ­ idacta in Köln statt. Die GEW präsentiert sich mit zwei Ständen im Schul- und Kitabereich. Schauen Sie auf ein Getränk beim GEW-Stand vorbei oder besuchen Sie eine der Veranstaltungen der Bildungsgewerkschaft. An den GEW-Ständen mit dabei: das DGB-Projekt „Schule und Arbeitswelt“ sowie das Bildungs- und Förderungswerk der GEW. Die GEW freut sich auf Ihren Besuch! Schulbereich: Halle 6.1 am Stand E50, Kita­ bereich: Halle 7.1 am Stand E43 Weitere Infos unter: www.gew.de und www.didacta-koeln.de Mitmachen lohnt sich ... ... für jedes neu geworbene GEW-Mitglied erwartet Sie eine rote Retro-Uhr.* Prämie des Monats Januar: eine rote Retro-Uhr Neues Mitglied werben und Prämie online anfordern unter www.gew.de/Praemienwerbung.html *Dieses Angebot gilt nicht für Mitglieder der GEWLandesverbände Niedersachsen und Thüringen. Keine Lust auf unser Online-Formular? Fordern Sie den Prämienkatalog an! Per E-Mail: mitglied-werden@gew.de | Per Telefon: 0 69 / 7 89 73-211 Vorname/Name GEW-Landesverband Straße/Nr. Telefon PLZ/Ort E-Mail Bitte den Coupon vollständig ausfüllen und an folgende Adresse senden: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Reifenberger Straße 21, 60489 Frankfurt a. M., Fax: 0 69 / 7 89 73-102 Fax E&W-Prämie des Monats Januar 2013/Rote Retro-Uhr Bitte in Druckschrift ausfüllen. oder per Coupon: 6 Sexuelle Gewalt Der Startschuss für die Kampagne „Kein Raum für Missbrauch“ des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs ist am 10. Januar gefallen. Sexuelle Gewalt „Alle profitieren  von Schutzkonzepten“ E&W: Herr Rörig, wen wollen Sie mit Ihrer neuen Kampagne, die am 10. Januar gestartet ist, erreichen (s. S. 6)? Johannes-Wilhelm Rörig: Alle, die mit Kindern und Jugendlichen leben und arbeiten. Die Öffentlichkeit ist aufmerksamer geworden, aber jetzt müssen Schutzkonzepte auch konsequent angewendet werden. Was sollte man im konkreten Verdachtsfall tun? Das wissen viele nicht. Und hier setzt die Kampagne an: Wir möchten Eltern und Fachkräften eine Vorstellung davon vermitteln, was nötig wäre, und sie ermutigen, Schutzkonzepte in Einrichtungen nachzufragen. Dazu bieten wir vielfältige Materialien, Plakate, Postkarten und Informationsflyer an, aber auch Infoblätter mit Basisinformationen für Eltern und Fachkräfte. E&W: Was ist der Inhalt eines solchen Schutzkonzeptes? Rörig: Ein Leitbild und ein Verhaltens­ kodex sollten Bestandteile eines Schutzkonzepts sein. Verhaltenskodex meint, dass dieser bestimmte Verhaltensweisen als inakzeptabel benennt, eben weil diese hohe Risiken bergen. Ein Beispiel: Man muss regeln, ob eine Lehrkraft die Duschräume betreten darf, und wenn nein, welche Ausnahmen es von dieser Regel geben muss. Das heißt natürlich noch nicht, dass jemand, der sich entgegen den Vereinbarungen verhält, auch ein Kind missbraucht. Wichtig ist aber, Risiken zu analysieren, am besten zusammen mit einer Fachberatungsstelle: Wo hätten Täter leichtes Spiel? Ist die Schule offen, der Zaun kaputt? Haben die Duschräume Sichtwände? Sind die Toilettenwände durchgehend, so dass man nicht mit dem Handy von unten oder oben hineinfilmen kann? Sind die Schlösser heil? Und dabei ist zu berücksichtigen, dass Pädagoginnen und Pädagogen auch Kinder und Jugendliche altersangemessen einbeziehen und fragen, welche Gefahren sie sehen. E&W: Ein Jugendbetreuer sagte kürzlich, er traue sich gar nicht mehr, mit den Kindern im Schwimmbad zu toben. Er sei verunsichert. Rörig: Ja, gerade gegen diese Unsicherheit wollen wir etwas unternehmen: Quelle: www.beauftragter-missbrauch.de // Interview mit JohannesWilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) // Johannes-Wilhelm Rörig Kann ich ein Kind in den Arm nehmen, wenn es Trost braucht? Gewiss. Kann ich ihm im Sport Hilfestellung geben: klar. Daher profitieren von Schutzkonzepten alle: auch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, denn klare Regeln geben Orientierung. Es kommt nicht auf die persönlichen Einschätzungen an, ob bestimmte Verhaltensweisen bzw. Berührungen in Ordnung sind oder nicht. Das schützt auch vor falschen Verdächtigungen. Wir wollen professionelle Beziehungen von Nähe und Distanz – und keine Flucht nach vorn oder gar Hysterie. Neulich hörten wir von einer Schulklasse, in der es Mädchen und Jungen untersagt war, sich auf der Klassenfahrt zu berühren. Das ist unprofessionell. Jugendliche müssen auch ihre Sexualität entwickeln können. E&W: Wenn Lehrerinnen und Lehrer meinen, da stimmt etwas nicht mit einem Kind – was sollen sie dann tun? Rörig: Kinder oder Jugendliche zeigen uns mit einem veränderten Verhalten, dass es ihnen nicht gut geht. Ein Kind zieht sich in sich zurück. Oder es reagiert sehr aggressiv. Oder es meidet bestimmte Orte oder Menschen. Das alles können Hinweise auf sexuellen Missbrauch sein – aber auch auf andere Probleme. Deshalb heißt es als erstes: Ruhe bewahren. Es ist gut, wenn man dem Mädchen oder dem Jungen sagt, dass einem Veränderungen auffallen, dass man sich Gedanken macht. Ob es etwas gibt, was das Kind oder den Jugendlichen bedrückt. Und wenn ein Kind sich öffnet: ihm glauben. Es darf nicht sein, dass Lehrkräfte oder Erzieherinnen abwehren und meinen, das Kind denke sich etwas aus. Es ist wichtig, dass die Einrichtungs- oder Schulleitung informiert wird und über die nächsten Schritte entscheidet, beispielsweise ob die Polizei eingeschaltet werden muss. E&W: Das ist in der Vergangenheit häufig nicht passiert. Der Verdacht blieb vage, damals hat man die Täter geschützt. Wie soll sich das ändern? Rörig: Die Leitungen wissen oft nicht, was zu tun ist. Wir wollen, dass sie handeln können. Wenn sie unsicher sind, und das wird oft der Fall sein, sollten sie eine Fachberatungsstelle hinzuzieErziehung und Wissenschaft | 01/2013 7 8 Sexuelle Gewalt ng Erziehussenschaft i und W 6/2010 rift der Zeitsch erkschaft ngsgew GEW Bildu Das E&W-Heft 6/2010 zum Thema „Sexuelle Gewalt“ steht im OnlineArchiv der GEW zur Verfügung: www.gew.de –> GEW-Zeitschriften –> E&W-Archiv –> E&W-Archiv 2010 hen. Sie müssen in der Zwischenzeit das Mädchen oder den Jungen schützen. Deshalb wollen wir so dringend das Schutzkonzept einführen: Pädagogische Fachkräfte sollen wissen, was zu tun ist. Wann man etwa das Jugendamt oder die Polizei einschaltet. Oder wann man auch eine Kollegin oder einen Kollegen mit dem Verdacht konfrontiert. E&W: Den Fachberatungen (s. Gastkommentar Seite 2) weisen Sie eine zentrale Rolle zu. Aber viele arbeiten auf Spendenbasis oder mit befristeten Geldern. In vielen Gegenden gibt es solch eine Beratung nicht. Sind Sie da zu blauäugig? Rörig: Tatsächlich ist die personelle und finanzielle Ausstattung der Fachberatungsstellen prekär. Wir fordern, dass sie auf einer sicheren Grundlage arbeiten können und nicht einen Großteil ihrer Zeit damit verbringen müssen, Spenden und Projektmittel einzuwerben. E&W: Eine Kommune, etwa in Nordrhein-Westfalen, wird antworten, dass ihre Kassen leer sind, sie vielleicht sogar eine Haushaltssperre hat. Rörig: Das hat mich noch nie beeindruckt. Ich war neun Jahre lang als Abteilungsleiter für den Haushalt des Ministeriums zuständig. Es ist eine Frage des politischen Willens und der politischen Prioritätensetzung. Die Kommune muss den Bedarf identifizieren. Es ist so wichtig, Betroffenen akut eine adäquate Hilfe zu geben. Je früher eine Beratung und eventuell weitere Hilfe erfolgen, umso eher besteht die Chance, dass die Folgen weniger gravierend sind. Opferhilfefonds ist noch nicht eingerichtet! Viele Opfer sexueller Gewalt können keine Schadensersatzansprüche mehr geltend machen, weil die Tat längst verjährt ist. Doch möchten sie häufig psychologische Unterstützung in Anspruch nehmen – auch wenn die Krankenkasse diese nicht mehr übernimmt. Der Runde Tisch Kindesmissbrauch empfahl deshalb, ein „ergänzendes Hilfesystem“ in Form eines Hilfsfonds für Betroffene einzurichten. 100 Millionen Euro sollten Bund und Länder zusammen einzahlen. Die Hilfe sollten nicht nur Opfer von Missbrauch in Heimen oder Schulen in Anspruch nehmen dürfen, sondern auch Menschen, die das Verbrechen in ihrem Zuhause oder dem privaten Umfeld erlebt haben. Die Länder aber erhoben Einwände: Die Opfer familiären Missbrauchs sollten lieber höhere Ansprüche gegenüber den Krankenkassen geltend machen dürfen. Der Fonds ist daher noch nicht eingerichtet. Der Opferverband „gegen Missbrauch“ beklagt unter anderem deshalb, dass noch keine einzige Empfehlung des ­ unden ­ isches umgesetzt worden sei.  R T Oes Website des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des ­ exuellen s Kindes­ issbrauchs (UBSKM) mit allen Infos zur Kampagne: m www.beauftragter-missbrauch.de Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 E&W: Vergangene Missbrauchsfälle aufzuarbeiten, etwa bei der Odenwaldschule, verläuft mehr als schleppend. Wie kommt das? Rörig: Die Einrichtungen schauen nicht gern zurück in dieses ganz tiefe Loch. Die Aufarbeitung kann heilen, aber sie tut auch weh. Deshalb schauen sie lieber nach vorn. Manche Betroffene sagen, dass es eine „Flucht in die Prävention“ gibt. Wir müssen noch eine Menge Fragen beantworten. Beispielsweise: Wie geht der Staat mit den verjährten Fällen um? Wie mit dem Missbrauch in der Familie? Soll es da auch eine staatliche Anerkennung und Wiedergutmachung geben? All das ist noch offen. E&W: Die Gewaltexpertin Anita Heiliger vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) sagt, dass die Wahrnehmung des Gegenübers als bloßes Objekt auch in unser aller Vorstellung von männlicher Sexualität verankert sei. Müssen wir auch über männliche Sexualität reden? Rörig: Die meisten Taten verüben Männer. Wir unterscheiden zwei Tätertypen: die Pädosexuellen, die auf Kinder sexuell fixiert sind, sie stellen die kleinere Gruppe dar (s. Seite 9 f. und Seite 12 f.). Der überwiegende Teil sind Männer, die Macht und/oder Abhängigkeitsstrukturen missbrauchen, die Überlegenheit durch Sexualität suchen. Auch die sexuelle Gewalt unter Jugendlichen und Kindern nimmt stetig zu. 30 Prozent der Missbrauchsfälle sind sogenannte „peer to peer“-Fälle. Da werden der steigende Konsum von Pornografie und die zunehmende ­ exualisierte Ums gebung kompensiert, die diesen ObjektBlick in hohem Maße bedient. Das ist ein riesiges Problem, dessen Auswirkungen wir noch nicht absehen können. Wir stehen erst ganz am Anfang. Interview: Heide Oestreich, taz-Redakteurin Mitdiskutieren www.gew.de/ EundW.html Sexuelle Gewalt 9 lieben sie kinder mehr als ihnen lieb ist? es gibt hilfe! kostenlos und unter schweigepflicht. institut für sexualmedizin der charité, telefon: 030/450 529 450, www.kein-taeter-werden.de mit unterstützung von Mit dem Plakat „lieben sie kinder mehr als ihnen lieb ist?“ macht das Projekt „Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs im Dunkelfeld“ auf sein kostenloses Behandlungsangebot für pädophile Menschen aufmerksam. X000_420x297_Plakat_Lieben.indd 1 Wenn Männer Kinder begehren // Prävention ist Opferschutz. Das ist die Maxime eines bundes­ weiten Präventionsnetzwerkes, das pädophile Männer therapiert. Ein Standort ist in der Berliner Charité. // Frank H., 36 Jahre alt, ledig. Er lebt in Niedersachsen als Sozialarbeiter*. Seit der Pubertät ist ihm klar, dass Jungs ihn sexuell erregen. Zuerst verdrängt er das Gefühl, denkt: Das geht vorüber. Als er älter wird, merkt er, es sind immer wieder kleine Jungs, in die er sich verliebt, zehn bis zwölf Jahre alt. Weil er nicht weiß, was er machen soll, tut er nichts. Die Jungs lernt er irgendwie kennen, auf der Straße vor seinem Haus oder als Söhne von Eltern, mit denen er beruflich zu tun hat. Er fühlt sich hilflos und allein mit seiner Sehnsucht. Irgendwann fragen ihn Kumpels, ob er schwul sei, aber das ist ja nicht sein Problem. Er bemüht sich, junge Frauen kennenzulernen, obwohl er spürt, dass die ihn nicht interessieren. Die Beziehungen halten nicht lange. Frank zieht sich stärker in sich zurück. Im Kopf hat er nur Jungs. Das macht ihn total fertig. Im Fernsehen schaut er sich ausschließlich Sendungen mit Knaben an. Dann greift er zum Internet, sieht sich Kinderpornos an und findet das „scheiße“. Ein paar Mal hat er Körperkontakt zu Jungs, aber nie Sex. Durch einen Fernsehspot wird er auf das „Präventionsprojekt Dunkelfeld“ (PPD) der Berliner Charité aufmerksam. Männer wie Frank melden sich hier, weil sie pädophil sind und eine Therapie machen wollen. Und weil sie nicht mehr weiter wissen, aber erkannt haben, dass sie Hilfe brauchen. Und die finden sie im PPD. Ziel des Projektes, das der Sexualwissenschaftler und -mediziner Klaus Beier 2005 gegründet hat (s. Interview Seite 12 f.), ist der Opferschutz: Männer mit pädophilen Neigungen so zu therapieren, dass sie keine sexuelle Gewalt gegen Kinder mehr begehen. Der Handlungsbedarf ist groß: Laut Kriminalstatistik (PKS) sind in Deutschland 2011 insgesamt 12 444 Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs polizeilich bekannt geworden**. Das ist das sogenannte Hellfeld. Gegen 9485 Tatverdächtige wurde ermittelt – allerdings sind nicht alle Täter pädophil motiviert (Experten schätzen etwa 40 Prozent). Die Mehrzahl der tatsächlich verübten sexuellen Übergriffe auf Kinder wird nicht angezeigt und von Justiz oder Strafverfolgung nicht erfasst. Das „Dunkelfeld“, von dem die Kriminologie deshalb spricht, liegt um ein Vielfaches höher. Und nur, so Torsten Meyer vom Landeskriminalamt in Sachsen-Anhalt, bei eiErziehung und Wissenschaft | 01/2013 26.09.2008 11:20:06 Uhr 10 Sexuelle Gewalt nem Bruchteil der Sexualstraftäter würden Gutachten erstellt***. Aus Mangel an Experten oder aus Mangel an Geld. Es fehlt nicht nur an finanziellen Mitteln in diesem Sektor. Auch die Aus-, Fortund Weiterbildung im Bereich „Sexualität und ihre Störungen“ sei, so Prof. Hartmut Bosinski, Leiter der Sektion Sexualmedizin in Kiel, „definitiv unzureichend“. Sexualwissenschaft sei „der blinde Fleck im Medizinstudium“. Mittlerweile ist die Kieler Sektion von der Schließung bedroht. Kann sich die Gesellschaft das leisten? Die Rückfallquote bei pädophilen Tätern ist hoch: Sie liegt zwischen 50 und 80 Prozent****. Aus dem Charité-Projekt, das zuerst von der Volkswagenstiftung und seit 2008 bis einschließlich 2013 vom Bundesjustizministerium finanziert wird, ist das Präventionsnetzwerk „Kein Täter werden“***** entstanden, initiiert und koordiniert von Berlin aus mit Standorten in Kiel, Leipzig, Hamburg, Hannover und Regensburg. Aus allen Schichten Etwa 250 000 Männer in Deutschland im Alter zwischen 18 und 70 Jahren haben auf Kinder gerichtete sexuelle Fantasien und erfüllen die diagnostischen Kriterien einer Pädophilie******. Sie kommen aus allen sozialen Schichten, allen Berufsgruppen. 51,7 Prozent der Teilnehmer am Präventionsprojekt Dunkelfeld (PPD) besuchten mindestens elf Jahre lang Bildungseinrichtungen. Die Teilnahme an der Therapie ist freiwillig, jedoch an Voraussetzungen gebunden: Die Patienten dürfen in keinem aktuellen Ermittlungsverfahren stehen und sollen keine Bewährungsauflagen zu erfüllen haben. Die Bewerbung dürfe nicht vom Täter instrumentalisiert werden, sein (mögliches) Strafmaß zu mindern, erklärt Sexualtherapeut Gerold Scherner vom PPD. 30 Patienten sind zurzeit in Therapie. Sie treffen sich einmal pro Woche, sind in drei Gruppen aufgeteilt, betreut von je zwei Therapeuten. Seit 2005 haben rund 1800 Pädophile mit dem Projekt Kontakt aufgenommen. Wenn sich die Männer um einen Therapieplatz bemühen, sind sie im Schnitt Ende 30, also relativ alt. Es dauert, bevor sie sich melden, oft geht ein „Initiationsvorfall“ voraus. So wie bei Harald G.*, verheiratet, drei Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 erwachsene Söhne. Der 61-Jährige ist nicht ausschließlich pädophil, fühlt sich aber erotisch auch zu Mädchen hingezogen. 1998 hat er die minderjährige Tochter einer Freundin der Familie missbraucht. Wie er sexuell tickt, hat er erstmals im Alter von 24 Jahren gemerkt, als er leicht bekleidete Mädchen im Sommer aus seinem Fenster beobachtet und gespürt hat, dass ihn das sexuell anmacht. Es gibt niemanden, mit dem er danach über seine Situation reden kann. Er glaubt, er sei „verrückt“. „Schuld- und Schamgefühle“, so Scherner, „belasten die Patienten im Alltag stark.“ Auch Frank H. Die ewige Grübelei über sich und sein Leben macht ihn fertig. Als er sich um einen Therapieplatz im Präventionsprojekt bewirbt, vermag er zum ersten Mal offen über seine sexuellen Fantasien zu reden, ohne dass er sich verurteilt fühlt. Mittlerweile weiß er: Seine sexuelle Vorliebe lässt sich nicht auflösen, nicht heilen. Aber einen verantwortungsbewussten Umgang damit kann er einüben. Davon sind die Therapeuten des „Dunkelfelds“ überzeugt. Vorausgesetzt, der Teilnehmer lasse sich helfen und lerne, „die Ampel im Kopf“ einzuschalten, wenn Kinder in der Nähe sind. Zum Beispiel nicht ins Schwimmbad zu gehen, wenn er nicht stabil ist. Der verhaltenstherapeutisch orientierte Ansatz im PPD basiert auf drei Säulen: Es geht darum, die Fähigkeit zur Selbstbeobachtung zu fördern, ebenso die Einsicht, welche S ­ ignale des Kindes missverstanden werden könnten sowie Empathie mit einem möglichen Opfer zu entwickeln. Das Angebot einer Nachsorge nach Ende der einjährigen Therapie hat die Charité inzwischen einstellen müssen, weil die zusätzliche Förderung durch die VW-Stiftung 2011 auslief. In allen Standorten des Präventionsnetzwerkes „Kein Täter werden“, die nach dem selben Konzept arbeiten, das Therapie mit Forschung verbindet*******, erhalten pädophile Männer die Chance, ihre sexuelle Orientierung verantwortungsbewusst in ihr Leben zu integrieren. Was nicht einfach ist. Aber es gelingt. Die Zahl der Patienten, die im Anschluss an die Therapie rückfällig waren, sei sehr gering (etwa zehn Prozent). Das gelte zumindest für „das Risiko direkter Übergriffe“, gibt Scherner an. Eine Mehrzahl der Männer hat nach der Therapie gelernt, ihr Verhalten in Grenzen zu halten. Dabei hilft die Unterstützung durch Angehörige und Freunde im Alltag. Doch nicht alle haben ein emotional stabiles und aufgeschlossenes soziales Umfeld. Harald hat Glück, er war mit seinem Problem nicht alleine, konnte sich seiner zweiten Frau anvertrauen. Sie regelt seitdem seinen Zugang zum Internet, damit er nicht wieder in Versuchung gerät, kinderpornografische Seiten im Netz aufzusuchen. Durch die Therapie im Präventionsprojekt ist ihm klar geworden, dass nicht nur der direkte Übergriff auf Kinder, sondern auch die Nutzung kinderpornografischer Dar­ tellungen ein Missbrauch s ist. Inzwischen sieht er ein, was das „für eine ­ nsägliche Quälerei für die Kinder u ist“, die dafür missbraucht werden. Das hat er früher so nicht erkannt, „weil ich mich als Abhängiger gefühlt habe“. Auch Frank weiß, dass sein Problem mit Alkohol und Verdrängen nicht besser wird. Er hat Aussicht auf einen Therapieplatz im PPD. Er will irgendetwas ­ achen, damit m er nicht irgendwann etwas macht, was er später bereuen würde. Helga Haas-Rietschel, Redakteurin der E&W * Audiomitschnitt von Patienten des Berliner Standortes des PPD, Namen geändert, Stimmen verfremdet und von den Betreffenden freigegeben ** Angaben des Bundesamtes für Justiz *** aus: NDR-Dokumentation „Das missbrauchte Kind“ und „Das Kind als Sexobjekt“, 2010 **** Quelle: Klaus Beier, Kurt Loewit: Praxisfaden Sexualmedizin: Von der Theorie zur Praxis, Springer Verlag Berlin 2011 *****www.kein-taeter-werden.de ******Quelle: PPD, Berliner Charité *******Es gibt andere Initiativen, die aber nicht Teil des Präventionsnetzwerkes sind, z. B.: http://bios-bw.de Mitdiskutieren www.gew.de/ EundW.html K1 Hotel Uvala Scott 12 Sexuelle Gewalt „Kein Täter werden“ E&W: Herr Beier, sind Pädophile per se „Kinderschänder“, wie die „Stamm­ tische“ meinen? Klaus Beier: Nein. Zunächst einmal muss man sich klar machen, dass nicht alle sexuellen Übergriffe von Pädophilen begangen werden. Pädophilie ist eine sexuelle Präferenzstörung. Die Betroffenen sind sexuell-erotisch durch den kindlichen Körper ansprechbar. Den vorliegenden Daten zufolge sind ungefähr 40 Prozent der Taten auf e ­ inen pädophilen Motivationshintergrund zurückzuführen. Etwa 60 Prozent sexueller Übergriffe sind sogenannte Ersatzhandlungen. Das heißt, die Täter sind eigentlich sexuell auf erwachsene Sexualpartner ausgerichtet, begehen aber Kindesmissbrauch, beispielsweise aufgrund einer Persönlichkeitsstörung. Also: Nicht jeder Pädophile begeht einen Missbrauch und nicht jeder Sexualstraftäter ist pädophil. E&W: Weiß man, warum sich solche Triebimpulse in der Adoleszenz entwickeln? Beier: Nein, weil derzeit noch nicht bekannt ist, wie sich die sexuelle Präferenzstruktur in einem Menschen genau ausbildet. Hierbei handelt es sich um sehr komplexe Mechanismen in einem Zusammenspiel biologischer und psychosozialer Einflussfaktoren, die nicht an einem einzigen Ort im Gehirn ab­ laufen. E&W: Wann wird die Grenze zum Handeln überschritten? Beier: Ganz einfach: Wenn es zu sexuellen Handlungen von, an und vor Kindern kommt. Und wenn man sich Bilder anschaut, auf denen Missbrauchshandlungen zu sehen sind. Deshalb wirbt unser Projekt auch mit dem Slogan „Damit aus Fantasien keine Taten werden“, was zugleich unser Behandlungsziel ist. Um das zu erreichen, werden sexualmediziErziehung und Wissenschaft | 01/2013 Foto: Matthias Lüdecke // Interview mit dem Sexualmediziner Prof. Klaus Beier über pädophile Männer und die Chancen, durch therapeutische Angebote sexuelle Gewalt gegen Kinder zu verhindern // Klaus M. Beier ist Leiter des Instituts für Sexualwissenschaft und -medizin der Berliner Charité und Begründer des Präventions- und Forschungsprojektes „Prävention sexuellen Kindesmissbrauchs im Dunkelfeld“. nische, psychotherapeutische und medikamentöse Optionen genutzt. Nach derzeitigem Forschungsstand ist die sexuelle Präferenz jedoch nicht zu verändern. Eine Pädophilie bleibt lebenslang bestehen. Umso mehr ist eine dauerhafte Verhaltenskontrolle anzustreben und unserer Erfahrung nach auch zu erreichen. E&W: Wie groß ist die Gruppe derer, die sich bemühen, ihre Neigung beherrschen zu können? Beier: Genaue Zahlen dazu gibt es nicht. Die Männer, die zu uns kommen, bemühen sich in der Regel alle, ihre Neigung zu kontrollieren. Sie suchen aktiv Hilfe, um nicht übergriffig zu werden. Natürlich gibt es auch pädophile Männer, die wir mit unserem Projekt nicht erreichen, weil sie keine Verantwortung übernehmen wollen oder sogar die Position vertreten, dass sexuelle Interaktionen zwischen Erwachsenen und Kindern keinen Schaden verursachen würden. Das sind natürlich rein interessensgeleitete Auffassungen. E&W: Was verstehen Sie darunter? Beier: Es handelt sich um Wunschdenken, wenn ein pädophiler Mann zu dem Schluss kommt, dass es Kinder oder Jugendliche gibt, die seine Berührungen in Ordnung finden. Dazu kommt er aber, weil er nicht akzeptieren will, dass er seine Neigung nicht ausleben darf, ohne Kinder zu schädigen. Das ist eine klas­ sische Selbstrechtfertigungsstrategie, die sicherlich auch durch die leicht abrufbaren Angebote an Missbrauchsabbildungen im Internet gefördert wird. Hierbei wird verkannt, wie die kindliche Entwicklung verläuft und wie sehr Kinder auf den Schutz durch Erwachsene angewiesen sind. Sie müssen darauf vertrauen können, dass Erwachsene die Interessen der Kinder, nicht die der Erwachsenen vertreten. Geschieht dies nicht, wird ihr Vertrauen missbraucht. E&W: Das Projekt heißt „Präventionsprojekt Dunkelfeld“. Warum und was ist das „Hellfeld“? Beier: Experten sind sich einig, dass der weitaus größere Teil sexueller Übergriffe nicht justizbekannt (s. Bericht S. 9), also im sogenannten Dunkelfeld verübt wird. Davon entfällt wiederum ein Teil auf Täter mit pädophiler Neigung. Diese sollte man so früh wie möglich durch präventive Angebote ansprechen – be- Sexuelle Gewalt 13 Zurück ins Leben Hilfe bei Depressionen, Sucht, Burn-out und Angsterkrankungen nahe kommt, dass dies für ihn zum Problem wird. Ich glaube nicht, dass ein junger Mann nach dem Abitur die Entscheidung trifft, aufgrund seiner pädophilen Neigung Pädagogik zu studieren. Die Auseinandersetzung verläuft ja oft über viele Jahre, in denen der Betroffene zunächst versucht, die Bedeutung seiner Fantasien vor sich selbst herunterzuspielen, oder hofft, dass diese wieder verschwinden. Doch irgendwann muss er erkennen, dass dem nicht so ist. Dann ist die Berufswahl bei den meisten aber schon abgeschlossen. E&W: Welche Mädchen und Jungen sind besonders empfänglich für pädophil motivierte Annäherungen? Beier: Es sind meist Kinder, die sich nach Aufmerksamkeit, Akzeptanz und Zuwendung sehnen. Emotionale Defizite begünstigen soziale Interaktionen mit Erwachsenen, in denen sie vorgeblich Anerkennung und Zuspruch erfahren, was ihnen Männer mit pädophiler Neigung gerne geben. Auf diese Weise entwickeln sich zunächst eine soziale Bindung und ein Vertrauensverhältnis bis es zum Missbrauch kommt. Diesem kann sich das Kind aufgrund bestehender Bindung dann nur schwer entziehen. Der beste Schutz dagegen besteht folglich, wenn ein Kind emotional stabil ist, weil es sich von der Familie geliebt fühlt. E&W: Wie soll die Gesellschaft mit dem Problem umgehen? Beier: Die Antwort der Gesellschaft muss sein, dass sie niemanden aufgrund seiner sexuellen Neigung verurteilt, aber jene bestraft, die Kinder sexuell traumatisieren oder Bildmaterialien nutzen, auf denen solche Traumatisierungen zu sehen sind. Interview: Helga Haas-Rietschel, Redakteurin der E&W Beratung und Information (kostenfrei) 0800 32 22 322 Wir bieten schnelle und nachhaltige Hilfe durch hochintensive und individuelle Therapien für Privatversicherte und Beihilfeberechtigte. Im Vordergrund des Heilungsprozesses steht das emotionale Profil und der achtsame Umgang mit den inneren Ressourcen unserer Patienten. Die Kliniken haben einen hervorragenden Ausstattungsstandard. Eine Sofortaufnahme ist jederzeit möglich – auch im akuten Krankheitsstadium. Wir unterstützen Sie bei der Klärung der Kostenübernahme. www.oberbergkliniken.de Die Standorte: Berlin/Brandenburg, Schwarzwald, Weserbergland mit freundlicher Genehmigung der Karl Valentin-Erbin hinsichtlich des Original Karl Valentin-Zitates »Kunst ist schön, macht aber viel Arbeit« vor sie Übergriffe begehen. Unsere Erfahrungen zeigen, dass wir diese Gruppe mit unserem Angebot erreichen können. Denn die, die sich Hilfe holen wollen, und nur über die reden wir, öffnen sich in der Therapie und wollen lernen, ihre sexuellen Fantasien nicht umzusetzen. Deshalb geht es im Verlauf der Therapie darum, die Veranlagung zu akzeptieren, Opferempathie zu entwickeln und Risikosituationen rechtzeitig zu erkennen. E&W: Sie unterscheiden Pädophilie, Hebephilie und Pädosexualität – was sind die Unterschiede? Beier: Pädophilie bezeichnet eine anhaltende sexuelle Erregbarkeit durch Kinder, die sich in ihrer körperlichen Entwicklung vor dem Beginn der Pubertät befinden – im Allgemeinen im Alter von zehn oder elf Jahren. Von Hebephilie sprechen wir, wenn eine solche Erregbarkeit durch Kinder und Jugendliche hervorgerufen wird, deren körperliche Entwicklung bereits Merkmale der Pubertät aufweist, ungefähr zwischen elf und 14 Jahren. Pädophilie ist also die sexuelle Neigung. Pädosexualität meint hingegen sexuelle Handlungen mit Kindern, unabhängig davon, ob sie von einem pädophilen oder einem nicht pädophilen Täter begangen werden. E&W: Engagieren sich Pädophile verstärkt im pädagogischen Bereich? Beier: Dazu gibt es keine belastbaren Zahlen. Wenn wir uns die Berufe unserer Patienten anschauen, ist hier allerdings eine gewisse Häufung zu erkennen – die Übernahme von pädagogischen Aufgaben im Ehrenamt miteingerechnet. Es besteht ja auch ein besonderes Interesse der Betroffenen an der kindlichen Welt. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sie auch übergriffig werden. Oft spürt der Betroffene auch erst dann, wenn er Kindern durch die Arbeit sehr Konflikte friedlich regeln, Gewalt ohne militärische Mittel eindämmen: Das ist das Ziel des Zivilen Friedensdienstes (ZFD). Daran arbeiten mehr als 250 ZFD-Fachkräfte in über 40 Ländern. Für politische Bildung und Friedensarbeit hat der ZFD eine Posterausstellung, Informations- und Unterrichtsmaterialien entwickelt, die Sie online bestellen können: www.ziviler-friedensdienst.org Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 Noch nicht genug: In einer bundesweiten Umfrage des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs gibt knapp die Hälfte der befragten Kinder- und Jugendeinrichtungen an, Fortbildungsangebote zum Thema sexueller Missbrauch für Beschäftigte zu machen. Über Aufklärungsmaterial für Kinder und Jugendliche verfügt ebenfalls nicht einmal die Hälfte. Optimierungsbedarf! // Bislang setzt sich die Hälfte der Kitas und anderen Kinderund Jugendeinrichtungen mit den Empfehlungen des Runden Tisches zum Thema sexuelle Gewalt gegen Mädchen und Jungen auseinander. Das ist das Ergebnis einer bundesweiten Umfrage des Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) über Schutz- und P ­ räventionskonzepte in Bildungseinrichtungen. // 58 Prozent der Einrichtungen haben derzeit einen Ansprechpartner für das Thema sexueller Missbrauch von Kindern. Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 Knapp die Hälfte (43 Prozent) hat Verhaltensregeln vereinbart und 48 Prozent bieten Fortbildungsangebote für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Aufklärungsmaterialien für betreute Kinder und Jugendliche gibt es in 46 Prozent der Einrichtungen. Insgesamt gaben 61 Prozent der befragten Kitas, Internate, Heime und Sportvereine an, über Präventionsmaßnahmen oder -konzepte zu verfügen. Weitere 17 Prozent planen entsprechende Maßnahmen. „Vorsichtig optimistisch“ „Vorsichtig optimistisch“ beurteilt der Unabhängige Beauftragte JohannesWilhelm Rörig den Sachstand gut ein Jahr (s. Interview S. 6 ff.), nachdem der Runde Tisch seine Empfehlungen veröffentlichte, um die Zahl der Missbrauchsfälle zu senken. Zu den Forderungen des Runden Tisches gehört auch jene nach Präventions- und Schutzmaßnahmen in allen Einrichtungen und Vereinen, die mit Bildung, Pflege, Betreuung oder Freizeit von Kindern und Jugendlichen zu tun haben – etwa Handlungsleitlinien bei Bekanntwerden von Missbrauchsfällen einzuführen oder Ansprechpartner für Missbrauchsopfer zu ernennen. Die bundesweite Erhebung des UBSKM ist der erste Teil eines Monitorings, mit dem der Beauftragte die Fortschritte der von der Expertenrunde geforderten Maßnahmen überprüfen will. Eine zweite Befragung soll es in der ersten Foto: dpa 14 Sexuelle Gewalt Sexuelle Gewalt 15 Der neue Jahreshälfte 2013 geben. Diese soll die lokale Ebene stärker in den Blick nehmen. In der ersten Umfrage wurden im Sommer 2012 mehr als 12 000 inhaltlich jeweils auf die einzelnen Bereiche zugeschnittene Fragebögen online verschickt. Gefragt hat der UBSKM etwa nach bereits bestehenden oder geplanten Maßnahmen, auch danach, welche Fachkräfte beteiligt sind. Der Rücklauf lag zwischen 95 Prozent bei den evangelischen Landeskirchen und drei Prozent bei Kinder- und Jugendreiseanbietern. Halb leer? Es ist fast irritierend, wie oft im Rörig-Bericht die Angabe 50 Prozent auftaucht. Ist das Glas nun halb leer oder halb voll? Vergleichszahlen zur UBSKM-Erhebung aus früheren Jahren – vor dem Erscheinen des Empfehlungskatalogs des Runden Tisches – gibt es nicht. Die aktuelle Umfrage lässt deshalb nicht erkennen, was seither geschehen ist. Aufschlüsse darüber, was noch passieren sollte, lässt sie allerdings zu. So hat bislang nur etwa jede dritte befragte Institution in ihrem Arbeitsfeld eine Risikoanalyse erstellt. Mit dieser soll geklärt werden, welche Faktoren Missbrauchsfälle begünstigen. Und nur etwa jede vierte Einrichtung gab an, Verfahren entwickelt zu haben, um Missbrauchsfälle aufzuarbeiten. Dem müssten Kitas, Vereine oder Internate künftig einen höheren Stellenwert beimessen, resümiert Rörig: „Auch ohne reale Fälle sexuellen Missbrauchs.“ Eltern stärken Nach wie vor sei es so, sagt die Landshuter Pädagogik-Professorin Mechthild Wolff, Vorsitzende des Fachbeirats des UBSKM, „dass die Institutionen, die sehr weitreichende Prozesse eingeleitet haben, meist die sind, in denen Missbrauchsfälle vorkamen“. Möglicherweise wähnten sich etwa die Anbieter von Ferienfreizeiten „diesbezüglich noch mehr in Sicherheit“, vermutet sie. „Deshalb ist es eines unserer Anliegen, Eltern zu stärken, ihre Interessen einzubringen“, betont Wolff: „Gerade in den Bereichen, die sie direkt finanzieren, können sie nachfragen, inwiefern der Bildungsträger über Präventionskonzepte verfügt.“ Doch gerade mit Blick auf die Eltern enthüllt das Monitoring Defizite: Nur in zwölf Prozent der befragten Bildungsstätten sind sie an Präventionsmaßnahmen beteiligt. Auch Kinder und Jugendliche wirken eher selten mit: In nur 23 Prozent der Einrichtungen ist das der Fall. Zudem stellt der UBSKM-Bericht fest: Dort, wo es bereits Aufklärungs- und Informationsangebote für Kinder und Jugendliche gibt, werde überwiegend auf „Angebote zur Förderung von Selbstvertrauen und Körperwahrnehmung“ oder Selbstverteidigung gesetzt. Direkte „Thematisierung von Fragen zu sexualisierter Gewalt findet bisher eher selten statt“, heißt es im Bericht. Auch hier konstatiert Pädagogin Wolff Optimierungsbedarf: Prävention finde häufig über „einmalige Aktionen wie Theaterstücke oder Ähnliches statt“. Es mangele noch „an langfristigen pädagogischen Konzepten, Sexualität zu behandeln“, so Wolff: „Sexualpädagogik ist auch nicht überall selbstverständlicher Bestandteil pädagogischer Ausbildung. Das ist ein Mangel.“ Allerdings: Die Bereitschaft, Kinder und Jugendliche besser vor sexueller Gewalt zu schützen, sei groß, stellte Rörig bei der Präsentation der Ergebnisse fest. Die Teilnahme vieler Institutionen zeige, dass das Thema „in der Gesellschaft ernsthaft aufgenommen“ werde. Doch: „Die Umsetzung der Empfehlungen des Runden Tisches ist bis heute nicht zufriedenstellend“, so sein Fazit: „Schutzkonzepte gegen sexuellen Kindesmissbrauch müssen selbstverständlich zum Qualitätsstandard aller Institutionen gehören.“ Bis dahin ist noch viel zu tun. Alke Wierth, taz-Redakteurin Alleskönner! Kompakt und informativ – das neue Magazin der bpb Mit Veranstaltungen, Publikationen, Unterrichtsmaterialien und Interviews zu Themen aus Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur. Im Oktober 2012 erschienen: Ausgabe #2. www.bpb.de/magazin, magazin@bpb.de Ich möchte das bpb:magazin kostenlos abonnieren. Bitte senden Sie es an folgende Adresse: Name / Vorname Straße / Hausnummer Postleitzahl / Ort E-Mail Mit der Übersendung Ihrer Daten stimmen Sie zu, dass Ihre personenbezogenen Daten im Rahmen der Aboverwaltung gespeichert werden. Wir versichern Ihnen, dass die Angaben ausschließlich im Rahmen der Aufgaben der bpb und keinesfalls für kommerzielle Zwecke verwendet werden. Senden Sie diesen Abschnitt an: Bundeszentrale für politische Bildung Stabsstelle Kommunikation Adenauerallee 86 53113 Bonn Sie können das bpb:magazin auch abonnieren unter: www.bpb.de/magazin, magazin@bpb.de Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 16 Sexuelle Gewalt Zu wenig Geld und noch „Bis heute bleiben die meisten Opfer sexuellen Missbrauchs ohne die notwendige Beratung und therapeutisch wirksame Hilfen“, bemängelt etwa Ursula Enders vom Kölner Opferberatungsverein Zartbitter, die die Beratungseinrichtungen im Fachbeirat des „Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs“ (UBSKM) vertritt. Immer noch müssten mangels ausreichender Finanzierung viele Fachberatungsstellen Personal abbauen, so Enders. „Stück für Stück“ brächen Beratungsangebote deshalb weg. Auch die Frankfurter Pädagogik-Profes- rhein-Westfalen, vier in Sachsen-Anhalt und drei in Brandenburg. Dabei war der flächendeckende Ausbau von Beratungsangeboten für Opfer sexueller Gewalt und deren „kontinuierliche finanzielle Absicherung“ eine der zentralen Forderungen, die der Runde Tisch in seinem Ende November 2011 vorgelegten Abschlussbericht* gestellt hatte. Auf 60 Seiten hat das im März 2010 von der Bundesregierung einberufene Gremium unter dem Vorsitz gleich dreier Bundesministerinnen – Annette Schavan (CDU, Bildung und Forschung), Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP, Justiz) und Kristina Schröder (CDU, Familie, Senioren, Frauen und Jugend) – Empfehlungen zur Verbesserung von Beratung, Betreuung und Entschädigung von Opfern sexuellen Missbrauchs, zu Strafverfolgung und Prävention sowie zum Ausbau von Forschung und Qualifizierungsmaßnahmen in dem Themenfeld formuliert. Foto: privat Hilfesystem für Opfer Ursula Enders vom Kölner Opferberatungsverein Zartbitter: „Bis heute bleiben die meisten Opfer sexuellen Missbrauchs ohne notwendige Beratung und therapeutisch wirksame Hilfen.“ sorin Sabine Andresen, als Vorstandsmitglied des Deutschen Kinderschutzbundes ebenfalls im Beirat des UBSKM, sieht in der finanziellen und qualitativen Ausstattung der Beratungsstellen eine „nach wie vor ganz zentrale Frage“: Vor allem in ländlichen Gebieten sei das Angebot noch nicht ausreichend, so Andresen. Von bundesweit 363 Beratungsstellen arbeiten rund 60 in NordErziehung und Wissenschaft | 01/2013 Neben einem besseren Beratungsangebot gehört dazu z. B. der Aufbau eines Hilfesystems für Menschen, die in der Vergangenheit Opfer sexuellen Missbrauchs waren. Bund, Länder und Kommunen sowie „die Institutionen, in deren Verantwortungsbereich Missbrauch stattgefunden hat“, sollten, so das 70-köpfige Gremium, ein Hilfesystem zur Unterstützung der Betroffenen einrichten, das nicht Geld-, sondern Sachleistungen biete – beispielsweise ein über das von den Krankenkassen finanzierte hinausweisendes Angebot von Therapiestunden oder Qualifizierungshilfen für Missbrauchsopfer, die wegen früher erlebter sexueller Gewalt als Erwachsene Schul- oder Berufsabschlüsse nachholen müssen. Um Prävention und Intervention bei sexuellem Missbrauch zu verbessern, sollten sich Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder und Jugendliche Leitlinien für ihr Handeln geben, lautet eine Empfehlung – und sie sollten nur, wenn sie diese Bedingung erfüllen, öffentliche Förderung erhalten. Zudem sollen sie Ansprechpartner ernennen und sich von Beschäftigten und ehrenamtlich Tätigen nicht nur bei der Einstellung, sondern Foto: Kay Henschelmann // Unterfinanzierte Beratung, fehlende Therapieplätze, schleppend arbeitende Ministerien: Ein Jahr nach der Veröffentlichung der Empfehlungen des Runden Tisches sexueller Kindesmissbrauch ziehen Teilnehmer und Experten eine kritische Bilanz. // GEW-Jugendhilfeexperte Norbert Hocke konstatiert, das Justizministerium komme mit der Ausarbeitung von Entschädigungsgesetzen „nur sehr langsam voran“. „in regelmäßigen Abständen“ erweiterte Führungszeugnisse vorlegen lassen. „Leitlinien zur Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden“ sollten verhindern, dass Fälle sexuellen Missbrauchs „aus Eigeninteresse der Institution vertuscht oder aus Nachlässigkeit nicht weiter verfolgt werden“. Leistungen rasch gewähren Großen Handlungsbedarf sah der Runde Tisch auch beim Thema Opferschutz und -beratung: Im Sozial- und Gesundheitssystem bereits vorgesehene Hilfsund Unterstützungsangebote müssten transparenter, Leistungen schneller gewährt, Verjährungsfristen verlängert wer­ en. Opferschutz in Strafverfahren d sei – etwa durch die Vermeidung von Mehrfachvernehmungen – zu verbessern. Zudem seien bundesweit „einheitliche Mindeststandards“ bei der psychosozialen Begleitung von Opfern bei Gerichtsprozessen „wünschenswert“, heißt es im Abschlussbericht. „Die opferfeindliche Arbeitsweise vieler Strafverfolgungsbehörden hat sich bisher nicht verändert“, stellt jedoch ein Jahr nach der Veröffentlichung dieser Forderungen Opferberaterin Enders fest. Ein entsprechender Gesetzentwurf zu opferschonenden Verfahren im Sexuelle Gewalt 17  viel zu tun Foto: DKSB Bundesverband e. V. Strafprozess schlummere „in den Schreibtischen der Parlamentarier“. Die Umsetzung der Maßnahmen laufe „in den verschiedenen Ministerien sehr unterschiedlich“, konstatiert auch Norbert Hocke, der als GEW-Vorstandsmitglied am Runden Tisch saß. Im Familienministerium, wo die zeitgleich mit dem Runden Tisch 2010 von der Bundesregierung eingerichtete Stelle des Unabhängigen Beauftragten angesiedelt ist, laufe es „sehr gut“, so Hocke. Das Justizministerium dagegen komme z. B. mit der Ausarbeitung von Entschädigungsgesetzen „nur sehr langsam voran“. Auch Sabine Andresen kritisiert, dass „in Fragen der Verjährung und Entschädigung vom Justizministerium noch nicht sehr viel auf den Weg gebracht worden“ sei. Das im November vom Unabhängigen Beauftragten in Berlin zum Thema Beratung von Missbrauchsopfern ver- Sabine Andresen, PädagogikProfessorin an der Frankfurter Goethe-Universität und Vorstandsmitglied des Deutschen Kinderschutzbundes, sieht in der finanziellen und qualitativen Ausstattung der Beratungsstellen eine „nach wie vor ganz zentrale Frage“. anstaltete Hearing habe gezeigt, dass es immer noch „zu wenig Therapieplätze gibt, um schnelle und wirksame Hilfe zu bekommen“, so die Erziehungswissenschaftlerin. Auch andere alte Forderungen wie die nach opferschonenden Ge- richtsverfahren wurden bei dem Hearing erneuert. Vier Hearings veranstaltet der UBSKM bis zum Sommer 2013, um die Empfehlungen des Runden Tisches im Dialog mit Fachleuten und Betroffenen zu vertiefen. Auf die Themen Gesundheit und Beratung folgen die Schwerpunkte Aufarbeitung und Rechtsfragen. Es sei gut, dass „die Opfer endlich gehört werden und bei konkreten Umsetzungsschritten mitarbeiten können“, lobt Jugendhilfeexperte Hocke die bisherigen Maßnahmen: „Doch nach dem Runden Tisch und den vielen Fachveranstaltungen brauchen sie jetzt direkte und spürbare Hilfe.“ Auch Beraterin Enders konstatiert positive Entwicklungen. So würden sich Hochschulen zunehmend dem Thema sexueller Missbrauch widmen: „Das lässt hoffen, dass in Zukunft in der Praxis eine größere Fachkompetenz vorhanden sein wird“, so Enders. Aber, so fürchtet sie: „Wenn es nicht bald die notwendigen und angemessenen Hilfen für kindliche und jugendliche Opfer sexueller Gewalt gibt, werden wir in 20 Jahren noch mit der Aufarbeitung der heutigen Fälle sexuellen Missbrauchs beschäftigt sein.“ Ein eigentlich für Ende des vergangenen Jahres geplantes Bilanztreffen des Runden Tisches ein Jahr nach Veröffentlichung des Berichts wurde kurzfristig auf Februar verlegt: Dies solle den Ländern die Möglichkeit eröffnen, sich „im Vorfeld der Sitzung gemeinsam mit dem Bund an dem empfohlenen Hilfesystem zu beteiligen“, lautet die offizielle Begründung. MEDIAN Klinik am Burggraben · MEDIAN Klinik Flachsheide Psychosomatik / Psychotherapie / Offene Psychiatrie Wenn Engagement krank macht: • Depression • Burn-Out-Syndrom • Angst • Schmerzstörung Im Schutz unserer Kliniken: • Regenerieren und sich selbst wiederentdecken • Neue Orientierung finden • Selbstfürsorge und Selbstorganisation stärken Unser Konzept: • Individuelles Programm • Schwerpunkt Einzeltherapie • Konflikt- und Ressourcenorientiert www.median-kliniken.de Kontakt: Chefarzt Dr. med. Thomas Redecker Sekretariat Frau Kuhlemann: Telefon +49 (0) 52 22 / 398 – 811 MEDIAN Klinik am Burggraben · MEDIAN Klinik Flachsheide Forsthausweg 1 · D-32105 Bad Salzuflen Tel. +49 (0) 52 22 / 37 – 37 37 · Fax +49 (0) 52 22 / 37 – 44 00 Die Welt der alten Griechen und Römer, das Land des Lichtes und der Farben, der Düfte der Landschaft, der Wohlgerüche der Märkte. 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Die Nachfrage ist überwältigend. Doch längst haben Schulen und Kitas noch nicht die Hilfen und Ansprechpartner, die sie beim Umgang mit dem heiklen Thema brauchen. // Foto: Universitätsklinikum Ulm mich straft.“ „Meine Eltern haben mich auf die Odenwaldschule geschickt. Ich hatte reiche Eltern, die waren nicht so an mir interessiert. Ich glaube, das war ein guter Nährboden, um Opfer zu werden.“ Diese Interviews mit Betroffenen sind ein kleiner Teil eines 30 Stunden umfassenden Online-Lernpakets*, mit dessen Hilfe seit Juli 2012 vor allem Lehrkräfte und Ärzte im Umgang mit sexuellem Missbrauch geschult werden. Anhand von Fallbeispielen, Filmsequenzen und Grundlagentexten lassen sie sich in Bezug auf Fragen fortbilden, was sexuellen Missbrauch begünstigen kann und welche Hinweise es möglicherweise dafür gibt, oder wie und mit wem in diesem Fall Gespräche geführt werden sollten. Auch, welche rechtlichen Rahmenbedingungen gelten. Das Lernpaket ist ein Ergebnis des Runden Tisches und zurzeit noch in der Erprobungsphase. Frühestens 2014 soll die Evaluation abgeschlossen sein. Prof. Jörg Fegert, Kinderpsychiater an der Uni Ulm, hat mit seinem Team das Online-Fortbildungskonzept für Lehrkräfte zum Umgang mit sexuellem Missbrauch entwickelt: „Der Druck ist riesig, die Nachfrage überwältigend“, konstatiert er. Es sind nur Mosaikteile, die Männer und Frauen in die Kamera sprechen, aber zusammen ergeben sie ein ebenso erschütterndes wie erhellendes Bild: „Wir sind ja so erzogen worden, dass Küsschen, Küsschen in der Verwandtschaft ganz normal war. Wir haben nicht gelernt, Nein zu sagen.“ „Ich habe gelernt, dass Pfarrer Autoritätspersonen sind. Später habe ich nicht geredet, weil ich Angst hatte, dass Gott Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 Große Hoffnungen Die Hoffnungen, die in das Programm gesetzt werden, sind enorm: „Damit haben wir die Chance, einer Million Fachkräfte Basiswissen zu vermitteln“, erklärte der Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für „Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs“, Johannes-Wilhelm Rörig, bei der Vorstellung des Online-Programms in Berlin. Ursula Enders, Leiterin der Beratungsstelle „Zartbitter“ in Köln, stimmt zu: „Es wird die Engagierten stärken, motivieren, sich mehr Hilfe zu holen, andere wachrütteln.“ Das sei ein wichtiger Schritt. „Der Druck ist riesig, die Nachfrage überwältigend“, konstatiert Prof. Jörg Fegert, Kinderpsychiater an der Universität Ulm, der das Fortbildungskonzept entwickelt hat. Drei Jahre ist es her, dass die Aufdeckung der Fälle sexuellen Missbrauchs in kirchlichen und reformpäda­ ogischen Schulen sog wie Internaten die Republik erschütterte. Und ein bisschen ist es so, als sei die zentrale Erkenntnis seither eine Sexuelle Gewalt 19 ständig wachsende Herausforderung. Seit immer mehr Institutionen – zuweilen erst auf Druck aus dem Hause Rörig – die Fortzubildenden in ihren Häusern zählen, wird der Bedarf immer größer: Beispielsweise müssten rund 470 000 Menschen, die in Tageseinrichtungen für Kinder arbeiten, und gut 870 000 Lehrerinnen und Lehrer fortgebildet werden. Dass sie zu den Vertrauenspersonen von Kindern und Jugendlichen gehören, steht fest: „Lehrende sind privilegierte Ansprechpartner“, weiß Rörig. Die Aussagepsychologin Renate Volbert von der Berliner Charité fügt hinzu: „Unter den nicht-verwandten Ansprechpartnern sind Lehrkräfte die größte Gruppe.“ Foto: dpa „Spinne im Netz“ Foto: dpa Fibeln und Lesebücher aus Europa und Amerika Lesen und Schreiben lernen in mehr als einer Sprache? Beispiele von Unterrichtsmitteln aus fünf Jahrhunderten. Vom viersprachigen ABCBuch des 16. Jahrhunderts bis zu aktuellen zweisprachigen Arbeitsmaterialien für Schulanfänger mit Migrationshintergrund.  nicht aus Eine der zentralen Fragen, die sich Lehrkräfte und Ärzte stellen, wenn sie mit sexuellem Missbrauch konfrontiert werden: Wenn ich glaube, sexuellen Missbrauch erkannt zu haben, wie spreche ich dann mit dem Kind? Lesen lernen … mehrsprachig! Haben alle Schulen den Handlungsbedarf bereits erkannt? Karl Strobel (Name geändert), ein Lehrer, der am E-Learning-Programm teilnimmt, hat eher schlechte Erfahrungen gemacht: Auf die Mitteilung an die Schulleitung, dass er sich zum Thema Missbrauch fortbilde, sei keine Reaktion erfolgt. Enders von der Opferinitiative „Zartbitter“ betont allerdings: „Es hat sich einiges getan. Nicht nur einzelne Pädagogen, ganze Schulen wachen auf, beteiligen sich an Fortbildungen, freiwillig, auch nachmittags.“ Der Bielefelder Erziehungswissenschaftler Heinz-Werner Poelchau verweist darauf, wie wichtig in dem Zusammenhang die Rolle der Schulleitung ist: „Sie ist die Spinne im Netz – zwischen Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern, Eltern, Jugendamt, Familiengericht, Schulpsychologie und Sportverein.“ Auch das Schulklima entscheide mit darüber, ob Kinder sich öffnen. Auf den Zusammenhang von Sexualerziehung und Schweigekartellen hinzuweisen, hat sich in Berlin Katalog der Ausstellung in Brixen/Bressanone 2011 84 Seiten 111 farbige Abbildungen Schutzgebühr 12,95 € zzgl. Versandkosten. Zu bestellen unter: www.schulbuch-gesellschaft.de/de/rp Habichtswald-Klinik • Wigandstr. 1 • 34131 Kassel • info@habichtswaldklinik.de ... wieder Atem schöpfen In Mitten Deutschlands am Fuße des größten Bergparks Europas mit Herkules und Schloss Wilhelmshöhe sowie in direkter Nachbarschaft zu einer der schönsten Thermen liegt die Habichtswald-Klinik Fachklinik für Psychosomatik, Onkologie und Innere Medizin, Kassel - Bad Wilhelmshöhe In ihrem Selbstverständnis als Klinik für Ganzheitsmedizin arbeitet die Habichtswald-Klinik auf der Ebene einer integrativen Betrachtung von Körper, Seele und Geist in einer Synthese aus Schulmedizin, Psychotherapie, Naturheilverfahren und komplementärer Therapien. Die Klinik hat einen Versorgungsvertrag nach §111 und ist nach §30 GWO als beihilfefähig anerkannt. Bei den Gesetzlichen Krankenkassen ist die Habichtswald-Klinik als Rehabilitationsklinik anerkannt, bei den privaten Krankenversicherungen als „Gemischte Einrichtung“, die auch Akutbehandlungen gemäß OPS 301 durchführt. Die Beihilfestellen rechnen mit der Klinik den allgemeinen niedrigsten mit den Sozialversicherungsträgern vereinbarten pauschalen Pflegesatz ab. • • • • • • Psychosomatik Burnout Tinnitus Onkologie Innere Medizin Ayurveda-Medizin Kostenloses Service-Telefon: 0800 / 8 90 11 00 Telefon Aufnahmebüro: 0561 / 3108 -186, -622 www.habichtswaldklinik.de Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 20 Sexuelle Gewalt Literaturtipps: Ein Handbuch für die Praxis: Ursula Enders: Grenzen achten – Schutz vor sexuellem Missbrauch in Institutionen, 416 Seiten, Kiepenheuer & Witsch 2012, 14,99 Euro. Eine aktuelle Auseinandersetzung der Erziehungswissenschaften unter besonderer Beachtung der Reformpäda­ gogik: „Sexualisierte Gewalt, Macht und Pädagogik“, Werner Thole, Meike Baader, Manfred Kappeler u. a. (Hrsg.), 331 Seiten, Verlag Barbara Budrich, 29,90 Euro. Weitere Informationen: Auch der Verein „gegen-missbrauch e. V.“ leistet Präventivarbeit und gibt Menschen die Möglichkeit, sich aktiv gegen sexuellen Kindesmissbrauch zu engagieren. Der Verein bietet z. B. Präventivunterricht für Schüler ab der 8. Klasse an, der für die Schulen kostenfrei ist. Dieses Angebot richtet sich an alle Schulformen. Weitere Informationen: www.gegenmissbrauch.de/schuelerpraevention Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 als „insoweit erfahrene Fachkraft“, wie sie das Kinder- und Jugendhilfeweiterentwicklungsgesetz (KICK)*** seit 2005 vorschreibt. Wann immer eine Einrichtung, Lehrkraft oder ein Arzt Verdacht schöpft, kann sie oder er sich mit Hilfe eines Experten Hilfe ins Haus holen. Die Praxis hinkt dem Gesetz allerdings hinterher: Auch acht Jahre nach seinem Inkrafttreten gibt es diese Helfer und Berater längst nicht überall. Kinderpsychiater Fegert aus Ulm hält eine schöne Anekdote parat: Testhalber habe er im Sommer das Jugendamt angerufen und um Unterstützung bei einem Missbrauchsfall gebeten: „Die Aufregung war groß“, sagt er. Das Ergebnis: „Die Bitte, im Dezember noch einmal anzurufen.“ Opferschutz kommt zu kurz Dabei sind sich die Experten einig: Konkrete Ansprechpartner sind unabdingbar. Ein 30-stündiger Fortbildungskurs kann nur der Anfang sein. Das Ulmer Team hat ermittelt, dass 60 Prozent der Lehrkräfte und nahezu jeder zweite Arzt sich beim Umgang mit sexuellem Missbrauch unsicher fühlten. Eine der zentralen Fragen, die sie sich stellten: Wenn ich glaube, sexuellen Missbrauch erkannt zu haben, wie spreche ich dann mit dem Kind? Ein Stück weit gibt die auf Aussagenpsychologie spezialisierte Rechtsgutachterin Volbert Entwarnung: „Wenn ein Kind sich öffnen will, kann man so viel gar nicht falsch machen.“ Wichtig sei, es nicht wegzuschicken. „Es ist zu Ihnen gekommen, weil es Sie für den Richtigen hält.“ Einige Grundregeln der Kommunikation seien dabei zu beachten: „Aktiv zuhören, ohne zu ermitteln und zu unterbrechen.“ Ebenso: „Nicht vorschnell urteilen, nicht einseitig interpretieren.“ Nach Volberts Erfahrung ist der nächste Schritt – die tatsächliche Ermittlung des Geschehenen – viel schwieriger. Und fehlerbehafteter, fügt Enders hinzu: „Der Opferschutz kommt immer noch zu kurz. Dass ein Kind vor einer Klassenkonferenz aussagen muss, sei unfassbar. Aber es komme weiterhin vor. Fakt ist: Es gibt kaum strukturierte und evaluierte Verfahren im Umgang mit Verdachtsfällen. Gerade die aber brauchen wir.“ Am besten Foto: dpa die AG Schwule Lehrer in der GEW zur Aufgabe gemacht. „Alle Lehrer müssen sexualpädagogisch aufgeklärt werden, weil alle mit Heranwachsenden zu tun haben.“ Nur so würden Berührungsängste abgebaut und Vertrauen gefördert. Kirstin Weigmann, eine mit dem Thema „insoweit erfahrene Fachkraft“**, die brandenburgische Kitas berät, ergänzt, warum das so ist: „Auch wer im Beruf mit sexuellem Missbrauch zu tun hat, reflektiert seine eigene Kindheit noch einmal. Das kann schmerzhaft sein. Auch ohne eigene Missbrauchs­ erfahrungen.“ Um so wichtiger sei es, dass Schulen wie Kitas im Falle eines Verdachts feste Ansprechpartner hätten. Weigmann arbeitet im brandenburgischen Landkreis Teltow-Fläming Aussagepsychologin Renate Volbert von der Berliner Charité: „Wenn ein Kind sich öffnen will, kann man so viel gar nicht falsch machen.“ Wichtig sei, es nicht wegzuschicken. bundesweit. Das allerdings ist aufgrund der Länderhoheit schwierig zu realisieren. Der Vertreter der Kultusministerkonferenz (KMK) für sexuellen Missbrauch, Christian Böhm, Leiter der Gewaltprävention am Hamburger Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung, bedauert: „Es gibt Materialien, zahlreiche Fortbildungsangebote, viele präventive Angebote – aber wenig Evaluationen.“ Doch kein Land lebe „im Tal der Ahnungslosen“. Jeannette Goddar, freie Journalistin * Das E-Learning-Programm der Universität Ulm: http://missbrauch. elearning-kinderschutz.de Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Missbrauchs: http://beauftragter-missbrauch.de ** geregelt in Paragraf 8a und 8b Achtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) – Fachliche Beratung und Begleitung zum Schutz von Kindern und Jugendlichen *** Gesetz zur Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe (KICK) ändert die Regelungen des SGB VIII. Marianne Demmer Foto: Christian von Polentz Bildungspolitik Der ignorierte Skandal // GEW-Kommentar zu IGLU und TIMSS // Als Reaktion auf den Grundschulleistungsvergleich IGLU 2006 verkündete Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) noch triumphierend: „Die Grundschule in Deutschland hat sich über alle Messzeitpunkte der vergangenen 15 Jahre hinweg immer weiter verbessert. Das ist ein klarer Trend. Deutsche Grundschulen spielen in der internationalen Spitzenliga.“ 2011 hat sich der Trend für Deutschland bedauerlicherweise nicht weiter verstetigt. Dafür hat sich die internationale Spitze vor allem in der Lesekompetenz mit einer Differenz von 30 Leistungspunkten deutlich abgesetzt. 2006 waren es nur 17 Punkte. Vielleicht ist das der Grund, weshalb sich Frau Schavan diesmal bei der Pressekonferenz von ihrer Staatssekretärin vertreten ließ. Gemeinsam mit der Kultusministerkonferenz (KMK) beschränkte sich das Bundesbildungsministerium (BMBF) darauf festzustellen, dass Deutschlands Grundschülerinnen und Grundschüler „weiterhin im oberen Drittel“ lägen, was in der Lesekompetenz mit Rangplatz 17 von 48 Teilnehmerländern nur richtig ist, wenn man es mit den Grundrechenarten nicht so genau nimmt. Gemeinsam resümierten KMK und BMBF, neben der „guten Arbeit“ der Lehrkräfte an den Grundschulen hätten „zu den erfreulichen Ergebnissen ... auch die bildungspolitischen Schwerpunktsetzungen in den vergangenen Jahren beigetragen“. Dass Deutschlands Grundschullehrpädagoginnen und -pädagogen trotz unterfinanzierter Grundschulen und teilweise unsinniger Maßnahmen wie den jährlichen, flächendeckenden Vergleichsarbeiten (VERA) unermüdlich gute Arbeit leisten, ist bekannt. Es klingt aus dem Mund der Offiziellen eher nach Pflichtübung, um die eigenen Maßnahmen zu loben. Dabei sind bislang weder die Sprachtests in den Kitas noch die Vergleichsarbeiten positiv evaluiert worden. Die Behauptung, die Schulleistungen der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund seien so viel besser geworden, stimmt nur für die Bereiche Mathematik und Naturwis- senschaften – und bei der Lesekompetenz nur beim Vergleich mit 2001. Verglichen mit 2006 verschlechterten sie sich sogar. Die Wahrheit ist, dass die Leistungen in den Grundschulen stagnieren. Trotzdem setzt sich der Trend zu wissenschaftlich unseriösen, beschönigenden Interpretationen fort, der seit PISA 2006 üblich geworden ist. Diesmal gelingt das nur, indem für die Öffentlichkeit überwiegend mit 2001 und nicht mit 2006 verglichen wird. Dabei sind die Warnsignale vor allem in Sachen sozialer Chancenungleichheit deutlich. Sie dürfen nicht ignoriert werden. Hier hat sich seit 2001 nichts Grundlegendes verbessert, wichtige Parameter haben sich gegenüber 2001 und 2006 sogar verschlechtert. Der Anteil der Kinder unter Kompetenzstufe III etwa ist im Lesen gegenüber 2006 von 13,2 auf 15,2 Prozent gestiegen. In Mathematik und Naturwissenschaften bleibt er mit rund 20 Prozent auf hohem Niveau. Für Akademikerkinder haben sich die Chancen, ein Gymnasium zu besuchen, noch einmal verbessert. Sie sind bei gleicher Intelligenz fast fünfmal größer als für Kinder, deren Eltern Facharbeiter sind und achtmal größer im Vergleich zu Kindern von un- oder angelernten Arbeitern. Mütter, Väter und Lehrkräfte erwarten von Akademikerkindern für eine Gymnasialempfehlung rund 100 (!) Leistungspunkte weniger als von Kindern un- und angelernter Arbeiter. Ein ignorierter Skandal. Würden die Maßstäbe für Akademikerkinder auf alle Kinder angewendet, könnten zirka 70 bis 80 Prozent eines Jahrgangs in den gymnasialen Bildungsgang wechseln. Wer die soziale Ungerechtigkeit im Schulwesen verringern will, muss längeres gemeinsames Lernen und bessere Finanzierung endlich auf die politische Agenda setzen. Die ständigen unpädagogischen Tests bringen offensichtlich gar nichts. Lehrerfortbildung und individuelle Maßnahmen, die lernschwächere Schüler unterstützen, müssen Priorität erhalten. Marianne Demmer, Leiterin des GEW-Vorstandsbereichs Schule Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 21 22 Bildungspolitik Ist die Welt an deutschen Grundschulen noch in Ordnung? Die Interpretationen der Kultusminister nach Veröffentlichung der jüngsten Schulstudien suggerieren das. Obwohl, auch zehn Jahre nach der ersten IGLU-Grundschulstudie von 2001, der Schulerfolg weiterhin extrem abhängig von sozialer Herkunft ist. Stillstand als Erfolg verkauft // Die Kultusminister jubilieren: Deutsche Grundschulen schaffen es im weltweiten Grundschulleistungsvergleich (IGLU) wieder ins obere Leistungsdrittel – wenn auch nur knapp. Doch: Keines der vielen deutschen Schulprobleme ist durch die „Testeritis“ vergangener Jahre wirklich gelöst. // Gleich wie es kommt: Die deutschen Schulminister sind süchtig nach Erfolgen und offensichtlich mit sich im Reinen. Folgt man ihren Interpretationen der jüngsten internationalen Schulstudien IGLU und TIMSS (Third International Mathematic and Science Study), dann ist in den deutschen Grundschulen die Welt in Ordnung. Kein Wort der Selbstkritik. Obwohl auch zehn Jahre nach der ersten IGLU-Grundschulstudie von 2001 der Schulerfolg in Deutschland nach wie vor extrem abhängig von der sozialen Herkunft ist. Kein Konzeptvorschlag, wie denn die nach wie vor hohe Zahl der „Risikoschüler“ zu reduErziehung und Wissenschaft | 01/2013 zieren und die im internationalen Vergleich nur spärliche Zahl der „Spitzenschüler“ zu steigern ist. Und auch kein Hinweis darauf, dass der positive Trend, der sich bei der zweiten IGLU-Studie 2006 an den deutschen Grundschulen abzeichnete, nicht fortgesetzt werden konnte. Denn die gemessene Lesekompetenz der Zehnjährigen fällt diesmal ein wenig – aber immerhin doch „signifikant“ – niedriger aus als noch vor fünf Jahren. „Im Kompetenzniveau bleiben die Schülerinnen und Schüler auf stabilem Niveau“, lässt Bayerns Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) aus München vermelden. Und auch der Präsident der Kultusministerkonferenz (KMK), Hamburgs Schulsenator Ties Rabe (SPD), sieht in dem „Halten des Leistungsniveaus“ über zehn Jahre hinweg einen Erfolg der Schulpolitik der Länder. Doch nicht nur die Lesekompetenz hat sich im Vergleich von IGLU 2001 mit IGLU 2011 nicht verändert, auch die Problemwerte sind die gleichen geblieben: 15,4 Prozent der Zehnjährigen können nicht richtig lesen und Texte verstehen, 2001 waren dies 16,9 Prozent – aber 2006 nur 13,2 Prozent. Und ein Blick in TIMSS zeigt, dass in Mathematik und Naturwissenschaften die Zahl der „Risikoschüler“ mit 19,3 Prozent beziehungsweise 22 Prozent unverändert erschreckend hoch ist. Vergleichszahlen fehlen Damit aber die Sicht auf die von den deutschen Kultusministern gern he­ rausgestellte „schöne Leistungskontinuität“ zwischen 2001 und 2011 nicht getrübt wird, werden in der 70-seitigen „Handreichung“ zur Pressepräsentation der beiden Schuluntersuchungen wichtige IGLU-Vergleichszahlen aus dem Jahr 2006 unterschlagen – nicht nur zu den „Risikoschülern“, sondern auch zu den sozialen Disparitäten. Schaut man dagegen in die jeweils 300-seitigen Studien, dann findet man Aussagen wie Daten, dass sich die soziale Schieflage zugunsten von mehr Bildungspolitik 23 www.energie-pflanzen.info Foto: dpa „ENERGIE PFLANZEN!“ Bildungsgerechtigkeit in den vergangenen zehn Jahren nicht korrigiert hat. Sondern: „Tendenziell hat sich die Chance auf die Gymnasialpräferenz für Kinder aus oberen Schichten eher vergrößert“, schreiben die Forscher. Das Kind eines Professors, Chefarztes oder leitenden Angestellten hat eine 4,7-fach höhere Chance, eine Gymnasialempfehlung zu erhalten, als ein Kind aus einer Facharbeiterfamilie. Und selbst wenn beide Kinder über die gleichen kognitiven Fähigkeiten und Kompetenzen im Lesen, in Mathematik und Naturwissenschaften verfügen, ist die Chance des Kindes aus der Oberschicht immer noch um ein 3,4-Faches höher. Zur Entwicklung der mathematischen Kompetenzen der Zehnjährigen führen die TIMSS-Forscher aus, dass in einer Reihe von Staaten im Vergleich von TIMSS 2007 und 2011 erfreuliche Entwicklungen festzustellen seien. Dagegen gebe es kaum Teilnehmerstaaten, die sich signifikant verschlechtert hätten. Es verblieben aber einige Staaten, in denen sich in diesem Zeitraum keine oder nur wenig bedeutsame Unterschiede feststellen ließen. „Zu dieser Gruppe gehört Deutschland. Das ist nicht zufriedenstellend und markiert die Notwendigkeit, die Umsetzung der Bildungsstandards im Mathematikunterricht nicht nur durch qualitätsmessende, sondern auch durch qualitätsent­ wickelnde Maßnahmen zu unterstützen.“ Aber nach außen propagiert der deutsche IGLU- und TIMSSChef Wilfried Bos vom Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der TU Dortmund Stillstand bereits als Erfolg der Schulpolitik der vergangenen zehn Jahre. Bos wie der KMK-Präsident Rabe sprechen von „erschwerten Bedingungen“. Schließlich hätten heute an den deutschen Grundschulen 27 Prozent der Kinder einen Migrationshintergrund  – fast ein Viertel mehr als noch 2001. Vor diesem Hintergrund sieht Bos in der Stagnation der Gesamtleistungen „keinen Grund zur Klage“. Doch viele Fragen bleiben offen. Ausgerechnet die IGLU-Leseleistungen der Migrantenkinder sind zwischen 2001 und 2011 erfreulich gestiegen. Über 80 Prozent der Zehnjährigen mit Migrationshintergrund gaben an, dass bei ihnen zu Hause „immer oder fast immer“ deutsch gesprochen werde. Eine neue Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung belegt zudem, dass seit dem neuen rigiden Einwanderungsgesetz von 2005 erheblich weniger ungelernte Zuwanderer in die Bundesrepublik kommen – dafür aber deutlich mehr Akademiker mit ausländischem Pass. Aufs falsche Pferd gesetzt GEW-Schulexpertin Marianne Demmer macht dagegen „die Vielzahl schlecht vorbereiteter ‚Reform‘-Maßnahmen“ vergangener Jahre dafür verantwort- lich, dass der positive Trend von 2006 an den Grundschulen nicht fortgesetzt werden konnte. Vor allem mit ihrer „Testeritis“ hätten die Kultusminister „aufs falsche Pferd gesetzt“. Seit 2004 müssen in ­ inigen, seit 2008 in e allen Bundesländern jährlich in allen dritten Grundschulklassen verpflichtende Vergleichsarbeiten (VERA) geschrieben werden, die bei den Lehrkräften viel Kritik ausgelöst haben. Doch aus den Testergebnissen folgten häufig keine Konsequenzen. Für individuelle Förderung und stärkere Hilfen fehlt an den Schulen Personal und Geld. Die IGLU-Studie verweist darauf, dass nach Einschätzung der Lehrkräfte etwa 23 Prozent der Zehnjährigen Bedarf an Förderunterricht im Lesen haben. Tatsächlich erhalten jedoch nur 10,7 Prozent eine solche Förderung. Der deutsche IGLULeiter Bos greift zu drastischen Worten, wenn man ihn nach der Sinnhaftigkeit der „Testeritis“ fragt. Wenn man nicht teste, sei dies wie bei einem Alkoholkranken, der seine Leberwerte nicht wissen wolle, sagte der Schulforscher bei der Präsentation der Ergebnisse. Nun weiß aber auch Bos, dass bei einem Alkoholkranken die ständigen Kontrollen allein nicht helfen, wenn es zugleich an der richtigen Therapie und Unterstützung fehlt. Dazu gibt es in der neuen IGLU-Studie eine interessante Auflistung: Gerade mal 0,6 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) gab Deutschland 2008 für die Primäre Bildung aus. Die EU-Staaten investierten im Schnitt mit 1,2 Prozent doppelt so viel. Spitzenreiter: England und Schweden (beide 1,7 Prozent), Polen (1,6) und Belgien (1,5). Deutschland dagegen rangiert zusammen mit der Slowakei und der Tschechischen Republik auf den letzten drei Plätzen. Max Loewe, Bildungsjournalist Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 Bundesweiter Schulwettbewerb Februar bis Oktober 2013 Für Schulklassen oder AGs von Grundschulen und der Sekundarstufe 1. Es wird Energie gepflanzt! Art, Inhalt und Umfang können frei gestaltet werden. Einzige Voraussetzung: Teilnehmende Schüler müssen sich mit Energiepflanzen beschäftigen. Das Gewinner-Team erhält ein Preisgeld in Höhe von 750 €. Der 2. Platz darf sich über 500 € und der 3. Platz über 250 € freuen. Alle wichtigen Informationen finden Sie unter www.energie-pflanzen.info/ schulwettbewerb 24 Schule Gütesiegel für Propaganda // Gewerkschafter und Verbraucherschützer kämpfen gegen Unterrichtsmaterialien, die Reklame für Versicherungen oder Finanzdienstleister machen. Manche dieser Angebote schmücken sich gar mit dem Comenius EduMedia-Siegel und einer UNESCO-Auszeichnung. // nicht auszuschließen, dass Einrichtungen, die unter anderen Gesichtspunkten bewerten, auch zu anderen Ergebnissen kommen.“ Nächstes Beispiel. Der BVI Bundesverband Investment und Asset Management e.V. produziert ebenfalls Unterrichtsmaterial zur ökonomischen Bildung – gemeinsam mit der Stiftung Jugend und Bildung. „Hoch im Kurs“ heißt deren Angebot. Die dazugehörige kostenlose Schülerbroschüre für die SekundarDas Arbeitsblatt für die Sekundarstufe I dreht sich um „Spastufe II hat eine Auflage von 200 000 Exemplaren. Wieder ren oder Versichern?“. Es behandelt Finanzprodukte wie den geht es um Altersvorsorge und Vermögensaufbau, hinzu komBanksparplan und die private Rentenversicherung. Wichtige men die Themen Märkte und Krisen. „Zu den Hauptursachen Themen. Doch das Lehrmaterial, zu finden auf dem Schuleiner Finanzmarktkrise zählt fehlendes Risikobewusstsein portal „safety 1st“, wird vom Verbraucherzentrale Bundesund überzogenes Gewinnstreben einzelner Akteure“, verband (VZBV) gründlich abgewatscht: „bruchstücksteht auf Seite 13. Diese Aussage ist nicht nur hafte Informationen“ und „sehr textlastig“. Die grammatikalisch falsch formuliert, sondern Gutachter des VZBV kritisieren zudem, auch inhaltlich höchst angreifbar. Für dass Informationen über Verbraucherdie fachliche Bewertung von „Hoch rechte fehlten. Und: Das Material im Kurs“ vergab der Verbrauchersei in Zusammenarbeit mit der zentrale Bundesverband lediglich Versicherungswirtschaft erstellt drei von 27 möglichen Punkten. und „entsprechend interessenFür Methodik und Didaktik gab geleitet“. Ähnlich beurteilen die es null von 27 Punkten. GesamtVerbraucherschützer das „safebewertung: „mangelhaft“. ty 1st“-Medienpaket „Soziale Doch erstaunlich. Auch „Hoch Sicherheit & private Vorsorge“. im Kurs“ darf sich mit einer ilDennoch darf sich „safety 1st“ lustren Auszeichnung schmümit einer Auszeichnung schmücken: „Offizielles Projekt der UNcken: mit dem renommierten CoWeltdekade 2011/2012 Bildung menius EduMedia Siegel 2012. Es für nachhaltige Entwicklung“, steht handele sich um einen „bewährten auf der Rückseite der SchülerbroschüMedienmix“, das Medienpaket sei ein re. Zusammen mit dem Schriftzug der „gutes Hilfsmittel für Lehrer“ und eine UNESCO. Wie das? Warum finden wir das „ergiebige Wissensquelle für Schüler“, so e Q u e ll e : w w w. g p i- o n li n e . d Logo der UN-Weltdekade auch noch auf den umheißt es auf der Website comenius-award.de. Hinstrittenen Lehrmaterialien von „My Finance Coach“? ter „safety 1st“ stehen das „Informationszentrum der deutVerantwortlich ist die Deutsche UNESCO-Kommission e. V. schen Versicherer ZUKUNFT klipp + klar“ sowie die Berliner in Bonn. „Wir scannen die Materialen und achten besonders Stiftung Jugend und Bildung. darauf, dass soziale, ökonomische und ökologische Aspekte Das Comenius-Siegel findet sich auch auf Lehrmaterialien der enthalten sind,“ so Professor Gerhard de Haan, ErziehungsStiftung „My Finance Coach“, die von Allianz, McKinsey und wissenschaftler in Berlin und Vorsitzender der mit der Ausder Werbeagentur Grey gegründet wurde. Deren Produkt wahl betrauten Jury. „Was wir nicht leisten können, ist, ein „Mach dich finanzfit“ sei für den Unterricht wenig geeignet, einzelnes Material im Detail zu bewerten“, erklärt de Haan urteilt der Verbraucherzentrale Bundesverband. „Orientieweiter. Die Jury arbeite schließlich ehrenamtlich. „Wir bewerrung an den Interessen der Verkäufer von Anlageprodukten“, ten darüber hinaus nicht den methodischen Ansatz“, betont schreiben die VZBV-Gutachter unter anderem. der Berliner Hochschullehrer. Wer prämiert? Wer vergibt das Comenius-Gütesiegel und wie kommen die Prämierungen zustande? Verantwortlich ist die Gesellschaft für Pädagogik und Information e.V. (GPI), eine wissenschaftliche Fachgesellschaft mit Sitz in Berlin. Sie verteidigt das Comenius-Auszeichnungsverfahren. Es sei „medienpädagogisch determiniert“, außerdem „herstellerneutral“ und „transparent“. Das betont Bernd Mikuszeit, Geschäftsführer des GPIInstituts für Bildung und Medien. Er räumt jedoch ein: „Es ist Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 Matthias Holland-Letz, freier Journalist Schulportal des Verbraucherzentrale Bundesverbandes mit „Materialkompass“: http://www.verbraucherbildung.de/ Website der GPI zu den Comenius-Auszeichnungen: http://www.comenius-award.de/ Ulrich Thöne Foto: Kay Herschelmann Bildungspolitik Mehr Kooperation wagen! // GEW-Kommentar zur Föderalismusdebatte // Das Kooperationsverbot war ein Fehler (s. Seite 26 f.). Diese Erkenntnis scheint sich bei Bund und Ländern langsam durchzusetzen. Als Bundestag und Bundesrat 2006 die gemeinsame Bildungsplanung aus dem Grundgesetz gestrichen und es dem Bund untersagt haben, Aufgaben der Länder und Kommunen im Bildungsbereich mitzufinanzieren, hat die GEW das scharf kritisiert. Wir wollen, dass diese Entscheidung schnellstmöglich zurückgenommen wird. Was wir brauchen, ist ein verfassungsrechtlicher Rahmen, der sinnvolle und notwendige Kooperationen zwischen Bund und Ländern in der gesamten Bildungspolitik zulässt. Dafür ist noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten. Bildungspolitik bleibt dabei Kernaufgabe der Länder. Aber sie ist kein Spielball für einen Standortwettbewerb. Das Recht auf gute Bildung gilt für alle. Die Länder und Kommunen, zumal die finanzschwachen, können die wichtigen Zukunftsaufgaben nicht alleine stemmen: den Ausbau frühkindlicher Bildung, des schulischen Ganztagsangebotes sowie der Studienkapazitäten an Hochschulen und vor allem die Umsetzung eines inklusiven Bildungswesens, das keinen jungen Menschen zurücklässt. Doch unter den Bedingungen der Schuldenbremse werden viele Länder nicht in der Lage sein, die nötigen Haushaltsmittel dafür aufzubringen. 7,5 Millionen sogenannte funktionale Analphabeten, 1,5 Millionen Menschen unter 29 Jahren ohne Berufsausbildung und eine nach wie vor hohe Zahl von Schulabbrechern sind nationale Herausforderungen. Sie bedürfen gemeinsamer Anstrengungen aller Beteiligten. Deshalb muss es möglich sein, dass Bund und Länder zusammenarbeiten. Dafür muss das Grundgesetz geändert werden. Das ist nicht aussichtslos. Die Bundesregierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der das Kooperationsverbot für den Wissenschaftsbereich lockern soll. Der Bund soll die Spitzenforschung an Hochschulen künftig dauerhaft fördern können. Aus Sicht der GEW und der überwiegenden Zahl der Sachverständigen ist das jedoch völlig unzureichend, weil zum einen die allgemeine Bildung außen vor bleibt und zum anderen selbst die drängendsten Probleme an den Hochschulen nicht gelöst werden können: der quantitative und qualitative Ausbau der Studienkapazitäten sowie die beruflichen Chancen des akademischen Nachwuchses. Fragt man die Menschen in unserem Land, was denn die größte Herausforderung im Bildungswesen sei, wird als Antwort sicher nicht kommen, dass die Spitzenforschung gestärkt werden müsse. Unsere Probleme liegen in der Fläche und der mangelnden Zusammenarbeit. Deshalb ist es sehr zu begrüßen, dass die Länder den Ball aufgenommen und an den Bund zurückgespielt haben. Auch sie haben den Gesetzentwurf als unzureichend kritisiert und Gespräche eingefordert, die sich auf mehr Zusammenarbeit von Bund und Ländern in der ­ esamten Bildung einschließlich des Schulbereichs richg ten. Damit ist das Tor für eine Grundgesetzänderung, die uns weiterbringen könnte, einen Spalt geöffnet. Wir wissen aber auch, dass man, um das Tor weiter zu öffnen, Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat benötigt. Es geht dabei um viel Geld. Die Bildungsfrage wird zur Machtfrage – und das nur wenige Monate vor einer Bundestagswahl. Deshalb appelliert die GEW an Bund und Länder, eine sachorientierte Debatte zu führen und gemeinsam Möglichkeiten für eine bessere und vertiefte Zusammenarbeit zu finden. Dabei muss es neben Finanzfragen vor allem um Inhalte gehen, die gemeinsam zu gestalten sind. Ein Erfolg ist nur möglich, wenn Bund und Länder sowie Regierung und Opposition im Bundestag eine tragfähige Einigung erzielen. Unabhängig vom Ausgang der Bundestagswahl wäre dies ein Sieg der Demokratie. Die entscheidende Frage lautet: Wer hat den Mut dazu? Ulrich Thöne, GEW-Vorsitzender Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 25 26 Bildungspolitik Milliarden-Poker Bundesförderung nach Schavans Plänen: Es soll sich um Projekte „mit hoher Ausstrahlungskraft“ handeln, bei denen „ein Mehrwert für die gesamte deutsche Wissenschaftslandschaft entsteht“. Die CDU-Politikerin denkt 08_EuW06 01_Titel_07_ Verbal fahren die Kontrahen­ en t im Bundestag derzeit schwe­ es r Geschütz auf. Der CSU-Politiker Albert Rupprecht, immerhin bildungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, sieht die deutschen Hochschulen derzeit „in der Geiselhaft der SPD“, weil im Bundesrat die von SPD und Grünen regierten Länder in Sachen v Kooperations­ erbot nicht gleich über das Stöckchen springen wollen, das ihnen die schwarz-gelbe Regierungskoalition hinhält. Sein Gegenpart Swen Schulz von der SPD-Bundestagsfraktion kontert: „Das ist nur ein Schmalspurvorschlag, weil Union und FDP im Bund nur wenige ausgesuchte Elite-Projekte in der Hochschulforschung fördern wollen. Nicht aber Inklusion an den Schulen, Ganztagsunterricht und die bessere Förderung von Migranten und bildungsbenachteiligten Kindern.“ Die Vorgeschichte: Im Mai 2012 hatte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) endlich ihren zuvor monatelang mit großem medialen Getöse angekündigten Gesetzentwurf für eine Verfassungsänderung vorgelegt. Das Bund-Länder-Kooperationsverbot in der Bildung, 2006 mit der Föderalismusreform eingeführt und seitdem wieder heftig umstritten, sollte mit einer „Grundgesetzänderung light“ zumindest für die Wissenschaft gelockert werden. Derart, dass der Bund künftig nicht nur befristete Maßnahmen an Hochschulen unterstützen kann – etwa aktuell den Hochschulpakt –, sondern auch dauerhaft „Einrichtungen der Wissenschaft und Forschung an Hochschulen von überregionaler Bedeutung“. Voraussetzung für die Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 30.06.2006 11:02 Uhr dabei vor allem an so prestigeträchtige Projekte wie den Zusammenschluss des überwiegend vom Bund finanzierten Berliner Max Delbrück Centrums (MDC) für Molekulare Me- Seite 1 rziehung schaft E nd Wissen u 7-8/2006 Zeitschrift der werkschaft GEW Bildungsge form Föderalismusre H In ym te ne gr at n-D ion eb sg att ip e S fe l S eite eit n en 4 b 2 i // Beim Bund-Länder-Streit darüber, das Kooperationsverbot im Grundgesetz zu lockern, geht es um Milliarden-Poker, nicht um „echte“ Bildungskooperation. Und der Vorwahlkampf lässt heftig grüßen. // and werg Deutschl Bildungsz Seitdem das Bund-Länder-Kooperationsverbot in der Bildung mit der Föderalismus­ reform eingeführt wurde, ist es heftig umstritten. 29 is 1 bi 0 s3 8 Bildungspolitik dizin an der weltbekannten, aber vom Land Berlin chronisch unterfinanzierten Charité der Berliner Humboldt-Universität. Ein weiteres Kleinod auf Schavans Wunschliste: das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) – der Zusammenschluss des früheren Großforschungszentrums Karlsruhe und der dortigen Universität. Schavan geht es vor allem um international sichtbare „Leuchttürme“. Nicht nur Bayern macht Front Jeden weiteren Schritt in Richtung einer echten, weitergehenden Bildungskooperation von Bund und Ländern, die den Schulbereich und damit auch Themen wie Inklusion und Ausbau der Ganztagsschule miteinbeziehen würde, wollen die in der Union auf überkommene Föderalismusrechte pochenden Landespolitiker nicht mitmachen. Das hatte Schavan bereits vor gut einem Jahr auf dem CDU-Bundesparteitag in Dresden bitter erfahren müssen. Und im Bundesrat macht derzeit nicht nur Bayern massiv Front gegen eine größere Föderalismus-Lösung in der Bildung, auch CDU-regierte Länder wie Hessen und Sachsen stellen sich quer. Und was tun SPD und Grüne? Die SPD formulierte zunächst unter Federführung der nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen parteiintern er­ tarkten Ministerpräsidentin Hans nelore Kraft ein erstes Gegenmodell. Tenor: Der Bund soll erst mal kräftig Geld für Bildung an die Länder rüberschieben. Und wenn alle Bundesländer das denn einstimmig wollen, darf der Bund sogar für die Schulen zahlen. Wohlgemerkt zahlen, nicht mitreden. Erst viel später, im Verlauf der weiteren Debatten, entdeckten die SPD-Landespolitiker, dass es vielleicht doch Sinn machen könnte, wenn Bund und Länder große bildungspolitische Zukunftsthemen gemeinsam angehen. Die Grünen zeigten zwar von Anfang an mehr Weitblick für gesamtstaatliche Lösungen, sprachen auch von „Kooperation“ und gemeinsamer Bildungsplanung von Bund und Ländern. Aber da gibt es noch ihren baden-württem­ bergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann. Der möchte Bildung weiterhin als ureigenes Thema der Landespolitik konservieren. Auch wenn ihm derzeit seine Pläne zum massiven Lehrerstellen-Abbau im eigenen Ländle massiv um die Ohren fliegen. Nach Kretschmanns Devise soll der Bund vor allem zahlen, die Länder aber allein entscheiden. Ansonsten soll in der Bildung alles so bleiben, wie es ist. Mühsam rauften sich die Landespolitiker von SPD und Grünen dann doch im Bundesrat zu einer gemeinsamen Linie gegen Schavans Vorhaben zusammen. Für eine Grundgesetzänderung braucht die CDUBundesbildungsministerin nicht nur im Bundestag, sondern auch in der Länderkammer eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Vorerst liegt Schavans Novelle auf Eis. Null Annäherung Zwei Expertenanhörungen im Bundestag brachten bisher null Annäherung. Doch vor allem die konservative Szene der großen Wissenschaftsorganisatio­ en – n allen voran die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und diverse Forschungsorganisationen – machen öffentlich erheblich Druck für eine isolierte Lösung, die, wie von Schavan ­ avorisiert, allein die Spitf zenforschung in den Blick nimmt. Sie fürchten um die Bundes-Milliarden der ab 2017 auslaufenden Exzellenzinitiative. Der Schulbereich scheint ihnen zunächst gleichgültig zu sein. Die HRK und auch andere Forschungsgemeinschaften favorisieren dabei vor allem den alternativen Formulierungsvorschlag des Bonner Jura-Professors Wolfgang Löwer für die Grundgesetzänderung. Um Schavans Gesetzentwurf vom Image der reinen Elite- oder Leuchtturmförderung zu „befreien“, hatte Löwer in einer Bundestagsanhörung dafür plädiert, den einfachen Satz in die Verfassung einzufügen: „Der Bund kann Forschung und Lehre an den Hochschulen fördern.“ Damit wären theoretisch der Hochschulpakt oder auch Programme zur Unterstützung der Lehre an Universitäten und Fachhochschulen mit Geld des Bundes dauerhaft möglich. Doch davon wollen vorerst weder Schavan noch die meisten Länder etwas wissen. Denn überlagert wird der Streit um die Verfassungsänderung noch vom BundLänder-Tauziehen um die überfällige Aufstockung der Hochschulpaktmittel; weil weitaus mehr Studienanfänger in den vergangenen Jahren in die Hochschulen strömten als der Hochschulpakt 2006 prognostiziert hat. Da er zusätzliche Studienplätze schaffen sollte, fordern die Länder vom Bund allein für den Zeitraum von 2011 bis 2014 einen Nachschlag in Höhe von 1,9 Milliarden Euro. Bis 2018 summieren sich die Extra-Wünsche der Länder an den Bund sogar auf 3,6 Milliarden Euro. Ministerin ohne Geld Nun gibt es Spekulationen, Schavan könne dies nutzen und so den Ländern mit einer Milliarden-Zusage noch vor der Bundestagswahl die Zustimmung zu der von ihr gewollten Grundgesetzänderung „abkaufen“. Doch die Bundesbildungsministerin hat selbst kein Geld mehr in ihrer Kasse. Nur mühsam, mit vielen Umschichtungen und Kürzungen bei einzelnen Etatposten, kam sie über die Haushaltsberatungen für 2013 hinweg. Und ab 2014 soll nach der mittelfristigen Haushaltsplanung von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) der Bildungs- und Forschungsetat nicht mehr steigen, sondern sinken. Die „Schuldenbremse“ lässt auch beim Bund grüßen. Die von SPD und Grünen regierten Bundesländer spielen im Bundesrat auf Zeit. Sie möchten den Streit um das Kooperationsverbot bis nach der Bundestagswahl vertagen. Einige argumentieren, man solle doch erst die für April angekündigten Vorschläge des Wissenschaftsrates abwarten. Dieser hat zur Zeit den großen Auftrag, das deutsche Hochschul- und Forschungssystem grundlegend zu evaluieren und Empfehlungen für die künftige Finanzierung abzugeben. Dabei soll er auch das föderale Bund-Länder-Zusammenspiel in den Blick nehmen. Nur: Selbst der Wissenschaftsrat kann das Rad nicht neu erfinden. Geld drucken kann er auch nicht. Einige befürchten, dass es mit den WissenschaftsratsEmpfehlungen zu einer Neuauflage einer allgemeinen Studiengebührendebatte kommt. Und das alles noch vor der Bundestagswahl. Max Loewe, Bildungsjournalist Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 27 28 Bildungspolitik Vorsicht Baustelle! // Das Berliner Bildungssystem ist eine fortwährende Baustelle. Vor allem die vielen Schulreformen der vergangenen Jahre haben Eltern und Lehrkräfte verunsichert. // Ein Witzbold entwarf vor Monaten – die Eröffnung des neuen Berliner Großflughafens hatte sich zum wiederholten Male verschoben und die S-Bahn erneut Notbetrieb wegen technischer Defekte angekündigt – eine Postkarte, auf der stand: „Wir können alles – außer Flughafen und S-Bahn.“ Es gibt Menschen in der Hauptstadt – Schüler, Eltern, Studierende, Lehrkräfte – die hätten hinzugefügt: „und Bildung“. Bildungspolitisch hat sich in Berlin einiges bewegt. 2005 hat der damals rot-rote Senat im ersten Schritt die Berliner Grundschulen umgekrempelt. Kernstücke der Reform: alle Kinder in dem Jahr einzuschulen, in dem sie sechs Jahre alt werden. In den ersten beiden Schuljahren lernen sie gemeinsam im sogenannten Jahrgangsübergreifenden Lernen (JüL), der Übertritt in die dritte Klasse erfolgt dann flexibel nach zwei oder drei Jahren. In der Praxis gibt es jedoch nach wie vor Schwierigkeiten. JüL sollte verbindlich zu Beginn des Schuljahres 2006/2007 eingeführt werden, wurde dann aber wegen des Widerstandes vieler Schulen verschoben. Jahr für Jahr erhalten Schulen seitdem eine Ausnahmegenehmigung; allein 2011 waren es 70. Die Berliner GEW hat die Altersmischung zwar von Anfang an begrüßt, kritisiert jedoch, dass die Ausstattung vieler Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 Schulen zu schlecht für das gemeinsame Lernen sei. Es fehle an Lehrkräften, Räumen und Fortbildungsmöglichkeiten für Pädagogen. Die Kritik an der Schule ab dem Alter von fünf Jahren will ebenfalls nicht verstummen. Die SPD-geführte Senatsschulverwaltung verteidigt die Frühein- Grafik: zplusz E&W-Länderserie zur aktuellen Bildungspolitik Berlin schulung zwar weiterhin: Diese habe sich „positiv ausgewirkt“, antwortete man zu Beginn des laufenden Schuljahres auf eine Kleine Anfrage des grünen Bildungspolitikers Özcan Mutlu. Der Anteil der Schüler, die eine Klasse wiederholten, stieg in den ersten beiden Klassen nach Beginn von JüL allerdings um rund 30 Prozent, gibt die Bildungsverwaltung an. Fortwährend umgebaut und nachgebessert wird auch in den Berliner K ­ itas. Zwar verfügt die Stadt über ein vergleichsweise flächendeckendes A ­ ngebot an Plätzen. Doch der Zuzug von Familien mit Kindern vor allem in den Stadtteilen Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain schafft eine im- mer größere Nachfrage. Derzeit gibt es in Berlin nach Senatsangaben rund 140 000 Kita- und Krippenplätze, die Angebotslücke wird auf knapp 4500 Plätze beziffert. Der Paritätische Wohlfahrtsverband schätzt allerdings, dass die Lücke in Wirklichkeit bis zu 15 000 Plätze beträgt. Wer die Baustellen in Kita und Grundschule erfolgreich bewältigt hat, auf den warten die nächsten Schlaglöcher. 2010 holte der damalige Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) zum großen Wurf aus. Unter dem Motto „Aus fünf mach zwei“ hat man die Zahl der Schulen in der Sekundarstufe reduziert: aus Hauptschule, verbundener Haupt- und Realschule, Gesamtschule, Realschule und Gymnasium ein System aus Sekundarschule und Gymnasium gebastelt. Grundidee: Beide Schulformen führen zu allen Abschlüssen, einschließlich des Abiturs – die Sekundarschule nach 13, das Gymnasium nach zwölf Jahren. Die Besonderheit des Berliner Schulsystems – die sechsjährige Grundschule – gibt es weiterhin. An den Sekundarschulen hat man das Sitzenbleiben abgeschafft, Schüler können die Klasse freiwillig wiederholen. Den Gymnasien blieb aber das Privileg abzuschulen erhalten: Im vergangenen Schuljahr betrug die Zahl der Schüler, die von Gymnasien nach der siebten Klasse auf die Sekundarschule wechseln mussten, etwa acht Prozent – rund ein Drittel mehr als in den Jahren vor der Reform der Sekundarstufe. Soziale Segregation verschärft Für zusätzlichen Ärger sorgt die Abkehr vom sogenannten Wohnortprinzip bei der Vergabe der Schulplätze: Bei zu großer Nachfrage vergeben die weiterführenden Schulen die Plätze jetzt nach eigenen Kriterien bzw. nach dem Notenschnitt. Besonders nachgefragte Einrichtungen können sich die Schüler aussuchen. Damit wird ein bereits aus der Grundschule bekanntes Problem verschärft: das der sozialen Segregati- Bildungspolitik Verärgert sind auch viele studierwillige Berlinerinnen und Berliner. Die Hauptstadt ist nicht nur bei Touristen beliebt – zunehmend zieht es junge Menschen zum Studium hierher. Mitverantwortlich dafür ist das gute Abschneiden der Unis beim Exzellenzwettbewerb des Bundes: Die Freie und die HumboldtUniversität wurden zu Elitehochschulen gekürt. Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) hat die Hochschulen aufgefordert, ihre Kapazitäten zu erhöhen, um den Studentenandrang zu bewältigen. Im Gegenzug versprach Scheeres den Hochschulen zum Auftakt der Verhandlungen über einen neuen Hochschulpakt im vergangenen November für die Jahre 2014 bis 2017 mehr Geld. Für Scheeres heißt das, dass sie eine „neue Baustelle“ betreuen muss, denn die Hauptstadt ist finanziell klamm. Mehr Geld für die Hochschulen, sagt der SPD-Hochschulexperte Lars Oberg, sei für den Haushalt ein riesiges Problem. on. Laut einer Ende 2012 in einem Policy Brief des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration veröffentlichten Fallstudie* ist der Anteil der Zuwandererkinder in jeder fünften Brennpunkt-Schule Berlins mehr als doppelt so hoch wie der Anteil in der Altersgruppe der dazugehörigen Wohnbevölkerung. Deutsche Eltern und bildungsbewusste Migranten würden Schulen mit hohem Ausländeranteil bewusst meiden, da sie „diese mit mangelnden Lernmöglichkeiten und einem problembelasteten Umfeld assoziieren“, so Gunilla Finke vom Sachverständigenrat bei der Präsentation der Untersuchung. Jürgen Amendt, Redakteur Neues Deutschland Foto: dpa * Policy Brief des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration zur „Segregation an Grundschulen: Der Einfluss der elter­ lichen Schulwahl“; http://www.svrmigration.de/content/wp-content/ uploads/2012/11/Segregation_an_ Grundschulen_SVR-FB_WEB.pdf ** Quellen: Statistisches Landesamt, Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung Der Ärger über das Reformchaos im Schulbereich setzt sich an den Hochschulen fort: Immer mehr junge Menschen zieht es nach Berlin. Doch um den Studierendenandrang zu bewältigen, brauchen die Hochschulen – wie hier die Humboldt-Uni – mehr Geld. Ein Problem: Die Hauptstadt ist finanziell klamm. Daten und Fakten Zwischen 2001 und 2011 sank die Schülerzahl in Berlin von rund 350 000 auf etwas mehr als 292 000.** Das Land beschäftigt derzeit rund 30 000 Lehrkräfte, etwa ein Fünftel davon im Angestelltenverhältnis. Seit 2004 werden Lehrerinnen und Lehrer nicht mehr verbeamtet.** 2003 wurden sogenannte Arbeitszeitkonten eingeführt: Die wöchentliche Mehrarbeit von im Schnitt einer Unterrichtsstunde soll später ausgeglichen werden. Mit den „angesparten“ Stunden können Pädagogen auch früher in den Ruhestand gehen. Ende 2012 kündigte der Senat an, dieses Angebot abzuschaffen. Im Gegenzug sollen Lehrkräfte ab dem 60. Lebensjahr nun eine Wochenstunde weniger unterrichten. Sigrid Baumgardt, Mitglied des Berliner GEW-Vorstandsteams, kritisiert das als „Arbeitszeitverlängerung durch die Hintertür“. Seit Anfang des Jahres ist Berlin wieder Mitglied der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL). Das Land wurde 1994 aus der TdL ausgeschlossen und beging 2003 mit dem Austritt aus den Berliner Arbeitgeberverbänden Tarifflucht. Der Tarifexperte der Berliner GEW, Holger Dehring, begrüßt die Rückkehr zur Tarifgemeinschaft, kritisiert aber die Absicht des Senats, die angestellten Lehrkräfte weiterhin tariflich nicht besser zu stellen. Die Zahl der Studienanfänger ist von 2010 auf 2011 um gut zehn Prozent auf über 23 000 Studierende gestiegen. Viele Landeskinder haben bei der Suche nach einem Studienplatz das Nachsehen. Schon 2010 waren lediglich ein Drittel der Erstsemester Berliner Abiturienten.* 93 Prozent der Altersgruppe der Drei- bis Sechsjährigen besuchen eine Kita.** Seit 2010 sind die letzten drei Kita-Jahre vor der Einschulung beitragsfrei.  J.A. Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 29 30 Hochschule Weiter und heftiger   Im kommenden Jahr könnte in Eisenach eine Tradition zu Ende gehen. Seit der Wiedervereinigung richtet die Deutsche Burschenschaft (DB) ihren Burschentag wieder in der thüringischen Stadt aus. Die Stadt prüft, ob die Versammlung in der Aßmannhalle in diesem Jahr unterbunden werden könnte. Grund: der Rechtsruck des Dachverbandes. „Wenn sich der rechtsextreme Trend in der Deutschen Burschenschaft verstetigt, können Burschenschaften nicht mehr Mit Fackeln sind die Deutschen Burschenschaften in den vergangenen Jahren bei ihren Jahrestreffen durch Eisenach marschiert. Künftig will ihnen die Stadt das untersagen. Grund: der zunehmende rechtsextreme Trend in den Bünden. Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 mit der Gastfreundschaft Eisenachs rechnen”, sagte Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Die Linke). Das trifft den Verband. DB-Pressereferent Walter Tributsch von der „Wiener akademischen Burschenschaft Teutonia“ gibt sich kämpferisch: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Eisenacher Oberbürgermeisterin vertragsbrüchig wird.“ Mit Fackeln sind sie in den vergangenen Jahren traditionsbewusst vom Saal zum Burschenschaftsdenkmal marschiert. In Farben und Trachten, um an das erste Wartburgfest 1817 anzuknüpfen. Unter dem Wahlspruch „Ehre, Freiheit, Vaterland“ kamen damals studentische Verbindungen als Vertreter deutscher Universitäten zu dem „Nationalfest“, das mit nationalistischen Reden, Fackelzug und Bücherverbrennungen ende- te. „Auf der Wartburg herrschte jener beschränkte Teutomanismus, der viel von Liebe und Glaube greinte, dessen Liebe aber nichts anderes war als Haß des Fremden“*, schrieb bereits Heinrich Heine über das Treffen. Heine führt weiter aus: „… und dessen Glaube (...) in seiner Unwissenheit nichts Besseres zu erfinden wußte, als Bücher zu verbrennen!“ „Deutschtümelei“ sei, so Christian Becker von der „Initiative Burschenschafter gegen Nazis“, längst in der DB vorherrschend. Wenige Tage vor der Ankündigung der Oberbürgermeisterin von Eisenach hatten sich die rechteren Burschenschaften in Stuttgart auf dem „Sonderburschentag“ durchsetzen können. Schnell war – trotz Aussperrung der Medien bei der Versammlung in der Untertürkheimer Foto: dpa // Auf dem Sonderburschentag Ende November vergangenen Jahres in Stuttgart haben sich in der Deutschen Burschenschaft (DB) die liberal-konservativen Ver­ bindungen nicht durchgesetzt. Jetzt gab es erste Austritte. // Hochschule  rechtsrum Sängerhalle – durchgesickert, dass sämtliche Ausschlussanträge gegen die extrem rechten Verbindungen „Münchener Burschenschaft Danubia“, „Burschenschaft Dresdensia-Rugia zu Gießen“ und „Alte Breslauer Burschenschaft der Raczeks zu Bonn“ gescheitert waren. Bei den „Liberalen“, wie die liberal-konservativen Verbindungen sich selbst bezeichnen, soll sich Resignation breit gemacht haben. Schon auf dem regulären Burschentag 2012 in Eisenach konnten sich die Bünde nicht über ihre politische Abgrenzung zum Nationalsozialismus einigen. Zudem gab es keine Verständigung, welche ethnische Herkunft Studenten mitbringen müssen, um in eine Burschenschaft aufgenommen werden zu können. In einem Antrag wurden die Forderungen der „Raczeks“ zur Herkunft der Burschenschafter neu aufgegriffen: „Nur Bewerber, die männliche studierende Deutsche sind, können in eine Burschenschaft der Deutschen Burschenschaft aufgenommen werden. Deutscher ist grundsätzlich, wer sich durch (...) Abstammung als Deutscher auszeichnet“, heißt es darin. Bei Bewerbern mit einem nichtdeutschen ­ lternteil, die aber aus E dem europäischen Kulturkreis stammen, wäre im Einzelfall zu überprüfen, ob der Anwärter für „den volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“ eintritt. „Bauernopfer“ „Arier-Antrag 2.0“ hieß es daher bitter bei den „Liberalen“. Dass dieser in Stuttgart dann doch nicht Thema war, ändert nichts an dem neuen rechten Kurs. So erhielt die als ultrakonservativ geltende „Wiener akademische Burschenschaft Teutonia“ den Vorsitz der DB für das Geschäftsjahr 2013. Auf ihrer Facebook-Seite betonen die „Teutonen“, für das „völkische Wesen“ einzutreten. Die Absetzung des Schriftführers der „Burschenschaftlichen Blätter“, Norbert Weidner, konnte die Enttäuschung der „Liberalen“ nicht mildern. „Das erwartete Bauernopfer der Ultrarechten“, kommentierte Becker. So sollten „die liberal-konservativen Burschenschaf- ten“ getäuscht werden, um „im Verband als finanzielle Melkkühe und menschliche Schutzschilde gegen Medien, Politik und Behörden zu verbleiben“. Auf dem regulären Burschentag war Weidner, der wegen eines Leserbriefs in der Mitgliederzeitung der „Raczeks“ in die Kritik geraten war, noch im Amt bestätigt worden. Im Herbst 2011 hatte der selbst den „Raczeks“ angehörende Weidner in dem Blatt der Bünde den NS-Widerstandskämpfer und Theologen Dietrich Bonhoeffer als „Landesverräter“ diffamiert und behauptet, dass Bonhoeffers Hinrichtung durch die Nazis „rein juristisch“ gerechtfertigt wäre. Sein Nachfolger, Michael Paulwitz, dürfte allerdings nicht für einen Richtungswechsel stehen. Seit 2001 schreibt Paulwitz, der der „Heidelberger Burschenschaft Normannia“ angehört, für die rechtslastige Wochenzeitung „Junge Freiheit“ – auch über die Auseinandersetzungen bei der DB. Die Kritik an Weidner bezeichnete er 2012 als eine „Pseudo-Affäre“ und erklärte, „linke und linksliberale Medien“ würden „die Diffamierungstrommel“ rühren. Weidner und Paulwitz ist auch gemein, dass ihre Verbindungen der „Burschenschaftlichen Gemeinschaft“ (BG) angehören. Im aktuellen Jahresbericht stellt der Hamburger Verfassungsschutz zur BG fest: Die Entwicklungen begründeten den Verdacht, „dass dort zum Teil rechtsextremistische Positionen offensiv vertreten“ würden. Die BG dürfe in der DB nicht unterschätzt werden, erklärte Alexandra Kurth gegenüber dem „Tagesspiegel“. Die Studienrätin im Hochschuldienst am Institut für Politikwissenschaft in Gießen kritisiert seit Jahren die Studentenverbindungen auch wegen ihres sexistischen und männerbündischen Habitus‘. „Die DB steht poli- Die Deutsche Burschenschaft besteht seit 1902. Der Dachverband vereinte bis zum Sonderburschentag rund 105 deutsche und österreichische Burschenschaften mit etwa 10 000 Mitgliedern. tisch weit rechts, doch das ist der BG noch nicht rechts genug, sie bildet die pressure group innerhalb der DB“, so Kurth. NPD-Kader sind aktiv In einzelnen Burschenschaften sind seit Jahren auch NPD-Kader aktiv. Einer von ihnen, Jürgen Gansel, ist bei der „Dresdensia-Rugia“ Mitglied, deren DBAusschluss scheiterte. In Sachsen sitzt er für die NPD im Landtag. Solche Nähe zu Neonazis hatte Becker seit dem regulären Burschentag 2012 immer wieder kritisiert. Die Folge: Seine Burschenschaft, die „Raczeks“, schloss ihn aus. Das frühzeitige Ende des „Sonderburschentages“ ist für Tributsch ein Beweis, dass „entgegen aller Unkenrufe“ eine Spaltung ausgeblieben sei. Michael Schmidt, der bis zum jüngsten regulären Burschentag in Eisenach 2012 selbst Pressereferent war, merkte gegenüber den Medien indes an: „Mir ist klar, dass Tributsch das alles gut verkaufen muss!“ Und der Sprecher der „Initiative Burschenschaftliche Zukunft“ (IBZ), der 26 gemäßigte Bünde angehören, hebt hervor: „Ich halte das aber für eine euphemistische Sicht auf das, was gelaufen ist.“ Aus Sorge vor dem Rechtstrend gründeten am 3. März 2012 21 Burschenschaften die IBZ. Schmidt glaubt, dass über 20 Burschenschaften die DB verlassen werden. Er irrt nicht: Nicht nur seine „Burschenschaft Hilaritas Stuttgart“ trat aus; aufgrund von mangelndem gegenseitigen Respekt, fehlendem Vertrauen und einem unterschiedlichen Werteverständnis. Auch die „Kölner Burschenschaft Wartburg“ und die „Hannoversche Burschenschaft Arminia“ haben sich nach dem Sonderburschentag von der DB getrennt. Ihnen folgte die „Hansea Mannheim“. Andreas Speit, Journalist und Autor; seit acht Jahren schreibt er für die taz-nord die Kolumne „Der rechte Rand“ * us: Ludwig Börne. Eine Denkschrift. a Viertes Buch (1840) Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 31 32 Hochschule „Debatte in die Hochschulen tragen“ // Eine bessere Absicherung der Beschäftigten, verlässliche Perspektiven, weniger prekäre Arbeitsverhältnisse und ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis – das sind Kernforderungen der GEW für die Hochschulen. Mit dem „Herrschinger Kodex“ sollen sich diese zum fairen Umgang mit den Beschäftigten verpflichten. // tigte, der konkret an jeder Uni und Fachhochschule die Basis für Personalpolitik bilden kann und sollte. „Wir empfehlen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, sich in einem Kodex ‚Gute Arbeit in der Wissenschaft‘ auf freiwilliger Basis zur Schaffung stabiler Beschäftigungsbedingungen und berechenbarer Karrierewege zu verpflichten“, sagt Keller. Daueraufgaben müssten auf Dauerstellen erbracht werden, Geschlechtergerechtigkeit eine Rolle spielen, die Work-Life-Balance dürfe nicht außer acht geraten. Noch reagieren die Hochschulen zögerlich, doch GEW-Hochschulexperte Keller ist sicher, dass der Appell an die Verantwortung der Einrichtungen fruchten wird: „Sie profitieren ja auch selbst davon, im Wettbewerb um die besten Köpfe und durch gesündere und zufriedenere Mitarbeiter.“ In den kommenden Wochen und Monaten soll die Debatte gezielt in die Hochschulen getragen werden, unter anderem durch eine Sonderveröffentlichung Mitte Januar in der Deutschen Universitätszeitung. Unterdessen gibt es vielversprechende Signale aus der Politik: NRW-Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) prüft, wie weit ein Kodex zu guter Arbeit in Zielvereinbarungen mit den Hochschulen aufgenommen werden kann; ähnliche Überlegungen gibt es in MecklenburgVorpommern. Auch in Hessen und Hamburg war die GEW bereits bei Anhörungen und Diskussionen in den Landesparlamenten dabei, um für ihre Vorstellungen zu werben. Und auch Helge Braun (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung, stellt fest: „Ich finde es richtig, dass mit entsprechenden Kodizes Perspektiven für junge Wissenschaftler gesichert werden.“ Bei so viel Zuspruch passt es gut, dass parallel zu den GEWAktivitäten auch der DGB ein neues hochschulpolitisches Programm verabschiedet hat. „Gute Lehre und Forschung und gute Arbeitsbedingungen sind zwei Seiten einer Medaille“, sagt der verantwortliche DGB-Abteilungsleiter Matthias Anbuhl: „Ich halte es für einen Skandal, dass das bisher so selten zusammen gedacht wird.“ Jetzt muss die Überzeugungsarbeit vor Ort beginnen. Keller: „Einen festen Zeitplan gibt es zwar nicht, aber die Bundestagswahl ist sicher ein guter Zeitpunkt, um eine erste Bilanz der Debatte zu ziehen.“ Die Zahlen sind dramatisch: 83 Prozent der Arbeitsverträge an deutschen Hochschulen waren 2009 befristet, bei mehr als der Hälfte aller wissenschaftlichen Mitarbeiter galt der Vertrag sogar nur für ein Jahr oder weniger. „Das ist eine absurde Situation“, sagt Stefanie Sonntag, wissenschaftliche Personalrätin an der Viadrina-Universität in Frankfurt/Oder: „Bei mehrjährigen Forschungsprojekten müssen sich die Betroffenen schon nach einem halben Jahr um eine Anschlussfinanzierung ihrer Stelle kümmern, statt sich die wissenschaftlichen Fragen vorzunehmen.“ Solche Arbeitsbedingungen seien „schlicht beschämend“, ergänzt DGB-Vize Ingrid Sehrbrock. Dass die Arbeitsbedingungen an den Hochschulen derzeit so weit oben auf der bildungspolitischen Agenda stehen, geht zu großen Teilen auf GEW-Aktivitäten zurück. 2010 ist das „Templiner Manifest“ verabschiedet worden (E&W berichtete), in dem eine Reform der Personalstruktur und Berufswege an den Hochschulen und in der Forschung gefordert wird. „Das war ein Weckruf für viele Wissenschaftler, ihre Situation zu reflektieren, aber auch für viele Politiker, die Probleme erst einmal wahrzunehmen“, sagt Andreas Keller, im GEW-Vorstand für die Hochschulen verantwortlich. Im vergangenen Sommer legte die GEW-Wissenschaftskonferenz in Herrsching am Ammersee nach und erarbeitete den „Herrschinger Kodex“ – eine Art Instrumentenkasten für Hochschulen und Beschäf- Foto: dpa Armin Himmelrath, freier Journalist Der „Herrschinger Kodex“, den die GEW auf ihrer Wissenschaftskonferenz am Ammersee erarbeitet hat, ist eine gute Basis für Personalpolitik an Hochschulen. Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 Der Herrschinger Kodex der GEW: www.gew.de/Herrschinger_Kodex.html Das neue hochschulpolitische Programm des DGB: www.dgb.de –> Themen –> Downloads –> Das hochschul­ politische Programm des DGB vom 11. Dezember 2012 Weiterbildung Tendenz: „Bildungsvermarktung“ rg Kli ndt Diesen Trend bekämpft die GEW. 1970 wurde die Weiterbildung als Teil des öffentlichen Bildungssystems auf die Agenda des Bildungsrates gesetzt. Heute jedoch sei die Tendenz zur „Bildungsvermarktung“ sichtbar wie nie zuvor, sagte unter stürmischem Beifall Prof. Rolf Dobischat von der Uni Duisburg-Essen. Die Devise, so hieß es aus dem Plenum, müsse lauten: nachhaltige Finanzierung statt kaputtsparen! Die Podiumsdiskussion machte allerdings deutlich, dass sich die Erwartungen der GEW nicht mit den Zukunftsprognosen der Experten und Politiker decken. „Was wir realistisch anstreben können, ist eine gute Mischung aus Professionalität und freier Honorartätigkeit“, sagte Ernst Dieter Rossmann, bildungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag. Er verstehe die „Weimarer Thesen“ als Gesprächsangebot der GEW. Eine Änderung des Grundgesetzes hält Rossmann für notwendig. Sein Vorschlag: das Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern aufzuheben. Die Forderung, die Zahl fester Stellen im Weiterbildungsbereich aufzustocken, sieht der SPD-Abgeordnete jedoch als aussichtslos an. Das scheitere auf der Landesebene und am Geld. Er sprach sich allerdings dafür aus, dass die Politik eine soziale Absicherung für Honorarlehrkräfte schaffe. Susanne Hennig von der Thüringer Landtagsfraktion „Die Linke“ hielt dagegen, dass eine Umverteilung des Reichtums durch eine andere Steuerpolitik die öffentlichen Einnahmen verbessere. Außerdem: Eine Grundsicherung würde soziale Sicherheit für alle garantieren. Die Vertreterin der Grünen-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen (NRW), Gudrun Zentis, unterstrich, dass die Mittel für Weiterbildung in NRW zwar auf einem niedrigen Level – bei 0,6 Prozent des Bildungsetats –, aber immerhin nicht gekürzt worden seien. Zentis erklärte ihre Gesprächsbereitschaft mit der GEW. -Geo „Ein Schutzschirm für die Weiterbildung – öffentliche Verantwortung statt Markt“ – unter diesem Motto hatte der GEWHauptvorstand zur Herbstakademie 2012 nach Weimar eingeladen. Teils kontrovers ist diskutiert worden, wie es gelingen kann, die öffentliche Verantwortung wieder auf die Tagesordnung zu setzen, damit Weiterbildung nicht allein marktwirtschaftlichen Strukturen überlassen bleibt. Die Volkshochschule (VHS) liegt „Im Graben“. Zumindest die in Weimar. Postalisch. Die Adresse scheint allerdings Programm zu sein: Die prekären Arbeitsbedingungen im Weiterbildungssektor haben sich in den vergangenen Jahren noch einmal dramatisch verschlechtert. „Schutzschirme für Banken sind heutzutage in aller Munde, während der gesamte Bildungssektor unterfinanziert ist.“ Das sei nicht hinnehmbar, betonte GEW-Vorstandsmitglied Stephanie Odenwald. Kürzungen im Etat der Arbeits­ genturen haben zu Streichuna gen in der beruflichen Weiter­­ dung geführt, so Odenwald, An bil­ VHSen beispielsweise herrschten katastrophale Zustände, kritisierte Prof. Klaus-Peter Hufer von der Uni Duisburg-Essen. Das Prinzip der Kostendeckung überschatte alle Mühen der Ebenen. „Die wesentliche Aufgabe der Volkshochschule, nämlich die an der Aufklärung orientierte Bildungsidee, droht verloren zu gehen.“ Der Grund: „Die Bildungseinrichtungen wandeln sich beängstigend schnell zu rentablen Wirtschaftsunternehmen. Und der Anspruch der VHS, dem Leitgedanken der Chancengleichheit zu folgen, Benachteiligte anzusprechen und für Menschen aller sozialen Schichten und Altersgruppen einen Ort der Begegnung zu bieten, ist gefährdet“, so der Weiterbildungsexperte. Schlimm sei, dass dadurch der emanzipatorische Charakter der VHS endgültig „den Bach runter geht“. Unterfüttert wurden Hufers Argumente durch die „Weimarer Thesen 2012“*, ein Grundsatzpapier der GEW, das auf generelle Fehleinschätzungen in einer dem Markt angepassten Weiterbildung hinweist und zugleich Perspektiven für eine öffentliche Verantwortung aufzeigt. Prekäre Arbeitsbedin- Nachhaltige Finanzierung nötig Hans // Während der Herbstakademie der GEW haben Gewerkschaften und Experten die desaströsen Folgen einer an den Markt angepassten Weiter­ bildung angeprangert. Ihre Forderung: ein Zurück zum öffentlichen Auftrag. // gungen beseitigen, sich von der sogenannten Projektitis abwenden, bundesweite Regelungen schaffen sowie ein subjektorientiertes Beratungsnetz aufbauen sind Eckpunkte des Thesenpapiers. Fest steht: Dumpinglöhne und katastrophale Arbeitsbedingungen kennzeichnen gegenwärtig die Weiterbildungspolitik in einer sozial gespaltenen Gesellschaft. Foto: Das Bildungs- und Förderungswerk der GEW unterstützt die Herbstakademie. Uta Heyder, freie Journalistin *http://www.gew.de/Binaries/Binary93304/Weimarer_ Thesen_-__Endversion.pdf Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 33 34 Jugendhilfe „Bildung ist mehr // Knapp 500 Schulsozialarbei­ te­ innen und -sozialarbeiter r disku­ erten auf dem ersten ti b ­ undesweiten Kongress in H ­ annover über die Zukunft ihrer Profession. // Fotos: Katja Irle Ohne sie läuft nichts. Bundesländer, Kommunen und Schulen halten ihre Arbeit für unverzichtbar. Und wenn es in einem sozialen Brennpunkt eskaliert, sollen Schulsozialarbeiter es richten. Sie gelten als Wegbereiter für soziale Gerechtigkeit und als Präventionsexperten mit dem Auftrag, Bildung für alle zu gewährleisten. Doch ihren beruflichen Carsten Görlach, 44 Jahre, Dresden, Schulsozialarbeiter, betreut 300 Schüler: „Ich möchte nicht nur an Problemen arbeiten, sondern präventiv in den Klassen wirken  – zum Beispiel über eine Streitschlichterkultur.“ Alltag bewältigen viele unter schwierigen Bedingungen. Sie werden schlecht bezahlt, arbeiten in Teilzeit und ihre Stellen sind zeitlich befristet. „Ich bin schon seit mehr als zehn Jahren dabei, aber nie mit einer wirklich gesicherten Finanzierung“, sagt Carsten Görlach, 44 Jahre, der sich vom ersten Bundeskongress seiner Profession ein Aufbruchsignal erhofft. Der Sozialarbeiter aus Dresden ist gemeinsam mit einer Kollegin für 300 Schülerinnen und Schüler zuständig. Für ihre Stellen gibt es eine Mischfinanzierung durch freie Träger und den Europäischen SozialErziehung und Wissenschaft | 01/2013 fonds. „Das Geld ist immer nur befristet, deshalb wünsche ich mir eine dauerhafte institutionelle Förderung.“ Über ähnliche Erfahrungen berichteten viele der Teilnehmenden, die Ende vergangenen Jahres nach Hannover gekommen waren. „Wir brauchen sichere Arbeitsverhältnisse“, forderte der Kooperationsverbund Schulsozialarbeit, dem unter anderem die GEW angehört. Schulsozialarbeit benötige Verlässlichkeit – auch im Sinne der Schüler. „Die Finanzierung über Projekte auf der einen und der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung auf der anderen Seite schließen sich aus“, sagte eine Teilnehmerin: „Die Projektitis muss ein Ende haben.“ Doch danach sieht es zurzeit nicht aus. Zwar hat das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung bewirkt, dass nach Schätzungen der Trägerverbände bundesweit rund 3000 neue Stellen für Schulsozialarbeiter entstanden sind. Doch wie es nach dem offiziellen Ende der Förderung 2012 im kommenden Jahr weitergehen soll, ist unklar. Die Arbeits- und Sozialminister der Länder haben die Bundesregierung kürzlich aufgefordert, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen, damit die durch das Bildungs- und Teilhabepaket initiierte Schulsozialarbeit weitergeführt werden kann. Doch konkrete Pläne zur Realisierung gibt es bislang nicht. „Wir brauchen eine strukturell abge­ si­ herte Finanzierung der Schulsozi­ l­ c a arbeit, die auf Jugendhilfe- und Schulentwicklungsplänen beruht“, sagte Bern­ ard Eibeck, Referent im Orga­ i­ h n sa­­ tionsbereich Jugendhilfe der GEW: „Schulsozialarbeit gehört an jede ­ chule.“ S Unübersichtliche Struktur Bislang gibt es nicht einmal zuverlässige Zahlen darüber, wie viele Sozialarbeiter an deutschen Schulen überhaupt tätig sind. Die Förder- und Finanzierungsstruktur ist unübersichtlich, weil viele verschiedene Träger im Spiel sind – vom Land über Kommunen bis zu tra- Rita Nienstedt, 51 Jahre, Osterode am Harz, seit 25 Jahren Schulsozial­ arbeiterin: „Schulsozialarbeit ist ein kreativer Beruf. Man weiß nie, welches Problem kommt, und muss auf alles vorbereitet sein.“ ditionellen Förderern wie dem Internationalen Bund (IB), dem Paritätischen Wohlfahrtsverband oder der Arbeiterwohlfahrt (AWO). Eine Lanze für eine sichere Finanzierung von Schulsozialarbeit brach auch der ehemalige Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner (SPD) im Rahmen der Podiumsdiskussion mit anderen Experten aus Politik und Praxis. Die Finanzierung der Schulsozialarbeit sei eine Frage der Prioritäten, sagte Zöllner: „Man kann auch im Zuge des demografischen Wandels weniger Lehrkräfte und dafür mehr Schulsozialarbeiter einstellen.“ Schulen müssten sich noch mehr für andere Berufsgruppen öffnen. Doch anders als bei den anderen Beschäftigten sind Bezahlung und Berufsbild bei den Sozialarbeitern nicht klar definiert. „Schulsozialarbeit“, so formulierte es ein Kongressteilnehmer, „ist immer auch ein großes Kuddelmuddel.“ Nötig seien klarere Strukturen, einheitliche Standards und ein eigenes Bildungskonzept. Andere Teilnehmer beklagten, dass sie häufig nur als Krisenmanager und Helfer für einen reibungslosen Ablauf von Schule und Unterricht gesehen würden. „Wir werden als Feuerwehr benutzt“, kritisierte Rita Nienstedt aus Osterode am Harz. Nach 25 Jahren im Job stellt sie fest: „Wir sol- Jugendhilfe len Heiler sein. Das haben die Lehrerinnen und Lehrer einfach im Kopf.“ Kooperation auf Augenhöhe Der Wunsch nach einer gleichberechtigten Zusammenarbeit zwischen Lehrkräften, Schulleitungen und Schulsozialarbeitern zog sich wie ein roter Faden durch den Kongress. „Wir brauchen eine Kooperation auf Augenhöhe. Das ist oft nicht so, weil Sozialarbeiter sehr viel weniger Geld verdienen als Lehrkräfte“, sagte Annette Just, Leiterin des Instituts für Schulsozialpädagogik in Münster. Heike Niemeyer vom Regionalen Bildungsbüro Dortmund beklagte, dass Schulsozialarbeit zu oft mit Defiziten in Verbindung gebracht werde: „Die Erwartung ist, dass sie Schüler wieder auf die Spur bringt. Es geht aber nicht nur um Leistung, sondern um das bunte, pralle Leben – vom Liebeskummer bis zu Konflikten in den Familien.“ Welche Herausforderungen auf die pädagogischen Professionen und den Wirtschaftsstandort Deutschland noch zukommen werden, das skizzierte Gastredner Kai Gramke von der Prognos AG Basel. In seinem Vortrag zeichnete er das Bild eines Landes, wie es nach den Berechnungen der Statistiker und Wirtschaftsexperten im Jahr 2035 Annette Just, 54 Jahre, Münster, Leiterin des Instituts für Schulpädagogik: „Wir brauchen eine Kooperation auf Augenhöhe. Das ist oft nicht so, weil Schulsozialarbeiter sehr viel weniger Geld verdienen als Lehrkräfte.“ Stephan Weismann, 40 Jahre, ­Karlsruhe, arbeitet in leitender Position für den sozialen Dienst der Stadt: „Man muss sich als Sozial­ arbeiter seine Position gegenüber den Lehrern erkämpfen, aber ich habe auch sehr gute Erfahrungen mit der Teamarbeit gemacht.“ auf dem Bundeskongress um. Neben Facebook-Mobbing sei zurzeit in den Klassen 5 bis 8 das „Seuchen-Spiel“ üblich, berichteten mehrere Schulsozialarbeiter. Dabei verbreiten die Jugendlichen über einen anderen, er habe eine ansteckende Krankheit. Gemobbt werde auch mit dem „Dieter-Bohlen-Spiel“, in dem es um das Sammeln von Sprüchen geht, die andere erniedrigen. Um solche und andere gesellschaftliche Herausforderungen zu meistern, braucht Schule nach Ansicht von Prof. Thomas Olk von der Universität HalleWittenberg ein erweitertes Bildungsverständnis und unterschiedliche Ak­ teure, die daran mitwirken. „Eine Päda­ gogik der Vielfalt ist nicht durch eine aussehen könnte. Überraschungen waren nur wenige dabei, dafür ein Appell des Volkswirts Gramke, dass das alternde Deutschland vor allem zwei Dinge brauche, um wettbewerbsfähig zu bleiben: mehr Zuwanderung, längere Lebensarbeitszeit sowie Bildung, Aus- und Fortbildung für die Wissensgesellschaft. Verständnis gewachsen Das Thema Bildungspolitik und Schulreformen gehörte auf dem Kongress zu den Favoriten bei verschiedenen Arbeitsforen, in denen sich Schulsozialarbeiter mit anderen Experten austauschten. „Nicht nur Kinder lernen heute anders – auch die Pädagogen“, konstatierte der Hamburger Erziehungswissenschaftler Peter Struck. Seiner Einschätzung nach ist das Verständnis für das Zusammenwirken von Schule, Jugendhilfe und Familien stark gewachsen. „Wenn ich meine Lehramtsstudierenden vor 15 Jahren auf Hausbesuche oder Elternstammtische angesprochen habe, dann haben die mir einen Vogel gezeigt. Das hat sich geändert.“ Aber auch Gewalt und Mobbing der Schüler untereinander trieb die Gäste Foto: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  als Schule“ Thomas Olk, 61 Jahre, Uni HalleWittenberg, Professor für Sozialpädagogik und Sozialpolitik: „Schulsozialarbeit ist ein eigenständiges Angebot, bei dem sozialpädagogische Fachkräfte auf einer verbindlich vereinbarten Basis kontinuierlich am Ort Schule tätig sind, mit Lehrkräften zusammenarbeiten und dabei sozialpädagogische Ziele, Methoden, Arbeitsprinzipien sowie Angebote in die Schule einbringen.“ Institution allein zu leisten“, sagte der Soziologe und Erziehungswissenschaftler mit Blick auf die künftige Rolle der Schulsozialarbeit in Deutschland: „Bildung ist mehr als Schule.“ Katja Irle und Canan Topçu, freie Journalistinnen Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 35 36 Tarif- und Beamtenpolitik Gold, Silber und Bronze für GEWler // Für ihr Engagement gegen geringfügige Beschäftigung, gegen Mobbing und bei der Eingruppierung neu eingestellter Beschäftigter sind Personalräte aus Bremen, Frankfurt a. M. und Berlin in der Hauptstadt ausgezeichnet worden. // Zwei Projekte aus dem Organisationsbereich der GEW haben den Deutschen Personalräte-Preis in Gold und Silber gewonnen. Auch das Engagement der Drittplatzierten berührt Beschäftigte, die die GEW vertritt. Der nicht dotierte Preis wurde zum zweiten Mal beim Schöneberger Forum des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) am 29. November in Berlin verliehen. Initiiert hat ihn die Zeitschrift „Der Personalrat“ des Bund-Verlages in Zusammenarbeit mit der Versicherung HUK Coburg und dem DGB-Bundesvorstand. „Fair statt prekär“ Foto: Simone M. Neumann Den ersten Platz belegte der Personalrat Schulen Bremen mit seinem Projekt „Fair statt prekär“. Das Team um die Interessenvertreter der GEW erreichte eine tarifliche Bezahlung für pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie unbefristete Verträge für Vertretungslehrerinnen und -lehrer an Ganztagsschulen. „Viele Leute haben fünf Euro bekommen, ohne So­ zialversicherung“, berichtete Andrea Köster über die Situation der pädagogischen Fachkräfte und Betreuungskräfte. „Powerfrauen“ wie Köster hätten dem Projekt 2004 einen Schub versetzt, sagte ihr Personalratskollege Hajo Kuckero. Sie berieten die Beschäftigten und beriefen Personalversammlungen ein. „Die Schulbehörde musste sich an den Verhandlungstisch setzen“, sagte Köster. Ergebnisse: eine Bezahlung nach Tarif des öffentlichen Diensts, das Recht auf Aufstockung geringfügiger in sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse und unbefristete Verträge. Vertretungslehrer werden mit mindestens einer halben Stelle befristet auf zwei Jahre im öffentlichen Dienst eingestellt. „Danach erhalten sie eine unbefristete Stelle, in der Regel eine Verbeamtung“, erklärte Kuckero. Gegen Mobbing Der Gesamtpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer beim staatlichen Schulamt in Frankfurt a. M. erhielt für eine Dienstvereinbarung gegen Mobbing und Bossing den Preis in Silber. Es sei hier gelungen, Dienststellenleitung und Personalvertretung auf ein oft tabuisiertes Thema aufmerksam zu machen, lobte die Jury. „Die Dezernenten sind sehr sensibel geworden“, stellte Rainer Koch, Vorstandsmitglied im Gesamtpersonalrat, fest, erinnerte sich jedoch an Widerstände: „Es war ganz schwierig, den Begriff Mobbing in die Dienstvereinbarung reinzubekommen.“ Denn dazu müsse ein Amtsleiter zugeben, dass es in seiner Dienststelle Fälle von Mobbing und Bossing gibt. Koch berichtete, er sei häufig von Kolleginnen und Kollegen angerufen worden, die sich schikaniert oder unfair behandelt fühlten. Die Vereinbarung gibt für solche Fälle Verhaltensempfehlungen und zeigt, wie man Mobbing vorbeugt. Personalrätin Marianne Friemelt hob einen weiteren Aspekt hervor: „Uns war es wichtig hineinzuschreiben, dass Führungskräfte, die sich an Mobbing beteiligen, nicht geeignet für ihre Position sind.“ Träger des Bronze-Preises ist der Hauptpersonalrat (HPR) Berlin, der zunächst mit einer Bewerbung gezögert hatte. „Wir dachten, wir machen doch nur unsere Arbeit“, begründete Vorstandsmitglied Klaus Schroeder die Zurückhaltung. Der Preis werde diese jetzt umso mehr beflügeln. Der HPR hat sich mit der Stufenzuordnung bei Neueinstellungen im Tarifvertrag der Länder beschäftigt. Er stellte fest, dass das Land Berlin Rechtsbegriffe wie „einschlägige Berufserfahrung“ nicht zugunsten der Beschäftigten auslegte. Bewerber mit Berufserfahrung wurden bezahlt wie Anfänger. Der Hauptpersonalrat forderte die örtlichen Personalräte auf, der Einstufung gegebenenfalls nicht zuzustimmen – in zehn Fällen waren sie vor der Einigungsstelle erfolgreich. Er verhinderte zudem, dass Lehrkräfte mit einer fachwissenschaftlichen Ausbildung in zwei Fächern herabgruppiert wurden. Sonderpreise der HUK Coburg und der DGB-Jugend gingen an den Personalrat der städtischen Friedhöfe München und die Gesamtjugend- und Auszubildendenvertretung der Stadt Nürnberg. Um den Deutschen Personalräte-Preis hatten sich 40 Einsender beworben. Die elf Jurymitglieder, darunter Ilse Schaad vom GEW-Hauptvorstand, vergaben die Auszeichnung unter elf nominierten Projekten. Barbara Haas, freie Journalistin Beim „Schöneberger Forum“ erhielt der Personalrat Schulen Bremen den Deutschen PersonalrätePreis in Gold für sein besonderes Engagement. Im Bild: Personalrat Hajo Kuckero (links) und Personalrätin Andrea Köster vor Michael Kröll, verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift „Der Personalrat“. Rechts: Cornelia Rogall-Grothe, Staatssekretärin im Bundesministerium des Innern Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 Tarifpolitik Foto: dpa Mehr Geld und Tarifvertrag für angestellte Lehrkräfte 2013 steht eine harte Tarifrunde bevor. Wie im vergangenen Jahr – unser Archivbild zeigt eine Warnstreikdemo mit 4000 Beschäf­tigten in Potsdam – werden die Forderungen nur mit viel Aktionsdruck durchzusetzen sein. // 6,5 Prozent mehr Gehalt und Einstieg in eine per Tarifvertrag geregelte Entgeltordnung für angestellte Lehrkräfte (L-ego) lauten die gleichrangigen Ziele der GEW in der Tarifrunde 2013 für die im öffentlichen Dienst der Länder Beschäftigten. // 6,5 Prozent Gehaltserhöhung fordern die Gewerkschaften für alle Tarifbeschäftigten der Länder. Damit wollen sie Anschluss an die Lohnentwicklung in Bund, Kommunen und der privaten Wirtschaft halten. Die Gehälter stiegen im Jahr 2012 in fast allen großen Branchen um vier bis fünf Prozent. Für die GEW hat in dieser Runde außerdem der Einstieg in eine tarifliche Regelung zur Eingruppierung angestellter Lehrkräfte gleichrangige Priorität. Von diesem Ziel hat die GEW auch ihre Schwestergewerkschaft ver.di überzeugt: Die Bundestarifkommission (BTK) der Dienstleistungsgewerkschaft schloss sich der GEW-Forderung am 11. Dezember einstimmig an. „Für die Arbeitgeber der Länder ist die gegenwärtige Regelung natürlich ein paradiesischer Zustand. Sie können die angestellten Lehrkräfte nach eigenem Gutdünken eingruppieren“, machte GEW-Tarifexpertin Ilse Schaad während der BTK-Sitzung deutlich. Sie warf der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vor, die Lehrkräfte seit 2006 hinzuhalten und damit der größten Beschäftigtengruppe im öffentlichen Dienst der Länder eine faire Bezahlung zu verweigern. „Jedes Bundesland zahlt den Lehrkräften auf Grundlage einseitig diktierter Arbeitgeberricht- linien und -erlasse ein anderes Gehalt. Diese Eingruppierung nach Gutsherrenart ist nicht zeitgemäß und undemokratisch“, kritisierte Schaad. Die unverbindlichen Lehrerrichtlinien haben in den vergangenen Jahren zu großer Ungerechtigkeit geführt. So haben die Länder Hamburg, Niedersachsen, Bremen und Nordrhein-Westfalen ihre angestellten Lehrkräfte der Sekundarstufe I kurzerhand von der Entgeltgruppe (EG) 13 auf EG 11 herabgruppiert. Noch schlimmer sieht es in Sachsen aus: Im PISA-Spitzenreiterland werden Lehrkräfte grundsätzlich zwei Gehaltsgruppen schlechter bezahlt als Lehrkräfte im Westen – und das bei gleicher Arbeit und gleicher Qualifikation. Attraktiv macht das den Lehrerberuf für den dringend benötigten Nachwuchs nicht. Betroffen sind inzwischen längst nicht nur die Lehrkräfte: Da die Lehrerrichtlinien für die Länder so billig sind, wenden sie diese inzwischen auch bei anderen Berufsgruppen – von Sozialpädagogen über Ergotherapeuten bis zu Elektrikern – an. Die fehlende verbindliche Regelung für angestellte Lehrkräfte zieht die Gehälter im gesamten öffentlichen Dienst der Länder nach unten – sicher auch ein Grund für die Unterstützung von ver.di. Mehr Gerechtigkeit soll künftig die von der GEW geforderte tarifvertraglich geregelte Lehrkräfte-Entgeltordnung bringen. „Die bundesweit gut 200 000 angestellten Lehrerinnen und Lehrer sollen künftig entsprechend ihrer Tätigkeit und der dafür geforderten Qualifikation bezahlt werden. Auch Lehrkräfte in Ost und West müssen endlich gleichen Lohn für gleiche Arbeit bekommen“, erklärte GEW-Vorstandsmitglied Schaad Mit einem linearen Gehaltszuwachs von 6,5 Prozent für alle Angestellten des öffentlichen Dienstes, inklusive einer sozialen Komponente, wollen die Gewerkschaften verhindern, dass die Beschäftigten materiell abgekoppelt werden. „Auch die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst haben ein Recht darauf, nach einem Jahrzehnt der Reallohnverluste und angesichts steigender Steuereinnahmen mit der allgemeinen Lohnentwicklung Schritt zu halten. Dafür ist eine deutliche Gehaltssteigerung nötig“, machte Schaad deutlich. Die Gewerkschaften verlangen, dass der Abschluss wirkungsgleich auf die rund zwei Millionen Beamtinnen und Beamten sowie Pensionäre der Länder übertragen wird. Der Verhandlungsauftakt mit der TdL findet am 31. Januar in Berlin statt. Die weiteren Verhandlungsrunden sind auf den 14./15. Februar bzw. den 7./8. März in Potsdam terminiert. Erstmals wird auch Berlin wieder an den Verhandlungen teilnehmen, nur Hessen ist nicht Mitglied der TdL. Der Tarifabschluss gilt im Organisationsbereich der GEW nicht nur für ­ ehrerinnen und Lehrer, sondern auch für bei den Ländern L angestellte ­ ozialpädagogen sowie Erzieherinnen und Erzieher. S Markus Hanisch, Internetredakteur beim GEW-Hauptvorstand Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 37 38 Gesellschaftspolitik Brücken schlagen // Die soziale Spaltung in den Großstädten nehme zu, warnen Wissenschaftler vom Deutschen Institut für Urbanistik in einer neuen Studie*. Vor allem Kinderarmut konzentriere sich in bestimmten Stadtteilen. Ein Beispiel aus Köln. // Foto: dpa Schmucklos wieder aufgebaute Nachkriegsbauten säumen die Buchforststraße im Kölner Bezirk Kalk. Vor dem Haus Nummer 113 herrscht Hochbetrieb. Ständig betreten oder verlassen Kinder das bescheidene Ladenlokal. In einem Korb vor der Tür liegen Brotlaibe zum kostenlosen Mitnehmen, das Schaufenster präsentiert Spielsachen, Schuhe und Kleidung. Direkt dahinter stehen Holztische, die mit Gläsern, Tellern, Besteck, Brötchen und Obstschalen eingedeckt sind. „Heute gibt es Kartoffelsalat mit Würstchen“, sagt Elisabeth Lorscheid. Am frühen Morgen erhielt die Leiterin des Kalker Kindermittagstisches den Anruf eines Kölner Großveranstalters. „Wir haben frische Ware übrig, die müssen Sie aber bis neun Uhr abholen.“ Um die 150 Kinder essen von Montag bis Freitag beim Kalker Mittagstisch, selbst in den Schulferien. Die meisten von ihnen sind in Köln geboren, ihre Eltern aber stammen aus dem Irak, der Türkei, aus Marokko, Brasilien, Togo oder Bosnien. „Die ersten kommen schon am späten Vormittag, wenn die Grundschule früh zu Ende ist“, erzählt die Leiterin, die hier alle „Alice“ nennen. Viele der kleinen Besucher haben großen Hunger – zu Hause gibt es zu wenig zu essen. Fast jedes fünfte Kind verlässt morgens ohne Frühstück die elterliche Wohnung, hat der Deutsche Kinderschutzbund in einer bundesweiten Befragung unter Sieben- bis Neunjährigen ermittelt. Laut einer aktuellen Studie der HansBöckler-Stiftung (WSI Report Nr. 8/2012) wächst die Armut in den Großstädten wieder. Besonders dramatisch ist die Situation für Kinder in den Metropolen. So leben in Leipzig, Dortmund, Duisburg, Hannover, Bremen und Berlin inzwischen bis zu einem Viertel der Einwohner unterhalb der Armutsgrenze. Auch im Kölner Stadtteil Kalk-Nord. 32 000 Jungen und Mädchen, im statistischen Schnitt fast ein Viertel der Kölner Kinder unter 15 Jahren, gelten als arm. Die Bedürftigkeit ist jedoch regional sehr unterschiedlich verteilt. In manchen bürgerlich geprägten Vierteln auf der linken Rheinseite, wo sich auch das Stadtzentrum befindet, gibt es so gut wie keinen Bedarf an einem kostenlosen Mittagessen. In Trabantenstädten wie Porz-Finkenberg oder im deindus- In deutschen Großstädten wächst die Armut. Dramatisch ist die Lage für Kinder. Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 trialisierten Kalk ist das ganz anders. Köln sei eine der Städte mit einer besonders ausgeprägten sozialräumlichen Spaltung, so der Befund der Studie (siehe Kasten, Seite 39). Auf „Betteltour“ Lorscheid startete den Kindermittagstisch im August 2009. Angeregt wurde sie durch einen Freund ihrer beiden Kinder, den diese öfter zum Essen nach Hause mitbrachten. Durch ihn bekam sie hautnah mit, was es bedeutet, wenn Eltern ihre Kinder nicht ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgen können. Eine Wohnungsbaugesellschaft stellte ihr die Räume zur Verfügung, über den Spendenaufruf einer Tageszeitung konnte sie eine Küche anschaffen. Für den gemeinnützigen Verein arbeitet die einstige Bürokauffrau als Geringverdienerin auf 400-Euro-Basis, ihr Honorar hat ein privater Sponsor übernommen. Die Entlohnung ist eher symbolisch, Lorscheid investiert täglich um die 14 Arbeitsstunden in das Projekt. „Ich stehe um halb vier auf, kümmere mich erst mal um mich selbst und um meine Familie; danach checke ich die Mails, was neu an Lebensmitteln angeboten wird.“ Am Morgen geht sie koordiniert mit den ehrenamtlichen Unterstützern „auf Betteltour“. Cornelia Schönburg zum Beispiel, Verkäuferin auf dem Kalker Wochenmarkt, spendet regelmäßig 60 Eier. Eine Bäckerei im Stadtteil liefert Brötchen, und nicht etwa die vom Vortag. „Wir verwenden ausschließlich frische Lebensmittel“, betont Lorscheid. Von einem Großhändler erhält sie hochwertiges Obst und Gemüse; aus einem Krankenhaus holt ein Helfer jeden Montag Joghurts und fertig gekochte Suppe. Wasser und Saft stellt ein Getränkemarkt kostenlos zur Verfügung, das Fleisch wird überwiegend mit Fördergeldern zugekauft. Spätestens ab zwölf Uhr ist Lorscheid wieder vor Ort beim Mittagstisch. Von den ankommenden Kindern wird sie euphorisch begrüßt, für viele ist sie zur Ersatzmutter geworden. „Alice“ wird stets umlagert, mit Fragen bestürmt: Gesellschaftspolitik „Kannst du mir bei den Hausaufgaben helfen? Kannst du mir was vorlesen?“, rufen die kleinen Gäste. „Armut bedeutet nicht nur Mangel an Geld, sondern oft auch Mangel an Gefühlen“, weiß die Leiterin des Kinder-Mittagstisches. Sie beobachtet eine „Verwahrlosung“ im emotionalen Bereich: „Von den weit über hundert Kindern, die hier teilweise seit Jahren täglich essen, haben sich höchstens zehn Eltern unseren Mittagstisch mal persönlich angeschaut.“ Sie kennt „Familien, wo die Mutter ständig in Netzwerken chattet und der Vater nur vor dem Fernseher sitzt“. Der Kindermittagstisch versteht sich als Angebot für Kinder, Erwachsene sind willkommen. Eine regelmäßige Besucherin ist Stefanie Zabut, alleinerziehende Mutter der elfjährigen Sevdat und der fast zweijährigen Dilara. Unterhalt bekommt die ehemalige Serviererin von den beiden Kindsvätern nicht. Seit Jahren lebt sie mit ihren Töchtern von Hartz IV. Da muss jeder Cent umgedreht werden: „Schwimmen gehen, Eis essen oder Kinobesuche sind einfach nicht drin.“ Zwar gibt es im Nahverkehr und bei manchen Freizeitangeboten Ermäßigungen durch den „Köln-Pass“ für Bedürftige. Doch selbst die kleine Dilara muss in den städtischen Bädern „einen Euro Eintritt zahlen“, empört sich ihre Mutter. Die ältere Schwester Sevdat könnte auch in der Übermittagbetreuung der Schule essen. Dort aber kosten die Mahlzeiten 16 Euro pro Monat, zusätzlich werden sechs Euro „Toilettengeld“ eingesammelt. Die Kosten summieren sich für Stefanie Zabut: „Hier beim Mittagstisch ist eben alles umsonst, und ich komme auch zum Reden her.“ Sie sucht den Kontakt zu „Alice“ und den anderen Helferinnen, schaut regelmäßig im „Fenster der Möglichkeiten“ im Schaufenster nach, ob neue Spielsachen oder Kleiderspenden eingetroffen sind. Kinder aus Stadtteilen mit vielen einkommensschwachen Haushalten gehen seltener zu Vorsorgeuntersuchungen, sie sind häufiger krank, sie haben öfter Übergewicht und leiden stärker unter Sprachstörungen und Verhaltensauffälligkeiten. Das alles bestätigt der Gesundheitsbericht der Stadt Köln, doch die konkrete Unterstützung der Verwaltung für engagierte Projek- te wie den Mittagstisch bleibt gering. „Eigentlich müsste sich doch die Stadt um diese Kinder kümmern“, ärgert sich Lorscheid. Sie bekommt keine öffentliche Förderung, und „unsere Sozialdezernentin hat noch keinen Fuß vor diese Tür gesetzt“. In Städten wie Köln (der Studie zufolge gilt das ebenso etwa für Berlin, Hamburg oder Leipzig) leben sozial sehr unterschiedliche Milieus nebeneinander her. Sie halten sich in getrennten Welten auf und nehmen sich gegenseitig kaum wahr. Die Erwachsenen bewegen sich meist unter Ihresgleichen, der Nachwuchs geht nicht auf dieselben Schulen. In Köln-Kalk zum Beispiel besucht nur jedes vierte Kind ein Gymnasium, im wohlhabenden Stadtteil Lindenthal nahe der Universität sind es dagegen 89 Prozent der Heranwachsenden. Kinder spenden für Kinder „Eine Brücke über den Rhein“ schlagen will die Maria-Sibylla-Merian-Grundschule in Köln-Bayenthal. Schon seit mehr als einem Jahrzehnt sammeln die Schülerinnen und Schüler für eine engagierte katholische Gemeinde im sozial benachteiligten Höhenberg-Vingst, das ebenfalls zum Stadtbezirk Kalk gehört. Im „Basement“ der voll unterkellerten Kirche St. Theodor wird praktische Diakonie gelebt: Täglich verteilen ehrenamtliche Unterstützer Lebensmittel, geben Kleidung, Spielzeug oder Fahrräder umsonst an Bedürftige ab. „Für uns war ein wichtiger Aspekt, dass Kinder für Kinder spenden“, sagt Antonie Bugnard, Leiterin der Grundschule in Bayenthal: „Unsere relativ privilegierten Schüler können das besser nachvollziehen als ein Projekt in Afrika oder Indien: Nur ein paar Kilometer von ihnen entfernt leben Kinder in äußerst bescheidenen Verhältnissen.“ In dem wohlhabenden Viertel ist die Aktion mittlerweile so bekannt, dass auch Bewohner, die keine Kinder an der Schule haben, Kleidung oder andere Spenden abgeben. Später können sich die Schüler ein Video ansehen, das zeigt, wie das Gesammelte in der Vingster Kirchengemeinde ankommt. Manchmal fahren Eltern mit ihren Kindern auch persönlich auf die andere Rheinseite, um größere Sachspenden wie ein Bettgestell vorbei- Geteilte Stadt Kinderarmut konzentriert sich zunehmend in bestimmten Stadtteilen. Städte im Süden Deutschlands sind davon weniger betroffen als im Norden, Westen oder Osten. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie des Deutschen Instituts für Urbanistik*. Die geringste soziale Ungleichheit findet sich danach in wohlhabenden Städten wie Frankfurt, München und Stuttgart – erstaunlicherweise auch in Oberhausen, weil in der kriselnden Ruhrgebietskommune schlicht zu wenig reiche Bewohner leben. Die stärkste soziale Spaltung entdeckten die Stadtforscher in Berlin, Bremen, Dortmund, Hamburg, Halle, Köln und Leipzig. Aus Sicht der Wissenschaftler ist eines der wichtigsten Instrumente, räumlicher Konzentration von Armut entgegenzuwirken, „bezahlbaren Wohnraum für benachteiligte Bevölkerungsgruppen bereitzustellen“ (s. E&W 7-8/2012). tg zubringen. „Viele werden schon von zu Hause aus dazu angehalten, an andere zu denken und sich zu engagieren“, lobt Schulleiterin Bugnard. Dem Motto gemäß werden so tatsächlich „Brücken“ zwischen den unterschiedlichen Schichten und Ortsteilen geschlagen – und der sozialen Spaltung der Stadt etwas entgegengesetzt. Thomas Gesterkamp, freier Journalist Kontakt zum Kindermittagstisch: Elisabeth Lorscheid, Telefon 0178 1696303, kkmittagstisch@aol.de Spendenkonto 363543 Kreissparkasse Köln (BLZ 37050299) www.kalkerkindermittagstisch.de *  egregation, Konzentration, S Polarisierung – sozialräumliche Entwicklung in deutschen Städten. Deutsches Institut für Urbanistik, Difu-Impulse, Band 4/2012. Im Internet abrufbar über http://dnb.d-nb.de oder www.difu.de Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 39 40 27. Januar: Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus Opfer des NS-Rassismus // 27. Januar – der Tag der Befreiung des Konzentrationslagers (KZ) Auschwitz durch die Rote Armee – ist in Deutschland seit 1996 als Gedenktag den Opfern des Nationalsozialismus gewidmet. Anlass und Chance, auch im Unterricht die menschenverachtende Dimension des Naziterrors in den Blick zu nehmen. // Der Gedenktag, initiiert von Ex-Bundespräsident Roman Herzog, soll an alle Menschen erinnern, die von den Nazis verfolgt, gequält und ermordet wurden. Dazu gehören auch die Frauen, Männer, Jugendlichen und Kinder, die aufgrund eines willkürlich und einseitig festgelegten rassistischen Menschenbildes als „minderwertig“, „rassisch entartet“ oder „lebensunwert“ galten. Das NS-Regime hat den so Diffamierten und Stigmatisierten nicht nur die Menschenrechte, sondern das Lebensrecht aberkannt und sie zu „Objekten“ der Verfolgung gemacht. Kinder und Jugendliche kennen NS-Verbrechen vor allem als den Völkermord an den Menschen jüdischen Glaubens. Weniger bekannt ist Heranwachsenden vermutlich die Verfolgung der Sinti und Roma, die die Nazis den Juden „rechtlich“ gleichgestellt haben. Weniger bekannt dürften auch die Morde an geistig und körperlich Behinderten sein. Kaum bewusst dürfte vielen jungen Menschen die rassistische Dimension des Vernichtungskrieges sein, den die Nazis in Osteuropa mit dem Ziel, „Lebensraum“ für das „deutsche Volk“ zu gewinnen, führten, und in dem allein 20 Millionen Zivilisten, unter ihnen mehrere Millionen Juden, ermordet wurden. Bei der Vermittlung des Themas NS-Rassismus im Unterricht sollte deutlich werden, dass Nazi-Deutschland einen erbarmungslosen „Rassen“-Krieg gegen Säuglinge, Kinder und Jugendliche geführt hat. Sie wurden getötet, weil sie Juden, „Zigeuner“ oder Angehörige der „rassisch minderwertigen Ostvölker“ waren. Sie starben als Arbeitssklaven oder Geiseln, auf Transporten und in Lagern, bei Vertreibungen und in Gettos, bei medizinischen Experimenten, in Gaskammern. Oder bei systematischen Massenerschießungen durch sogenannte Einsatzgruppen der Sicherheits- oder Ordnungspolizei. Menschenverachtendes System Das rassistische Projekt der Nazis richtete sich nicht allein gegen sogenannte „Fremdvölkische“. Auch Angehörige der – selbstdefinierten – „nordischen Rasse“ sind gefoltert und ermordet worden. Menschen, die etwa wegen ihrer politischen Überzeugung, ihrer Lebensführung, ihrer sexuellen Orientierung, gesundheitlicher Probleme nicht dem Menschenbild der nationalsozialistischen Ideologie entsprachen. Sie wurden als „Volksschädlinge“ bzw. als „lebensunwert“ gebrandmarkt. In dem menschenverachtenden System der Nazis galten 20 Prozent der deutschen Bevölkerung als „asozial“. Die Folgen: KZ-Inhaftierung, Zuchthausstrafe, Zwangssterilisierung, Kastration oder Ermordung. Kinder und Jugendliche – beispielsweise „Hilfsschüler“, wie behinderte Kinder und Jugendliche verachtend im Nazi-Jargon hießen, selbst Säuglinge mit Behinderungen waren überwiegend von „rassenhygienischen Maßnahmen“, etwa Zwangssterilisierungen, betroffen. Bei Schülerinnen und Schülern ruft es heute immer wieder Erstaunen hervor, wenn sie erfahren, dass es in Nazi-Deutschland sogar Konzentrationslager eigens für Jugendliche gab: Mohringen für Jungen und Uckermark für Mädchen. Thematisieren Lehrkräfte den Nazi-Rassismus in all seinen Facetten, lässt sich hoffentlich jenem „Hitler(zentr)ismus“ entgegenwirken, der noch immer in den Köpfen so mancher junger Menschen (und vermutlich auch in denen etlicher Erwachsener) herumgeistert. Fakt ist auch: Die rassistische Maschinerie hätte nicht in Gang gesetzt und gehalten werden können, wenn sie nicht von den gesellschaftlichen Eliten und großen Teilen der Bevölkerung mitgetragen worden wäre. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat zum Thema ein materialreiches Heft der Reihe „Info aktuell“* vorgelegt, das die rassistische Verfolgung von Kindern und Jugendlichen am Beispiel von Einzelschicksalen darstellt. Foto: dpa Gernot Jochheim, Lehrer im Ruhestand Koffer, Schuhe, Brillengestelle: Zeugnisse der rassistischen Vernichtungspolitik der Nazis Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 Bezug des kostenlosen Materials der Reihe „Info aktuell“: IBRo, Kastanienweg 1, 18184 Roggentin, Fax 03 82 04 / 66-273, oder E-Mail: bpb@ibro.de – Im Internet unter: www.bpb.de Leserforum Inklusion – aber nicht so! (E&W 10/2012, Seite 20 f., E&WLänder­ erie NRW: „Die Konsens-Kiste“) s Mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention wurde begonnen – hektisch und übereilt, wie uns scheint. An unserer Grundschule wurde der Gemeinsame Unterricht (GU) – ohne Rücksprache mit dem Kollegium – zum Schuljahr 2012/13 eingeführt. Wir haben große Klassen mit bis zu 28 Schülerinnen und Schülern, an deren Zahl sich leider nichts verändert hat. Dazu werden in vier verschiedenen Klassen nun sechs Schüler mit Förderbedarf im emotional/sozialen Bereich und mit dem Förderschwerpunkt „Lernen“ (nahe an der Grenze zur geistigen Behinderung) im GU unterrichtet. Was das heißt, hat uns keiner gesagt. Ein Konzept liegt uns nicht vor. Es kann uns auch keiner sagen, wie es zu bewerkstelligen ist, denn es ist Gehetzt und gestresst keiner da! Um eine entsprechende Fortbildung haben wir uns nun in unserer Not bisher erfolglos bemüht. Wir Primarstufenlehrerinnen sind keine ausgebildeten Förderschulkräfte und können den im Einzelfall recht umfangreichen Förderbedarf auch im immer offeneren Unterricht unserer behinderten Schüler nur unzureichend abdecken. Wir sind uns darüber im Klaren, dass sich der Gemeinsame Unterricht weiter entwickeln muss, aber bitte nicht auf Kosten der Kinder und der gänzlich überforderten Lehrer! Erziehung & Wissenschaft 10/2012 Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW  Pädagogen, Eltern, Kinder unter Druck Lehrkräfte eines frustrierten Kollegiums, Monika Körner, Konrektorin, per E-Mail Den vollständigen Brief finden Sie unter: www.gew.de/Inklusion_aber_nicht_so.html Regieren um jeden Preis? (E&W 11/2012, Seite 20: „Reformen ohne Personal“) „,Wir streichen nicht eine einzige Schule, sondern alle.‘ Der Wahlkampfslogan des sachsen-anhaltinischen SPD-Spitzenkandidaten und Finanzministers Jens Bullerjahn im Landtagswahlkampf 2011 ließ aufhorchen.“ Soweit der Beitrag wörtlich. Der GEW-Vorsitzende von Sachsen- Anhalt urteilt richtig: „Dafür, dass sich die SPD der CDU andiene, anstatt die seit 2006 vorhandene linke Parlamentsmehrheit zu nutzen, zu der sich auch die Grünen gesellt haben, werde ein politischer Preis Arbeit und Zeit neu gestalten bezahlt.“ Das ist alles unglaublich, denn die SPD hätte ihre ursprünglichen Ziele mit der Linkspartei und den Grünen umsetzen können! Wa­ rum das Andienen bei der CDU? Regieren um jeden Preis? Nur nicht gemeinsam mit der Linkspartei! Begreift die SPD denn nicht, dass sie sich immer weiter demontiert und an Glaubwürdigkeit verliert? Erziehung & Wissenschaft 11/2012 Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW Älter werden mit dem Job Prof. Manfred Uesseler, per E-Mail Durchhalten bis zur Rente (E&W, 11/2012, Seite 6 ff., Schwerpunkt: „Älter werden mit dem Job“) Ich bedanke mich für die ausführlichen Beiträge zu diesem Thema. Die Zeit ist überfällig, ernsthaft an Veränderungen zu arbeiten. Ich bin Jahrgang 1952 und im 42. Dienstjahr als Pädagoge tätig. Zurzeit arbeite ich in einem neuen Haus in offener Arbeit. Uns steht ein ganzes Wohnhaus zu Verfügung, modern ausgestattet. Es bietet beste Bedingungen für Kinder und Erzieher. Man wird aber voll gefordert, da man nicht mehr hinter „seiner Gruppe“ die Tür zu machen kann, sondern gleich für 140 Kinder als Ansprechpartner zur Verfügung steht. Auf drei Etagen, in verschiedenen Funktionsräumen sind wir tätig. Eine tolle Arbeit, die eine gewisse Fitness verlangt. Die Kinder haben ein Recht, Erzieher zu haben, die auch mal mit Fußball spielen oder sich auf dem Hof in Spiele einbringen können. Dass uns das als Team gelingt, zeigen die lobenden Aussagen der Eltern, die uns motivieren. Ein gutes Klima im Team ist nicht zuletzt Ansporn, alles zu geben. Jedoch bleiben altersbedingte „Wehwehchen“ nicht aus und man geht oft völlig geschafft nach Hause. Leider sind Dauerkranke nicht zu vermeiden. Doch die Lücken müssen dann oft durch das eigene Team gefüllt werden, was zwangsläufig wieder zur Mehr- oder Überbelastung führt. Ich wünsche mir, dass jeder Kollege ab 60 von Jahr zu Jahr entscheiden kann, wann er aufhört. Das sollte er ohne Abzüge tun. Wer mehr als 40 Jahre als Pädagoge gearbeitet hat, sollte diese Wertschätzung genießen können. Elke Fritzsche, Görlitz, per E-Mail Weltanschaulich neutral (E&W 11/2012, Seite 24: „Wissen statt Vorurteile“) In dem Interview fordern zwei Studierende der Islamwissenschaften von den Schulen, sich stärker mit dem Thema Islam zu beschäftigen. Keine Frage: Wenn es um die Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler geht, wird, je nach Umfeld, auch der Islam eine Rolle spielen und in den Unterrichtsinhalten einen Platz finden. Aber grundsätzlich ein Defizit zu konstatieren und daraus ein Prinzip zu machen, geht für meine Begriffe zu weit. Andere Religionsgemeinschaften könnten die gleichen Forderungen stellen. Wir haben uns in Deutschland für eine weltanschaulich neutrale Gesellschaftsordnung entschieden oder waren bisher wenigstens auf dem besten Wege dazu. Demnach ist Religion Privatsache. Der Religionsunterricht an staatlichen Schulen ist ein großzügiges, für viele bereits grenzwertiges Zugeständnis an die Menschen, die das anders sehen. Im Übrigen nehme ich den beiden nicht ab, dass sie bis zum Abitur nichts vom Islam gehört haben. Die Kreuzzüge, der Fall von Konstantinopel 1453, die Türken vor Wien 1529 werden irgendwann ebenso „dran“ gewesen sein wie der Dreißigjährige Krieg. In all diesen und manch anderen Fällen haben sich Religionen machtpolitisch missbrauchen lassen. Diese Erkenntnis sollte uns davor bewahren, allzu leichtfertig einer importierten Rekonfessionalisierung der Gesellschaft Vorschub zu leisten. Peter Schild, Böblingen E&W-Briefkasten Postanschrift der Redaktion: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Postfach 900409, 60444 Frankfurt a. M., E-Mail: renate.koerner@gew.de Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zu kürzen. Anonym zugesandte Leserbriefe werden nicht veröffentlicht. Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 41 42 GEW-Intern Deutsche Auslandsschulen: teuer und exklusiv? // „Bildung als Privatsache?“ Unter diesem Motto stand die Rückkehrer-Tagung der Arbeitsgruppe Auslandslehrerinnen und -lehrer (AGAL) der GEW. Rund 50 Lehrkräfte und Referenten trafen sich in der Heimvolkshochschule Mariaspring bei Göttingen. // AGAL-Vorsitzender Franz Dwertmann Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 Foto: Harald Binder „Mindestens einmal im Monat gab es Erdbebenalarm“, berichtete Veronika Katterbe, Gymnasiallehrerin aus Hannover. „Zum Glück ist das Schulgebäude erdbebensicher gebaut.“ Drogentransporte sind an der Tagesordnung, die Kriminali­ tätsrate ist hoch. Die 58-Jährige wohnte deshalb in einer „gated community“, einer bewachten Wohnsiedlung: Veronika Katterbe unterrichtete von 2009 bis 2012 an der Deutschen Schule Guatemala. Die vom deutschen Staat geförderte ­ rivatschule führt sowohl zum deutschen Abitur als auch P zur guatemaltekischen Hochschulreife. „Hier lernen zu 98 Prozent Einheimische, meistens aus der gehobenen Mittelschicht“, erklärte die Pädagogin. Andere Deutsche Schulen im Ausland (DSA) richten sich vor allem an Kinder, deren E ­ ltern in der deutschen Botschaft, in deutschen Firmen oder Entwicklungshilfeorganisationen arbeiten. Die Teilnehmer der AGAL-Tagung beschäftigten sich vor allem mit der Frage, wohin sich die 141 DSA entwickeln. „Privatwirtschaftliche Trägerschaft – Zukunftsmodell oder Sackgasse?“ lautete ein zentrales Thema. Die Träger der Schulen sind zumeist gemeinnützige Elternvereine. 70 bis 80 Prozent des Schuletats müssen sie selbst finanzieren. Nur den Rest schießen Bund und Länder dazu. Entsprechend hoch sind die Schulgebühren: mal 4000 Euro im Jahr, mal 9600 Euro, mal mehr. Beträge, die in Kairo oder Neu Delhi nur wenige Menschen aufbringen können. Was einen Teil­ nehmer zu der Frage bewog: „Darf der deutsche Staat Schulen im Ausland unterstützen, die das Sonderungsverbot des Grundgesetzes verletzen?“ Dieses schreibt vor, dass (Privat-) Schulen nicht zu einer „Sonderung“ zwischen Arm und Reich beitragen dürfen. Antwort des Bildungsrechtlers Professor Hermann Avenarius, einem der Referenten in Mariaspring: „Das Grundgesetz gilt nur auf dem Gebiet der Bundesrepublik.“ Für Zündstoff sorgte die Finanzierungsreform, die das Auswärtige Amt (AA) vorantreibt. Demnach sinkt an vielen Schulen die Zahl der aus Deutschland entsandten „Auslandsdienstlehrkräfte“. Gleichzeitig erhalten die DSA ein Budget, um zusätzliche Lehrkräfte einzustellen – entweder aus dem Gastland oder aus Deutschland. „Das Budget reicht nicht aus“, kritisieren Schulleiter. Sie fürchten deshalb, dass die Schulvereine die Gebühren weiter anheben. Thomas Schmitt, im AA zuständig für Auslandsschulen, widersprach: „Es handelt sich nicht um ein Sparprojekt.“ Ziel sei, die Schulen flexibler zu machen. Zudem stehe noch nicht fest, wie hoch das Budget für die einzelne Schule ausfallen wird. Die AGAL der GEW nutzte die Tagung auch, um den jetzt veröffentlichten Entwurf eines Auslandsschulgesetzes zu diskutieren. „Ein Fortschritt“, urteilte AGAL-Vorsitzender Franz Dwertmann. So bringe das Gesetz mehr Planungssicherheit. Förderzusagen des Bundes würden künftig für drei Jahre gelten, nicht mehr nur für ein Jahr. Auch schreibe das Gesetz fest, dass kommerzielle Schulträger keinen Anspruch auf Förderung haben. Dennoch bestehe Handlungsbedarf. „Die Schulen müssen nachweisen, dass sie bestimmte Standards beim Arbeits- und Tarifrecht einhalten“, forderte ein Tagungsteilnehmer. Davon würden vor allem die einheimischen Lehrkräfte profitieren. Diese arbeiten in vielen Ländern zu Niedriglöhnen und können schnell entlassen werden. „Die zittern vor Angst“, so eine Lehrerin, die an der Deutschen Schule „Corcovado“ in Rio de Janeiro Erfahrungen gesammelt hat. Das Gesetz solle zudem vorschreiben, dass eine Personalvertretung („Lehrerbeirat“) einzurichten ist, die Mitbestimmung nicht bloß auf dem Papier ermöglicht. „Wir hatten einen Lehrerbeirat, da saß immer wieder die Arbeitgeberseite mit drin“, berichtete eine Rückkehrerin, die an der Deutschen Schule Montevideo als Lehrerin tätig war. Matthias Holland-Letz, freier Journalist Weitere Informationen: GEW-Privatisierungsreport Nr. 14 über Deutsche Auslandsschulen (Download): http://www.gew.de/Privatisierungs report_14_Deutsche_Auslandsschulen_-_Budgetierung_ Flexibilisierung_Privatisierung....html Arbeitsgruppe Auslandslehrerinnen und -lehrer (AGAL) der GEW: http://www.gew.de/AGAL.html GEW-Intern Foto: dpa An der Rheinpromenade in Düsseldorf können sich die Delegierten und Gäste des Gewerkschaftstages 2013 der GEW zwischen Antragsdebatten und Wahlentscheidungen erholen. Der Wahlausschuss informiert // Vorbereitungen zum 27. Gewerkschaftstag der GEW // Der Wahlausschuss für den 27. ordentlichen Gewerkschaftstag der GEW vom 12. bis 16. Juni 2013 in Düsseldorf hat sich am 15. Juni 2012 in Magdeburg unter Vorsitz von Matthias Heidn entsprechend der Richtlinien des Wahlausschusses konstituiert. Dem Wahlausschuss gehören an: 1. Die Vorsitzenden der 16 GEW-Landesverbände Doro Moritz (Baden-Württemberg), A ­ ngelika Neubäcker (Bayern), Sigrid Baumgardt (Berlin), Günther Fuchs (Brandenburg), Bernd Winkelmann (Bremen), Klaus Bullan (Hamburg), Jochen Nagel (Hessen), Annett Lindner (Mecklenburg-Vorpommern), Eberhard Brandt (Niedersachsen), Dorothea Schäfer (Nordrhein-Westfalen), KlausPeter Hammer (Rheinland-Pfalz), Peter Balnis (Saarland), Dr. Sabine Gerold (Sachsen), Thomas Lippmann (SachsenAnhalt), Matthias Heidn (Schleswig-Holstein), Torsten Wolf (Thüringen). 2. Drei Vertreterinnen und Vertreter der Bundesausschüsse im Hauptvorstand: Bodo Zeymer (BA Schulaufsicht und Schulverwaltung), Dr. Ilka Hoffmann (BA Sonderpädagogische Berufe), André Dupuis (BA Sozialpädagogische Berufe). 3. Vier von den größten Landesverbänden benannte Kolleginnen: Barbara Hauser (Baden-Württemberg), Jutta Britze (Nordrhein-Westfalen), L ­ aura Pooth (Niedersachsen), Susanne Hoeth (Hessen). 43 Der Wahlausschuss wählte zu seinem Vorsitzenden Matthias Heidn (LV Schleswig-Holstein), zur stellvertretenden Vorsitzenden Annett Lindner (LV Mecklenburg-Vorpommern) und zum Bericht erstattenden Mitglied Bodo Zeymer (Schulaufsicht und Schulverwaltung). Der Wahlausschuss beschloss darüber hinaus entsprechend der Richtlinien folgenden Terminplan: Die Bekanntgabe der Ämter, die durch Wahl auf dem Gewerkschaftstag zu b ­ esetzen sind, erfolgt in der JanuarAusgabe 2013 von „E&W“ sowie in den GEW-Landeszeitungen. Bis zum 11. März 2013 besteht dann die Möglichkeit der Einreichung von Wahlvorschlägen beim Vorstand des Wahlausschusses. Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 Foto: CCD – Congress Centrum Düsseldorf 44 GEW-Intern Congress Centrum Düsseldorf, Tagungsort des Gewerkschaftstages der GEW Vor diesem Hintergrund gibt der Wahlausschuss bekannt, dass gemäß geltender Satzung auf dem Gewerkschaftstag 2013 nachstehende Ämter durch Wahl zu besetzen sind: 1. Geschäftsführender Vorstand Die Vorsitzende oder der Vorsitzende (Paragraf 20, Ziffer 1a); Die Mitglieder der Arbeitsbereiche (Paragraf 20, Ziffer 1b) •  inanzen F •  rauenpolitik F A •  ngestellten- und Beamtenpolitik Vier Mitglieder für die Organisationsbereiche (Paragraf 20, Ziffer 1c) •  ugendhilfe und Sozialarbeit J • Schule •  ochschule und Forschung H •  erufliche Bildung und Weiterbildung. B Gemäß Paragraf 20, Ziffer 4 wird aus der Mitte der Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstandes nach Ziffer 1 b) und c) die oder der stellvertretende Vorsitzende in einem gesonderten Wahlgang gewählt. Einer der beiden Vorsitzenden nach Ziffer 1 a) und Ziffer 4 soll eine Frau sein. 2. Bundesschiedskommission Drei ständige und drei stellvertretende Mitglieder der Bundesschiedskommission (Paragraf 9). Die Richtlinien des Wahlausschusses sehen in Ziffer 6 vor, dass in der Wahlausschreibung satzungsändernde Anträge, die die zu besetzenden Ämter neu regeln, entsprechend berücksichtigt werden. Vor diesem Hintergrund weisen wir auf folgende Anträge hin: Der Antrag des GEW-Landesverbandes Sachsen-Anhalt sieht in Paragraf 20 folgende Fassung der Ziffer 1 vor: 1. Dem Geschäftsführenden Vorstand gehören an: Erziehung und Wissenschaft | 01/2013 a) die Vorsitzende oder der Vorsitzende, b)  ünf stellvertretende Vorsitzende f mit jeweils einem der folgenden Arbeitsschwerpunkte: •  rganisation, Service und Finanzen O T •  arif- und Beamtenpolitik •  ildungspolitik im Bereich der KinderB und Jugendhilfe •  ildungspolitik im Bereich Schule B •  ildungspolitik im Bereich Hochschule, B Forschung und Erwachsenenbildung Mindestens die Hälfte der Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstandes sollen Frauen sein. Weiterhin liegt ein Antrag des GEW-Landesverbandes Hamburg vor, der für den Fall der Abstimmung des o. a. Satzungsänderungsantrages von Sachsen-Anhalt unter Paragraf 20 Geschäftsführender Vorstand, Buchstabe b), 2. Spiegelstrich folgende Widmung des Vorstandsbereiches vorsieht: •  arif-, Beamten- und SeniorinnenT und Seniorenpolitik Der Antrag des Bundesfrauenausschusses schließlich sieht folgende neue Fassung des Paragrafen 20 Geschäftsführender Vorstand vor: 1. Dem Geschäftsführenden Vorstand gehören acht Mitglieder an, die Zusammensetzung entspricht der Geschlechterverteilung der Mitglieder. Er besteht aus den Mitgliedern der acht Vorstandsbereiche: •  inanzen, F •  rauen-, Gleichstellungs- und F G ­ eschlechterpolitik, •  ngestellten- und Beamtenpolitik, A •  rganisationsentwicklung, O •  ugendhilfe und Sozialarbeit, J •  chule, S •  ochschule und Forschung, H •  erufliche Bildung und Weiterbildung. B Der Gewerkschaftstag wählt aus den acht Mitgliedern des Geschäftsführen- den Vorstands zwei gleichberechtigte Vorsitzende, von denen mindestens eine Person eine Frau ist. Die Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstands sollen über folgende Fähigkeiten verfügen, um ihre Aufgaben im Sinne eines Teams wirkungsvoll nach innen und außen zu erfüllen: •  eam-Kompetenz T •  ender-Kompetenz G F •  ach-Kompetenz •  edien- und KommunikationskomM petenz Sie werden bei der Teamentwicklung professionell begleitet. 2. Weitere Handlungsfelder sowie ihre Verteilung auf die Mitglieder des Geschäftsführenden Vorstandes werden vom Hauptvorstand auf Vorschlag des Geschäftsführenden Vorstandes festgelegt. Die Zuständigkeit für Gender Mainstreaming liegt bei beiden Vorsitzenden, wobei die Verantwortung der Umsetzung bei allen Vorstandsmitgliedern liegen muss. Gemäß den Richtlinien des Wahlausschusses können die GEW-Landesverbände sowie die Bundesausschüsse bis zum 11. März 2013 Wahlvorschläge beim Vorsitzenden des Wahlausschusses, z. H. des Geschäftsführers, GEWHauptvorstand, Postfach 90 04 09, 60444 Frankfurt am Main, einreichen. Dabei muss erkennbar sein, ob sich die Vorschläge auf die Wahlämter gemäß geltender Satzung oder auf die vom GEW-Landesverband Sachsen-Anhalt über eine Satzungsänderung angestrebten veränderten Wahlämter bzw. deren Modifikation durch den Landesverband Hamburg oder auf die vom Bundesfrauenausschuss vorgeschlagene Änderung der Wahlämter beziehen. Nach Prüfung der Gültigkeit der eingereichten Wahlvorschläge und Einholung der Zustimmung der Kandidatinnen und Kandidaten im Vormonat des Gewerkschaftstages erfolgt die Bekanntgabe der Kandidaturen in der Mai-Ausgabe 2013 von „E&W“. Matthias Heidn, Vorsitzender des Wahlausschusses, Annett Lindner, stv. Vorsitzende des Wahlausschusses Bodo Zeymer, Bericht erstattendes Mitglied GEW-Intern 45 MaiMeeting der GEW // Das MaiMeeting ist die zen­ trale Bildungsveranstaltung der GEW für ihre Mitglieder, besonders für Funktionärinnen und Funktionäre. Der Austausch über die Grenzen von Landesverbänden und GEW-Organisationsbereichen hinweg wird von den Teilnehmenden sehr geschätzt. // In diesem Jahr findet das MaiMeeting vom 9. bis 12. Mai im Bildungszentrum Erkner statt. Der Veranstaltungsort liegt mitten im romantischen Wald- und Seen­ ebiet Brandenburgs. g Folgende Workshops mit versierten Trainern sind im Angebot: •  Ready-Steady-Go!“ Planspiel zur „ Berufserkundung an allgemeinbildenden Schulen •  ewerkschaftskultur: Arbeiterlieder G •  erechtigkeit heute – das SpanG nungsfeld von Freiheit und Gleichheit neu bestimmen •  eue Aktive für die GEWerkschaftsN arbeit gewinnen •  eue Medien für die GEWerkN schaftsarbeit nutzen •  eminar für Aktive der Jungen S GEW Weitere Information zum Programm mit kulturellen Highlights und politischen Abendveranstaltungen, zu Teilnahme­ bedingungen und Anmeldung unter: http://www.gew.de/maimeeting.html Anmeldeschluss: 28. Februar 2013 Kontakt für Nachfragen: Nicole Lund, GEW-Hauptvorstand Reifenberger Straße 21 60489 Frankfurt/Main Tel.  069/78973-209 Fax: 069/78973-102 E-Mail: nicole.lund@gew.de ANZEIGEN G E 2 1 Z 3 4 I hans Lösung 2 ZARB 4 IST 3 EINFACH 1 GENIAL zybura Z A R B Arbeitsblätter kreativ & schnell erstellen Das unentbehrliche Basiswerkzeug für Lehrkräfte: Mit ZARB erstellen Sie differenzierte Lernaufgaben aus deutschen oder fremdsprachigen Texten, alltagstaugliche Arbeitsblätter, die fördern und fordern. Direkt im Textprogramm erzeugen Sie neue Rätsel, Lücken- und Fehlertexte, Schüttel- oder Schlangentexte und mehr. Kompetenzorientierte Übungen zu Wortschatz, Rechtschreibung, Grammatik, Satzbau, Textaufbau und Inhalt entstehen mit wenigen Mausklicks. software Waldquellenweg 52 • 33649 Bielefeld • Fon 0521 . 9 45 72 90 • info@zybura.com • www.zybura. com Extra günstig vom Spezialisten anrufen und testen. 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